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FFVII: Blue Wanderer - In the lines

von

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Familienbande

Für gewöhnlich hätte Cutter den Laborbereich niemals ohne Weiteres betreten können. Aber keine der Sicherheitsvorrichtungen vermochte sich dem Einfluss der Luna Lance zu entziehen, und dasselbe galt auch für die Überwachungskameras. Und so eröffnete sich schon nach kurzer Zeit eine Welt, die zu weiß war, um unschuldig zu wirken. Für jemanden, der noch nie hier gewesen war, offenbarte sich ein Labyrinth aus Türen und Gängen, die in unterschiedliche Forschungsbereiche führten. Es gab keine Hinweistafeln, keine Schilder an den Türen. Wer freiwillig hierher kam musste wissen, in welche Abteilung er wollte. Cutter wusste es ganz genau. Hojos Line lag so klar vor ihr wie eine Blutspur in frisch gefallenem Schnee. Und sie folgte dieser Line.
 

Ihr Weg führte sie durch Flure, in denen der unverkennbare Geruch nach Desinfektionsmittel hing, stellenweise so stark, dass er unwillkürlich Schwindel auslöste. Aber aufzuhalten vermochte er nicht. Hojos Line lotste ihre Verfolgerin kreuz und quer durch all das trügerische Weiß, bis vor eine ebenfalls weiße Tür. Es war die letzte. Und dahinter, irgendwo, befand sich Hojo. Cutter umfasste die Luna Lance fester und öffnete die Tür, die so lautlos aufschwang, als hieße sie jeden Besucher willkommen.
 

Der sich so offenbarende Raum bestach durch seinen zu 100 % logischen Aufbau und das von der Deckenbeleuchtung kommende, weiße kalte Licht. Keine Fenster. Keine Bilder an den Wänden. Nur Schränke, Abstellfläche, ein Schreibtisch mit einem geöffneten Laptop darauf und einigen davor liegenden Blättern. Andere Menschen hatten ein eigenes Büro für den Papierkram. Hojo schien dies abzulehnen. Vermutlich, um so viel Zeit wie möglich hier verbringen zu können.
 

Dann entdeckte Cutter den in eine Ecke des Raumes geschobenen, metallisch glänzenden Tisch. Den Tisch. Mit den eisernen Fixierungen, die sich schon unzählige Male um Sephiroths Körper geschlossen hatten, um diesen unter Kontrolle zu bringen, ihn bewegungsunfähig zu machen. Der Anblick des Hilfsmittels war noch grausamer als erwartet, und Cutter brauchte alle mentale Stärke, um sich gegen die auf sie einstürmenden Vorstellungen zu wehren und sich wieder ihrem eigentlichen Ziel zuzuwenden.
 

Dieser Raum ... er passte zu Hojo, aber er spiegelte nicht dessen dämonische Natur wieder, schien nur eine Art Vorzimmer zu sein. Cutter konzentrierte sich erneut auf die Line des Professors, wandte den Kopf. Der Raum war noch nicht zu Ende. Das grüne, aus einer Ecke kommende Leuchten bewies es. Es übte eine nahezu magische Anziehungskraft aus. Und Cutter folgte ihm, trat aus dem hellen Raum, über einen winzigen Flur ... und blickte in einen neuen Raum.
 

Das helle Licht endete hier. Alle menschlichen Regeln endeten hier. Die Menschlichkeit selbst endete hier. Was stattdessen begann war Forschung in ihrer reinsten, brutalsten Form ohne Gnade und Mitleid, einzig und allein darauf ausgerichtet, Ergebnisse abzuliefern. Der Raum war erfüllt von Dunkelheit und grünem Licht, dessen Ursprung auf etliche durchsichtige, mit Mako geflutete Tanks zurückzuführen war. Dicke und dünne Schläuche verbanden diese mit massiv aussehenden, technischen Geräten, welche die kompletten Wände bedeckten. Und in jedem einzelnen Tank befand sich ... jemand? Etwas? Stellenweise war es nicht mehr klar zu erkennen.
 

Einige der nackten Eingesperrten schwebten scheinbar völlig unversehrt in all der leuchtenden Flüssigkeit, bewegten sich aber nicht. Andere befanden sich in einem Zustand, der überdeutlich klar stellte, dass sie nur noch durch die ihnen angefügten Schläuche und Kabel am Leben gehalten wurden. Diese Opfer der brutalen Forschung schienen mit etwas zu kämpfen, tobten mit weit aufgerissenen, entsetzten Augen, in denen pure Angst geschrieben stand, Angst und tiefer, brennender Schmerz, genug, um eine Seele für immer zu vernichten. Und alle, das verriet ihre Line, waren bei vollem Bewusstsein, in dem außer Schmerz und Angst nur noch ein einziger Wunsch tobte: Zu sterben.
 

Cutter stand bewegungslos in all dieser Grausamkeit und wunderte sich über die eisige Ruhe ihrer Gedanken. Es war, als habe sie ihr freundliches Ich in Sephiroths Appartement zurückgelassen, um über ihn zu wachen. Was hier unten stand, war jemand, dem Informationen geliefert wurden, der diese annahm und emotionslos verarbeitete. Richtig verarbeitete.
 

Zum Beispiel einige der Opfer in den Tanks. Sie veränderten ihre Form. Wie etwas, das einem unbarmherzig starken Druck nachgeben musste. Irgendetwas programmierte ihren genetischen Code um, ohne dass diese Menschen auch nur das Geringste dagegen tun konnten. Und ihre Lines ... Das in ihnen herrschende, pure Chaos. Der fortlaufende Verlust der Farben. Cutter kannte diese Sorte Lines. Sie gehörten immer Monstern ... Ein schmerzerfülltes Wimmern verlagerte den Schwerpunkt ihrer Aufmerksamkeit. Es schien seinen Ursprung hinter einem der Tanks zu haben. Genau wie Hojos Line. Cutter folgte dem Geräusch.
 

Was sich ihren Augen jetzt offenbarte, war ein weiterer Makotank, dessen Tür allerdings weit offen stand. Was man ihm entnommen hatte, befand sich nun auf einem Tisch, der baugleich mit dem im Vorraum zu sein schien und nur einen Unterschied aufwies: Auf diesem war nun ein Körper fixiert. Hojo stand, mit dem Rücken zu Cutter zeigend, an der Seite seines bewegungsunfähig gemachten Testobjektes und ... arbeitete. Völlig ungeachtet der schmerzerfüllten aber durch all die Fixierungen wirkungslos gemachten Protestreaktionen seines Opfers.
 

Cutter hatte mehr als genug gesehen, gehört und begriffen. Sie war, schon seit sie Sephiroths Appartement verlassen hatte, weit entfernt von dem Punkt, Entsetzen über sich selbst zu empfinden. Oder Zweifel an der vor ihr liegenden Tat. Oder ein schlechtes Gewissen. Da war nur diese eisige Ruhe.
 

Niemand würde jemals erfahren, wie Hojo gestorben war. Niemand außer Zack, ihr selbst und Sephiroth, für den das Verschwinden des Wissenschaftlers ein Ende aller Qualen bedeutete. Was die Dokumentationen desselbigen anging ... Bloß weil er starb, verschwanden sie nicht. Vielmehr war endlich eine ungestörte Suche möglich. Sephiroth würde das komplette Labor auseinander nehmen können. Vielleicht durfte sie ihm sogar dabei helfen? Immerhin beherrschte sie die Lines ... Und jetzt würde sie mit ihnen ein Leben beenden. Death Walker Cutter Tzimmek hob die Luna Lance, nahm Kontakt zur Line des ahnungslosen Bastards im blutbefleckten Laborkittel auf und ...
 

Die Hand schloss sich fest um ihren Mund, drückte ihren Kopf nach hinten, genau gegen den dort befindlichen Körper, gleichzeitig umfasste eine weitere Hand ihren Taille. Ein trainierter, eiserner Griff, der problemlos in der Lage war, einem Menschen das Genick zu brechen, an dem einfach jeder Widerstand zerbrechen musste! Cutter begann trotzdem augenblicklich, sich zu wehren, wandte den Kopf so weit wie möglich, um ihren Widersacher sehen zu können ... und kollidierte mit den makogetränkten Augen von 1st Class SOLDIER Zack Fair.
 

Es war einzig und allein Zacks Instinkt gewesen, der ihn dazu gedrängt hatte, ebenfalls nach Sephiroth zu sehen. Dass die Fahrstühle einander genau gegenüber lagen ... dass sich die Türen seiner Kabine öffneten, als sich die von Cutter gerade schlossen ... Er hatte ihre Augen gesehen. Und sofort begriffen. Jetzt war er hier. Einzig und allein, um sie aufzuhalten.
 

Sein Blick aber galt nicht ihr. All seine Aufmerksamkeit war auf Hojo gerichtet. Der Professor schien immer noch ganz auf sein derzeitiges Opfer konzentriert – oder war er einfach nur zu arrogant, sich umzudrehen? Zack wusste es nicht. Nur, dass es höchste Zeit war, diesen Ort unbemerkt zu verlassen. Und dafür durfte Cutter keinen Laut von sich geben!
 

Er verstärkte den sie umfassenden Griff ein wenig und begann gleichzeitig, sich in völliger Lautlosigkeit rückwärts zu bewegen, Cutter mit sich zu ziehen. Diese aber wehrte sich weiter - und stieß gegen einen der Tanks. Die Augen des darin befindlichen ... Wesens ... öffneten sich innerhalb eines Sekundenbruchteils. Fixierten die beiden Störenfriede. Dann öffnete es einen Mund, der sowohl die Zähne eines Menschen, als auch die eines Monsters beinhaltete, und stieß einen dröhnenden, nicht enden wollenden Schrei aus. Gleichzeitig begann es, sich mit aller Kraft gegen die Wand des Makotanks zu werfen.
 

Hojos Kopf ruckte herum, fokussierte den Tank – und dann setzte sich der Professor in Bewegung. Hinter dem Tank versuchte Zack durch das unmenschliche Dröhnen hindurch auf irgendein Geräusch zu achten, das die nächste Aktion seines Gegners verriet. Aber es gelang ihm nicht. Letztendlich war es purer Instinkt, der ihn sich um den Makotank herum bewegen ließ, den Körper des Wesens als einzigen Sichtschutz nutzend, Cutter nach wie vor eng an sich gedrückt.
 

Als Hojo die Stelle erreichte, von der aus er die Funktionen des Tanks direkt steuern konnte, befanden sich Zack und Cutter in einer Entfernung von nur knapp 2 Metern ihm genau gegenüber. Um den Tankinhalt zu `beruhigen´ bedurfte es nur weniger Tastenkombinationen. Das Brüllen ging in Wimmern über und erstarb schließlich vollständig. Der Körper sackte in sich zusammen und verharrte wieder bewegungslos. Der Professor nickte zufrieden und begab sich wieder zu seinem ursprünglichen Testobjekt, ohne zu bemerken, wie Zack ein weiteres Mal parallel zu ihm die Position änderte. Als das schmerzerfüllte Wimmern erneut einsetzte, zog der 1st Cutter rückwärts, aus Hojos grauenhaftem grünen und durch dessen trügerisch weißes Reich zurück auf den Hauptflur, wo er mit der größtmöglichsten Behutsamkeit die Tür schloss. Erst dann erklang zum ersten Mal seine Stimme, ein leises, befehlendes Zischen.
 

„Sorg bloß dafür, dass uns keiner sieht!“
 

Eine harte Bewegung drehte seine unfreiwillige Begleitung in die entgegengesetzte Richtung und begann gleichzeitig, sie vorwärts zu schieben, hinaus aus dem Laborbereich der Electric Power Company. Erst, als sie auch die letzte Tür hinter sich gebracht hatten und wieder auf dem für alle anderen ebenfalls zugänglichen Flur standen, ließ der 1st seine Gefangene los und fauchte:
 

„Sag mal, Cuttie, bist du wahnsinnig geworden?! Kannst du mir mal sagen, was das“, er deutete in Richtung des Labors, „zu bedeuten hatte?! Was, in Bahamuts Namen ...“
 

Cutter sah ihn nur an. Sie wusste, es war Zack, und er schimpfte mit ihr, aber seine Worte erreichten ihren Verstand nicht. Dieser war einzig und allein beherrscht von dem Wunsch, zu töten, Hojo zu töten, Sephiroths Folter zu beenden, jetzt, für immer und ewig ...
 

Die junge Frau wandte sich schlagartig um, steuerte abermals die Tür an, die sich unter dem Einfluss der Luna Lance brav öffnete ... Und Zack begriff, dass er es hier nicht mehr mit der vertrauten Cutter-chan zu tun hatte. Sondern, zum ersten Mal, mit dem Death Walker Cutter. Entschlossen, beseelt von dem echten Wunsch, zu töten, auch absolut in der Lage dazu – aber noch zu unerfahren, um zu wissen, dass man selbst in diesem Stadium niemals das nahe Umfeld unterschätzen durfte. Und so reagierte 1st Class SOLDIER Zack Fair, bevor dem Death Walker wieder einfiel, dass sie im Grunde viel stärker war als er, der eine beeinflussbare Line besaß.
 

Sein Griff war schnell, hart und unbarmherzig. Für Cutter verwandelte sich die Welt in ein Karussell, und als sie aufhörte, sich zu drehen, fand sich die junge Frau über Zacks Schultern liegend wieder, Beine und Arme festgehalten von dessen rechter Hand. In seiner linken lag die Luna Lance – und somit die einzige Chance, Hojo zu vernichten. Cutter holte tief Luft.
 

„LASS MICH LOS, ZACK!“
 

„In deinen Träumen!“, knurrte der 1st und setzte sich in Bewegung. So stark er war, selbst er hatte Mühe, sein `Gepäck´ zu halten, denn dieses begann augenblicklich auf seinem Rücken zu toben.
 

„LASS MICH LOS, VERDAMMT NOCHMAL!! DU HAST NICHT GESEHEN, WAS ER IHM DIESMAL ANGETAN HAT!“
 

„Brauche ich nicht“, antwortete Zack mit bewusster Ruhe. „Ich weiß, wozu Hojo fähig ist.“
 

„DIESMAL HAT ER IHN FAST GETÖTET!“ Gleichzeitig wurde ihr heftiges Toben zu purer Raserei. „LASS MICH RUNTER; LASS MICH RUNTER; LASS MICH ...“
 

Zack hätte noch fester zupacken können. Aber sein Instinkt sagte ihm, dass sich Cutter nicht einmal mit gebrochenen Hand- und Fußgelenken beruhigen würde. Ob irgendwo in all der Wut trotzdem noch ein Funken ihres früheren Selbst war, der sich beeinflussen ließ und eine Rückverwandlung bewirkte? Wie es schien, gab es nur eine Möglichkeit, es herauszufinden.
 

Tut mir Leid ...
 

Dann ließ er die Luna Lance fallen, holte mit der frei gewordenen Hand aus und verpasste der jungen Frau einen heftigen Schlag auf den Hintern.
 

„Wirst du jetzt endlich Ruhe geben?!“
 

Cutter bäumte sich auf hinsichtlich der gigantischen, ihren gesamten Körper überspülenden Welle aus Schmerz. Nicht nur, dass es ohnehin weh tat, diese brutale Zurechtweisung von Zack erhalten zu haben, von Zack, der Bescheid wusste und sie eigentlich hätte unterstützen müssen, diesen Mistkerl zu erledigen, fügte dem körperlichen auch noch seelischen Schmerz hinzu.
 

„Zack, du mieser Verräter ...“
 

„Cuttie, halt die Klappe, sonst fängst du dir noch eine!“
 

Aus seiner Stimme war jeder Funken an Heiter- und Fröhlichkeit gewichen. Einmal mehr machte 1st Class SOLDIER Zack Fair ernst. Und Cutter begriff, dass sie den Kampf verloren hatte. Die Erkenntnis bewirkte das nahezu sofortige Ende aller Aggressionen. Ihr verkrampfter Körper entspannte sich schlagartig, ihr rasender Herzschlag wurde ruhiger. Und mit der Ruhe kamen die Tränen. Zack konnte Cutter neben seinem Ohr leise Schluchzen hören, spürte ihre Tränen an seinem Hals hinabrinnen ... aber er ließ sich davon nicht beeindrucken, hielt sie fest, hob die Luna Lance auf und setzte sich wieder in Bewegung. Erst, als er in seinem Quartier angekommen war und die Tür hinter sich geschlossen hatte, ließ er seine Last so behutsam wie möglich zu Boden gleiten ... und stellte sich ihrem Blick.
 

„Du hast mich geschlagen.“ Ihre Stimme klang zu gleichen Teilen wütend wie vorwurfsvoll, verblüfft, schockiert, müde ... aber es war wieder ihre Stimme.
 

„Ich weiß. Es hat keinen Spaß gemacht. Und es tut mir Leid. Du kannst gerne zurückschlagen, meinetwegen auch mehrfach, ich halte still. Versprochen.“
 

Aber die junge Frau schüttelte den Kopf, fuhr sich mit beiden Händen über die verweinten Augen und atmete tief durch. Jeglicher Funken an Aggression hatte sich verflüchtigt. Übriggeblieben war völlige körperliche und seelische Erschöpfung.
 

„Willst du einen Kaffee?“, erkundigte sich Zack leise, erntete ein sachtes Nicken und verschwand augenblicklich in der Küche, um diese wenig später mit einer dampfenden Tasse zu verlassen und sie der mittlerweile in einem der Sessel sitzenden Cutter in die Hand zu drücken. Dann ließ er sich neben ihr nieder und beobachtete sie besorgt. Diese wilde Entschlossenheit, einem anderen Menschen Leid zuzufügen ... Niemals zuvor hatte er etwas Derartiges bei ihr erlebt. Diesmal musste Hojo sich selbst übertroffen haben. Und noch während er nach einem Einstieg suchte, erklang Cutter leise, von Entsetzen geprägte Stimme.
 

„In diesen Tanks waren Menschen! Lebendige Menschen! Sie ... sie waren bei vollem Bewusstsein. Das ist es, was Hojo tut? Dafür ist er hier?“
 

„Wann immer es Fragen gibt, die den menschlichen Körper betreffen, liefert Hojo die Antworten. Was Mako angeht, ist er ebenfalls führender Experte. Wie er diese Antworten gewinnt ... Du hast es gesehen. Er hat völlig freie Hand. Sein Budget ist nahezu unbegrenzt.“
 

„Rufus ist noch skrupelloser, als ich jemals dachte. Was sind das für Leute in den Tanks?“
 

„Ich glaube, Hojo ist da nur selten wählerisch.“
 

„Manche von ihnen ... Ihre Lines ... Hojo macht sie zu Monstern. Das heißt, alle Monster ...“
 

„Waren früher einmal Menschen. Ja. Das Mako lässt sie dazu werden.“
 

„Und dann lässt Hojo sie frei. Aber sie erinnern sich noch an ihre Zeit als Mensch. Wenigstens ein kleiner Teil von ihnen. Deshalb haben einige von ihnen sich damals entschlossen, Toron zu helfen, oder? Und deshalb gibt es auch immer diese heftigen Zusammenstöße zwischen Monstern und ShinRa.“
 

„Ja. Hat Seph dir erzählt, dass ich nach der Schlacht in den Slums vor 4 Jahren fast selbst in einem solchen Tank gelandet wär ...“
 

„Warum hast du mich aufgehalten? Ich hätte all das beenden können! Ich hätte es vernichten können! Hojo und diese ganzen Entsetzlichkeiten dazu!“
 

„Cuttie, du kannst diesen Leuten nur helfen, indem du sie tötest, aber es wird die generelle Durchführung der Experimente nicht aufhalten. Dafür wird Hojo immer Mittel und Wege finden, wenn nicht hier, dann woanders. Er ist besessen davon! Und ihn darfst du nicht töten! Du darfst einfach nicht! Das ist Sephiroths Aufgabe!“
 

„Warum?! Und jetzt sag mir endlich die volle Wahrheit, sonst werde ich selbst danach suchen, und ich schwöre dir, ich werde sie finden!“
 

Zack suchte nach Worten, stöhnte leise und schüttelte den Kopf.
 

„Das wollte ich dir eigentlich nie sagen. Aber jetzt muss ich es tun, ansonsten kann ich dich nicht mehr aus den Augen lassen, oder?“ Und als sie nickte, fuhr er leise fort: „Cuttie, du musst mir jetzt ganz genau zuhören, und du darfst niemandem etwas davon sagen, verstehst du?“ Abermals wartete er das leichte Nicken ab, ehe er weitersprach. „Du weißt, Seph und dieser Bastard im Labor ... ihre Beziehung zueinander ist ...“
 

„Grausam.“
 

„Ja. Aber sie ist auch ... tiefer.“
 

„Tiefer?“
 

„Ja. Es ist im Grunde ... keine Beziehung, sondern vielmehr eine ... Bindung.“
 

„Worauf willst du hinaus?“, wisperte Cutter.
 

Zack stöhnte leise, schüttelte den gesenkten Kopf ... dann aber sah er seiner Gesprächspartnerin fest in die Augen und offenbarte das Geheimnis.
 

„Cuttie, Hojo ist Seph´s Vater.“
 

Die Kaffeetasse glitt aus Cutters Händen und fiel zu Boden. Kaffee breitete sich aus, aber niemand beachtete die braune Pfütze.
 

„Zack ...“ Nur ein entsetztes Flüstern. „Bitte, bitte sag mir, dass du scherzt!“
 

„Glaub mir, ich wäre sehr glücklich, wenn das ein Scherz wäre.“
 

„Aber das ... Zack, das kann nicht sein! Sephiroth sieht ihm kein bisschen ähnlich!“
 

„Seph ist eben sehr auf seine Mutter geschlagen. Nur so kann ich es mir erklären.“
 

„Weiß Sephiroth ...?“
 

„Ja.“
 

„Und er geht trotzdem ...“
 

„Verstehst du jetzt völlig, warum weder du, noch ich uns in diesen Kampf einmischen dürfen?“
 

„Aber er wird ihn töten, Zack. Eines Tages wird Hojo ihn töten. Was sollen wir, seine einzigen beiden Freunde, dann tun? Oder sagen? Wen hat er außer uns?“
 

„Cuttie, mach nicht den Fehler, Seph zu unterschätzen. Er ist zäh, er lässt sich nicht von Hojo töten, das ...“
 

„Wenn ich ihn das nächste Mal mit einem Körper, den schon das Grün des Lebensstroms durchzieht, finde, mach ich zuerst ein Foto! Nur für dich! Glaubst du wirklich, er kann nicht sterben, bloß, weil er nicht sterben will? Oder, weil du es nicht willst? Oder ich? Denkst du, der Tod schert sich darum? Das tut er nicht!“
 

„Cuttie, glaubst du wirklich, das weiß ich nicht?! Denkst du, all die Medikamente in Sephs Appartement, die Potions und die Heilmateria hätte er selbst dorthin gebracht?! Das war ich! Auch, wenn sie kaum helfen. Wer, glaubst du, hat bisher nach ihm gesehen, wenn er aus dem Labor kam, nur um sich wie ein Kind aus seinem Appartement oder Büro werfen zu lassen? Auch ich! Versuch nicht, mich als einen Idioten hinzustellen!“
 

Cutter schwieg, suchte nach Worten. Sie wusste, Zack war mit der Situation genauso unzufrieden und unglücklich wie sie selbst und somit ebenfalls auf Sephiroths Seite. Aber dennoch ...
 

„Tut mir Leid. Du bist kein Idiot. Aber obwohl du, genau wie ich, siehst, dass er Hilfe braucht, tust du nichts. Das ist feige! Ich hätte diesen Bastard getötet, wenn du nicht aufgetaucht wärst!“
 

„Es wäre nicht die Sorte Sieg, die Sephiroth braucht, versteh das doch endlich! Du hättest Hojo getötet, aber das hätte keinerlei Heilung beinhaltet! Sondern nur noch mehr Schmerz für Seph, weil einer anderen Person mühelos das gelungen ist, was er tun will und noch nicht tun kann!“ Er seufzte leise und qualvoll. „Wenn ich nur wüsste, was ihn zögern lässt! Ich würde es aus dem Weg räumen, augenblicklich!“
 

„Antworten“, sagte Cutter leise. „Die Gründe für all die Experimente. Für seine Andersartigkeit. Sephiroth will diese Antworten. Und nur Hojo und Rufus können sie haben. Bevor er die nicht hat, wird er sich niemals wehren, weil er befürchtet, sie könnten verloren gehen, wenn einem der Beiden etwas zustößt.“
 

„Ich hatte also Recht mit dem, was ich dir damals gesagt habe. Aber Geheimnisse, die von Hojo und Rufus zu gleichen Teilen gehütet werden, sind verflucht schwierig zu lüften. Die Lines können diesmal nicht helfen, oder?“
 

„Nein. Sie können mir sagen, ob etwas bedruckt oder beschrieben ist, aber nicht, worum genau es geht.“
 

„Wenigstens weiß ich jetzt, was er sucht. Also kann auch ich gezielter suchen. Irgendwo muss Hojo diese Antworten lagern. Wenn alle Stricke reißen, brechen wir in sein Appartement ein, oder, wenn er mal nicht da ist, ins Labor. Früher oder später werden wir fündig, mein Wort drauf! Und dann kann Seph sich vielleicht endlich selbst befreien.“
 

Cutter nickte. Ja. Zack hatte, im Gegensatz zu ihr, Kontakte, kannte alles und jeden. Irgendjemand konnte bestimmt weiterhelfen. Dann streckte sie die Hand mit einer Bewegung, die überdeutlich: `Ich bin jetzt wieder normal´ sagte, nach der Luna Lance aus - und erhielt sie ohne das geringste Zögern zurück.
 

„Hey“, sagte Zack leise, „Seph hat mir erzählt, was sie mit Reno angestellt hat. Weshalb konnte ich sie berühren?“
 

„Weil ich dir vertraue. Die Luna Lance reagiert darauf.“ Dann erhob sie sich. „Ich gehe zurück zu Sephiroth.“
 

„Wenn du mich irgendwie brauchst ...“
 

„Rufe ich dich.“
 

„Ok. Gib unserem sturen General einen aufmunternden Klaps von mir, ja?“
 

Cutter nickte und verließ das Appartement. Kaum war sie gegangen, fiel alle Entschlossenheit von Zack ab. Der 1st sank in sich zusammen und grub beide Hände in die Haare, als sei sein Kopf mit einem Mal zu schwer, um ihn auf die übliche Art und Weise zu halten. Vielleicht war er das, hinsichtlich der in ihm tobenden Frage, tatsächlich.
 

Habe ich gerade einen Fehler gemacht?
 

Zack wusste, im Nachhinein offenbarte jede Geschichte einen Punkt, an dem man die zukünftige Handlung in eine scheinbar positivere Richtung hätte beeinflussen können. War der Moment, in dem Cutter die Luna Lance auf Hojo richtete, ein solcher Augenblick gewesen? Sie hätte Erfolg gehabt, keine Frage, aber ...
 

„So hättest du Seph nicht helfen können“, wisperte Zack. „Ich kenne ihn länger als du. Du und ich, wir können ihm bei seiner Suche nach den Antworten helfen, ihn aufmuntern, ihm klar machen, dass wir da sind ... aber die Sache mit Hojo muss er alleine klären. Sonst wird er sich nie vollständig befreien können. Bitte, Cuttie, hör auf mich. Denn ansonsten wirst du ihn definitiv verlieren!“
 

Auch Cutter hatte auf dem Flur inne gehalten. Was sie im Laufe der vergangenen Stunden gesehen und erlebt hatte ... sie wusste, die Erinnerungen würden sie für den Rest ihres Lebens begleiten. Aber viel schlimmer als das war ihre erzwungene Bewegungslosigkeit. Denn so schmerzhaft es war: Zack hatte, was alle jemals über Sephiroth und Hojo getätigten Aussagen anging, völlig recht. Die Verbindung zwischen den beiden so unterschiedlichen Gegnern bestand schon zu lange, glich in ihrer Art dem ineinander verschlungenen Wurzelwerk zweier Bäume. Riss man als Außenstehender einen Baum aus diesem Gefüge, so konnte der andere problemlos ebenfalls den Halt verlieren.
 

Was die armen Wesen in den Makotanks anging ... Cutter wusste, sie hätte mit der Luna Lance problemlos einen Kontakt zu ihnen herstellen können. Aber sie so zu töten? Durch die eigene Line? Allein die Vorstellung beinhaltete eisigen Schrecken, der für das Bewusstsein der jungen Frau fast zuviel zu sein schien. Und ganz abgesehen davon ...
 

Wir sind uns nie begegnet. Wir hegen keinerlei Groll gegeneinander oder stellen eine Gefahr füreinander dar. Zudem seid ihr völlig hilflos. Damals bei Toron ... ich konnte sie nur angreifen, weil mein Leben auf dem Spiel stand und ich es nicht verlieren wollte. Auf euch trifft das nicht zu. Und deshalb würde es niemals funktionieren. Vielleicht würde ich euer Leid nur noch vergrößern... Oh Gaia, warum gerate ich immer wieder in diese Situationen? Warum kann nur die Electric Power Company etwas mit meinen Fähigkeiten anfangen? Manchmal ist das alles zu groß für mich, viel zu groß ... Und ich bin so klein. Trotz allem.
 

Aber so brutal alle Erkenntnisse sein mochten, sie hielten Cutter nicht davon ab, erneut das Appartement zu betreten, in dem sich die wichtigste Person ihres Lebens befand. Mittlerweile hatte die Abenddämmerung eingesetzt und erfüllte die großen Räume. Auch das Schlafzimmer badete in immer länger werdenden Schatten, störten den immer noch tief und fest schlafenden Sephiroth allerdings nicht. Cutter ließ sich vorsichtig auf dem Boden am Rand des Bettes nieder, legte die Arme auf die Matratze, den Kopf darauf und sah zu ihrem Freund hinüber. Und als habe dieser ihren Blick gespürt, öffnete er langsam die Augen. Blinzelte einige Male. Und erkundigte sich schließlich leise und ohne vorwurfsvoll zu klingen:
 

„Bist du immer noch hier, oder wieder?“
 

„Beides“, lautete die leise Antwort. „Du hast ganz fest geschlafen. Wie geht es dir?“
 

„Ich lebe.“
 

„Zum Glück.“
 

Es war Cutter nicht bewusst. Aber der Ausdruck in ihren Augen erzählte von den Vorgängen der letzten beiden Stunden. Und Sephiroth begriff. Sagte leise:
 

„Diesen Raum hättest du nie sehen dürfen. Hattest du Erfolg?“ Kopfschütteln. „Zack?“ Nicken. „Hat er dir erzählt, dass ...?“ Nicken. Sephiroth schloss die Augen und murmelte wenig begeistert: „Ich bringe ihn um!“ Und so sehr er mit weiteren Fragen gerechnet hätte, er erhielt nur ein leise Antwort.
 

„Das würde nichts ändern. Außerdem soll ich dir was von ihm geben.“ Sie streckte die Hand aus und berührte sachte seine eigene.
 

„Was sollte das darstellen?“
 

„Einen aufmunternden Klaps?“
 

„Er hätte dir besser etwas zu essen mitgeben sollen.“
 

„Du hast Hunger?“ Gleichzeitig sprang sie auf. „Sag mir, was du haben möchtest, ich organisiere alles! Sofort und augenblicklich!“
 

Sephiroth wollte automatisch protestieren, aber das Knurren seines Magens machte überdeutlich, wie lange die letzte Mahlzeit zurücklag, und dass dringend eine neue benötigt wurde. Am besten gleich mehrere Portionen. Und so verschwand Cutter wenige Minuten später, um das Abendessen zu holen. Sephiroth selbst verließ das Schlafzimmer und schlug den Weg ins Badezimmer ein. Ganz egal, wie entsetzlich der Raum immer noch aussah, nur dort gab es eine Dusche, fließendes, heißes Wasser, die Möglichkeit, das getrocknete Blut vom Körper zu spülen ... Er öffnete, seiner Ansicht nach auf alles gefasst, die Tür - und erstarrte, förmlich erschlagen hinsichtlich des vor Sauberkeit glänzenden Raumes. Es dauerte etliche Sekunden, ehe der General wieder in der Lage war, einen klaren Gedanken zu fassen.
 

Cutter. Cutter war hier. Sie hat es gesehen ... Und alle Spuren beseitigt. Vermutlich ganz alleine. Kein Wunder, dass sie daraufhin ins Labor gegangen ist. Mein Fehler. Ich hätte mich besser zusammenreißen und selbst für Sauberkeit sorgen müssen.
 

Aber er wusste im tiefsten Grunde seines Herzens, dass er es in seinem damaligen Zustand niemals auf eine akzeptable Art und Weise geschafft hätte. Und so blieb ihm nur der Versuch, sich nicht als Versager zu fühlen sondern mildernde Umstände gelten zu lassen, die Geschehnisse zu akzeptieren, und in die Dusche zu steigen, um auch die letzten Reste der vergangenen Stunden loszuwerden.
 

Einmal mehr beinhaltete das warme Wasser genau die Entspannung, die Sephiroth jetzt brauchte. Mehr noch. Jeder seinen Körper treffende Tropfen vertiefte die Gewissheit, wirklich noch am Leben zu sein, auch, wenn es diesmal denkbar knapp gewesen war. Irgendwann verließ er die Dusche wieder, kehrte ins Schlafzimmer zurück, zog weiche, bequeme Kleidung an, entfernte die blutverschmierten Laken vom Bett, beförderte sie in die Waschmaschine, bezog das Bett neu und öffnete alle Fenster des Appartements. Angenehm warme, schmeichelnd unverbrauchte Luft floss herein, vertrieb den Geruch nach Blut und Gewalt. Langsam kam eine Art zerbrechlicher Frieden zurück. Und wie um der restlichen Welt seine unausgelöschte Existenz zu beweisen, schaltete Sephiroth sämtliche Lichter des Appartements ein.
 

Die Tür zu seinem Appartement öffnete er, noch bevor Cutter anklopfen konnte, ließ sie herein und änderte den Code wieder in ihr Geburtsdatum. Er deckte den Tisch für sie beide und dann aßen sie, schweigend, bis nur noch leere Tüten und dünne Pappschachteln übrig waren. Erst dann lehnte sich Sephiroth zurück und sah zu seiner Freundin hinüber.
 

„Du hast länger für deine Rückkehr gebraucht, als erwartet.“
 

„Weil ich Zack was mitgebracht habe.“ Sie grinste. „Ich hab ihm gesagt, du würdest es ihm sponsern.“
 

„Das hat ihm gefallen.“
 

„Ja, er hat gemeint, unter den Umständen könntest du ruhig öfter ins Labor gehen und dich von diesem Mistkerl fast töten lassen.“
 

„Wie ungemein Uneigennützig von ihm.“
 

„Er mag dich eben. Wenn dabei ein Gratisessen rausspringt, erst recht.“
 

Sephiroth gestattete sich ein leichtes Kopfschütteln und sah zur Uhr. Es war zwar noch nicht besonders spät, aber sein Körper hatte sich immer noch nicht vollständig erholt und forderte Ruhe – mit einer Intensität, die sich nicht verbergen ließ.
 

„Du bist müde, hm?“, erkundigte sich Cutter leise und erntete ein leichtes Nicken. Auf seine leise Frage, wo sie die Nacht verbringen wollte, gab es nur eine einzige Antwort.
 

„Bei dir?“ Einige Sekunden später fügte sie hinzu: „Damit ich auf dich aufpassen kann.“
 

Sephiroth musste unwillkürlich schmunzeln.
 

Du willst auf mich aufpassen ... Auf deine ganz eigene Art und Weise. Du meinst es ernst, ich weiß. Und du kannst es. Ohne, dass ich es jemals von dir verlangt hätte, aber heute hast du es bewiesen. Aber kann ich das akzeptieren? Und dir meinen Schlaf anvertrauen? Und wirklich ... schlafen?
 

Einen Augenblick lang kämpfte er mit sich selbst. Dann aber nickte er. Gleichzeitig versuchte er sich vorzustellen, wie dieses `Aufpassen´ aussehen konnte – aber alle seine Ideen stellten sich als falsch heraus. Denn als er wenig später zu Bett ging, ließ sich Cutter lediglich in sitzender Position neben ihm auf der Matratze nieder, und Sephiroth gelang es nicht ganz, seine Überraschung zu verbergen.
 

„So willst du bleiben?“
 

„Bis du wieder aufstehst.“
 

Es schien die einzig richtige Antwort zu sein. Sie ließ keine Zweifel und Diskussionen zu. Und so erteilte Sephiroths schweigend seine Einverständnis. Die Stille dauerte etliche Herzschläge lang an. Dann aber erklang abermals die dunkle Stimme des Generals, leise, aber dennoch gut zu verstehen.
 

„Ich habe ihn gesehen. Den Lebensstrom. Diesmal habe ich ihn wirklich gesehen. Phoenix, woher wusstest du, was du tun musstest, um mich zurückzuholen?“
 

„Du warst eiskalt und hast gezittert. Also habe ich gehofft, dass Wärme helfen würde. Und ich hatte Recht.“
 

Sephiroth wollte ihren Worten, die für ihn wie kleine Sterne in der Dunkelheit zu leuchten schienen, irgendetwas antworten. Aber mehr außer einem leisen „Hmmm“ war nicht mehr möglich, denn der Schlaf war längst dabei, alle Sinne auszuschalten. Sogar die, welche sonst für die Früherkennung von Gefahr zuständig und immer aktiv waren. Die Vorgänge erhielten keinerlei Gegenwehr. Cutters Gegenwart war wie der Garant dafür, dass alle Schrecken, die sich möglicherweise in der Dunkelheit zum Angriff bereit machten, nicht an ihr vorbeikommen würden. Und zum ersten Mal in Sephiroths bisherigen Leben erhielt das Wort `Geborgenheit´ Tiefe in Form einer Handlung und daraus resultierenden Erinnerung.
 

Das Gefühl verstärkte sich, als Cutter vorsichtig ihre Hand auf seine legte. `Ich bin hier´, schien die sanfte Berührungen zu sagen. `Schlaf. Ich passe auf dich auf. Ich lasse dich nicht allein. Schlaf ...´
 

Und in diesem Augenblick, schon fast völlig schlafend, wurde Sephiroth klar, dass jede seiner Empfindungen für Cutter stärker war, als jemals zuvor. Sie gingen tiefer als der Wunsch nach Nähe oder das Eingeständnis, sich um sie zu sorgen, waren intensiver als die Aussage, dass sie ihm etwas – mehr als alle anderen – bedeutete. Sie waren einfach ... mehr. Wie ein breiter, wärmender Strom in seinem tiefsten Innern. Und in diesem Augenblick dachte Sephiroth es zum ersten Mal. `Ich liebe dich.´ Aber er war nicht mehr in der Lage, es auszusprechen, sondern schon im nächsten Moment eingeschlafen.
 

Es hätte ihn sehr verwundert, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass Cutter es längst wusste. Aber es gab einfach Dinge, die keiner Erklärung bedurften, die einander begriffen und keine großen Worte darüber verloren. Was erschaffen wurde, war ein kleiner großer Zauber. Auch jetzt war er deutlich spürbar. Und Cutter, die immer noch da saß und die Hand des schlafenden Sephiroths hielt, wusste, dass sie diese Nacht für den Rest ihres Lebens nicht mehr vergessen würde. Bis auf Weiteres aber lauschte sie auf die leisen, ruhigen Atemzüge, ließ die ihr anvertraute Wehrlosigkeit nicht aus den Augen und dachte darüber nach, wie leicht man ein Herz brechen konnte und wie lange es brauchte, um wieder zu heilen.
 

Es vergingen viele Stunden, ehe Sephiroth zum nächsten Mal blinzelte. Niemals zuvor hatte er so tief und fest geschlafen. In genau derselben ruhigen und friedlichen Atmosphäre zu erwachen, in der er eingeschlafen war, fühlte sich genauso neu an, wie die auf ihn wartende Begrüßung.
 

„Willkommen zurück.“ Cutters Stimme klang ganz leise. „Guten Morgen.“
 

„Guten Morgen. Hast du ... das die ganze Nacht getan?“
 

„Deine Hand gehalten? Hmhm.“
 

„Hat dir gefallen, was?“
 

Cutters Antwort bestand aus einem verschmitzten Lächeln.
 

„Das dachte ich mir“, kommentierte der General. „Aber jetzt kannst du aufhören. Außerdem beginnt deine nächste Mission in weniger als einer Stunde. Ich schlage daher vor, dass du dich ins Bad begibst und kalt duschst, damit du später wach bist und keine Fehler machst. Des weiteren würde ich einen starken Kaffee empfehlen.“
 

„Ja, Sir“, seufzte Cutter, schwang die Beine aus dem Bett ... Die Arme umfassten sie völlig unvermittelt von hinten, gleichzeitig schmiegte sich ein anderer Körper an den ihren, legte sich ein Kopf auf ihre Schulter ...
 

„Danke“, wisperte Sephiroth. Es mochte wahr sein: Niemand konnte erwarten oder verlangen, von einem anderen Menschen gerettet zu werden. Aber hin und wieder wurde man trotzdem gerettet. Weil es Personen gab, denen die Ansichten des Betroffenen egal waren, die sich mit aller Kraft einmischten, die kämpften ... und siegten. Über den nahen Tod. Vielleicht sogar über das Schicksal selbst. Und Cutter war eine von ihnen. Sie jetzt auf diese Art und Weise zu halten ... Er wusste nicht genau, woher diese innere Kraft kam. Sie tauchte auf und verschwand, ganz wie es ihr beliebte. Wie etwas, das zwar zu einem gehörte, sich aber an keine Regeln hielt, das lange Zeit Kraft und Mut sammeln musste für einen kurzen Moment der Nähe. Diesmal dauerte es etwas länger, ehe sie sich wieder zurückzog.
 

Sephiroth ließ Cutter los, sagte immer noch leise: „Ich mache dir einen Kaffee.“, realisierte ein Nicken ... und, dass sie, obwohl sie hätte aufstehen können, noch etliche Herzschläge lang ruhig sitzen blieb und ihn mit ihrem Blick streichelte, ehe sie sich letztendlich doch erhob, um ins Bad zu verschwinden. Als sie zurückkam, warteten bereits Kaffee und ein Frühstück auf sie.
 

Hier sitzen zu können, bei Sephiroth, und mit ihm zu frühstücken ... Es war, als seien die gestrigen Ereignisse nur ein böser, sehr realer Traum gewesen. Gewisse Überbleibsel allerdings protestierten dagegen, und es war Cutter unmöglich, sie zu ignorieren. Irgendwann erhob sich die junge Frau, um kurz das Badezimmer aufzusuchen und mit Verbandsmaterial zurückzukommen, vor ihm anzuhalten ...
 

„Ich weiß. Für dich ist es nur ein Kratzer. Er wird verheilen. Vermutlich würdest du sogar behaupten, dass er überhaupt nicht weh tut, und außerdem empfindest du das hier als total überflüssig und albern. Aber würdest du mir jetzt bitte trotzdem deine Hand geben?“
 

„Ich hatte gar nicht vor, zu protestieren.“
 

Cutter blinzelte verblüfft.
 

„Nein?“
 

„Nein.“ Gleichzeitig streckte er ihr seine Hand entgegen. „Um ehrlich zu sein, habe ich bereits die ganze Zeit mit etwas Ähnlichem gerechnet.“
 

„Hm“, brummelte Cutter und griff vorsichtig nach seiner Hand. „Hrmmrm.“
 

Sephiroth musste unwillkürlich schmunzeln. Dann beobachtete interessiert die Versorgung der einzigen, immer noch nicht vollständig verheilten Verletzung. Ganz offensichtlich hatte seine Freundin in den Erste Hilfe Kursen gut aufgepasst, denn der Verband war perfekt. Er störte nicht einmal, als der General später, nachdem sie das Appartement verlassen hatte, die übliche Kleidung anlegte und seinen Alltag begann. Aber der Verband war dennoch existent. Ein leichter, kaum spürbarer Widerstand, sicher versteckt unter all dem schwarzen Leder. Es wirkte wie die Erinnerung an Personen, denen Sephiroths Leben etwas bedeutete, und die sich darum sorgten, die nicht wollten, dass er verschwand. Aber je länger der General darüber nachdachte, je klarer wurde ihm der eigentliche Grund für diese Sorge. Und die damit verbundene, schmerzende Erkenntnis.
 

Mein Plan, mich erst von Hojo zu befreien, nachdem ich meine Antworten gefunden habe, wird nicht funktionieren. Nach dem gestrigen Tag würden nur ignorante Narren weiter daran glauben, und ich bin nicht ignorant und nur manchmal ein Narr – aber jetzt definitiv nicht. Ich weiß nur nicht genau, was ich jetzt bin. Oder sein soll. Oder werde.
 

Er bewegte sachte die Hand, fühlte dem leichten Widerstand des Verbandes nach, versuchte den richtigen Ansatzpunkt für weitere Gedankengänge zu finden.
 

Ich bin ... Ich weiß nicht, was ich bin. Mir war doch bewusst, mich mit jedem Besuch im Labor in Lebensgefahr zu begeben. Habe ich etwa unbewusst tatsächlich geglaubt, im Laufe all dieser Jahre hätte sich zwischen Hojo und mir etwas entwickelt, das ihn davon abhalten könnte, mich zu töten? Etwas wie ... Stolz? Weil ich alles überstehe? War ich wirklich so naiv? Da ist nichts. Nichts! Und all die Macht, die er über mich hat ... besitzt er sie letztendlich nicht ausschließlich, weil ich sie ihm gewähre? Weil ich gehorche, wenn er ruft, obwohl mir klar ist, dass es nur entsetzlich werden kann?
 

Was, wenn ich mich dem Befehl, ins Labor zu kommen, dauerhaft widersetze? Er wird versuchen, mich zu zwingen. Wie? Dieser Chip in meinem Nacken ... Wissentlich ist dies die einzige durch einen Fremdkörper ermöglichte Verbindung zu Hojo. Wenn ich diesen Chip entfernen würde ...
 

Aber das reicht mir nicht aus! Ich will einen Kampf! Der so davon getragene Sieg ist die einzige Variante, die ich akzeptieren kann. Aber kann ich die Suche nach meinen Antworten wirklich aufgeben? Ich habe so viel Zeit und Schmerz darin investiert ... Aber ohne Erfolg. Was also verliere ich? Im Grunde nichts. Und was bekomme ich? Eine Neuanfang. Wenn ich die Kraft finde, nicht diese Aufzeichnungen als wichtig anzusehen, sondern nur, was ich selbst in mir sehe. Wie Cutter gesagt hat. Aber ich brauche Zeit, um diese Kraft zu finden ... Und ich möchte viel mehr nachdenken.
 

Er wusste es nicht. Aber seine Freundin teilte diesen Wunsch und war, genau wie ihr General, nicht in der Lage, ihr grübeln auf die freie Zeit zu verschieben. Die neusten Erkenntnisse bezüglich Hojo und Sephiroth ließen sie einfach nicht zur Ruhe kommen.
 

Besonders Hojo ... Je länger Cutter über ihn nachdachte, desto klarer wurde ihr, dass der Mann nicht nur eingebildet und sadistisch war, sondern sich auch noch für absolut unangreifbar hielt. Kein Wunder, wenn man eine Waffe wie Sephiroth beherrschte! Aber gab es nicht auch noch andere Waffen? Was, wenn eine von ihnen völlig unvermittelt zuschlagen würde, um Hojo eine Lektion zu erteilen - und um Sephiroth klar zu machen, dass sein Peiniger durchaus angreifbar war! Verletzen oder gar töten kam allerdings nicht in Frage, sollte der Angriff doch lediglich eine klare Botschaft vermitteln. `Auch du bist verletzlich! Verdammter Mistkerl!´ Aber wie?! Und womit?
 

Cutter grübelte während der gesamten Mission. Und irgendwann, schlagartig, überfiel sie eine Idee. Eine Idee, die ihr zuerst einen Lachflash und dann einen scharfen Verweis des sie kommandierenden Offiziers einbrachte. Es gelang ihr nur mit Mühe, sich so gut es ging zusammen zu reißen, aber sie zückte ihr PHS, sobald sie die Gelegenheit dazu bekam.
 

`Zack, hattest du als Kind einen Chemiebaukasten?´
 

Bis zur Antwort vergingen nur wenige Sekunden. Sie zauberte ein glückliches Grinsen auf Cutters Gesicht.
 

Im Laufe der nächsten Tage bemerkte Sephiroth eine seltsame Veränderung seiner beiden besten Freunde. Beide erschienen auf nicht einmal für ihn nachvollziehbare Weise abwesender als sonst – wirkten aber nicht bedrückt. Cutter versank zu bestimmten Zeiten minutenlang in den Lines und antwortete auf diesbezügliche Fragen nur, sie habe `etwas´ nachsehen wollen. Zack roch seltsam. Außerdem trugen sie von Zeit zu Zeit das exakt gleiche, vorfreudige Grinsen zur Schau. Ohne Zweifel planten sie etwas! Irgendwann begriff der General, dass dieses `etwas´ mit ihm zu tun hatte und es sich, da Cutter und Zack gemeinsam daran arbeiteten, nur um grandiosen Blödsinn handeln konnte. Was, im schlimmsten Fall, endlose Diskussionen mit Präsident ShinRa nach sich ziehen würden und daher die Einleitung von sofortigen Gegenmaßnahmen erforderte.
 

Sephiroth stellte Fragen. Er ließ sich dazu herab, zu warnen und zu drohen. Er verteilte Extramissionen, um die freie Zeit so gering wie möglich zu halten. Das Grinsen blieb. Die Vorbereitungen gingen weiter, steuerten etwas entgegen, dessen vorläufiger Höhepunkt in einer Mittwochnacht um 2:59 Uhr stattfand, als der General gerade dabei war, eine e-mail zu beantworten. Sein Instinkt schlug an wie ein scharfer Wachhund. Sephiroth hielt inne, seufzte tief auf und griff nach seinem PHS. Es tutete einmal. Zweimal. Dreimal. Viermal. Und dann ... meldete sich jemand.
 

„Hi, Sep ...“
 

„Cutter, egal was du tust, hör auf damit! Sofort!“ Leises Klirren im Hintergrund. „Und sag Zack, dasselbe gilt auch für ihn!“
 

„Äh ... ist gerade ziemlich schlecht. Ich ... krrfrfkfsjflkfj ... überhaupt nicht verstehen, der Empfang ist ... mmmffoeflflff ... lich schlecht.“
 

Abwartende Stille setzte ein.
 

„Cutter, jeder Rekrut kann Leitungsstörungen besser imitieren! Du und Zack werdet jetzt sämtliche Spuren eurer mit Sicherheit schädlichen Tätigkeiten verwischen und euren aktuellen Aufenthaltsort verlassen! Sofort! Erhalte ich im Laufe der nächsten Tage auch nur den geringsten Hinweis auf euer Handeln, werde ich entsprechende Konsequenzen einleiten! Und jetzt befolgt meinen Befehl!“
 

Er legte auf, lauschte aber noch eine ganze Weile auf seinen Instinkt. Dieser knurrte noch eine Zeitlang vor sich hin, ging dann aber wieder schlafen. Anscheinend war der Befehl befolgt worden. Dennoch blieb eine gewisse Spur von Misstrauen. Cutter und Zack waren einfach zu glücklich bei ihren Vorbereitungen gewesen. Andererseits wussten sie genau, dass die angesprochenen Konsequenzen stattfinden würden ... Es blieb nur, die folgenden Tage abzuwarten. Sehr aufmerksam!
 

Aber zu `Tagen´ sollte es gar nicht erst kommen. Denn schon am nächsten Morgen erschien eine extrem gut gelaunte Cutter im Büro des Generals, sah auf die Uhr, begrüßte ihn wie jemand, der nicht den Hauch eines schlechten Gewissens zu haben brauchte, sah auf die Uhr und begann mit der Aufarbeitung ihrer fehlenden Berichte.
 

Keine 10 Minuten später polterte Zack in dasselbe Büro, sah auf die Uhr, begrüßte Sephiroth wie jemand, der nicht den Hauch eines schlechten Gewissens zu haben brauchte, sah auf die Uhr und begann mit der Aufarbeitung seiner fehlenden Berichte.
 

Der General betrachtete die beiden viel zu friedlichen Individuen einen Augenblick lang mit äußerstem Misstrauen. Er wusste genau, beide hassten den lästigen Papierkram. Dass sie sich jetzt freiwillig damit beschäftigten, noch dazu zusammen und hier, war mehr als ungewöhnlich. Dass beide immer häufiger zur Uhr sahen, deren großer Zeiger sich langsam aber sicher der 12 näherte, ebenfalls. Dass die beiden immer wieder verstohlene Blicke tauschten und sich alle Mühe gaben, einander nicht erwartungsvoll anzugrinsen ...
 

„In Ordnung!“ Die Stimme des Generals war nur ein leises Grollen. „Anscheinend steht der Höhepunkt eurer Planung kurz bevor, und ihr seid hier, um meine unmittelbare Reaktion mitzuerleben.“
 

„Planung?“ Cutters Stimme klang nahezu engelhaft unschuldig. „Ich hab keine Planung. Zack, hast du eine Planung?“
 

„Iiich? Nö, aber letzte Nacht einen Höhepunkt. Eigentlich sogar zwei. Einen vorher und den anderen hinterher.“
 

„Ihr werdet mir jetzt sofort sagen, was ihr getan habt, damit ich es aufhalten kann!“
 

Zwei Augenpaare sahen zur Uhr. Der große Zeiger stand jetzt unmittelbar vor der 12. Der Sekundenzeiger bewegte sich weiter. Cutter ganzer Körper bebte vor mühsam unterdrücktem Lachen. Zack hatte Tränen der Selbstbeherrschung in den Augen und seine Mundwinkel zuckten.
 

Der Sekundenzeiger erreichte die 12. Der große Zeiger rückte vorwärts. Für einen kurzen Augenblick war es im Büro ganz still. Nicht einmal Sephiroth wusste, was er als nächstes erwarten sollte. Unter diesen Umständen war so gut wie alles möglich ... Dann geschah etwas. Cutter, ohne jeglichen Zweifel momentan in den Lines, quietschte auf. Begeistert.
 

„Kann ich dir mit irgendetwas behilflich sein?“, erkundigte sich der General lauernd.
 

„Nein, nein. Schon gut. Blöden Rechtschreibefehler gemacht. Tsss, ich muss besser aufpassen.“
 

„Das solltest du!“ Seine Stimme klang wie das noch ferne, sich aber beständig nähernde Grollen einer gigantischen Lawine. „Ihr beide!“
 

Gleichzeitig rief er sich eine Übersicht des HQ´s auf den Bildschirm. Kein ausgelöster Alarm. Was immer die beiden getan hatten, es musste äußerst zielgerichtet gewesen sein. Aber welcher Ort (oder welche Person) hätte das Ziel einer von Zack und Cutter durchgeführten Aktion werden können? Doch nicht etwa ...?
 

Weiter kam er in seinen Gedankengängen nicht. Schritte, so energisch dass man ihnen die empfunden Wut bereits anhörte, näherten sich, dann wurde die Tür ruckartig aufgestoßen. Eine Dampfwolke inklusive seltsamen Geruchs waberte in den Raum. Und der eigentliche Grund für all den Rauch. Es war Hojo. Bis auf die rauchende Kleidung sah er aus wie immer – mit einer Ausnahme. Sich dieser voll bewusst stürmte er vorwärts, bremste kurz vor dem Schreibtisch ab, griff sich mit beiden Händen in die Haare ...
 

„Sieh dir das an! Sieh es dir an!!“
 

„Guten Morgen, Professor Hojo.“ Die Stimme des Generals hatte Ähnlichkeit mit glattem, kühlen Stahl. „Was verschafft mir die Ehre?“
 

„Guten Morgen?! Das ist kein guter Morgen! Sieh dir das hier an! Ich verlange eine Erklärung!“
 

Sephiroths Blick hatte sich längst am Grund für die Aufregung seines Peinigers festgekrallt.
 

„Ich würde“, beantwortete er dessen Frage mit aller Gelassenheit, „auf ein schiefgelaufenes Experiment tippen.“
 

„Schiefgelaufenes Experiment?! Sie sind grün! Meine Haare sind grün!“
 

„Ebenso wie Ihre Augenbrauen und Wimpern. Darf ich fragen, weshalb Sie in dieser Angelegenheit zu mir kommen? Die Bewachung des Laborbereichs obliegt, wie Sie wissen, dem allgemeinen Sicherheitspersonal.“
 

Hojo schnappte empört nach Luft, öffnete den Mund – und schloss ihn wieder, als ihm bewusst wurde, hier tatsächlich an der völlig falschen Adresse zu sein. Dann aber ...
 

„Das ... das ... ist eine Frechheit! Ich wurde angegriffen! Ich! In meinem eigenen Labor! Man hat in ein laufendes Experiment eingegriffen, um mich so zuzurichten! Ich verlange eine ab sofort stattfindende Überwachung dieses Bereiches von SOLDIER!“
 

„Eine diesbezügliche Entscheidung obliegt allein Präsident Shinra. Ich schlage daher vor, Ihre Anfrage an ihn zu richten. Der Standort seines Büros dürfte Ihnen aus vorherigen Besuchen bestens bekannt sein. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen, ich befinde mich in einem wichtigen Meeting.“
 

Erst jetzt realisierte Hojo die Gegenwart von Cutter und Zack, die ihn mit unverhohlener Neugier und großem Interesse betrachteten. Er stieß ein Schnauben aus, das verächtlich wirken sollte, aber seine Wirkung um Meilen verfehlte, und stürmte wieder aus dem Büro. Sephiroth lehnte sich zurück, verschränkte abwartend die Arme vor dem Oberkörper und fixierte seine beiden Gäste, wissend, dass er jetzt nur Geduld haben musste, denn so sehr sie versuchten, völlig ernst und unschuldig auszusehen – es fiel ihnen mit jeder Sekunde schwerer.
 

Es war Zack, der als erster die Beherrschung verlor. Die von Cutter brach nur einen Sekundenbruchteil später in sich zusammen. Und dann hallte das ganze Büro wider vor Gelächter.
 

„Hast du ihn gesehen?“ Cutter war vor Lachen kaum zu verstehen. „Hast du gesehen, wie er aussah?“
 

Neben ihr fiel Zack vor Lachen vom Stuhl.
 

„ ... grün!! Cuttie ... grasgrün!“
 

„Grasgrün!“ Lachtränen liefen über ihre Wangen. „Sogar die Wimpern!“
 

„ ... Augenbrauen!!“ Zack verschluckte sich schier vor Lachen. Neben ihm begann Cutter vor Vergnügen mit den Füßen zu trampeln. Sie konnte kaum noch atmen. Sephiroth, der genau wusste gegen diese Heiterkeit nicht ankommen zu können, schwieg, bis die Gelegenheit günstiger war, und gab völlig ruhig zu begreifen, dass auch dieses Grün eine Farbe war, die mit Leichtigkeit überfärbt werden konnte – erreichte aber nur das erneute Ansteigen der Heiterkeit. Es dauerte Minuten, ehe Zack versuchen konnte, den Grund dafür zu erklären.
 

„Das Zeug hat einen unaussprechlichen Namen, aber es sitzt jetzt gaaaaanz fest in den wunderschön grünen Haaren dieses Genies und reagiert auf eine Substanz, die ich ebenfalls nicht aussprechen kann, die aber in jedem Haarfärbeprodukt enthalten ist, und ... und ... Cuttie, bitte ...“
 

„Sie reagiert drauf“, brachte Cutter mühsam zustande. „Und sie ... sie ...“
 

„Ihr wollte mir nicht sagen, dass sich seine Haarfarbe erneut in eine unerwünschte Richtung ändert, sobald er versucht, sie zu überfärben!“
 

Tosendes, aus tiefstem Herzen kommendes Gelächter. Sephiroth stöhnte leise. Ihm gegenüber beruhigten sich die beiden Rächer langsam wieder und eröffneten die Möglichkeit einer gehörigen Standpauke.
 

„Ich fasse zusammen! Ihr seid in Hojos Labor eingebrochen ...“
 

„Eigentlich haben wir uns reingeschlichen. Stimmt´s, Cuttie?“
 

„Jau. Mit der Luna Lance alle Kameras gestört, die Tür geöffnet und rein!“
 

„ ... habt in ein laufendes Experiment eingegriffen ...“
 

„He, das war vielleicht eine Sauerei, das Zeug ist voll übergeschäumt!“
 

„ ... und es mit einer Substanz ...“
 

„Einem Pulver!“, verbesserte Cutter strahlend. „Hat Zack selbst gebastelt.“
 

„Mit meinem Chemiebaukasten!“
 

„ ... versehen, das auf irgendetwas reagiert ...“
 

„Bewegung. So konnten wir sicher sein, dass er sich mit seinem Kopf genau drüber befindet, wenn es losgeht.“
 

„ ... und seine Haare grün färbt.“
 

„Und die Augenbrauen. Und die Wimpern. Ach, ich hoffe, dass er mindestens 3 x versucht, es zu überfärben!“
 

„Ich auch!“
 

„Wessen irrsinnige Idee war das?!“
 

Zwei Zeigefinger deuteten auf Cutter.
 

„Aber das Pulver hat Zack ganz alleine ...“
 

„Ich habe begriffen, dass ihr zu gleichen Teilen in dieser Geschichte mit drinsteckt! Ich könnte euch auf der Stelle entlassen, ist euch das eigentlich klar?“
 

„Mmmh, das wirst du nicht tun, Seph.“
 

„Nenn mir einen guten Grund!“
 

„Sogar zwei. Erstens: Er hat´ s verdient. Er hätte sogar noch viel mehr verdient! Am liebsten hätte ich was zurechtgemixt, das ihm die Augen ruiniert. Und zweitens: Weil du und ich und Cuttie Freunde sind. Und drittens: Vielleicht – hoffentlich - schaltet er jetzt, wo er festgestellt hat, ebenso verwundbar zu sein wie andere, mal einen Gang runter! Hey, das waren jetzt sogar drei gute Gründe!“
 

„Zackary Fair, verlass mein Büro. Auf der Stelle! Und für dich gilt dasselbe, Cutter! Lasst euch für den Rest des Tages nicht mehr hier blicken, sonst garantiere ich für Nichts!“
 

Gänzlich unbeeindruckt, aber gehorsam verließen die beiden erfolgreichen Attentäter immer noch Kichernd den Raum. Sephiroth schüttelte verärgert den Kopf, griff nach dem nächsten Antrag, begann zu arbeiten ... und hielt inne. Hojos Haare waren wirklich verdammt grün gewesen! (Die Mundwinkel des Generals begannen zu zucken.) Und dann die Augenbrauen ... und die Wimpern ... (Das Zucken wurde stärker.) Ob er versuchen würde, es zu überfärben? Garantiert! Welche Farbe wohl dann herauskommen würde? Gelb, vielleicht? Oder rosa? Der gefürchtete Professor Hojo mit rosafarbenen Haaren ...
 

Zwei Sekunden später war es Sephiroth nicht länger möglich, die empfundene Heiterkeit zu unterdrücken. Er ließ sich in seinem Sessel zurücksinken und begann zu lachen. Hojo einen derartigen Streich zu spielen ... Hojo (!!), der sich für unbesiegbar hielt und die gesamte restliche Welt in tiefer Furcht und höchstem Respekt vor sich wähnte ... Unbemerkt in eines seiner Experimente einzugreifen, noch dazu im eigenen Labor ... Sie hatten Recht. Niemand verdiente etwas Derartiges mehr, als Hojo! Sephiroth lachte mehrere Minuten lang, und als er endete, fühlte er sich seltsam befreit. Kopfschüttelnd, aber dankbar machte er sich wieder an die Arbeit.
 

Vor der Tür grinsten sich Cutter und Zack, die heimlich gelauscht hatten, vergnügt an.
 

„Mission erfüllt!“, wisperte der 1st und erntete ein glückliches Nicken – wurde dann aber schlagartig ernst. „Cuttie ... du hattest recht mit dem, was du in meinem Appartement gesagt hast. Wir sind Sephs Freunde! Und als solche sollten wir wenigstens versuchen, ihm mit dieser verdammten Hojogeschichte zu helfen! Ab jetzt werde ich versuchen, rauszukriegen, wo dieser Bastard diese Daten über Seph lagert. Immerhin bin ich mit 98 % der ShinRa Belegschaft per Du. Irgendjemand muss was wissen!“
 

„Sei vorsichtig!“, wisperte Cutter zurück. „Und ruf mich, wenn du mich brauchst.“
 

„Na klar! Bis dann!“
 

Zwei Sekunden später trennten sie sich, um ihren gewohnten Platz im ShinRa Universum einzunehmen.
 

Andere Leute hatten diesen Platz in ihrem eigenen Universum schon seit Tagen nicht mehr verlassen. Es war eines der typischen Probleme eines Zentrums: Alles bewegte sich um einen herum. Destins Gedanken bewegten sich allerdings nur um eins: Kaffee!
 

„Weißt du, es könnte helfen, die Maschine einzuschalten.“
 

„Einschalten? Oh ja. Einschalten.“
 

„Destin“, Roger ließ die Zeitung sinken, „du brauchst mehr Schlaf.“
 

„Wie soll ich bitte schlafen, wenn alle anderen in Bewegung sind?“ Seine Stimme verdüsterte sich. „Alle anderen, die noch leben.“
 

„Gerade deshalb. Sie sind beschäftigt. Ruh dich aus. ShinRa ist momentan völlig bewegungsunfähig.“
 

„Deshalb dürfen wir nicht nachlassen.“ Er griff nach einer der zusammengerollten Karten und breitete sie auf dem Tisch aus. Sie zeigte eine Übersicht Gaias mit allen Makoreaktoren. Einige von ihnen waren durchgestrichen und mit einem Datum versehen worden.
 

„Es sind genau so viele verschwunden, wie mir vom Planeten angekündigt wurde. Dann hat es aufgehört. Gaia hätte weitermachen können. Ihr steht jetzt mehr Kraft zur Verfügung als zuvor. Aber sie hat nichts mehr getan.“
 

„Was hast du vor?“, erkundigte sich Roger. Ihm war die seltsame, einen doppelten Boden verratende Betonung Destins nicht verborgen geblieben. „Hattest du wieder einen Traum?“
 

„Nein. Ich ... ShinRa ist schwer verletzt und ...“ Er verstummte.
 

„Oh, jetzt sag nicht, dass du dir Sorgen um die Electric Power Company machst!“
 

„Nein! Doch. Nicht direkt um ShinRa. Aber um alle, die dort arbeiten. Es sind so viele Existenzen, Roger, und wir könnten sie alle zerstören. Hast du jemals darüber nachgedacht?“
 

„Nein. Besser andere, als ich. Destin, muss ich dich daran erinnern, was ShinRa mit unseren Techniker gemacht hat?! Muss ich wirklich?“
 

„Das waren Crescent und die Turks! Ein winziger Teil ShinRa´s! Hunderte von Leuten haben damit nicht das Geringste zu tun. Wenn wir gewinnen, sind alle Angestellten der Electric Power Company arbeitslos.“
 

„Verdammt, Destin, du kannst keinen Krieg gewinnen, ohne Opfer auf der Gegenseite zu verursachen.“
 

„Aber ich kann versuchen, die Zahl in Grenzen zu halten.“
 

„Wenn ShinRa die Möglichkeit hätte, dich und `Solar Solution´ mit einem Schlag auszulöschen, glaubst du, Rufus würde zögern? Nicht eine Sekunde! Die wollen dich und uns tot sehen, unter allen Umständen, uns alle! Und deshalb müssen dir gewisse Dinge egal sein!“
 

Destin schwieg einen Augenblick. Er verstand die Denkweise Rogers nur zu gut – weigerte sich aber, dieser zuzustimmen. Abgesehen davon ... dass nicht mehr Makoreaktoren zerstört worden waren, obwohl der Planet sie alle hätte vernichten können ... es musste einen Grund haben. Und eigentlich konnte es sich dabei nur um einen einzigen handeln. Immerhin waren sie alle

Bewohner dieses Planeten! Destin öffnete eine Schublade, warf den darin liegenden Gegenständen einen nachdenklichen Blick zu ... dann griff er danach. Es wurde Zeit für eine erneute Kontaktaufnahme zwischen Solar Solution und ShinRa!



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  SilverReader
2010-12-03T15:01:27+00:00 03.12.2010 16:01
Nein, nein... WIE Geil is das den?
Hojo mit Grünen... GRÜNEN Haaren.
Omg ich hab mir fast vor Lachen in die Hose gemacht. Ich konnt nicht mehr und Sephs gelassene Art damit um zu gehen.
Ahhhhh
Und Hojo voll perplex und aufgelöst und ahhhahahaha XD

Aber das Beste das aller beste waren Sephs Gedanken.
Rosa Haare.
Als ich DAS gelesen hab.. konnt ich nich mehr. Ich hab fast ne halbe Stunde gebraucht um mich zu beruhigen.
Das war SO witzig. und nach dem harten Schock vorher mit Seph hat man das echt gebraucht!
Das war ne ganz geile Idee von dir wirklich. GANZ fettes und großes Lob ^^
Von:  Aruna
2010-10-02T10:13:17+00:00 02.10.2010 12:13
Hojo hat wirklich mehr Glück als Verstand. Im ersten Moment hätt ich Zack treten können, weil er Cutter daran gehindert hat, den hässlichen Grottenolm zu killen. Aber die Aktion mit den grünen Haaren war auch nicht schlecht. Ich kann nicht aufhören, zu lachen, bei der Vorstellung :) Ich hoffe, er versucht ganz oft, sie zu überfärben. Bin gespannt, was da für neue Farbtöne bei rauskommen.
Ganz besonders hat es mich gefreut, dass sich Sephiroth schließlich auch drüber kaputt gelacht hat.
Ich würd gern noch viel mehr sagen, aber ich muss noch Protokoll schreiben und Sachen packen für nächste Woche. Außerhalb der Zivilisation :)
War wieder ein ganz tolles Kapitel. Mach weiter so.
lg Aruna



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