Erblicher Instinkt
Tenten ging schweigend neben Neji her, der einen unheimlichen verblödeten Blick aufgesetzt hatte, der zu ihm eigentlich nicht passte.
Sie fragte sich, wie er sich wohl fühlen würde, völlig hilflos und ahnungslos, mit nur einer Person die er anscheinend trauen konnte. Sie hatte gespürt, dass sie die einzige Vertrauensperson für ihn war, schon allein, weil er ihre Hand hielt und in ihrer Nähe sein wollte.
Neji schien sich wirklich nicht an das Anwesen zu erinnern, denn sein Blick ging ziellos hin und her und sein Kopf drehte sich orientierungslos in jede Richtung.
Tenten kannte sich auch nicht allzu gut hier aus, denn sie war stets in seiner Begleitung wenn sie an diesem Ort war. Doch nun kannte sich selbst Neji nicht mehr aus und sie konnte nur hoffen, dass sie zufällig Hinata begegnete. Die Wahrscheinlichkeit sie auf diesem großen Anwesen auf Anhieb zu finden war zwar gering, doch völlig unverhofft tauchte das gesuchte Mädchen auf. Ihre langen Haare wehten auf eine beruhigende Weise im Wind und als sie die beiden erblickte, hellte sich ihr Gesichtsausdruck auf.
„Hallo ihr zwei“, begrüßte sie sie und ihr Blick schweifte zu ihren Händen, jedoch sagte sie nichts dazu.
„Hallo Hinata“, sagte Tenten.
Plötzlich löste Neji seine Hand von ihrer und trat vor um Hinatas Hand aufgeregt zu schütteln.
„Du musst Hinata sein“, sagte er und schüttelte weiter. „Schön dich kennen zu lernen.“
„Äh“, begann diese sichtlich verwundert, doch Tenten unterbrach sie.
„Wir müssen mir dir reden. Allein.“
Hinatas Zimmer war hübsch eingerichtet. Ein kleiner Tisch bildete das Zentrum des Raumes um den sich die drei auf den Boden setzten.
„Wollt ihr einen Tee trinken?“, fragte sie des Anstandshalber.
„Nein, danke“, lehnte Tenten höflich ab.
„Ich würde gerne einen haben“, mischte sich Neji ein.
„Wirklich?“, fragte Hinata ungläubig.
„Wir haben keine Zeit für Tee“, murmelte Tenten und spielte nervös mit dem Zipfel der Tischdecke. „Wir haben ein Problem.“
„Bist du schwanger?“
„Nein!“, sagte sie entsetzt und sah Hinata schockiert an. „Ich kann dir nicht mehr sagen, als ich weiß. Ich wollte dich eigentlich etwas fragen, da dies vielleicht das Problem lösen würde.“
„Dann frag ruhig“, sagte sie mit einer beruhigenden Art in der Stimme.
„Wie erlernt man das Byakugan?“
Hinata hatte offensichtlich mit allem gerechnet, aber damit nicht. „Das Byakugan erlernen?“, wiederholte sie. „Nun, Tenten, du kannst es nur verwenden, wenn du das Erbe des Hyuuga-Clan hast.“
„Ich will es doch nicht lernen.“
„Wer dann?“
Tenten deutete auf Neji, der gerade damit beschäftigt war die Blumen auf der Tischdecke zu zählen und sich überhaupt nicht am Gespräch beteiligte.
„Ich versteh nicht“, sagte sie schließlich.
„Es ist simpel. Neji hat sein Gedächtnis verloren.“
„Was?“, schrie Hinata förmlich auf.
Tenten zuckte zusammen, da sie nicht so einen lauten Tonfall von Hinata gewohnt war.
„Tut mir leid“, murmelte diese und wurde etwas leiser. „Wie ist das passiert?“
„Wir wissen es nicht. Neji hat heute zum Training und wusste scheinbar nichts mehr, noch nicht mal seinen Namen. Wir forschen nun nach, was geschehen ist und wie wir es rückgängig machen könnten. Lee und Gai fragen die Dorfbewohner wo Neji gestern Abend war.“
„Und deswegen willst du wissen, wie er das Byakugan aktivieren kann.“
„Genau. Sowas verlernt man nicht, aber er wusste gar nicht, was ich mit Byakugan meinte.“
„Aber erlernen kann man es auch nicht. Es ist ein Instinkt.“
„Dann ist es also unmöglich, dass Neji es wieder erlernt?“
„Ich denke schon, aber wir hatten noch nie so einen Fall, also kann es durchaus möglich sein. Wir können es ja versuchen.“
„Danke Hinata.“
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Er bemerkte den ernsten Blick von Hinata und versuchte es ihr gleich zu tun, kam sich aber ziemlich albern vor.
Plötzlich veränderten sich ihre Augen, wurden fester und stärker und die Adern ringsum traten vor. Vor Erschütterung und Bewunderung zuckte er zusammen.
„Du musst deine ganze Kraft sammeln“, murmelte sie hochkonzentriert.
„Ich versuch es doch“, zischte Neji.
„Sammel dein Chakra.“
Er ersparte sich die Frage was sie damit meinte, weil er nicht wollte das Tenten sich noch mehr sorgte. Natürlich hatte er bemerkt wie erschüttert und enttäuscht sie war, als er sich nicht mehr an sein Erbe erinnern konnte. Er sah sie aus dem Augenwinkel und fragte sich, wieso sie so ein ernstes Gesicht machte. Er brauchte ein Lächeln, eine kleine Aufmunterung, damit er sich nicht allzu dämlich vorkam. Doch sie lächelte nicht.
„Neji, bitte“, murmelte seine Cousine um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
„Ja, natürlich.“
Tenten stand etwas abseits auf der großen Wiese hinter dem Anwesen. Sie sah niemanden und war heilfroh darüber. Es wäre bestimmt komisch die drei so stillstehend zu sehen und viele würden sich fragen, was die drei hier tun würden.
Das Mädchen bemerkte Nejis Blick und ihre Gesichtsmuskeln spannten sich an. Sie wollte ihn nicht unnötig aufregen und ein Lächeln wäre weiß Gott unangebracht gewesen, immerhin war diese Situation ernst und das durfte sie nicht mit einem Grinsen überspielen. Deswegen blieb sie lieber ernst und beobachte aus einem sicheren Abstand her das Ereignis.
Neji löste den Blick von seiner Teamkameradin und schloss die Augen. Er musste sein Bestes geben, damit Tenten wieder ein Grund zu Lächeln hatte. Er versuchte jeglichen Gedanken zu vertreiben, versuchte den schwachen Wind zu spüren und den Duft der Blumen zu riechen. Er vergaß seine Außenwelt und tauchte in eine angenehme, vertraute Leere. Er spürte die Angespanntheit, als er die Augen wieder öffnete. Die Welt kam ihn plötzlich ungewohnt vertraut und doch so fremd vor. Er sah sich um und plötzlich kam Tenten auf ihn zugerannt und umarmte ihn.
„Du hast es geschafft“, sagte sie aufgeregt und drückte sich an ihn. „Du kannst es wieder, Neji.“
Etwas erstaunt, aber dankbar, das sie wieder glücklich war, drückte er sie sachte an sich.
„Gratuliere“, sagte Hinata leise und aufmunternd. „Du hast gerade das Byakugan aktiviert.“
„Ich bin so froh, Neji“, sagte Tenten und löste sich sanft aus seiner Umarmung.
Sie lächelte ihn an und ihm kam es vor, als ob sie niemals zuvor so gelächelt hatte.
Er bemerkte, dass er wahrscheinlich nur sein Erbe aktivieren konnte, damit er ihr Lächeln wieder sehen konnte.
Egal wer sie auch war, auch wenn er sich nicht an alles aus seinem Leben erinnern konnte, wusste er, dass er sie liebte. Vielleicht nicht den Menschen, der sie wirklich war, doch er liebte ihr Lächeln, das so ehrlich war.
Dafür musste er sich auch nicht an sein altes Leben erinnern…