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Höllenqualen

Rasia Reloaded - Fortsetzung zu "Pakt mit der Hölle"
von

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Elende Possenreißer, tödliches Strohhalmziehen, anhängliche Väter und dumme Schwindeleien

Es war ein wahres Vergnügen, Griffin dabei zu beobachten, wie er nervös auf seiner Unterlippe herumkaute und sich hektisch umschaute, verzweifelt nach irgendeinem Ausweg suchend.
 

Ich grinste derweil fröhlich vor mich hin. Das geschah dem Bengel auch ganz recht! Sich mit Mächten einzulassen, die einem letztendlich nur die Finger verbrennen konnten, war immerhin selten dämlich von dem Knaben gewesen, da war so eine gehörige Lektion gar nicht verkehrt. Vielleicht – aber auch nur vielleicht – registrierte er nun, wie wacklig und unberechenbar sein ach so toller Plan von der Oberherrschaft Japans in Wirklichkeit war.
 

Shimo hatte inzwischen irgendein nicht näher zu identifizierendes Objekt vom Buffettisch genommen und sich in den Mund gesteckt, während er weiterhin grinsend in die Runde schaute und sich von den entsetzten und argwöhnischen Blicken nicht allzu sehr stören ließ.
 

„Ihr habt hier ja ganz passablen Fraß“, gab er zu, während er das komische Ding zerkaute. „Zwar solltet ihr mehr Blut oder Salzsäure zum würzen benutzen, aber ansonsten gar nicht mal so übel.“
 

Winston als Expeditionsleiter und Obermagier vom Dienst trat schließlich nach langem Zögern einige Schritte näher an Shimo heran. Man hätte ihn zwar für wagemutig und tollkühn halten können, aber die Tatsache, dass seine Magierkollegen ihn in den Rücken gepiekst und regelrecht in die Richtung meines alten Herrn gestoßen hatten, milderte diesen Eindruck doch irgendwie beträchtlich.
 

Allesamt Feiglinge, diese Idioten!
 

„Wer … wer bist du?“, fragte Winston dermaßen leise, dass nicht mal ein Hund mit dem ausgeprägtesten Gehör der Welt ihn richtig hätte verstehen können. Nur meinen Teufelssinnen und meinen – wenn auch eher bescheidenen – Fähigkeiten in der Lippenlesekunst hatte ich es zu verdanken, dass ich überhaupt einigermaßen begriff, was uns dieser wackere Magier sagen wollte.
 

Shimo jedoch hatte, wahrscheinlich durch sein eigenes Kauen ziemlich abgelenkt, Winstons Gesuch nicht näher definieren können.
 

„Hä?“, fragte er überaus redegewandt.
 

Winston räusperte sich laut und nahm wohl all den Mut zusammen, den er in seinem massigen Körper irgendwo finden konnte. „W-wer bist du?“ Seine Stimme zitterte immer noch extrem, aber wenigstens konnte man ihn nun von der Lautstärke her wieder verstehen. „Ein Dämon?“
 

Shimo zog eine Schnute. Er mochte zwar eine Schande für die ganze Teufelssippschaft sein, aber wie wir alle konnte er es nicht leiden, mit diesen niederen Wesen verwechselt zu werden. Das war wenigstens etwas, das er mit seinen anderen Artgenossen gemeinsam hatte.
 

„Sehe ich etwa aus wie ein Dämon?“ Mein Vater trat provozierend einen Schritt auf Winston zu, woraufhin dieser zusammenzuckte und hastig wieder zurückwich.
 

Ich konnte nicht umhin, meine Augen zu verdrehen. Meine Güte, was waren diese Engländer bloß für Flaschen! Sie schrien sich selbst Magier und Oberste einer Weltmacht, aber anscheinend waren sie noch nicht sonderlich oft mit echter Gefahr in Kontakt gekommen. Als Mitglieder einer Expedition, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, unbekannte Regionen und Kulturen zu erforschen, hatte ich sie doch glatt für mindestens halbwegs wagemutig gehalten, aber offenbar hatte ich mich geirrt. Wahrscheinlich bestand ihre großartige Reise darin, sich in den schönsten Palästen rund um die Welt einzuquartieren und sich von vorne bis hinten bedienen zu lassen oder aber die Einheimischen mit irgendwelchen dämlichen Schnickschnack zu beeindrucken und sich wie Könige oder gar Götter aufzuspielen.
 

Ach ja, was hatte ich eigentlich auch anderes erwartet? Engländer waren nun mal die größten Possenreißer schlechthin.
 

„Wir pflegen zwar mit Youkai aller Art Kontakt, da wir sie im Gegensatz zu Menschen und anderen Lebewesen, in unserer Welt dulden, aber dennoch ist es ziemlich beleidigend, einen Teufel als Dämon zu bezeichnen.“ Shimo legte den Kopf schief und setzte ein Lächeln auf, das die anwesenden Magier sehr zu verstören schien. „Also macht diesen Fehler besser nicht zweimal. Ihr habt Glück, dass ich ein so großzügiger Teufel bin. Jeder andere meiner Art hätte euch allen schon längst den Kopf abgerissen.“
 

Das stimmte allerdings. Und ich verfluchte ihn dafür, dass er sosehr aus der Art schlug. Ein paar abgerissene Köpfe wären jetzt echt entspannend gewesen.
 

„Also, noch mal von vorn“, meinte mein Vater mit einer Handbewegung, als wollte er die letzten fünf Minuten einfach zur Seite schieben. „Ich bin auf der Suche nach meiner Tochter. Irgendein kleiner, englischer Idiot hat sie entführt und so was sehen wir in der Hölle gar nicht gern. Ihr könnt euch glücklich schätzen, dass ihre Mutter gerade im sechsundzwanzigsten Bezirk auf Geschäftsreise ist und einigen ungehobelten Trollen Feuer unterm Hintern macht, ansonsten wäre sie sicherlich auch hier aufgetaucht. Und das wäre für euch bestimmt kein Spaß gewesen.“
 

Allerdings für mich.
 

Mehr als ärgerlich, dass Tyaria sich wieder irgendwo in der Weltgeschichte rumtrieb. Meine Mutter wäre zwar sicherlich nicht aus Sorge um mein Wohlbefinden zu meiner Rettung geeilt – so was interessierte sie herzlich wenig –, aber dafür wäre sie gekommen, um die Kränkung zu sühnen, die Griffin ihrer Familie angetan hatte.
 

Teufel beleidigten, schlugen und massakrierten sich gerne ein wenig untereinander, aber sobald sich jemand von einer anderen Spezies einmischte, war jeglicher Spaß sofort vergessen. Das kam im Grunde einer Todsünde gleich.
 

Griffin hatte schon seit dem Zeitpunkt, als er mir das Siegel verpasst hatte, all seine Chancen verspielt. Auf die ein oder andere Weise würde er zu Tode kommen, soviel stand fest. Jetzt mussten eigentlich nur die Mordgierigen untereinander klären, wem letztendlich die Ehre zustand, den Bengel ins nächste Leben zu katapultieren.
 

Wahrscheinlich würden sie es mit Strohhalmziehen entscheiden.
 

„Es hat sicherlich niemand von uns deine Tochter entführt!“ Neben all der Angst mischte sich nun auch etwas Entrüstung in Winstons Stimme. „Wir sind Gentlemen und zu so einer Schandtat überhaupt nicht fähig!“
 

Nun, offenbar kannte der Kerl seine süßen, kleinen Expeditionsteilnehmer nicht so gut, wie er dachte. Ich freute mich schon sehr auf seinen dummen Gesichtsausdruck, wenn er schließlich die Wahrheit herausfinden sollte.
 

„Meine älteste Tochter erzählte mir von einem mickrigen, englischen Schmutzfink, der sich meine Rasia unter den Nagel gerissen hat“, meinte Shimo. „Er hat sogar seinen Namen verraten. Irgendwas mit ‚G’, glaub ich …“
 

Griffin neben mir zuckte merklich zusammen. Im Grunde kein Wunder, er steckte arg in der Klemme.
 

Ich fühlte mich in dieser Situation übrigens nicht verpflichtet, ihm mitzuteilen, dass mein Vater ein furchtbar schlechtes Namensgedächtnis hatte. Sollte der blöde Bengel ruhig ein bisschen ins Schwitzen kommen!
 

„Unternimm etwas!“, raunte er mir nervös zu.

„Und was bitte? Soll ich meinem Daddy vielleicht um den Hals fallen?“

Griffin warf mir daraufhin einen bösen Blick. „Lenk sie ab. Irgendwie. Es darf nur keiner zu Schaden kommen.“
 

Den letzten Satz hätte er sich ruhig verkneifen können. Kleiner Spielverderber!
 

Aber ich tat natürlich wie befohlen, was blieb mir auch anderes übrig? Ich drückte den ohnmächtigen Köter in Griffins Arme und vollführte schließlich unauffällig ein paar Handbewegungen, die den Anschein erweckten, als wollte ich eine nervige Fliege vertreiben. Bereits im nächsten Moment schossen aus dem Boden meterhohe Flammen, die meinen Vater einkreisten und somit von der Außenwelt abschirmten. Auch mich selbst und Griffin stellte ich in den Feuerkreis, während ich einen Kerl, der ganz in unserer Nähe stand, mit einem kurzen Schwenk des Handgelenks im hohen Bogen über die lodernden Flammen schleuderte. Das darauffolgende Splittern von Holz ließ vermuten, dass er auf einem Dach gelandet war und womöglich sogar unsanft durchbrochen hatte.
 

„Ist es so besser?“, fragte ich meinen Herr und Meister mit einem falschen Lächeln.
 

Griffin antwortete nicht, sondern ging schnellen Schrittes auf meinen Vater zu, der leicht überrascht das Feuer betrachtete.
 

„Was soll das?“, keifte der Knirps auch kurz darauf los. „Du kannst doch hier nicht einfach mitten in einer Menschenmenge auftauchen! Du hättest beinahe alles verdorben.“
 

Durch das laut knisternde Feuer war es für die Menschen außerhalb des Kreises völlig unmöglich, Griffins kleine Schimpftirade zu hören. Ausgesprochen schade …
 

Shimo starrte den Jungen, der ihm gerade mal bis zur Brust reichte, erstaunt an. „Du bist aber ein unhöflicher Bursche!“, stellte er lapidar fest. Er beugte sich etwas hinunter und brachte sein Gesicht so nah an Griffins, dass sich ihre Nasenspitzen fast berührten. „Lass mich raten: Du bist der Kindesentführer, nicht wahr?“
 

Ich verzog mein Gesicht. Kindesentführer … also wirklich!
 

„Ich bin an die dreitausend Jahre alt!“, empörte ich mich. „Meine Kindheit ist schon lange vorbei, auch wenn das in deiner Erdnuss von Gehirn offenbar immer noch nicht angekommen ist. Schreib dir am besten einen Zettel und kleb ihn dir an die Stirn, damit du es nicht dauernd vergisst.“
 

Das Siegel auf meiner Hand begann, unangenehm zu kribbeln. Ich hatte zwar nicht wirklich gegen Griffins Befehl der Geheimhaltung verstoßen (zumindest hüpfte ich nicht durch die Gegend, lachte wie eine Irre und erzählte jedem Dahergelaufenen fröhlich, dass ich ein Teufel war), aber es war hart an der Grenze gewesen, was mir das Siegel nun spürbar unter die Nase reiben wollte.
 

Shimo richtete sich derweil wieder auf und strahlte mich glücklich an. „Ah, meine kleine Pestbeule, welch schöner Anblick!“ Er kam auf mich zu und machte doch tatsächlich Anstalten, mich in den Arm nehmen zu wollen, aber ich hielt ihn rasch auf Abstand. „Allerdings hast du dich ein wenig verändert. Sag bloß, du hast genauso viel Spaß an Verwandlungen gefunden wie Heideltrud?“
 

Ich schnaubte. Wie konnte es dieser Bastard nur wagen, mich mit diesem geistesgestörten Familienmitglied zu vergleichen? Nun gut, sie war seine Nichte und aus einem völlig unerfindlichen Grund mochte er sie, aber dennoch hatte er nicht das Recht, diese verrückte Schabracke und mich in einem Atemzug zu erwähnen.
 

„Ich folge ganz sicher nicht Heideltruds Beispiel“, zischte ich. „Das ist alles die Idee dieses kränklich blassen Knilchs gewesen, der so eine furchtbar große Klappe hat.“
 

Der Blick meines Vaters wanderte sofort zu Griffin. Er mochte vielleicht über eine sehr geringe Gehirnaktivität verfügen, aber ab und zu war es ihm doch möglich, bestimmte Zusammenhänge relativ schnell zu verknüpfen.
 

Nun gut, die Anspielung war auch nicht besonders schwer gewesen.
 

„Ich hoffe, man hat dich darüber aufgeklärt, dass die Einmischung in Teufelsangelegenheiten für einen Menschen nicht gerade gesund ist“, meinte Shimo an Griffin gerichtet, während er es gleichzeitig irgendwie schaffte, meine Abwehr zu überrumpeln, meine Schulter zu umfassen und mich an sich zu drücken. „Das wird dir bitter zu stehen kommen.“
 

Ich knurrte tief und wollte meinen anhänglichen Vater mit einem kraftvollen Magieschub von mir schleudern, doch Shimo kannte mich gut genug, um sich schleunigst aus der Affäre zu ziehen und einige Meter Sicherheitsabstand herzustellen.
 

Sein triumphierendes Grinsen, da ihm ein kurzer inniger Moment mit seiner Tochter gegönnt gewesen war, hätte ich ihm liebend gern aus der Visage gewischt. Aber ein deutliches Kopfschütteln seitens Griffins, der meine Absicht offenbar durchschaut hatte, hielt mich davon zurück.
 

Ein Grund mehr, diesen englischen Pickel zu hassen!
 

Shimo hielt sich jedoch glücklicherweise nicht besonders lange mit seiner Genugtuung auf. Ihm war Griffins Befehl nicht entgangen, sodass er sich nun wieder dem Bengel zuwandte.
 

„Also ist es tatsächlich wahr“, stellte er seufzend fest. „Du spielst wirklich mit dem Siegel des Helios herum. Überaus dumm, mein Kleiner, überaus dumm. Weißt du nicht, was mit all den anderen passiert ist, die dies auch gewagt haben?“
 

Wahrscheinlich wusste er es schon, doch in seiner grenzenlosen Selbstverblendung hatte er diese Information einfach nicht für voll genommen. So war das nun mal bei realitätsfernen Schwachköpfen.
 

„Das klären wir später“, knurrte Griffin. Er warf einen Blick auf meine hübsche, magische Flammenwand, hinter der man bereits die aufgeregten Stimmen der Magier vernahm. Offenbar störte es die Herrschaften irgendwie immens, dass einer der ihren alleine einem Teufel gegenüberstand. Entweder hatten sie doch so etwas wie Heldenmut in sich finden können oder sie stritten gerade darum, welcher armer Einfaltspinsel nun zu Griffins Rettung eilen musste.
 

„Deine Anwesenheit sorgt hier nur für Trubel“, zischte Griffin. „Begib dich dort drüben in den Wald, keine Meile von hier befindet sich eine große Lichtung. Geh auf der Stelle dorthin.“
 

Shimo hob eine Augenbraue und wirkte nicht mal ansatzweise beeindruckt, dass ein Dreikäsehoch den Befehlston raushängen ließ.
 

„Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich auf dich höre, oder etwa doch?“, fragte mein Vater amüsiert.
 

Griffin knirschte mit den Zähnen. Eine Zeit lang starrte er meinen alten Herrn einfach nur mit einem undefinierbaren Blick an, der mir irgendwie nicht so recht gefallen wollte. Auch meine Mutter hatte immer so einen Gesichtsausdruck auf, wenn sie sich irgendeine ganz besonders fiese und bösartige Bestrafung ausdachte.
 

Nun, im Grunde konnte es mir herzlich egal sein, was mein kleines Meisterchens mit Shimo anzustellen gedachte, aber irgendwie hatte ich das ungute Gefühl, dass auch ich ins Schussfeld geraten würde.
 

Und wie so oft hatte ich Recht.
 

Griffin streckte plötzlich in einer übertrieben theatralischen Geste den Arm aus, deutete auf mich und meinte hochtrabend: „Vergiss nicht, dass ich das Leben deiner Tochter in der Hand habe! Wenn du mir nicht umgehend gehorchst, werde ich sie ungeheure Schmerzen fühlen lassen, dass sie sich wünschte, sie wäre tot.“
 

Aua.
 

Irgendwie klang das gar nicht berauschend.
 

Es gab zwar genügend Teufel, die auf Pein und Schmerzen standen und es regelrecht darauf anlegten, zerquetscht, zerkratzt, verprügelt und verbrannt zu werden, aber ich gehörte nicht zu dieser Kategorie.
 

Mein Blick fiel auf Inuyasha, der schlaff in Griffins Armen hing. Würde ich am Ende auch so aussehen? Gequält und verbrutzelt?
 

Darauf hatte ich eigentlich nicht wirklich Lust.
 

Und ausnahmsweise war ich mal ganz froh, dass Shimo teuflisch-untypische Eigenschaften wie Mitleid besaß und es nicht ertragen konnte, seine Tochter leiden zu sehen. Tyaria hätte sich wahrscheinlich vergnügt die Show angesehen und Griffin bei seiner kleinen Folter sogar noch angefeuert, aber Shimo war viel zu gutherzig, um so etwas über sich ergehen zu lassen.
 

„Na fein“, meinte er schließlich. „Ich gehe zu dieser Lichtung, ganz wie der Engel es befiehlt. Aber lass mich bloß nicht zu lange warten.“
 

Für einen Augenblick musste ich wohl annähernd dankbar ausgesehen haben, denn Shimo warf mir eins seiner ekelerregenden Lächeln zu. Ich bemühte mich sodann schnell um eine finstere Miene, um noch mal deutlich die verschiedenen Fronten klarzumachen.
 

„Wir sehen uns dann, Schatz“, meinte er daraufhin bloß lächelnd, während er mit einem Satz über die Flammenwand sprang. Auf der anderen Seite hörten wir sofort das erschrockene Geschrei der dort versammelten Vollidioten, die wahrscheinlich die ganze Zeit über dumm dreinglotzend das Feuer angestarrt hatten und nun vor dem plötzlich auftauchenden Teufel zurückschreckten.
 

Als ich spürte, wie sich mein Vater immer weiter entfernte, ließ ich mein kleines Feuerchen erlöschen, bis nichts mehr daran erinnerte. Sofort schauten wir in die Gesichter besorgter oder ängstlich dreinschauender Feiglinge, die wohl nicht so recht zu wissen schienen, was sie von dem Ganzen halten sollten.
 

Am liebsten hätte ich laut aufgestöhnt und die gesamte Mannschaft einmal ordentlich in die Mangel genommen. Meine Güte, hatten die denn noch nie einen Teufel und ein paar magische Höllenflammen gesehen? Lebten die wirklich dermaßen hinter dem Mond?
 

Unglücklicherweise durfte ich meinem Missmut jedoch keine Luft machen. Stattdessen versetzte ich mein zartes Puppengesichtchen in einen Ausdruck, der hoffentlich annähernd an Furcht erinnerte, und tat eingeschüchtert, während ich mich in Wahrheit am liebsten von der nächsten Klippe gestürzt hätte.
 

„Griffin, alles in Ordnung?“ Winston und einige andere stark beleibte Engländer kamen auf uns zugewatschelt und musterten uns sorgenvoll. „Wir haben versucht, diese höllische Mauer zu durchbrechen, aber die Magie dieser Kreatur war einfach zu mächtig.“
 

Ja, ja, wer’s glaubt …
 

Ich hatte keinerlei Versuche gespürt, die darauf hingedeutet hätten, dass sich von außen jemand an meinem Feuer zu schaffen gemacht hatte. Nicht mal den allerkleinsten Versuch.
 

Elende Heuchler!
 

„Was war das nur für ein Wesen?“, murmelte Winston. Er strich sich nervös durch den Schnurrbart, während er in die Richtung schaute, wo Shimo verschwunden war.
 

„Ein Teufel, das hat er doch selbst gesagt“, murrte ich übellaunig.
 

Augenblicklich bemerkte ich meinen Fehler, als das Siegel zu prickeln begann. Auch die überraschten Blicke der übrigen Herrschaften taten ihr übriges. Rasch zauberte ich ein unschuldiges Lächeln auf meine Lippen und zwitscherte: „Oder etwa nicht, meine Herren?“
 

Winston starrte mich noch einen Moment lang mit einem undefinierbaren Blick an, sodass ich fast dem Glauben verfallen wäre, er ahnte etwas. Aber als sich seine Gesichtszüge wieder entspannten, machte er mir seine Unterbelichtheit wieder mehr als deutlich.
 

„Passiert das hier häufiger?“, erkundigte er sich.
 

„Äh“, meinte ich äußerst geistreich, während ich einen unauffälligen Blick zu Griffin warf. Dieser zuckte bloß mit den Schultern und symbolisierte mir damit, dass ich Winston jeden Käse erzählen durfte, der mir einfiel. „Nun … durchaus, das geschieht öfter. Hier leben zahlreiche Dämonen und auch Höllenbewohner lassen sich häufig blicken. Es ist wirklich furchtbar.“
 

Ich hätte vielleicht noch was schluchzen und schniefen können, aber dazu hatte ich nun wirklich keinen Bock. Ich verbrauchte fast meine ganze Energie dafür, mich davon abzuhalten, Winston nicht die Fresse zu polieren. Sein pseudo-mitleidiger Blick konnte sogar eine solch beherrschte und vernünftige Teufelin wie mich aufregen.
 

„Ist es wirklich so schrecklich?“ Er sah mich mit seinen großen Glotzaugen an und schien wohl kurz davor zu stehen, mich in den Arm zu nehmen, mir über den Kopf zu streicheln und mir zu versichern, dass alles gut werden würde.
 

Aber nicht mit mir, Freundchen! Shimo hatte es vielleicht geschafft, mich zu überrumpeln, aber einem jämmerlichen Menschen würde ich diese Genugtuung sicher nicht gönnen. Ich wich einen Schritt zurück und machte somit klar, dass Körperkontakt nicht erwünscht war.
 

„Die Youkai sind so furchtbar böse und grässlich“, klagte ich mein Leid.
 

Nun, zumindest hielten sich diese Schwachköpfe für böse, aber besonders hinterhältig waren sie eigentlich nicht. Bloß eine Gruppe Schaumschläger, die einen Teufel höchstens zum gähnen bringen konnte.

Grässlich waren diese Kerl aber durchaus – allerdings in einem anderen Sinne, als Winston und seine englischen Torfnasen es gerade verstanden.
 

„Das ist ja wirklich grauenhaft“, meinte Winston. Er wandte sich seinen besagten Torfnasen zu und sagte: „Da müssen wir doch irgendwas unternehmen. Wir können diese armen Menschen immerhin nicht im Stich lassen.“
 

Und sofort schwellten diese Affen ihre Brust und begannen zu debattieren, als würde ihnen ernsthaft etwas daran liegen, ihr Leben aufs Spiel zu setzen, um japanischen Bauern bei ihrem Dämonenproblem zu helfen.
 

Ich hätte laut aufgelacht, wäre das meiner Tarnung würdig gewesen.
 

„Was für erbärmliche Idioten ihr doch alle seid“, flüsterte ich Griffin zu. „Freu dich drauf, wenn du älter und kahlköpfig bist, wirst du auch so ein furchtbarer Jammerlappen sein.“ Ich hielt kurz inne und korrigierte mich dann schnell: „Na ja, wenn du je so alt werden wirst, was ich doch sehr bezweifle.“
 

Griffin bedachte mich mit einem giftigen Blick und drückte mir Inuyasha wieder in die Arme. Der Hanyou hatte von der ganzen Aufregung nichts mitbekommen, aber allmählich wurde er wieder was munterer. Einige seiner Gliedmaßen zuckten ab und zu und auch seine Augenlider hatten vorhin kurz geflattert. Ich war verführt, seinen Kopf gegen den nächsten Baumstamm zu donnern, damit unser süßer Wonneproppen noch ein bisschen weiterschlief.
 

Während ich überlegte, ob ich unserem Engelchen nun Gewalt antun sollte oder nicht, hatte Griffin sich zu den britischen Herrschaften gedreht und begonnen, ihnen irgendwelche Lügengeschichten aufzutischen. Er laberte etwas davon, dass der böse, böse Teufel ihm und mir einen furchtbaren Schock versetzt hätte, wir dringend etwas Ruhe benötigten und noch allerlei anderes unwahres Zeug. Jeder halbwegs Vernünftige mit einer einigermaßen passablen Intuition hätte seine dummen Schwindeleien sofort durchschaut, aber die Engländer waren viel zu sehr in ihre Dämonen-Zerstörungspläne vertieft, als dass sie Griffin richtig zugehört hätten.
 

Somit konnten wir uns ohne großes Tamtam aus dem Staub machen, nur beobachtet von einer äußerst missbilligend aussehenden Beth. Ich schenkte ihr ein falsches Lächeln und winkte ihr zu, was ihre Stimmung zu meiner Freude noch zu senken schien.
 

„Müssen wir denn unbedingt zu meinem Vater?“, fragte ich seufzend, als wir aus dem Blickfeld der anderen verschwanden und uns in die Wälder schlugen.
 

„Aber natürlich“, meinte Griffin hochnäsig. „Er wird ein wichtiges Mitglied meiner Armee werden. Seine Fähigkeiten sind sehr praktisch.“
 

Seine Fähigkeit zur vollkommenen Selbstzerstörung mangels gesundem Teufelsverstandes oder eher seine Fähigkeit zur absoluten Gehirnschmelze aller näherstehenden Personen?
 

„Und was erhoffst du dir von ihm?“, fragte ich knurrend. „Er ist im Grunde nur gut darin, Ärger zu machen. Glaub mir, er wird dich schneller zum heulen bringen, als du ‚Weltherrschaft’ sagen kannst.“
 

Wobei das genaugenommen gar nicht mal so schlecht war.
 

„Ich habe mir sagen lassen, dass er ein ungemein gutes Gespür für Magie hat“, erklärte Griffin, während er versuchte, mit der Hand einige lästige Insekten zu verscheuchen. „Sogar ausgesprochen gut.“
 

Ich hätte ihm zustimmen können, aber ich beließ es bei einem Brummen. Es hätte nur unnötig sein Selbstwertgefühl gestärkt, wenn ich ihm bestätigt hätte, dass mein alter Herr ein ausgezeichneter Magiedetektor war. Besonders praktisch, wenn man irgendwo in seinem chaotischen Zuhause den magischen Schlüsselbund verlegt hatte.
 

„Und was bringt dir das?“, wollte ich wissen.

Griffin lächelte spitzbübisch. „Hast du Emmerett nicht zugehört? Wir sind beide auf der Suche nach dem Shikon no Tama. Die meiste Zeit können es unsere Diener nicht spüren, nur ab und zu flackert es mal kurz auf.“ Er warf einen Blick auf das Häufchen Elend in meinem Armen. „Inuyasha hat mir gesagt, dass Juwel ist im Besitz eines Dämons, der offenbar einen starken Bannkreis errichten und sich somit regelrecht unsichtbar machen kann.“
 

Aha. Also hoffte er, dass dieser dumme Bannkreis die Nase meines Vaters nicht beeinträchtigen würde.
 

Im Grunde kein schlechter Gedanke. Solche dämonischen Kinkerlitzchen waren für einen Teufel meistens ein Kinderspiel. Und für einen Magiedetektiv wie Shimo wäre es sicherlich ein Leichtes, diesen Dämon mit dem Juwel zu finden.
 

Ich gab es ungern zu, aber Griffin schien sogar richtig nachgedacht zu haben.
 

Dennoch gab es bei dem Ganzen immer noch ein Problem: Shimo war ein unberechenbarer Faktor! Bei ihm konnte man sich stets darauf verlassen, dass irgendwas schiefging.
 

Blieb nur noch die Frage, ob sich das für mich oder doch eher für Griffin negativ auswirken würde.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  SamAzo
2008-09-13T15:57:47+00:00 13.09.2008 17:57
Man könnte meinen sie hat nur geistesgestörte Familienmitglieder xD

Jaja.. Rasia und ihr Vater. Ein Herz und eine Seele - quasi..
Ob das gut geht?
Ich bezweifel es ehrlich gesagt. Aber wenn es bei ihr keine Probleme geben würde, wäre es ja nicht lustig ^^
Von:  Hotepneith
2008-09-12T21:05:57+00:00 12.09.2008 23:05
arme Teufelstochter...
das kann ja noch nett, werden...mehr für die Leser, als für sie...
Rasia hat in der letzten Zeit wohl das Höllenglück gepachtet. Wen oder was hat sie sooo verärgert?
Oder hat sie wen zviel ins Nichts geschickt?

Bin sehr gespannt auf die Fortsetzung

bye

hotep


Von:  chaska
2008-09-12T19:28:40+00:00 12.09.2008 21:28
Väter und Töchter. Das Papa aufgetaucht ist, läßt zuerst Hoffnung aufkommen, doch nun... Irgendwie scheinen sich die Schwierigkeiten für Rasia zu vergößern, anstatt kleiner zu werden. Wenn es Griffin gelingt auch diesen Teufel in seine Gewalt zu bringen, dann wird die Reise sicher nicht angenehmer werden.
Es bleibt spannend.
Liebe Grüße
chaska
Von:  Schalmali
2008-09-12T18:59:38+00:00 12.09.2008 20:59
Hihi Vatterchen Shimo sorgt ganz schön für Trubel und Töchterchen muss es ausbaden. Sie darf zwar wenigstens mal ein paar Feuerchen machen und irgendwen durch die Luft wirbeln aber das wars auch schon. Zum Glück für Rasia hat er aber wenigstens Mittleid sonst hätte sie eben diese Eigenschaft vielleicht nacher auch mit Inuyasha haben können, nachdem sie es selbst erlebt hat - immerhin ist sie eine Teufelinn, hält mehr aus, gegenüber ihm ^^ Nun ja, wie auch immer, mal schauen wie es weiter geht scheint ja noch einiges zu kommen und lustig wars wie immer :D


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