Von labrigen Sandwichs und Dreckskerlen
Liebesrezept für den Tod
Kapitel 1: Von labrigen Sandwichs und Dreckskerlen
Das Jahr – Deans Frist – es lief ab.
Langsam und stetig und doch mit tödlicher Sicherheit.
Sam kämpfte um ihn.
Doch alles schlug fehl.
All seine Recherchen...
Die stundenlangen Recherchen, jede Nacht, wenn Dean schon schlief und jeden Tag, wenn Dean nicht gerade bei ihm war.
Und das war er immer öfter...
Sein Rücken schmerzte, vom ständigen Sitzen auf unbequemen Holzstühlen.
Seine Finger zierten feine Schnittwunden, vom Papier der Bücher, die er krampfhaft durchwälzte und durchsuchte.
Seine Augen gerötet und verquollen, vom Bildschirm seines Laptops – und wenn dessen Akku leer war – der vieler Computer in der Bibliothek.
Es zerrte an seinen Kräften, doch es war ihm alles egal.
Er nahm alles in Kauf, wenn es nur einen Hoffnungsschimmer gab.
Eine Rettung, die Dean vor der Hölle bewahrte...
Doch dieser kam einfach nicht...
Langsam und stetig verging das Jahr.
Sam verging es trotz allem viel zu schnell.
Zu rasend rutsche es durch seine Finger, konnte die Zeit kaum greifen, die ihm mit Dean noch blieb.
Und dieser zog sich immer mehr zurück.
Je mehr Sam versuchte sich ihm anzunähern, desto härter wurde die kalte Mauer, die sich um seinen Bruder herum bildete.
Er wurde immer kälter...
Emotionsloser...
Als hätte er mit dem Leben schon lange abgerechnet.
Sam stand vor der kleinen Theke in der Tankstelle.
Er suchte die Reihe ab.
Eigentlich war es doch immer das selbe Zeug.
Belegte Brötchen, Sandwichs und irgendein Süßkram.
Schon lange nicht mehr gingen sie richtig Essen.
Dabei sollten sie es doch genießen...
Sam bezahlte rasch und ging wieder zum Motelzimmer zurück.
Es lag gerade auf der anderen Straßenseite, also nicht sehr weit.
Sie hatten mal wieder in einem kleinen Städtchen halt gemacht – um nicht zu sagen Dorf.
Der nachtschwarze Impala stand prunkvoll auf dem Parkplatz.
Dean investierte viel Zeit in sein Baby.
Sam schätzte, dass der Chevy noch nie so gut ausgesehen hatte.
Nicht einmal vor dem Unfall und daraus resultierender Totalschaden.
Sam schloss leise die Tür zum Zimmer auf.
Dean saß auf dem Bett und starre stur gerade aus.
„Ich bin wieder da...“, nuschelte Sam leise.
Er erhielt keine Antwort.
Wie schon seit einiger Zeit nicht mehr.
„Ich hab dir etwas zu Essen mitgebracht. Ich dachte mir, du hast vielleicht Hunger...“
Er legte Deans Sandwich neben ihn hin.
Dean reagierte immer noch nicht.
Sam schmerzte es, wenn sie nicht miteinander sprachen.
Und wenn sie es taten, endete es immer häufiger in einem Streit.
Die Situation eskalierte vollkommen; sie brüllten sich an, warfen Sachen durch die Gegend, beschimpften sich – nur um dann wieder in das trostlose Schweigen zu verfallen, dass sich wie ein toter Schleier über sie Beide legte.
Sam starrte auf sein Sandwich.
Eigentlich hatte er doch gar keinen Hunger...
Er aß nur, weil er etwas essen musste.
Wie immer saßen sie schweigend da.
Sam biss in sein wabbliges Sandwich, es schmeckte nach nichts...
Dean ließ seines links liegen.
Der Jüngere der Winchesters guckte auf, Dean musste endlich mal wieder etwas essen.
Schon gestern hatte er das schäbige Mahl – Pizza vom Vortag - verweigert.
Sam hatte ihn gelassen, Dean bekam ja doch irgendwie wieder seinen Willen.
Doch diesmal würde Sam ihm das nicht einfach durchgehen lassen.
„Iss doch etwas...“, forderte Sam ihn leise auf, nachdem er seinen Bissen hinuntergeschluckt hatte.
Gewürgt war eindeutig das bessere Wort.
„Jetzt komm mir bloß nicht wieder damit!“, rief Dean und stand so jäh auf, dass Sam ein wenig zusammenzucke.
Der Ältere drehte Sam den Rücken zu und starrte grimmig aus dem Fenster, ohne wirklich etwas zu sehen.
„Ich habe dir extra das mit Käse und dieser seltsamen Sauce geholt, das magst du doch so gern...“, ertönte Sams zaghafte Stimme im Raum.
„Ich hasse es!“, erwiderte Dean grollend.
Sam sah auf den Boden.
„Aber Essen hat dich doch sonst auch immer aufgeheitert-“, fing Sam an, wurde jedoch schneidend unterbrochen.
„Die Zeiten sind vorbei! Es ist nichts weiter als nervige Routine, jeden und jeden verfluchten Tag!“
Sam stand leise auf und befand sich nun dicht hinter Dean.
„Dean...bitte...“
Es war nicht mehr als ein Hauchen.
„Mach es bitte nicht noch schlimmer, als es schon ist...“
Dean schnaubte und blickte weiter aus dem Fenster – den Kloß ignorierend, der sich langsam in seinem Hals bildete.
„Diese Kälte...mit der du mich ansiehst, die um dich herum ist...
Seit Wochen lässt du mich nicht mehr an dich heran! Ich ertrage das nicht länger!“
„Das musst du auch nicht...bald bist du mich los...dann kannst du dein eigenes Leben weiterführen und-“
„Dean!“
In Sams Augen bildeten sich Tränen.
Wieso sprach er so darüber?
Wieso glaubte er, Sam wolle sein eigenes Leben weiterführen?
Er drehte Dean an den Schultern zu ihm herum, er wollte ihm in die Augen sehen.
Unbewusst schüttelte er ihn leicht, während er sprach.
„Dean...DU bist mein Leben! Nichts bedeutet mir so viel wie du! Mum, Jess und Dad sind tot, ich kann dich nicht auch noch verlieren! Ich zerbreche daran!“
In ihm zog sich alles zusammen.
Dean zuckte nur mit den Schultern – Sams Hände ruhten noch immer darauf.
„Ein bisschen Sekundenkleber...dann passt das, kennst dich ja prima damit aus...“
„W-was?!“
Sam blinzelte verwirrt.
Er brauchte eine Weile bis er endlich den Zusammenhang verstand.
„Du...“
Der Winchester starrte seinen Bruder fassungslos an, bis er seine Hände von Deans Schultern nahm und sich abwandte.
Er konnte den Anblick nicht länger ertragen.
Sam schüttete Dean seine Gefühle aus, seine Seele, sein ganzes Herz!
Und was tat er zum Dank?
Er trat es mit Füßen!
Ein Würgereiz überkam ihn und Wut loderte in ihm auf.
Dieser Dreckskerl!