Don´t know what I want
Collin lag die ganze Zeit mit offenen Augen im Bett und lauschte in die Dunkelheit hinein.
Das leise Fluchen vor der Tür und das Klackern des Schlüssels kündigten Laurins Rückkehr an und sein Blick richtete sich auf die Tür, die er im Dunkeln nur dadurch wahrnahm, dass ein schmaler Lichtstreifen darunter hervorschien, als Laurin das Licht eingeschaltet hatte.
Nachdem er in die Küche gegangen war, war einige Zeit lang nichts zu hören und Collin runzelte besorgt die Stirn.
Hatte er doch zuviel getrunken?
Als er gesehen hatte, dass Laurin mit Mel verschwunden war hatte ihn nichts mehr halten können.
Ohne weiter auf Carsten, der versuchte ihn irgendwie zu beruhigen, zu achten war er nach draußen gestürzt und einfach losgerannt.
Bis er zu Hause war hatte der Schmerz in seinen Beinen fast schon bestialische Ausmaße angenommen aber das war ihm nur recht.
Er wollte nicht daran denken, dass Mel wahrscheinlich grade dabei war Laurin in den Hals zu kriechen.
Allein schon durch den Gedanken daran wurde ihm unglaublich schlecht. Wäre er auch nur eine Sekunde länger geblieben wäre er ausgerastet und hätte Mel zum Teufel gejagt.
Aber wenn er das getan hätte, hätte er wohl nie eine Chance bei Laurin.
Das gedämpfte Geräusch vorsichtiger Schritte ließ ihn wieder aufhorchen und ein Schatten blieb vor seiner Tür stehen.
Nervös biss Laurin sich auf die Unterlippe und starrte auf die Klinke von Collins Zimmer.
Wenn er wissen wollte, was er wirklich wollte musste er nun mal irgendwie Klarheit bekommen.
Und so wie es aussah war das nur möglich indem er den Faktor der ihn am meisten irritierte ausschaltete.
Tief einatmend schloss er die Augen und drückte langsam die Klinke nach unten.
Vorsichtig schob er die Tür einen Spalt breit auf, um dann schnell hindurch zu schlüpfen. Sein Herz hämmerte wie verrückt und das Blut rauschte ihm viel zu laut in den Ohren, als er die Tür leise wieder zudrückte.
Reglos verharrend wartete er darauf, dass sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnten, dann erst drehte er sich um, sodass er mit dem Rücken zur Tür stand.
Collin hatte sich halb aufgesetzt und ein überraschter Blick aus seinen waldseegrünen Augen ruhte auf ihm.
Das Blut schoss ihm in den Kopf und unsicher wich er wieder einen Schritt zurück.
Vielleicht war das doch eine blöde Idee gewesen.
Vielleicht verloren sich seine Verwirrung und diese ganzen seltsamen Gedanken wieder, wenn er sich einfach nur lange genug von Collin fern hielt.
Bei dem Klang der vertrauten, tiefen Stimme schreckte er leicht zusammen und hob langsam den Kopf.
„Laurin? Was machst du hier?“
Fahrig strich der Jüngere sich durch die schwarzen Haare, während sein Blick unsicher nach etwas unverfänglichem suchte nur um nicht auf Collin zu verweilen.
„Ich…ehm…“
Ihm war nicht klar gewesen, dass er sein Vorhaben dem anderen auch würde erklären müssen und das warf ihn jetzt gewaltig aus dem Konzept.
So kannte er sich selbst nicht.
Normalerweise war er doch nicht so schüchtern und schon gar nicht so…so lieb.
Fast schon trotzig schürzte er die Lippen und sah Collin wieder ins Gesicht.
Warum machte er sich eigentlich so einen Kopf drum, dass der Ältere ihn ablehnen könnte?
Er hatte ihm ja schließlich oft genug gezeigt, dass er ihn anziehend fand.
Oder geil wie Collin es so gern formulierte.
Dessen verwirrter, jedoch abwartender Blick ruhte immer noch auf ihm, während sein Gehirn so auf Hochtouren arbeitete, dass er glaubte die kleinen Zahnräder quietschen hören zu können.
Jetzt fehlt nur noch, dass mein Kopf raucht.
Trotzdem brachte er einfach nicht über die Lippen was er wollte.
Collins Blick schnürte ihm die Kehle zu und seine schweißnassen Hände krallten sich in den schwarzen Stoff seiner Jeans.
An seinen viel zu schnellen Herzschlag wollte er nicht einmal denken, da er ihn überdeutlich spürte.
Wie ein gefangener Vogel, der versucht aus seinem Käfig herauszukommen.
Etwas ähnliches hatte er einmal in einem Gedicht gelesen und es für völlig schwachsinnig gehalten, jetzt jedoch konnte er den Autor mehr als nur verstehen, da er glaubte einen ganzen Taubenschlag hinter seinen Rippen umherflattern zu haben.
Völlig in abstrakte Gedanken über rauchende Köpfe und flatternde Vögel vertieft hatte er nicht mitbekommen, dass Collin mit ihm gesprochen hatte.
„…habt?“
Verwirrt blinzelnd sah er auf und sah direkt in Collins vor Schmerz dunklen Augen, als dieser ihn unverwandt ansah.
„Ehm…Sorry aber ich war grad in Gedanken. Was hast du gesagt?“
„ Hast du wenigstens deinen Spaß mit Mel gehabt?“
Der kalte Ton seiner Stimme ließ Laurin kurz zurückweichen, dann aber explodierte er nahezu.
Dieser Vollidiot fragte ernsthaft, ob er Spaß mit ihr gehabt hatte!?
Wütend schnaubend baute er sich jetzt vor dem Bett des Älteren auf und stemmte die Arme in die Hüften.
„Sag mal, bin ich dir Rechenschaft schuldig oder was soll das werden? Ich frag dich ja auch nicht über irgendwelche Beziehungen aus oder? Verdammt noch mal du bist doch nicht mein Aufpasser! Und woher kennst du sie überhaupt?!“
Sich nicht weiter von Laurins bissigem Tonfall reizen lassend, legte Collin den Kopf schief und sah kalt zu ihm hoch.
„Mel ist meine Cousine. Und es interessiert mich halt was du mit wem machst, auch wenn dir das ja herzlich egal zu sein scheint mit wem du abziehst.“
Scharf sog Laurin die Luft ein.
Was dachte sich dieser aufgeblasene Mistkerl eigentlich?
Seine Sicht verschwamm, als ihm vor Wut Tränen in die Augen stiegen.
Die Hände zu Fäusten geballt stürzte er sich mit einem unterdrückten Aufschrei auf den Älteren.
„Du verdammter Idiot! Du verstehst doch überhaupt nichts! Du machst mir alles kaputt…“
Collin hatte seine Hände abgefangen und hielt den über ihn Knienden an den Handgelenken fest, sodass er nicht doch noch auf ihn einschlagen konnte.
„Was mach ich dir denn kaputt?“
Ehrliche Verwunderung stand in den grünen Augen, aber Laurin sah alles nur noch hinter einem verschwommenen Tränenschleier.
Dieser Blödmann.
Warf sein ganzes Leben durcheinander.
Er biss sich fest auf die Unterlippe, um nicht anzufangen haltlos zu schluchzen, da ihm die Tränen jetzt unaufhaltsam über die Wangen rannen.
Der Griff um seine Handgelenke lockerte sich und sofort riss er seine Hände los und stützte sich auf Collins Oberkörper.
Mit der einen Hand versuchte er die Tränen irgendwie wegzuwischen mit der anderen hielt er Collins Oberkörper auf dem Bett, obwohl der eigentlich wesentlich Stärkere keinerlei Probleme gehabt hätte ihn einfach zur Seite zu schieben hätte er wirklich aufstehen wollen.
Er blieb jedoch ruhig liegen und verstand überhaupt nicht mehr was los war. Warum weinte sein kleiner Wildkater denn jetzt?
Er selbst müsste doch eigentlich heulend im Bett liegen und sich Schnulzen anhören.
Langsam legte er seine Hände auf die Arme des Jüngeren.
Dieser ließ ihn gewähren und starrte tränenblind weiter vor sich hin, als er ihn vorsichtig zu sich hinunter und in seine Arme zog.
In seiner von Kissen gestützten halb sitzenden Position lag Laurin jetzt also mit dem Kopf auf seinem Brustkorb.
Die schmalen Hände des Weinenden waren in sein Schlaf-Shirt vergraben und seine zuckenden Schultern zeugten immer noch davon, dass er wie verrückt weinte.
Hilflos strich Collin über das weiche schwarze Haar und war sich nicht wirklich sicher was er tun sollte.
Laurin wollte zwar genau das eigentlich nicht, aber Collins angenehme Wärme und sein ihm eigener Geruch schienen ihn nahezu zu fesseln und er blieb mit dem Kopf auf dem Oberkörper des Älteren liegen.
Sein Gesicht nahm eine immer dunklere Rotschattierung an, was jedoch nicht nur daran lag, dass er zunächst auf Collins Schoß und dann auch noch halb auf ihm lag, sondern daran, dass der ganze Frust und die Wut der letzten zweieinhalb Wochen hochstiegen.
„ Alles durcheinander…“
Collin schreckte bei den Worten des Kleineren nahezu auf, da er in die Beobachtung des schmalen Körpers und in das unglaublich gute Gefühl seine kleine Wildkatze im Arm zu haben vertieft gewesen war.
„Was ist?“
Laurin hob den Kopf und funkelte ihn wütend an.
„Du machst mir alles kaputt. Seit du da bist ist alles irgendwie total durcheinander und ich weiß nicht mehr was ich denken soll! Kannst du das nicht einfach mal lassen?
Mir macht das nämlich keinen Spaß nicht zu wissen was ich will!“