Beautiful Name
5. Beautiful Name
Es gibt eine universelle Checkliste für Leute, die verreisten und es war auch Teil dieser universellen Checkliste, dass man sie nie schriftlich hatte und immer mindestens einen Punkt vergaß. Hund bei Nachbarn abliefern? Check, allerdings wohnte das arme Ding eh schon mehr bei denen als bei Saga. Verderbliche Lebensmittel aufessen? Check. Kaffeemaschine ausstecken, Herd abdrehen, Tür zuschließen? Er fuhr ja erst morgen, also noch zu früh. Tasche packen? Äh. Sein Blick ging von der leeren Reisetasche zu seinem übervollen, unübersichtlichen Kleiderschrank und zurück.
Er wurde vom Vibrieren seines Handys in der Hosentasche errettet.
„Saga~!“ Miyavis Stimme ging durch Mark und Bein. Der Bassist zuckte und hielt sein Handy weiter weg. „Jetzt ist sie endgültig weg! Sie hat ihre Sachen geholt und mir meine zurückgebracht und plötzlich ist die Bude hier so leer hast du Zeit, was mit mir zu unternehmen?“ Das alles kam aus einem einzigen Atemzug geschnauft. Saga war beeindruckt. Ob es daran lag, dass Miyavi Sänger war oder war es eher eines dieser spezifisch-Miyavi Dinge?
„Uh, weißt du das würde ich liebend gerne, aber wir fahren morgen früh auf Tour und ich muss noch einiges erledigen und so.“ Und das meinte er ernst. Saga fand Trösten zwar doof, aber Tasche packen noch viel doofer.
„So ne mickrige Tour ist wichtiger als das Seelenleid deines Sempai? Saga-kun, du musst lernen, Prioritäten richtig zu setzen!“
Er lachte. „Na wenn du schon wieder scherzen kannst, geht es dir ja schon besser, nicht wahr?“
„Ich weiß nicht.“ Die Stimme klang plötzlich viel leiser. „Ich glaub ich bin schon etwas über sie hinweg, aber ich… na ja ich war noch nie so allein, ich weiß gar nicht, was ich machen soll.“
Ein Problem, das Saga völlig unbekannt war. Wenn er allein war, dann war er gern allein, denn sonst ging er einfach aus. „Tja. Lenk dich doch einfach ab. Schreib ein Lied oder lass dir ein neues Tattoo stechen oder so was. Ich mein, hey! Du bist wieder Single, noch dazu Rockstar und ziemlich heiß! Das muss doch gefeiert werden, nicht betrauert.“ Eine längere Pause folgte. „Miyavi? Bist du noch dran?“
„… ja.“
„Alles okay?“ Plötzlich hatte Saga Angst, dass Miyavi wegen seiner dämlichen Exfreundin irgendeinen Blödsinn machte. „Soll ich doch mal schnell rüber kommen?“ Obwohl ‚rüber’ leider ans andere Ende der Stadt meinte.
„Danke, dass du mir zugehört hast. Du bist ein echter Freund.“
„Unsinn, das hätte doch jeder getan.“ Davon war Saga fest überzeugt, der Solokünstler war bei allen Bands und den Angestellten beliebt. Ja sogar bei den ausländischen Putzfrauen, die kein Wort Japanisch konnten. Miyavi war einfach universal beliebt. Außerdem hätten die meisten sich weit besser um ihn gekümmert als er. Der Bassist bekam das Gefühl, dass er sich in letzter Zeit viel zu sehr um sich selbst gedreht und zu wenig auf die anderen geachtet hatte. „Hey, wir sind zwar jetzt eine Weile weg, aber was hältst du davon, wenn wir was unternehmen, wenn ich zurück bin?“
„Ich nehme dich beim Wort!“
„Cool.“
*
Der nächste Morgen kam viel zu früh. Saga schleppte sich verschlafen in den wartenden Tourbus. Ausnahmsweise war der Bus nicht der allgemeinen Sparlinie zum Opfer gefallen, daher war er immerhin bequem ausgestattet. Saga freute sich schon darauf, die nächsten Stunden in den Sitz gekuschelt weiter zu schlafen. Erst musste er allerdings Reita bewundern, der allen stolz seine neuen Gehgipse vorführte und wie er damit auf zwei Krücken herum hopste. Auch mit noch halb geschlossenen Augen konnte er sehen, dass Ruki hinten auf einen Gips ‚meins! :p’ gemalt hatte. Allerdings war er nicht sicher, ob Reita das auch wusste. Nicht, dass es Saga etwas anging.
Er suchte den Bus nach Aoi und Uruha ab, vielleicht hätten sie ja Interesse an einer gemeinsamen Fortsetzung ihrer nächtlichen Aktivitäten. Durch das Rummachen mit seinen Bandkollegen, hauptsächlich Hiroto und Shou, war Saga nach Konzerten immer ziemlich notgeil. Leider konnte er sich nicht einfach zwei oder auch drei Fans schnappen, da er eben überhaupt nicht auf Frauen stand und die paar Jungs, die da waren, zu neunzig Prozent auf Tora scharf waren. Der komplette Staff war aus Gründen der Professionalität gänzlich und gar verboten, womit nur noch die Band übrig blieb. War ja nun wahrlich kein Wunder, dass Saga immer wieder völlig ausgehungert bei Nao, Tora oder Shou im Bett landete, aber da sie dieses Mal Gazette dabei hatten, war er Abwechslung nicht abgeneigt.
„Uh, Kai-san?“ fragte Saga, „Wo sind eigentlich eure Gitarristen?“
„Die fahren das Equipment-Auto.“
„Hältst du das für eine gute Idee?“ hakte sich Nao in das Gespräch ein. „Sie unbeaufsichtigt zu lassen, nach allem, was du mir erzählt hast…“
„Alles, was mir die zwei fern hält, ist eine gute Idee.“
Nao hatte also recht gehabt mit dem, was er ihnen erzählt hatte, bevor er mit dem Vorschlag eines Bowlingturniers ankam. Zwischen den Bandmitgliedern von Gazette war nicht alles im rechten Lot. Deshalb hatte Nao es sich zur Aufgabe gemacht, die andere Band wieder zu einer harmonischen Einheit zu machen. Sein erster Versuch, die andere Band fester zusammenzuschweißen, eben das Bowlingturnier, das alice nine in der festen Absicht zu verlieren begonnen hatten, war leider ziemlich aus dem Ruder gelaufen und hatte im Chaos geendet. Aber wie er Nao kannte, würde ihn das nicht davon abhalten, es weiter zu versuchen.
Seine Gedanken wurden von Shou unterbrochen, der es endlich geschafft hatte, sein gesamtes Gepäck zu verstauen und Saga dann von hinten anhüpfte.
„Heilige Scheiße, Saga, ich hoffe du schützt dich immer beim Sex.“
„Klar, ich hab ne Hunderterpackung…“ Sagas Gehirn holte den Mund ein. „Wie was wieso warum?“
„Die Liste ist verdammt lang geworden!“ vermeldete Tora von der Seite.
„Liste? Ach, die? Was, habt ihr die weitergeschrieben? Ist euch so schrecklich langweilig? Was habt ihr gemacht, jeden einzelnen, der euch unterkam, gefragt, ob sie es schon mal mit mir getrieben haben?“
„Nö.“ Shou lächelte selig. „Wir haben sie einfach ans Schwarze Brett im Aufenthaltsraum gehängt und die Leute haben angefangen, ihre Namen selber drunter zu schreiben. Ein Phänomen!“
„Ihr habt WAS? HABT IHR SIE NOCH ALLE? Sag mir, dass das ein Scherz ist.“ Aber Shou sah ihn nur groß aus seinen rehbraunen Augen an. Der Sänger konnte gar nicht lügen. „Habt ihr auch nur eine Sekunde nachgedacht, was das mit meinem Ruf macht? Ich will doch nicht als die Firmenmatratze bekannt sein!“
„Tja, daran hättest du denken sollen, bevor du dich durch die Firma gefickt hast, nicht?“ gab Tora in einer Demonstration seines berüchtigten Takts von sich. Saga war den Tränen nahe.
„Komm schon, es ist doch nur ein Scherz. Niemand nimmt das ernst.“ Shou wirkte plötzlich hilflos. Er war wohl wirklich nicht auf den Gedanken gekommen, dass seine kleine Aktion Saga verletzen könnte. Just in dem Moment startete der Bus.
„Lasst mich raus! Ich muss dieses Papier vernichten!“ Saga versuchte, die Türen zu öffnen, wurde jedoch von einer winzigen, aber resoluten Managerin in eine Sitzreihe zurück gestoßen. Es war wirklich Zeit, dass er sich mehr Kampfgewicht zulegte. Er landete neben Hiroto, der erstaunt aufsah. Der kleine Gitarrist hatte mit seinem mp3-Player Musik gehört und von der ganzen Sache überhaupt nichts mitbekommen.
„Alles okay?“ fragte Hiroto besorgt.
„Nichts ist okay! Die sind schon wieder alle total gemein zu mir! Du bist mein einziger Freund!“ Um seine Worte zu unterstreichen, schlang er seine Arme um den Kleineren und kuschelte sich an. Hiroto roch nach Schokolade. Saga atmete tief ein und beruhigte sich ein wenig. Sie würden jetzt drei Wochen weg sein. Bis er zurück kam, war die dämliche Liste sicher längst im Müll und vergessen. Hiroto streichelte ihm unbeholfen den Rücken. So saßen sie eine ganze Weile, immerhin war es eine lange Fahrt. Irgendwann wurde es Saga langweilig, also fing er ein Gespräch an.
„Wer hat denn eigentlich das Turnier letzte Woche gewonnen?“
„Kra.“
„Bitte? Die haben doch gar nicht mitgespielt!“
„Naja, nachdem du und Uruha-san und Aoi-san weg wart, war nicht mehr viel los, es hat keiner mehr aufgepasst oder aufgeschrieben, was ich und Takeru so geworfen haben, und dann fragte Yasuno, ob er mitspielen durfte, also haben wir zu dritt gespielt…“ Hiroto zuckte mit den Schultern, wobei er Sagas Kopf mitbewegte. „So war das.“
„So war das“, wiederholte Saga. Danach schwiegen sie wieder, bis Hiroto stammelte: „Saga, was mach ich… ich, also wenn… ich meine…“
„Hm?“
„Wenn ich auf jemanden stehe und nicht weiß, wie ich mit ihm ins Gespräch kommen soll!“ platzte es aus dem Gitarristen heraus.
„Aw, wird unser kleiner Pon-chan erwachsen? Hat er die Blumen und Bienchen entdeckt?“ gurrte Saga. Er griff hoch und verstrubbelte die dunklen Haare. Hiroto gab ihm im Gegenzug einen Klaps auf den Hinterkopf, der aber recht gutmütig ausfiel.
„Hey, ich habe schon Erfahrungen auf dem Gebiet, du sollst mir nicht erklären, wie Sex funktioniert, sondern wie ich die Person, die ich will, auf mich aufmerksam mache.“
„Ich weiß nicht, ob es so klug ist, da mich zu fragen. Mit Romantik oder Beziehungen kenne ich mich nicht aus, nur damit, wie man Leute möglichst schnell ins Bett kriegt.“
„Und wie kriege ich sie ins Bett?“ Hiroto war nervös. Da sie immer noch aneinander lehnten, konnte Saga das deutlich spüren.
„Am Besten stellst du sofort klar, was du willst. In unsere Branche ist es so üblich, andere Kerle abzuknutschen, dass die sich dabei gar nichts denken. Das kann dann zu unerfreulichen Entwicklungen führen, wenn du denkst, sie wollen das Gleiche wie du und sie denken, das sind nur freundschaftliche Berührungen. Ja. Äußerst unerfreulich.“ Saga hatte nicht nur einmal mit einer Hete herum gemacht und es erst erfahren, als er versuchte, sie aus ihren Klamotten zu schälen.
„Okay.“
„Okay.“
Die restliche Fahrt hing jeder seinen Gedanken nach. Erst kurz, bevor sie an ihrem Hotel ankamen, sagte Hiroto wieder etwas.
„Saga…“
„Ja?“
„Wenn ich dich auf der Bühne küsse, fühlst du dabei was?“
„Wie? Nein, natürlich nicht!“ log Saga. „Ist doch nur Fanservice, nicht?“ Wenn der Jüngere wüsste, dass ihm dabei auch mal schmutzige Gedanken kamen, fühlte er sich sicher unwohl. Und immerhin war es ihr kleiner Pon-chan. Er war zwar schon dreiundzwanzig, aber Saga fühlte sich immer noch wie ein Pädo, wenn er Hiroto ohne Hemd sah. Auch wenn es ein ziemlich heißer Anblick war. Kaum, dass der Bus zum Stehen gekommen war, floh Saga aus seinem Sitz mit der Ausrede, sich um das Gepäck kümmern zu müssen.
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und aus XD
vielen dank an alle, die mir bisher kommis geschrieben haben! <3
ich kann leider nciht sagen, wann das nächste update kommt, aber ich hoffe es wird nicht wieder so lange dauern.
