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Auge des Wolfs

von

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Erinnerung

Erinnerung
 

Shin und Idromeel nutzten den Rest des Tages, um ihre Reise vollends zu planen und um sich auszuruhen. Die Verwandlung hatte Shin mehr Kraft gekostet, als er eigentlich zugeben wollte und auch Idromeel war noch etwas erschöpft, obwohl er es schon öfter durchgemacht hatte. „Ich glaube, ich werde mich nie daran gewöhnen können, egal wie oft es noch passiert.“ Er blätterte in seinem Buch. „Nach jeder Verwandlung steht hier etwas neues drin, aber ich habe es noch nie ausprobiert. Ich habe es im Gefühl, dass wenn ich es tue, ich nie wieder ein normaler Mensch werden kann.“ Entschlossen klappte er das Buch zu. „Außerdem will ich durch eigene Kraft neue Magie erlernen und nicht durch einen Wolfsbiss.“ „Kann ich verstehen“ Shin griff nach seinem eigenen Buch, „aber was ist, wenn wir diese Kräfte brauchen, wenn wir Wölfe sind?“ Er schlug es auf und begann zu lesen. Idromeel sah ihn nachdenklich an: „Da könntest du recht haben. Ich habe gemerkt, dass wenn ich ein Wolf bin, ich meine Kräfte viel schlechter einsetzten kann und sie manchmal sogar einfach nicht wirken.“ Er öffnete sein Buch wieder und las sich die neuen Seiten durch: „...Verwandlung durch den eigenen Willen... . Das wusste ich noch gar nicht!“ Erstaunt ließ er das Buch sinken. „Wir können uns auch verwandeln, wenn kein Vollmond ist. Die Rückverwandlung können wir dann auch selber einleiten. Das ist praktisch, oder Shin?“ Doch Shin hörte ihm nicht zu. Er war mitten im Buch versunken und verschlang alle Informationen, die er über seine Verwandlung bekommen konnte. „Hallo? Shin? Lebst du noch?“ Idromeel wedelte mit seiner Hand vor Shins Gesicht rum. Shin reagierte aber nicht darauf, sondern griff nach seinen Stab. Langsam fuhr er mit der Hand über das weiße Holz: „Ich kann sie spüren, die Kraft des Wolfes, die jetzt in mir ist. Man spürt sie, wenn man den Stab berührt. Sie ist stark, stärker als ich. Ich muss stärker werden, wenn ich sie kontrollieren will.“ Idromeel war leicht verwirt. „Wie meinst du das Shin? Wie willst du sie kontrollieren?“ Shin sah auf: „Ich habe es gerade gelesen. Wenn man selbst stärker als der Wolf ist, bleibt man bei Bewusstsein, während der Verwandlung. Mann kann es sogar schaffen, dass man den Wolf so sehr unter Kontrolle hat, so dass man sich gar nicht mehr verwandeln muss.“ „WAS?!“ Idromeel blieb vor Staunen der Mund offen stehen. „Das geht? Dann sind der Wolf nicht wirklich ein Fluch, so wie ich es immer gedacht habe. Es bringt einem sogar noch einige Vorteile.“ „Genau. Man muss nur stärker sein und den inneren Wolf kontrollieren können.“ Die Beiden sahen sich gegenseitig an. Sie konnten sehen, dass der andere das selbe dachte wie sie: „Jede Reise macht einen stärker.“
 

Der Boden war noch nass, als sie früh am nächsten Morgen losgingen. Beide hatten ihre Stäbe in der Hand und schritten stark aus. Sie wussten nicht, wo sie am Abend sein würden, aber diese Tatsache war ihnen egal. Zusammen würden sie alles schaffen, was auch immer sie erwarten möge.

Erst nach einer Stunde ließen sie endlich den Wald hinter sich. Shin sah sich um. Alles sah völlig anders aus, als er es gewöhnt war. Schroffe Felsen erhoben sich aus dem Boden und hohes Gras wucherte neben dem Weg. „Wo sind wir hier?“, fragte er seinen Freund, aber Idromeel antwortete nicht, sondern starrte auf einen der Felsen. „Sieh mal!“ Er streckte seine Hand aus und Shin folgte mit den Augen seinem ausgestrecktem Finger. „Na und? Was soll ich sehen? Da ist doch nur ein Felsen, mehr nicht.“ „Du sollst ja auch den Felsen sehen. Ich kenne diesen Felsen. Ich bin hier vorbeigekommen, als ich auf der Flucht war. Hinter diesem Stein dort,“ er zeigte auf einen kleineren Felsbrocken, „habe ich mich versteckt.“ „Was?“ Shin war erstaunt: „Das heißt ja, wir sind sehr nah an deinem alten Dorf!“ „Genau.” Shin sah Idromeel an und bemerkte, dass sein Freund nur zu gerne wüsste, wie es den Leuten in seinem Dorf jetzt geht. Er würde ja selbst auch gern wissen, wie es mit seinem Dorf weitergehen sollte.

„Hey Idromeel, sollen wir mal in deinem Dorf vorbei sehn? Wir müssen ja nicht sagen, dass du ihr ehemaliger Magier bist.“ „Das geht leider nicht. Ich bin noch nicht lange genug weg, als dass sie mich vergessen haben könnten. Zumindest einige werden sich noch an mich erinnern.“ Idromeel sah sehr traurig aus. „Vielleicht würde es in ein paar Jahren funktionieren, aber jetzt noch nicht.“ Shin schwieg betroffen. Sie beide waren Ausgestoßene. Er konnte nicht zurück, weil ihn alle für tot hielten und Idromeel konnte es nicht, weil alle Angst vor ihm hatten. Nachdem er einige Minuten stumm neben seinem Gefährten gestanden hatte, kam ihm eine Idee: „Idromeel, wie währe es, wenn nur ich ins Dorf gehen würde? Mich kennen sie nicht und ich kann dir später sagen, wie es allen geht.“ Idromeel sah auf. „Ehrlich? Das würdest du tun? Das währe großartig.“ „Dann ist es also abgemacht. Ich gehe ins Dorf.“ Shin hielt Idromeel seine Hand hin. „Du musst mir nur sagen, in welcher Richtung das Dorf liegt.“
 

Mühsam kletterte Shin einen Felsen herauf. Idromeel hatte gemeint, dass es über den Felsen schneller ginge, aber Shin war sich da nicht so sicher. „Mann, ist das anstrengend. Bevor ich im Dorf angekommen bin, sterbe ich ja vor Erschöpfung! Wie soll es da schneller gehen?“ Er wischte sich mit einer Hand über die Stirn und sah den Berg hinunter. „Aber zum Umkehren ist es jetzt zu spät. Ich muss weiter. Glücklicher Weise ist es nicht mehr so weit. Ich habe mindestens über die Hälfte geschafft.“ Shin begann weiter zu Klettern. Nach etwa fünfzehn Minuten war er endlich oben. „Du meine Güte, hat man eine Aussicht von hier oben. Man kann ja Meilenweit sehn.“ Staunend bewunderte er die Aussicht, bis sein Blick stockte. „Oha! Jetzt weiß ich, warum Idromeel gesagt hat, dass es über den Felsen am Schnellsten gehen würde. Der Weg macht ja nen riesigen Umweg.“ Shin sah auf das kleine Dorf am Fuße das Felsens. „Hm. Von hier oben sieht es aus, als ob alles in Ordnung währe. Na dann wollen wir mal.“ Er machte sich an den Abstieg. Runter ging es auf jeden Fall leichter als hoch und nach nur zehn Minuten war er unten. Shin setzte eine wissende Miene auf, um nicht als Anfänger betrachtet zu werden und ging ins Dorf. Aus den Augenwinkeln heraus beobachtete er alles um sich herum. „Wie es aussieht, scheint es nur ein einfaches Dorf zu sein.“, dachte er, als er zum Dorfplatz ging. „Es geht ihnen nicht schlecht, sie kommen wohl auch ohne Magier zurecht.

„Willkommen in unserem Dorf, Wandermagier.“ Der Mann , der gesprochen hatte, schien das Dorfoberhaupt zu sein. Er war nicht der älteste unter den Männern, schien aber ein hohes Ansehen bei den Leuten zu genießen. „Ihr kommt gerade recht. Wir brauchen einen Heiler. Gestern ist ein Vorratsschuppen zusammengebrochen und hat einige Leute unter sich begraben. Wir konnten sie zwar bergen, aber sie haben Quetschungen und Knochenbrüche.“ Der Mann sah Shin ins Gesicht. „Ich helfe gerne. Wo sind die Verletzten?“ „Sie sind in meinem Haus. Ich zeige ihnen den Weg.“ Shin folgte dem Oberhaupt zu einer prächtigen Hütte. Sie war groß und hatte ein zweites Stockwerk. Es fiel ihm nicht schwer zu erraten, weshalb der Mann das Dorfoberhaupt wurde. In der Hütte lagen vier Männer, zwei Frauen und ein Kind auf Matratzen. Shin sah sofort, dass sie alle dringend eine Behandlung brauchten. Zielstrebig ging er auf das Kind zu und legte ihm die Hand auf die Stirn. „Innere Blutungen, zwei gebrochene Rippen und ein Riss in der Lunge.“, stellte er fest. „Ein Wunder, dass es bisher überlegt hat.“ Shin griff in seine Tasche und zog einen großen Beutel heraus. Er wühlte etwas darin herum, bis er eine Salbe in der Hand hatte. Schnell nahm er sie und strich sie dem Jungen auf die Brust. „Visoler nehebrem.“ Die Salbe verschwand und man konnte ein Knacken aus dem Brustkorb des Jungen vernehmen. Wenig später begann der Junge ruhiger zu Atmen. Shin wandte sich von ihm ab und ging zu der ersten Frau. Um festzustellen, was ihr fehlte, brauchte Shin nicht einmal seine Magie einzusetzen. Auf den ersten Blick sah er, dass sie eine fürchterliche Fleischwunde und eine Quetschung hatte. Er seufzte erleichtert auf. Um das zu Heilen, brauchte er keine Hilfsmittel. Er beugte sich zu ihr runter und murmelte: „Semilis.“ Vor den Augen der Dorfbewohner setzte sich das offene Fleisch der Frau wieder zusammen und die Wunde heilte, auch die Quetschung verschwand völlig und die Frau konnte sofort aufstehen. „Das muss ein Wunder sein.“, bemerkte sie staunend. Aufgeregtes Gemurmel begleitete Shin, als er zu der nächsten Frau ging. Auch sie war nicht sonderlich schwer verletzt und er konnte sie schnell heilen. Wesentlich komplizierter war es bei den Männern. Er vermutete, dass sie sehr viele schwere Knochenbrüche haben mussten. Einem von ihnen hingen die Arme in einem eigentlich unmöglichen Winkel vom Körper ab und Shin kümmerte sich als nächstes um ihn. Er rückte die Knochen zurecht und schmierte die Salbe auf die Bruchstellen. „Visoler.“ Der Bruch heilte in Sekundenschnelle und bald waren alle versorgt.

„Habt vielen Dank, großer Heiler. Sie hätten nicht überlebt, wenn ihr ihnen nicht geholfen hättet. Wir stehen in eurer Schuld.“ Der Dorfoberste verbeugte sich tief vor Shin und auch die Dorfbewohner zollten ihm Respekt. Shin winkte ab. „Ihr braucht mir nicht zu danken, schließlich ist es die Pflicht eines jeden Magiers, den Menschen zu helfen.“ „Das mag stimmen, aber wir wollen euch trotzdem danken und euch für eure Dienste bezahlen.“ „Wenn das so ist, kann ich es euch nicht abschlagen, aber ich bitte euch darum, dass ihr mir nichts gebt, was euer Dorf dringender braucht.“ Der Dorfoberste schmunzelte. „Macht euch deswegen keine Sorgen. Wir sind kein armes Dorf und können eure Hilfe angemessen bezahlen.“ Shin nahm den braunen Lederbeutel entgegen und sah rein und staunte nicht schlecht. Der Beutel enthielt acht Goldmünzen, sechs Silbermünzen und einige Kupferstücke. Das war fast so viel wie das Jahreseinkommen seines Dorfes. „Aber wenn ihr mich so gut bezahlen könnt, könntet ihr euch doch auch einen eigenen Magier leisten. Ich frage mich, warum ihr keinen habt.“ Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, veränderten sich die Gesichtsausdrücke der Dorfbewohner. Hatten sie eben noch gelächelt, so sahen sie jetzt finster und grimmig drein.

Wir hatten einen Magier.“, antwortete der Dorfoberste nach einigem Schweigen. „Aber er war ein Magier der Schwarzen Magie. Anfangs wussten wir es nicht, aber dann wurde unser Dorf, bei Vollmond, von Wölfen angegriffen. Sie waren größer als normale Tiere und auch gewalttätiger und stärker. Sie kamen als Rudel von etwa fünfzehn Tieren und fielen über uns her. Unser Magier täuschte vor, gegen sie zu Kämpfen, doch dann...“ Er stoppte. Shin wusste, was dann passiert sein müsste. Idromeel wurde gebissen und verwandelte sich in einen Wolf, der mit den anderen Wölfen weiter im Dorf wütete, aber er äußerte seine Vermutung nicht, sondern wartete darauf, dass der Dorfoberste weiter sprach. „ ... er wurde selbst zum Wolf und griff uns an. Er tötete den Dorfältesten, meinen Vater und zerstörte unser Dorf weitgehend. Als dann der Tag anbrach, verwandelte er sich wieder zurück. Er war noch geschwächt von der Verwandlung und es gelang uns, ihn zu vertreiben!“ Shin schwieg betroffen. Er hatte zwar gewusst, dass Idromeel verjagt worden war, aber nicht warum. Das er als Wolf jemanden getötet hatte, war eine schockierende Nachricht. Aber er wusste auch, dass Idromeel nichts dafür konnte, da man während der Verwandlung erst die Kontrolle über sich und dann das Bewusstsein verliert. „Ich verstehe. Das muss ein harter Schlag für euch gewesen sein, als sich euer eigener Magier gegen euch gewendet hat.“ „Genau!“ ,begann einer der Dorfleute „Wir Vertrauen Magiern deswegen nicht mehr, abgesehen von Magiern wie euch, die ohne zu zögern ihre Hilfe anbieten.“ Shin dachte daran, dass er genau wie Idromeel den Geist eines Wolfes in sich hatte und musste fast über die Naivität der Dorfleute lachen. Man sollte ihm besser nicht vertrauen, nur weil er seine Hilfe angeboten hatte. Er war genauso gefährlich wie Idromeel, aber man sah ihm die Gefahr nicht an, die tief in seinem Körper lauerte.

„Danke für euer Vertrauen. Ich konnte euch nur helfen, weil ihr mir vertraut habt. Aber nun muss ich weiter. Andere Dörfer benötigen meine Hilfe genauso wie ihr sie benötigt habt.“ Shin drehte sich um und wollte gehen, doch der Dorfoberste hielt ihn auf. „Bleibt doch die Nacht noch bei uns. Es wird bald dunkel.“ „Ich weiß euer Angebot zu schätzen, aber ich muss weiter.“ ,entschuldigte sich Shin bei den Leuten „Mein Reisegefährte wartet auf mich und ich möchte ihn nicht die Nacht alleine lassen.“ „Warum ist er nicht mit in unser Dorf gekommen? Wir hätten genug Platz für euch beide.“, fragte der Dorfoberste. Shin musste sich schnell eine Ausrede überlegen, die er den Dorfleuten präsentieren könnte. Schließlich konnte er nicht sagen, das seine Reisegefährte der Magier der schwarzen Magie war, der zum Wolf wurde und ihren Dorfältesten getötet hatte. „ Er konnte nicht.“, erklärte er ihnen. „Auf ihm liegt ein Zauber, der es ihm nicht ermöglicht das Dorf zu betreten. Auf unserer Reise suchen wir nach dem Gegenzauber oder der Kraft, die es uns ermöglicht, diesen Zauber zu brechen oder zumindest abzuschwächen.“ Shin schmunzelte innerlich. Er hatte nicht gelogen, was Idromeel und den Grund ihrer Reise anging. „Ah, das verstehen wir. Dann lebt wohl.“ Der Dorfoberste verbeugte sich nochmals vor Shin und die Dorfbewohner taten es ihm gleich. Shin hob seine Hand zum Abschied, drehte sich um und ging aus dem Dorf. Dieses Mal wählte er den langen Weg und machte einen Bogen um den Berg, da er vermutete, die Dorfbewohner würden ihm nachsehen und er nicht wusste, ob außer ihnen und Idromeel jemand etwas über die Abkürzung über den Berg wusste.

Es war schon Nacht, als er bei Idromeel ankam. Shin erkannte sofort, dass sein Freund ziemlich aufgewühlt war und er konnte es ihm nicht verübeln, schließlich kam er gerade aus dessen altem Heimatdorf. „Und? Wie geht es ihnen?“, fragte Idromeel, kaum das Shin bei ihm war. „Es geht ihnen ziemlich gut, abgesehen davon, dass ein Vorratsschuppen zusammengebrochen war und ich einige Leute heilen musste.“ „Was?! Das nennst du gut?“ „Es waren keine schlimmen Verletzungen,“ beschwichtigte Shin seinen Freund. „Ich konnte sie sehr leicht Heilen. Außerdem ist es ein sehr reiches Dorf, was man von den meisten anderen Dörfern nicht behaupten kann.“ Idromeel atmete erleichtert aus „Sie haben mir auch deine Geschichte erzählt.“ ,fuhr Shin fort „Sie glauben, dass du ein Schwarzmagier bist, der die Wölfe gerufen hat.“ „Das stimmt absolut nicht!“ verteidigte sich Idromeel „Die Wölfe kamen von selbst!“ „Ich weiß. Ich weiß auch, dass du nichts dafür kannst, dass du den Dorfältesten als Wolf getötet hast.“ „Ich wollte niemanden verletzen. Vor allem nicht meinen eigenen Vater, aber ich habe mich nicht kontrollieren können...“ Idromeel machte eine Pause und Shin starrte ihn fassungslos an. „Der... der Dorfälteste war dein Vater?“ „Ja.“ Idromeel sah zu Boden und eine lange Zeit sagte keiner von Beiden etwas.
 

Die Dunkelheit umfing die Reisenden, als Idromeel Shin von seiner Vergangenheit erzählte. Über ihnen blinkten Millionen von Sternen und der abnehmende Mond verschwand mit der Zeit hinter den Bergen im Osten.

„Als ich noch klein war, war meine Familie noch sehr arm und unbedeutend. Mein Vater und mein Bruder haben alles dafür getan, um einen besseren Stand in der Gemeinschaft zu erreichen. Alle beide arbeiteten sehr hart, um mir ein angenehmes Leben zu sichern, denn schon als ich gerade zwei Jahre alt war, zeigten sich meine magischen Kräfte. Ich half meinem Bruder im Garten und ließ die Samen die er gerade eingepflanzt hatte wachsen. Eigentlich hatte ich mir nur gewünscht, dass sie möglichst schnell wachsen würden und muss unterbewusst meine Kraft eingesetzt haben. Ich war plötzlich zu etwas Besonderem geworden, der Prinz des Dorfes und mein Vater begann mich zu verwöhnen. Mir hat dieses Leben als verwöhnter Bengel nie gefallen, aber ich merkte, wie wichtig es ihm war und ließ ihm den Gefallen. Trotzdem habe ich ständig meinen Bruder beneidet, weil er im Garten arbeiten durfte und ich nicht. Mir wurde erst später klar, dass er mich genauso beneidet hatte.“ Er machte eine Pause und dachte kurz nach. Shin hatte das Gefühl, jetzt nicht sagen zu sollen und wartete geduldig darauf, dass sein Freund weiter erzählen würde. In der Stille der Nacht hörte man nur die Grillen zirpen und ab und zu raschelte das Gras, weil eine Maus oder ein ähnliches kleines Tier durch die Dunkelheit huschte. „Das Ansehen meines Vaters stieg rasch, weil er in seiner Arbeit immer größere Erfolge erzielte, aber ich hätte es lieber gehabt, wenn er nicht so viel Zeit mit seiner Arbeit, sondern mehr Zeit mit mir verbracht hätte. Seit meine Kräfte erwacht waren, sah ich ihn immer weniger. Ich glaube, er dachte, dass er mir dadurch nur helfen kann, aber ich hatte das Gefühl, er würde mich vernachlässigen. Mein Bruder hat auch nicht mehr mit mir gespielt. Er wollte immer nur, dass ich möglichst viel lerne und ein guter Magier werde, der das Dorf gut versorgt. In den sechs Jahren in denen ich auf der Akademie war, hatte sich das Dorf so stark verändert, dass ich es fast nicht mehr wiedererkannt habe. Mein Vater war Dorfältester geworden, meinem Bruder gehörte die größte Hütte im Dorf und das Dorf an sich war reicher und reicher geworden. Es war so, als wäre ich vor sechs Jahren aus meinem Heimatdorf gezogen und kehrte in ein völlig fremdes Dorf heim. Alle waren Fremde für mich. Mein Vater, mein Bruder, die anderen Dorfbewohner, selbst die Pflanzen und Bäume waren mir völlig Fremd. Aber nicht sie waren die Fremden, sondern ich war der Fremde, der neu in dieses Dorf kam. Das wurde mir im laufe meiner Arbeit als Dorfmagier klar.

Jetzt weiß ich genau, dass ich dort nicht mehr hingehöre. Ich gehöre nirgendwo mehr hin. Ich bin ein streunender Wolf.“

Als Idromeel seinen Bericht beendete, ging gerade die Sonne auf. Beide hatten sie kein Auge zugemacht in dieser Nacht, trotzdem spürten sie keinerlei Müdigkeit. Eine Zeitlang schwiegen sie, um das Gefühl der Verbundenheit, welches sich in den letzten Stunden zwischen ihnen entfaltet hatte, noch weiter zu vertiefen.

„Danke, dass du mir das alles erzählt hast. Ich glaube ich kann dich jetzt besser verstehen.“ Shin stand auf und sah in die aufgehende Sonne. „Es wird Zeit, dass wir weiter gehen.“ Er griff nach seiner Tasche und seinem Stab, sah Idromeel an und lächelte. „Wir haben noch einen weiten Weg vor uns.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  between_black_pages
2008-02-22T18:51:09+00:00 22.02.2008 19:51
Hi du!
es tut mir echt wahnsinnig Leid, dass ich jetzt doch erst so rabiat spät schreibe, aber mein Laptop, bzw, die I-Net-Verbindung hat mich nie länger als 10 Minuten drinnen gelassen und das Posten von irgendwelchen Kommis ging nich... *drop* *Bildschirm tret*

Jetzt aber wirklich zum Kappi!
Ich find es sehr gut, dass du die Geschichte der Charas so aufbaust! Das macht die Story interessanter und irgendwie spannender!^^
Idromeel tut mir so Leid... aber ich denke, dass es vielleicht garnicht so schlecht war, dass er nicht mitkommen konnte. Wenn er seinen Bruder so über ihn hätte reden hörn...aua! ><
Ich bin mal gespannt, wie du die Storyline weiterführst!^^

Glg
Rou

Vielleicht klappt es ja heute auf anhieb mit nem zweiten Kommentar...?!


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