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Frag dich erst, wer du bist...bevor du wissen willst, wer ich bin

Ginny/Draco
von

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Eine ausgerutschte Hand

5. Eine ausgerutschte Hand
 

Als sie am nächsten Morgen aufwachte, sah die Welt jedoch ganz anders aus. Nachdem sie die ganze Nacht Alpträume von den Schreien der Frau in der Folterkammer hatte, würde sie es nicht wagen Draco Angriffsfläche zu bieten, indem sie zugab, diese Kerker zu fürchten. Außerdem hatte sie gestern ihren Zauberstab bei ihm vergessen und würde ihn bestimmt nicht wiederbekommen, wenn sie Draco fertig machen würde.

Sie hüpfte aus ihrem Bett, packte ihre Schultasche, wobei ihr Blick auf ein rotes Buch fiel, das sie mit einsteckte und ging hinunter in die großen Halle.

Seit der Begrüßungszeremonie gestern hatte sich wirklich alles vergrößert. Das Platzmangel-Problem schien sich in Luft aufgelöst zu haben. Die vier Tische waren länger geworden, sodass jeder Schüler mit Sicherheit einen Platz bekommen konnte. Leider schien das jedoch nur bei den anderen Häusertischen so zu sein, denn am Gryffindor-Tisch gab es nur noch einen freien Platz – neben Hermine, die Ginny auch schon bemerkt hatte und zuwinkte. ‚Was solls‘ seufzte sie innerlich und ging auf Hermine zu.

„Hallo Ginny! Sag mal, wo warst du vorgestern? Wir haben dich im Zug gesucht, aber nicht gefunden. Und was hast du gestern gemacht, dass wir dich nicht zu Gesicht bekommen haben?“ fragte Hermine, die sie immer wie eine kleine Schwester behandelt hatte.

Ginny lächelte, nickte ihrem Bruder und Harry zu. „Ich habe euch auch im Zug gesucht. Wir sind wohl aneinander vorbeigelaufen.“ log sie ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. „Und gestern musste ich viel für die Schule machen. Ihr wisst ja, erster Schultag und so.“ Zufrieden nickte Hermine und biss in ein belegtes Brötchen.

„Setz dich doch! Möchtest du was essen?“ fragte Ron fürsorglicher als normal. ‚Essen...‘ dachte Ginny. Seit zwei Tagen ernährte sie sich jetzt schon von Orangensaft, aber sie hatte absolut keinen Hunger. „Nein, danke. Ich hab keinen Hunger.“ „Du isst in der letzten Zeit aber ziemlich wenig, Gin. Pass auf dich auf!“ Ron sah sie jetzt mit einem Blick an, den sie normalerweise nur von ihrer Mutter kannte. Unweigerlich musste sie schmunzeln. „Ich hab schon gegessen.“ kicherte sie die nächste Lüge. „Aber lasst es euch gut schmecken. Ich muss noch was erledigen.“ Und schon war sie aus der großen Halle verschwunden. Harry aß weiter als ob nichts gewesen wäre, doch Hermine und Ron schauten sich an und tauschten fragende Blicke aus. Irgendetwas stimme nicht.
 

Nachdem sie die Halle verlassen hatte, wechselte sie ihr falsches Lächeln durch einen gequälten Gesichtsausdruck aus. Ihr Magen machte Anstalten und knurrte. Vielleicht sollte sie doch zurück in die große Halle gehen und etwas essen. Für einen kurzen Moment verschwamm die Sicht vor ihren Augen und sie musste sich an dem nächstbesten Gegenstand festhalten. So harrte sie circa eine Minute aus und als sie wieder klar sehen konnte, bemerkte sie Draco mit Grabbe und Goyle auf der Treppe. Sie schienen zum Frühstück gehen zu wollen.

‚Jetzt oder nie!‘ sagte sie sich und ging auf den hellblonden Slytherin zu.

„Malfoy, du hast etwas, das mir gehört.“ sagte sie aggressiv. „Sieh an, eine Gryffindor. Weißt du, ich denke, ich besitze viel, was du gerne hättest, aber gehören wird dir davon nie etwas.“ Draco lachte und Grabbe und Goyle stimmten sofort mit ein. Ginny fand das gar nicht witzig, trat zwei Schritte auf Draco zu, sodass sie direkt vor ihm stand, und tippte mit dem Zeigefinger bei jedem Wort, das sie sprach, hart gegen seine Brust. „Du arroganter, aufgeblasener Schnösel! Entweder du gibst mir jetzt meinen Zauberstab oder dir passiert was!“ Dabei schaute sie ihn so böse an, dass selbst ein Malfoy Angst kriegen müsste, Draco hingegen blieb jedoch unbeeindruckt. „Aha. Und wie willst du das anstellen? So ohne deinen Zauberstab?“

Nun wichen sogar Grabbe und Goyle, die Muskel bepackten Leibwächter von Draco, ein paar Schritte zurück, da sie befürchteten, dass Ginny ihre Wut, die man ihr deutlich ansehen konnte, auch gegen sie richten könnte.

„Ich habe so meine eigenen Methoden – auch ohne Zauberstab.“ fauchte sie ihn an. Zu Grabbe und Goyles Verwunderung, lächelte Draco zynisch und näherte er sich wie damals im Zug ihrem Gesicht. „Ach, ich vergaß. Du bist eine Weasley, eine Muggelfreundin. Dann leb doch wie so einen Muggel, ohne Zauberstab. Leuten wie dir und deiner Familie sollte es verboten sein, einen Zauberstab zu besitzen. Ihr seid es nicht wert in der Zaubererwelt zu leben! Ihr seid es nicht mal wert überhaupt zu leben!“

Bam.

Ginny starrte geschockt auf ihre Hand und dann zu Draco, der bewusstlos auf dem Boden in seinem eigenem Blut lag.
 

Es war bereits dunkel und nichts verursachte auch nur ein kleines Geräusch im Schloss, da sich die meisten aufgrund der Nachtruhe nicht aus ihren Zimmer trauten.

Ginny saß kerzengerade neben einem Bett, indem jemand in weißen Decken eingehüllt lag und leise atmete.

Wie konnte sie das nur tun? Draco hatte sie provoziert, ja, aber dass sie ihre Selbstbeherrschung so verlor, war ihr noch nie passiert. Eigentlich war ihr Faustschlag gar nicht der Hauptgrund, warum dieser blonde Junge jetzt hier auf der Krankenstation lag. Er war nur falsch gelandet und hatte sich an der Treppenkante den Kopf aufgeschlagen. Trotzdem hatte Ginny ein furchtbar schlechtes Gewissen.

Madame Pomfrey hatte ihr gesagt, dass Draco heute nicht mehr aufwachen würde, da sie ihm einen Zaubertrank verabreicht hatte, damit er schlief und sein Kopf sich erholen konnte. „Kopfwunden darf man nie unterschätzen!“ hatte die Heilerin erklärt.

Ginny war vom Unterricht befreit worden, da sie unter Schock stand. Seit dem Vorfall hatte sie kein Wort mehr von sich gegeben, auch nicht als Snape ihr mitteilte, dass Draco sie für diese Missetat bestrafen würde und Snape höchstpersönlich dafür sorgen würde, dass die von Draco verhängte Strafe nicht glimpflich ausfallen würde . Doch ihr war es egal. Sie wich nicht von Dracos Seite, obwohl sie wusste, dass er ihr nach diesem Schlag das Leben zur Hölle machen würde.

Als die Uhr zur Nachtruhe schlug, hatte sie sich versteckt um im Krankenzimmer bleiben zu können. Nachdem Madame Pomfrey ihren Rundgang gemacht hatte, setzte sich Ginny wieder zu Draco.

Nun saß sie schon seit Stunden mit Tränen in den Augen an seinem Krankenbett und schrieb in das rote Buch, dass sie sich morgens in die Tasche eingepackt hatte. Tausend Gedanken gingen ihr durch den Kopf. Noch immer nahm sie alles wie in Trance wahr. Sie merkte nicht einmal, dass in der Dunkelheit ein Augenpaar auf sie gerichtet war. ‚Was soll ich bloß sagen, wenn er aufwacht? Ich muss mich entschuldigen. Aber wie? Warum? Warum bin ich so ausgerastet? Malfoy hat mir doch schon schlimmere Sachen an den Kopf geworfen. Ich...ich fühl mich so anders. Was ist bloß los mit mir? Wer bin ich?‘ Eine einsame Träne rollte ihre Wange hinunter.

„Weasley?“ hallte eine schwache Stimme durch den Raum. Ginny fuhr zusammen. Ihr Mund blieb offen stehen als sie in die hellgrauen Augen von Draco sah.

Ohne zu merken, dass er es tat, strich er ihr sanft über die Wange und nahm ihr die Träne. Ein unglaubliches Gefühl durchströmte ihren Körper und sie fühlte sich nicht mehr hilflos und allein, sondern aufgefangen und beschützt. Langsam schloss sie ihre Augen und genoss die Wärme, die diese warmen Männerhände ihr schenkten. Plötzlich realisierte Draco die Situation und zog schnell seine Hand weg.

„Weasley, was tust du hier?“ fragte er mit einem scharfen Unterton. Ginny öffnete erschrocken ihre Augen und sah verstört in die Seinen, die genau das Gegenteil der Wärme, der gerade noch auf ihrer Wange gelegten Hand, ausstrahlten. Sie bewegte ihren Mund um etwas zu sagen und musste verzweifelt feststellen, dass kein Ton herauskam. Sie versuchte es wieder und wieder - vergebens.

„Ja, Weasley? Ich höre...“ Seine Stimme zitterte leicht vor Zorn. Wieder wollte sie etwas sagen, doch all die Worte blieben in ihrem Kopf gefangen und Tränen füllten sich in ihren Augen. Warum konnte sie nicht sprechen? Was war nur los?

„Du hast mich geschlagen und wagst es an meinem Krankenbett zu sitzen?“ sagte er sauer in die Stille hinein. Allmählich wurde Draco die Sache zu doof. Er wollte, dass Ginny sich bei ihm entschuldigte und ihm sagte, dass sie es bereue, vielleicht dazu noch auf dem Boden herumrutschte, aber sie gab keinen Laut von sich und schaute ihn nur mitleiderregend an als ob sie hier das Opfer wäre.

„Du bist so erbärmlich!“ sagte er in einem abfälligem Ton. Da war es wieder. Erbärmlich. Genauso fühlte sie sich im Moment. Sie wollte ihn anschreien. Ihm sagen, dass das nicht stimmte; dass sie stark sei; dass er der Erbärmliche hier war und nicht sie, aber es stimmte nicht und alles was ihre momentanes Befinden ausdrückte, waren die endlos vielen Tränen, die ihre Wange herunterliefen.

Eigentlich hätte Draco jetzt gelacht, aber ihm blieb es im Halse stecken. Sie tat ihm doch tatsächlich leid! ‚Mitleid? Ich und Mitleid? Pah!‘ dachte er. „Was ist denn los, Weasley? Willst du zu deiner Mami?“ ahmte er Mrs Weasley nach, wenn sie ihre Kinder bemutterte. Immer mehr Tränen strömten aus ihren Augen. Sie fühlte sich schwach. In ihrem ganzen Leben hatte sie sich noch nie so schwach gefühlt wie jetzt.

Draco hingegen fühlte sich großartig und schlecht in einem. Großartig war, dass er dieses Mädchen wirklich zum Weinen gebracht hatte und schlecht...weil es ihm irgendwie nicht gefiel. Dieser Anblick versetzte ihn Stiche, durch die er für kurze Zeit das Gefühl hatte, nicht mehr atmen zu können. ‚Warum um alles in der Welt weint diese Weasley überhaupt?“ fragte er sich. Er hatte sie doch schon oft beleidigt und normalerweise war sie auch ziemlich schlagfertig. So langsam nervte ihn dieses Gefühl in seiner Magengegend. Er sah ihn ihr verweintes Gesicht und lauschte den stummen Tränen, die nicht aufhören wollten zu fließen.

Zu seiner eigenen Überraschung nahm er sie in seine Arme, drückte sie fest an sich und strich ihr sanft über den Rücken. Mit einem Schmerz verzerrten Gesicht krallte sie sich an seine Bluse und fing an zu schluchzen. Ihr Schluchzen war einfach herzzerreißend, aber etwas in ihm war froh überhaupt irgendeinen Laut von ihr zu hören.

Erst nach 5 Minuten war es im Zimmer wieder still geworden. Ginny lag noch immer in seinen Armen und er streichelte über ihr weiches Haar. ‚Was ist passiert, dass dieses hübsche Mädchen so weinen muss?‘ grübelte Draco in Gedanken. Doch als ihm klar wurde, was er da gerade gedacht hatte, verdrängte wie automatisch eine Mauer alle unmalfoyhaften Gedanken aus seinem Kopf.

‚Hübsch? Draco, so langsam spinnst du aber! Sie ist eine Weasley, hat rote Haare und Sommersprossen und ist eine Blutsverräterin! Wie kannst du sowas überhaupt denken?‘

Er sah an sich hinunter, wollte das rothaarige Mädchen gerade von sich stoßen als er bemerkte, dass sie regelmäßig atmete. ‚Sie ist eingeschlafen. Herrgott, warum eigentlich ich?‘ Genervt verdrehte er die Augen und zog sie auf sein Bett, doch all seine Versuche, ihre Krallen von seiner Bluse los zu kriegen, waren umsonst. Schließlich gab er sich geschlagen und ließ sie an seinem Oberkörper gekuschelt liegen. Er runzelte die Stirn und fuhr sich durch sein Haar. Unglücklich fasste er sein momentanes Problem zusammen: Er lag mit dem Weasley-Mädchen in einem Bett. „Na toll!“ seufzte er leise.



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