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Schreibübungen

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Ein Stück Himmel

Monats-Challenge Januar
 

Ich schlug die Augen auf.

Jede einzelne Faser meines Körpers schmerzte. Einer dieser Momente, in denen ich mir mein eigenes Bett herbeiwünschte.

Unter gequältem Stöhnen setzte ich mich auf. Dieser Rücken würde mich noch umbringen…

Fahles Licht fiel in den schmalen Raum. Mit Sicherheit wieder so ein Dreckswetter draußen wie schon die letzten Tage.

Verschlafen betastete ich mein Gesicht. Eine Rasur war bald wieder fällig. Welcher Tag war heute? Seit ich hier war, hatte ich mein Zeitgefühl komplett verloren. Ich zählte die Tage nur noch nach Zelle dunkel oder Zelle hell.
 

Der kahle Raum erdrückte mich, ich konnte kaum einen klaren Gedanken fassen.

Mein Blick glitt aus dem Fenster. Dunkle Mauern, vergitterte Fenster und noch mehr gebrochene Seelen.

Den Himmel konnte ich nur sehen, wenn ich mich rücklings auf den Boden legte. Aber das konnte ich meinem verspannten Körper gerade nicht antun.

Trotzdem hätte ich gern ein Stück Himmel gesehen. Auch wenn er dunkel und wolkenverhangen sein würde. Ein Stück Freiheit, Hoffnung. Die Erinnerung daran, dass es dort draußen etwas gab, das auf mich wartete.

Doch … mal ehrlich, was wartete denn da draußen auf mich?

Die zurückgelassenen Trümmer meines alten Lebens – Ein Stapel Schulden, eine kleine Wohnung, die im Chaos versank, eine Schwester, die mich bei jeder Gelegenheit belehrte und mir Schuldgefühle einredete.

Wollte ich wirklich wieder da raus?

Die Welt war grausam und hart und vielleicht war ich hier drinnen besser aufgehoben als dort draußen.
 

Ich seufzte. Nein, nein, nein. So durfte ich einfach nicht denken.

Nur ein paar Gitterstäbe trennten mich von der Freiheit. Und die wünschte ich mir doch so sehr!

Aber was würde ich mit ihr machen?

Was, wenn meine ach so tollen „Freunde“ plötzlich wieder aufkreuzten und mir den Kopf verdrehten? Würde ich dann widerstehen können?

Verdammt, nur wegen denen saß ich doch hier! Sie hatten mich, einen leichtgläubigen jungen Mann, den das Leben gründlich verarscht hatte, gefangen genommen mit ihren Träumen von Geld – viel Geld.

Mit dem Geld würden sich all meine Probleme in Luft auflösen, versprachen sie. Ich war ein leichtes Opfer.

Kaum hatten sie mir das Blaue vom Himmel versprochen, musste ich schon spüren, dass das Geld nicht einfach vom Himmel regnete, wenn meine „Kumpels“ das so wollten. Dabei war das anfangs alles nur ein kleiner Spaß gewesen, ein Zeitvertreib. Oder eine Chance, mein Leben in den Griff zu kriegen.

Sie trugen mir die Drecksarbeit auf. Ich sollte rauben und betrügen, während die Anderen neue Pläne ausarbeiteten.

Vor dieser erschreckenden Erfahrung hatte ich nie auch nur an ein Verbrechen gedacht. Ich hatte welche aus schlechten Krimis gekannt, vielleicht aus dem Fernsehen. Doch ich lernte sehr schnell dazu. Geld sah ich trotzdem niemals.

Und irgendwann musste es ja so kommen, dass sie mich schnappten. Meine tollen Freunde konnten fliehen und ich, ahnungslos und dumm, wurde auf frischer Tat ertappt. Bloß eine Supermarktkasse. Ich hatte der Kassiererin meine Waffe an die Stirn gehalten, als sie bei Ladenschluss gerade die Alarmanlage einschalten wollte, und mit einer Knarre vor dem Gesicht tun die Menschen wirklich alles für dich. Leider hatte ich nicht bemerkt, wie sie den Notknopf hinter der Kasse drückte.

Vor Gericht hatten sie mir noch einige andere Straftaten nachweisen können. Und ruckzuck – Hier saß ich.
 

Ich hatte einige Monate abzusitzen, doch nächsten Monat war es geschafft. Ich würde endlich wieder ungesiebte Luft schnuppern können.

Unbeholfen erhob ich mich vom Bett und machte ein paar Schritte.

Vom Fenster bis zur Tür waren es nur knapp 4 Schritte. Über dem Waschbecken hing ein Spiegel, ich traute mich aber nicht hineinzuschauen.

Viel zu große Angst vor meinem fast leblosen Gesicht. Es musste aussehen wie das Mondgesicht – Punkt, Punkt, Komma, Strich. Der Mann im Mond musste ziemlich ausdruckslos ausschauen, überlegte ich mir.

Missmutig drehte ich den Hahn auf und klatschte mir eine Ladung eiskaltes Wasser ins Gesicht.
 

Wenn ich hier rauskam, konnte ich doch nicht so weitermachen wie bisher. Auf keinen Fall! Das war hier doch eigentlich ein kräftiger Schubs in den Neustart! Nein, schon eher eine Tracht Prügel, aber wie auch immer – Hier sollte man doch „über seine Taten nachdenken“, oder nicht?

Und dann … sein Leben umkrempeln? Ein guter Bürger werden? Keine Dummheiten mehr anstellen?

Das war doch eine Chance, ich wollte es nur nicht wahrhaben.

Plötzlich zitterten meine Hände.

Ich würde neu anfangen.

Ein neuer Job, eine neue Wohnung, ein völlig neues Leben. Ganz weit wegziehen, dorthin, wo sie mich nie finden würden.

Ich hatte mein Schicksal selbst in der Hand.

Das war schon immer so gewesen, ich hatte es einfach nicht gemerkt!

Der Eifer überkam mich, Euphorie breitete sich bis in meine Fingerspitzen in mir aus. Der kahle Raum konnte mir nichts mehr anhaben. Bald begann mein neues Leben. Mein richtiges Leben.
 

Da hörte ich, wie die Schlösser meiner Zellentür geöffnet wurden. Ein Wärter.

„Essen“, brummte er trocken.

Er riss die Augen ganz schön weit auf, als er das breite Lächeln in meinem Gesicht sah.

„Na sowas“, murmelte er verwundert, doch senkte den Blick schnell wieder.

Ich verließ unter seiner Aufsicht die Zelle.

Meine Geschichte würde nicht weiter so verlaufen wie es für mich vorgesehen war.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Varlet
2009-03-11T15:16:53+00:00 11.03.2009 16:16
Hi,
also ich find deine Umsetzung wirklich gut gemacht, der Einstieg in die Story hast du problemlos hinbekommen
Also ich hab nun gar nicht mehr zu zu fügen als Aya_Nox
das meisnte wurde erwähnt und beim Satz: Unbeholfen erhob ich mich vom Bett und machte ein paar Schritte. Vom Fenster bis zur Tür waren es nur knapp 4 Schritte
finde ich, dass das zweite Schritte irgendwie die Stimmung runter zieht. Es hört sich sehr wiederholend an.

LG
Von:  Chimi-mimi
2009-02-28T18:36:30+00:00 28.02.2009 19:36
Oh man, ich wusste doch, da war noch was >.<
Also dein Kommentar mit einem Monat Verspätung *seufz*
Erst Mal nochmal Glückwunsch zum ersten Platz ^^
Den hast du dir verdient.
Ich mag deinen Schreibstil und wie du das Ganze umgesetzt hast, ist wirklich gelungen.
Eigentlich hab ich nichts mehr hinzuzufügen, denn Aya nimmt mir mit ihren Kommentaren immer schon alles vorweg u.u
Also: Gefällt mir wirklich gut ^^
Von:  Peacer
2009-02-22T22:12:41+00:00 22.02.2009 23:12
Hallo =)
Das wichtigste einmal vorne weg: gute Idee, die du mit einem noch besseren Schreibstil richtig toll umgesetzt hast. Auch nach längerem Suchen habe ich keine Kritikpunkte gefunden *seufz* Also einfach weiter mit dem Lob *g*
Sehr gut finde ich den Anfang, mit den Rückenschmerzen. Man wird sofort neugierig: Wer hat Schmerzen? Wieso? Wo ist er?
Und dann erwähnst du, dass eine Rasur nicht schlecht käme, und schon hat man eine Information mehr über den Chara, das Geschlecht.
Sowieso ist der ganze Aufbau sehr gut gelungen. Die Vergangenheit des Charas, ziemlich düster, und dann zum Schluss die Hoffnung auf einen Neustart.
Toll *verbeug*

LG,
Peacer
Von:  Guglehupf
2009-02-01T18:25:58+00:00 01.02.2009 19:25
Ich gebe Aya_Nox Recht, mit dieser Geschichte hast du wirklich den ersten Platz verdient. Es ist eine tolle Geschichte, die das Wesentliche auf den Punkt bringt.
Der Erste Absatz ist dir besonders geglückt, er fesselt richtig, macht Appetit auf mehr. Und diese Erwartungen an den ersten Teil einer Geschichte konntest du wirklich gut halten.
Du hast es geschafft, wirklich nur aus der Sicht des Mannes zu erzähle, sogenanntes Einsinniges Erzählen, wie man es z.B. aus Franz Kafkas Prozess kennt.
Das einzige, was ich dir anzukreiden habe, ist das Ende. Mir ist nicht ganz schlüssig, warum er jetzt auf einmal so grinsen muss. Die ganze Atmosphäre vorher hat das Gefühl aufgebracht, dass er depressiv ist, dass er resigniert hat (jedenfalls ist das Meine Meinung, ich lasse mich gerne eines besseren) und dann grinst er bei dem Gedanken an saein neues Leben. Das halte ich für etwas unrealistisch.

Ansonsten eine gute, schön kurze Geschichte.
Gruß
Guglehupf
Von:  Wintersoldier
2009-01-31T10:27:57+00:00 31.01.2009 11:27
Huiii~i, endlich mal ein längerer Beitrag. |3
Ich dachte schon, alle würden sie kurz halten...

Schöner Schreibstil, interessante Idee, gute Umsetzung der Vorgabe, um es kurz zu halten - ich weiß nämlich nicht recht, was ich dazu sagen soll. Manchmal bin ich so planlos... naja, ich versuche es einfach mal... |P Guter Einstieg in die Szene. Anfangs war ich nicht sicher, worum die Geschichte überhaupt handeln soll, aber nach dem ersten Absatz war es mir klar. ^-^ Ich-Perspektive ist übrigens gut gewählt für sowas. Erzählt sich dann immer gleich viel einfacher - besonders im Hinblick auf Gedanken. Allgemein ist der Gedankengang gut durchdacht. Ein wenig Reue, ein wenig Wut, ein wenig Trostlosigkeit... doch, kommt alles relativ gut rüber. Er kann einem fast leid tun, dass man ihn so verraten hat. (Obwohl er auch selber schuld ist.)

>> Ich hatte einige Monate abzusitzen, doch nächsten Monat war es geschafft. Ich würde endlich wieder ungesiebte Luft schnuppern können. Unbeholfen erhob ich mich vom Bett und machte ein paar Schritte. Vom Fenster bis zur Tür waren es nur knapp 4 Schritte. <<

Das ist der einzige Absatz, der mich ein wenig stört. Zum einen würde ich "vier" immer ausschreiben... zum anderen hast du Wortdoppelungen drinne. Monate - Monat geht ja noch... wäre auch etwas schwieriger es anders zu schreiben. Aber die Schritte stören mich in meinem Lesefluss dann doch ein wenig. Allgemein finde ich den letzten Satz "Vom Fenster..." ein wenig überflüssig. Wahrscheinlich soll er die Trostlosigkeit ein wenig untermalen, aber irgendwie funktioniert das an der Stelle nicht ganz - zumindest nicht so. Vielleicht wäre soetwas an der Stelle besser gewesen:

>> Unbeholfen erhob ich mich vom Bett. Vom Fenster zur Tür waren es nur knapp vier Schritte, welche ich inzwischen bereits unzählige Male hinter mich gebracht hatte - und auch jetzt ging ich sie ein weiteres Mal. Über dem Waschbecken [...] <<

Alles in allem aber auch eine schöne Geschichte - sofern man die Situation denn als "schön" bezeichnen kann.

Liebe Grüße
Aya

P.S: Glückwunsch zum ersten Platz, nochmal! ♥


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