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Colocation

Kapitel 23 online (09.12.2010)
von

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Von Schmerzen und der Sorge der Freunde

Heyho,

nach viel zu langer Wartezeit melde ich mich auch mal wieder zurück >.<

ich hoffe ihr nehmt es mir nicht allzu übel, dass ich euch so lange hab warten lassen.

Ein riesiges Danke mal wieder an alle die gefavt, ein Kommi hinterlassen und mir geholfen haben. Ihr seid alle klasse Q^Q

Ohne euch, wär die ff schon lange wieder Gedankensondermüll!

Ich wünsche euch mit dem Kapitel viel Spaß. Und ich hoffe, dass ich es dieses mal schaffe Oneshots und das nächste Kapitel unter einen Hut zu bringen >o<

lG Mero
 

*~*~*~*~*~*~*
 

Der nächste Morgen war für mich der reinste Horror. Ich schlug meine Augen auf und direkt begrüßten mich starke Kopfschmerzen. Ich hielt alles für einen schrecklichen Albtraum, aber das war nicht so. Ich lag in dem Bett meiner Mutter. Es konnte also kein Traum gewesen sein. Ich seufzte leise. Wie sollte es weitergehen? Morgen würde ich wieder nach Tokyo fahren, das hatte Reita ja einfach mal beschlossen und wenn er etwas sagte, machte er das auch. Er würde mich mitschleifen, das würde jedenfalls zu ihm passen. Auf eine Moralpredigt unserer Mitbewohner war er sicher nicht scharf. Gequält schälte ich mich aus der Bettdecke, stand schließlich ganz auf und tappte auf nackten Füßen am Schrank vorbei, warf einen scheuen Blick in den Spiegel. In dem Moment erschreckte ich wirklich vor mir selbst. Ich war blass, meine Augen waren gerötet und ich sah mehr tot als lebendig aus. Mit einer Hand fuhr ich meine Wange entlang. Ich glaub so schrecklich hatte ich noch nie ausgesehen. Aber... war das nicht eigentlich auch egal? Ich hatte größere Probleme als mein Aussehen. Ich biss mir leicht auf die Unterlippe, als ich daran dachte. Heute würde ich den ganzen Tag im Krankenhaus verbringen, das hatte ich schon beschlossen. Noch länger Rumstehen und in den Spiegel starren würde mir auch nicht helfen. Ich sah auf den Fußboden. Ich war schon immer der Mensch dafür gewesen im Selbstmitleid zu versinken und jetzt war ich schon wieder kurz davor.

„Wird ja auch mal Zeit, dass du endlich aufwachst." Ich schreckte auf, sah Reita hinter mir im Spiegel stehen. Er hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht sich anzuziehen, sondern stand in seinen Shorts rum. Diese Tatsache ignorierte ich mal, konzentrierte mich mehr auf den Schreck, den er mir eingejagt hatte und auf die Frage, wie er hier rein gekommen war. Doch ich schaffte es nicht einmal meine Frage auszusprechen, da er mich geschickt abwürgte.

„Du sieh's aus wie 'ne Wasserleiche, Barbie.", meinte er wie immer sehr sensibel und ich verzog kaum merklich das Gesicht. Danke, dass er mich daran erinnerte. „Danke für das Kompliment."

Meine Stimme war so leise und kratzig gewesen, dass er mich gar nicht verstanden hatte, vielleicht auch besser so. Woher ich wusste, dass er nicht wusste, was ich gesagt habe? Er runzelte die Stirn, sah kurz überlegend in mein Spiegelbild, wollte schon zum Sprechen ansetzen, doch dieses Mal fuhr ich ihm dazwischen. „Ich will ins Krankenhaus."
 

Zuerst sah Reita mich ein wenig verständnislos an, gab dann einen genervten Seufzer von sich. Keine Stunde später waren wir beide fertig angezogen, ich hatte ein Frühstück heruntergewürgt, während mein Mitbewohner mit Appetit gegessen hatte. Und nun gingen wir beide schweigend nebeneinander her. Richtig sprechen konnte ich sicher nicht. Mein Hals fühlte sich geschwollen an und ich war sicher heiser zu sein, auch wenn ich mir nicht erklären konnte, warum das so war. Je näher wir dem Krankenhaus kamen, umso nervöser wurde ich. Ich bemerkte kaum, wie meine Schritte immer schneller und schneller wurden. Jedenfalls nicht, bis Reita plötzlich unwillig aufknurrte und mir auf seine freundliche Art und Weise mitteilte, dass ich nicht so schnell machen sollte. Ich sah ihn kurz an, seufzte dann, um kurz zu nicken und langsamer zu gehen.

Nach schier endlosem Gehen kamen wir dann doch beim Krankenhaus an. Nun saß ich auf einem Hocker neben dem Bett, in dem meine Mutter lag, noch immer ihre Augen geschlossen haltend. Dieses Mal weinte ich nicht. Ich hatte mich zusammengerissen und blickte stattdessen starr in ihr Gesicht.

„Mum... ich muss morgen wieder weg. Ich weiß nicht, ob ich es vorher noch einmal ins Krankenhaus schaffe.", erklärte ich, senkte betreten meinen Blick. Ich wollte noch nicht zurück nach Tokyo, aber ich wusste, dass es nicht anders ging. Ich war so vernünftig das zu verstehen. Meine Mutter würde auch nicht wollen, dass ich wegen ihr die Schule schwänzte. In dieser Hinsicht war sie dann doch recht streng gewesen - was ich vollkommen in Ordnung fand. Ich seufzte leise. So langsam hatte ich das Gefühl, dass mir alles über den Kopf wachsen würde. Die Probleme mit Reita, die sich momentan irgendwie zu verflüchtigen schienen, die Frau vor mir ihm Koma, Yune. Yune...

Irgendwie... - Ich schüttelte hastig den Kopf. Ich sollte nicht darüber nachdenken. Ich war so schon fertig genug. Wenn mich nun jemand gefragt hätte, wo Reita wäre... ich hätte es nicht gewusst. Kaum, dass wir hier angekommen waren, hatte ich ihn wie Luft behandelt, hatte nur noch meine Mutter im Kopf, so wie jetzt auch. „Bitte ... wach doch auf! Ich will mir nicht so viele Sorgen machen müssen..."

Meine Stimme wurde von Wort zu Wort leiser, sodass das 'bitte' nicht mehr als ein Flüstern war, das sie nicht einmal verstanden hätte, wenn sie neben mir gesessen hätte. Mir war klar, dass sie wohl kaum heute aufwachen würde. Das wäre viel zu absurd. Das sah ich sogar in meiner Verzweiflung ein.
 

Ein leises Klopfen an der Krankenhaustür ließ mich aus meinen Gedanken aufschrecken. Ich fuhr herum. Ich rechnete irgendwie mit Reita, doch dem war nicht so. Verblüfft starrte ich in das Gesicht des Gastes, den ich nicht erwartet hätte. „Du?!"

„Überrascht mich zu sehen, Kouyou?", fragte sie und schaffte es geradeso sich ein Lächeln aufzuzwingen. Ich konnte nicht anders als leicht zu nicken, drehte meinen Kopf dann wieder zu meiner Mutter, strich ihr mit einer Hand sanft über die blasse Wange. „Ich habe gehört du bist ausgezogen?"

„Ja." Meine Antwort war nur leise. Weiter ging sie auf dieses Thema auch nicht ein und ich glaubte sie kurz nicken zu sehen. Warum wunderte ich mich eigentlich, dass sie hier war? Es war schließlich nur natürlich, dass sie meine Mutter besuchte, schließlich war sie ihre Schwester. Aber darüber konnte ich mir keine Gedanken machen. Eine Hand legte sich auf meine Schulter. „Ich weiß es ist viel verlangt, aber... würdest du mich mit ihr alleine lassen?"

Geschockt sah ich sie an, doch ihr bittender Ausdruck ließ mich sofort nicken, ich sah beschämt zu Boden, da ich so schnell weich geworden war. „N-natürlich."

Als würde ein Rucksack aus Blei an mir hängen, richtete ich mich schwerfällig von dem Hocker auf, auf den sich dann meine Tante fallen ließ. Ich blickte noch einmal auf sie, biss mir auf die Unterlippe. Dann wandte ich mich endgültig ab und schritt mit zitternden Knien zur Tür, hinter der ich auch verschwand.

Und wenn sich mir nicht die Frage gestellt hatte, wo Reita steckte, so stellte sie sich mir jetzt - die Antwort war gleich mit dabei. Er lehnte an der weißen Wand, die Augen geschlossen, die Arme verschränkt. Seine Haltung sagte eines ganz deutlich aus... ‚Ich wäre lieber irgendwo anders'. Ich konnte ihn irgendwie verstehen. Ich mochte Krankenhäuser auch nicht sonderlich. Aber wer konnte das denn schon von sich behaupten? Ich kannte niemanden. Wir schwiegen uns an. Noch weitere zwanzig Minuten. So lang, bis meine Tante wieder aus dem weißen Raum kam, in den ebenso weißen Flur trat. Sie kam direkt auf mich zu, schloss mich in die Arme. Ich war zwar ein wenig verwundert, erwiderte die Umarmung dennoch. „Es muss schwer für dich sein."

Ich konnte nicht anders, als schwer zu schlucken, kämpfte wieder mit den Tränen. Verständnis, das hatte ich in letzter Zeit wenig bekommen. Bei Reita konnte ich nicht sagen, ob er mich aus Eigennutz tröstete - wenn er mich denn tröstete - oder ob er mir wirklich helfen wollte. Außerdem war meine Tante, mal fernab von meiner Mutter meine einzige Verwandte zu der ich noch Kontakt hatte.
 

Wir führten nur ein kurzes Gespräch, in dem mir meine Tante mitteilte, dass sie und ihr Mann nun wieder hierher kommen wollten, für eine Weile, um auf ihre Schwester - also meine Mutter - aufzupassen. Schließlich würde ich wieder nach Tokyo zurückkehren und die Schule weitermachen. Ich sollte mir keine Sorgen machen, sie würde mich auf dem Laufenden halten. Natürlich glaubte ich ihr das sofort, dankte ich tausendmal dafür. So würde ich mir wenigstens nicht noch mehr Vorwürfe machen. Wenn ich immer wieder das Neueste wusste, würde es mir vielleicht ein wenig besser gehen. Ein klein wenig, vielleicht. Hoffentlich. Ich verbrachte noch den ganzen restlichen Tag im Krankenhaus. Ich redete mit meiner Mutter, auch wenn ich wusste, dass sie mir nicht antworten würde, aber irgendwie … erleichterte es mich? Ein wenig. Stille hätte ich nicht ertragen. Die erste Zeit hatte meine Tante noch dabeigesessen und wir hatten ab und an ein Wort gewechselt, aber meistens hatte ich zu der Schlafenden gesprochen. Reita hatte sich – sehr vornehm ausgedrückt – vom Acker gemacht. Ich konnte allerdings auch nachempfinden, dass er keine Lust hatte den ganzen Tag hier zu verbringen, zumal er meine Mutter nicht gekannt hatte. Ich nahm es ihm also nicht übel. Ich war sogar ein wenig froh darüber, dass er nicht alle paar Minuten reinkommen würde und fragen, wann wir endlich gehen würden.
 

Als allerdings die Sonne schon sehr tief stand, meine Tante schon lange gegangen war – wir hatten vorher noch unsere Nummern ausgetauscht, damit sie mich auch wirklich auf dem Laufenden halten konnte - und ich allein im Zimmer saß, kam irgendwann eine ältere Krankenschwester herein, nachdem sie leise angeklopft hatte. „Verzeihung?“

Ich drehte mich langsam zu ihr, warf ihr einen fragenden Blick zu und sie lächelte mich entschuldigend an. „Die Besuchszeit ist um, ich muss Sie bitten zu gehen.“

„Oh… schon?“, fragte ich mit trauriger Stimme und die Frau nickte lediglich. Ich seufzte einmal leise auf, erhob mich dann. Ein letztes Mal beugte ich mich vor, drückte meiner Mutter einen Kuss auf die Stirn. Dann strich ich ihr noch eine Strähne aus dem Gesicht, lächelte sie an. „Mach’s gut, Mum. Es tut mir leid. Sei stark und … wach bald wieder auf.“

Mit einem dicken Kloß im Hals verließ ich dann das Zimmer, schließlich das ganze Krankenhaus. Ich hatte das Gefühl sie nie wieder sehen zu können. Als würde es das letzte Mal sein. In mir zog sich alles zusammen bei diesem Gedanken. Nein! Ich sollte nicht alles so pessimistisch sehen. Das machte mich nur selbst fertig. Den langen Weg nach Hause legte ich nur sehr langsam zurück, hing meinen nicht gerade fröhlichen Gedanken nach. Morgen würde ich wieder in Tokyo sein. Alles in mir sträubte sich dagegen von hier wegzugehen. Ich wollte hier bleiben, auf meine Mutter aufpassen, aber es war klar, dass das nicht ging. Ich musste in die Schule. Okay. Ich könnte mich auch einfach in Tokyo von der Schule abmelden und hier wieder anmelden, aber das würde nicht viel ändern. Außerdem müsste ich dann Yune jeden Tag über den Weg laufen und das würde ich nicht ertragen können. Ich brauchte erst einmal Abstand von alldem. Na ja. Vielleicht wollte ich auch einfach davonlaufen, genau sagen konnte ich es nicht, es interessierte mich auch nicht.
 

„Ich bin wieder da.“, rief ich leise in den Flur, als ich die Tür öffnete. Auf einmal biss ich mir auf die Lippe. Das Ganze hier kam mir so bekannt vor. Wieder kam ich mir in eine Zeit versetzt vor, die schon lange vorbei war. ‚Ich bin wieder da’, hatte ich immer gerufen, wenn ich von der Schule nach Hause gekommen war. Ich hatte ein gekünsteltes Lächeln aufgesetzt, wollte meiner Mutter nicht mit meinen Problemen belasten, obwohl ich genau wusste, dass sie wusste, was in der Schule abging. Kaum war meine Stimme zu hören gewesen, war sie angewuselt bekommen und hatte mich in ihre Arme geschlossen, mich einmal richtig fest gedrückt und… ‚Willkommen zu Hause’ mit einem strahlenden Lächeln gesagt. Ich konnte gerade noch verhindern, dass mir die Tränen in die Augen schossen, denn sie kam nicht aus der Küche geeilt, um mich zu begrüßen. Stattdessen streckte mein Mitbewohner seinen Kopf aus der Tür, die zum Wohnzimmer führte. „Wird auch Zeit.“

Ja. So war Reita. Bloß nicht zu freundlich. Ich ignorierte ihn einfach, schritt in die Küche. Ich brauchte jetzt einen Tee, um mich zu beruhigen. Aus einem der Schränke hatte ich unseren Wasserkocher gezogen und diesen gerade gefüllt und eingeschaltet, als der Blondschwarze den Raum betrat, seine Arme verschränkte und sich in den Türrahmen lehnte. „Gibt es ’nen Grund, warum du mich ignorierst, Barbie?“

„Tu ich gar nicht.“, antwortete ich mit ruhiger Stimme. Irgendwie fühlte ich mich müde, leer, ausgelaugt. Es kam mir vor, als hätte man mich in Watte gewickelt, denn auch Reitas Stimme schien so weit weg zu sein. Mit meinen Gedanken war ich woanders. Mein Geist war woanders. Sie waren bei meiner Mutter. Allein bei ihr. Ich wusste, dass wir uns für eine längere Zeit nicht sehen würden. Das war nun der zweite Abschied von ihr und … gewissermaßen bereute ich den Ersten. Vielleicht wäre es nie soweit gekommen, wenn ich nicht beschlossen hätte, vor meinen Problemen davonzulaufen. „Ach?!“

Sein ungläubiger Tonfall entging mir nicht, aber was sollte ich schon darauf erwidern? Wenn er mir nicht glaubte, dann glaubte er mir nicht. Ihm konnte man seine Meinung ja auch so nicht wieder streitig machen, also verzichtete ich gleich auf eine Diskussion.

Der Wasserkocher verkündete mir mit seinem unverkennbaren Geräusch, dass das Wasser nun kochte. Ich schaltete das Gerät aus. In dem Moment erklang das Geräusch der Klingel. Ich wunderte mich, wer denn um diese Uhrzeit hier klingeln sollte, begab mich aber, ohne mir weiter Gedanken darüber zu machen, zur Tür. Mit einem seltsamen Gefühl in der Magengegend öffnete ich sie einen Spalt breit. „Kou …!“

Ich knallte sie sofort wieder zu, drehte mich um, drückte mit dem Rücken dagegen, als wolle ich verhindern, dass er sie aufstoßen konnte, was bei der Haustür natürlich nicht sonderlich logisch war. Trotzdem gab es mir ein gewisses Gefühl von Sicherheit, in der Verzweiflung die mich nun übermannte.

„Kou! Bitte mach auf! Ich… - lass uns reden! Ich will dir alles erklären! Bitte!“, hörte ich Yunes Stimme und er klopfte an die Tür. Ich kniff geradezu krampfhaft meine Augen zu, schüttelte heftig den Kopf, konnte die Tränen nicht zurückhalten. Warum? Warum kam er zurück? Warum quälte er mich so? Konnte er mich nicht einfach in Ruhe lassen? Konnte er nicht verstehen, dass er der Letzte war, den ich jetzt noch sehen wollte? „Geh weg! Lass mich in Ruhe!“

Meine Stimme klang leider weniger überzeugend und fest, als ich gehofft hatte. Nein stattdessen zitterte sie und man hörte, dass ich weinte. Na klasse! Jetzt wusste er auch noch, dass ich ihm nachweinte. „Bitte! Es ist … nicht so wie du denkst!“

Diesen Satz wollte ich nicht hören. Ich wollte ihn nicht hören! Ich schluchzte laut auf, drückte mir meine Handflächen an die Ohren und ließ mich an der Tür zu Boden gleiten. Seine Stimme konnte ich noch hören, aber den Sinn der einzelnen Worte konnte ich – Kami sei Dank – nicht verstehen. Fest biss ich mir auf die Unterlippe.
 

Doch dann schlug ich meine Augen wieder auf, aus denen noch immer durchsichtige Tränen flossen. Vielleicht war er ja auch gekommen, um sich zu entschuldigen, um mir zu sagen, dass das nur ein Scherzanruf gewesen sei, dass er mich immer noch mochte, dass er nicht mit mir gespielt hatte. Aber das war Schwachsinn! Ich wollte die Wahrheit nicht akzeptieren, egal wie sehr sie sich in meine Seele brannte. Egal, wie sehr ich sie mir selbst vor Augen hielt. Die guten Erinnerungen, die ich mit Yune verband und auch die schwere Zeit, das alles war doch echt! Nein. Es war alles Lüge. All diese Erinnerungen bauten auf einer dreckigen Lüge auf. Auf einer Lüge, die mich von Innen aus zerfraß. Die schönen Bilder vor meinen Augen verschwammen vor eben diesen, wandelten sich in hässliche Fratzen, die von Lügen und hässlichen Gedanken getränkt waren, mir nie wieder Ruhe lassen würden, die mir noch mehr wehtaten. Es war wie ein grässlicher Albtraum, der zur Wirklichkeit wurde. Doch es war kein Traum. Es war die Realität und ich konnte, vielmehr wollte das einfach nicht akzeptieren. Yune war nicht mein Freund. Er war ein gemeiner Lügner, der nie etwas für mich übrig gehabt hatte, sich nur einen Spaß mit mir erlaubt hatte, mit meinen Gefühlen spielte. In meiner Verzweiflung zog ich meine Beine eng an meinen Körper, schlang meine Arme Halt suchend um diese, versteckte mein Gesicht in meinen Knien, schluchzte zum zweiten Mal auf. Warum hatte Yune mir das angetan? Hasste er mich? Wenn es so war, sollte dieser Hass dann nicht auf Gegenseitigkeit beruhen? Aber war ich zu so etwas überhaupt in der Lage? Zu hassen? Richtigen Hass zu empfinden, war schwer, glaubte ich jedenfalls. Wie fühlte sich Hass eigentlich an? Ich konnte diese Frage beim besten Willen nicht beantworten, doch die hässlichen Gefühle in mir, konnte ich nicht leugnen. War das vielleicht ‚Hass’? Nein. Ich konnte Yune nicht hassen. Wir hatten doch so viel durchgemacht. Zu viel, um es einfach vergessen zu können. Ich war innerlich zerrissen. Ein Teil in mir wollte zu Yune zurück, wollte den Halt, den er mir als Freund gab. Doch die andere Hälfte, die wollte nur noch hassen, sich nicht mehr auf diesen Lügner einlassen, für immer von ihm wegbleiben, um weitere Schmerzen zu vermeiden. Etwas in mir weigerte sich einfach hinzunehmen was passiert war, aufzunehmen, dass Yune nicht mehr für mich da sein würde, sondern ein … Feind war. Jemand, der nur Schmerzen im Herzen und Seele verursachte, der nur Schlechtes brachte. Aber log ich mich damit nicht selbst an? Betrug ich mich letztendlich nicht? Ich wollte nicht wahrhaben was geschah, doch damit machte ich mir nur selbst etwas vor. Schlechte Erfahrungen gehörten zum Leben und dass sie bei mir die Überhand hatten, war nun einmal so…

Irgendwann war es dann komplett still. Mein ungebetener Gast hatte wohl aufgegeben und war wieder abgezogen. Das erleichterte mich schon ein wenig. Ich brauchte jetzt Abstand von ihm, um mir über alles im Klaren zu werden, um mit der Situation besser umgehen zu können. Das Einzige was ich brauchte war… Zeit… Abstand, meine Ruhe.

„Wie lange willst du da noch rum sitzen?“ Reitas Tonfall konnte ich nicht so recht deuten. Ich wischte mir mit meinem Ärmel schnell über meine Augen und richtete mich mit wackeligen Knien auf. Kurz biss ich mir auf meine Unterlippe. Ich wollte nicht, dass irgendjemand etwas von der ganzen Sache hier erfuhr. Naja. Reita wusste jetzt schon bescheid, aber Aoi und die anderen mussten nun einmal nicht alles wissen. Ich wollte mich nicht erklären müssen. An meinem Mitbewohner ging ich einfach vorbei. Als wir allerdings auf gleicher Höhe waren, öffnete ich meinen Mund. „Sag den anderen bitte nichts von der Sache mit Yune…“

Dann war ich auch schon in der Küche verschwunden. Ich hoffte nur, dass er wirklich still sein würde. Ich wollte zuerst selbst damit klar kommen, bevor ich anderen darüber irgendwelche Geschichten erzählte. Hoffentlich begriff er. Wenn nicht, würde ich bald in Erklärungsnot kommen, das ahnte ich schon. Ich machte mir noch den Tee, den ich hatte trinken wollen, begab mich danach schweigend ins Bett. Was mein Mitbewohner den Rest des Tages gemacht hatte, wusste ich nicht.
 

„Ma~n! Barbie, wie oft soll ich dir noch sagen, dass du mich nicht ignorieren sollst?!“, drang die genervte Stimme Reitas an mein Ohr. Aber ich blieb stumm, lehnte meinen Kopf an die Scheibe des Fensters. Der Wagon war fast leer. Nur Reita, eine junge Frau mit zwei Kindern, ein älterer Mann und ich saßen in diesem Abteil. Aber das war mir nur recht. So war es nicht so laut und ich konnte besser meinen Gedanken nachhängen und im Selbstmitleid baden. „Heh! Ich rede mit dir!“

Ich sah zu Reita, der mir gegenübersaß, sichtlich schlecht gelaunt war er, weil ich nicht antwortete. Ich schenkte ihm einen undefinierbaren Blick und sah dann wieder aus dem Fenster. Die Landschaft brauste nur so an uns vorbei, stimmte mich traurig. Mit jeder Sekunde entfernte ich mich mehr und mehr von meiner Mutter, dabei hatte ich gar nicht weg gewollt. Doch was sein musste, musste nun einmal sein und ich konnte mich wohl kaum gegen mein Schicksal wehren. Wie von allein schlossen sich meine Augen, als mir von dem schnellen Fahren ein wenig schlecht wurde. Noch eine ganze Weile zeterte Reita genervt vor sich hin, ehe auch er plötzlich schweigsam wurde. Warum wusste ich nicht, ich machte mir auch nicht die Mühe meine Augen zu öffnen und nachzuschauen. Ich wollte lieber warten, bis das Übelkeitsgefühl verschwunden war. Das dauerte dann doch noch seine Zeit, doch auch danach verließ meine Lippen kein Wort. Ich dachte einfach nur nach. Mehr nicht…
 

Am Bahnhof wurden wir dann bereits von Aoi erwartet. Er verstaute meinen Koffer hinten im Kofferraum. Reita pflanzte sich gleich auf den Beifahrersitz, ich machte es mir auf der Rückbank gemütlich und der Älteste setzte sich ans Steuer. Ich sah in seinem Gesicht, dass er sich Sorgen machte. Ich hatte ihn nicht einmal begrüßt, oder dergleichen und das war nun einmal wirklich nicht meine Art. Durch den Rückspiegel konnte ich sehen, dass er die Stirn runzelte. „Und? Wie war es, Ruha?“

Ich reagierte nicht, sah einfach nur schweigend aus dem Fenster. Autos rauschten an uns vorbei und die ersten Regentropfen klatschten auf das Dach. Da Aoi keine Musik angemacht hatte – das Radio war kaputt, wie er Reita theatralisch berichtete – sodass man das Trommeln hören konnte, wenn man es denn darauf anlegte, so wie ich es tat. Mein Schweigen bereitete ihm sicher Bauchschmerzen, aber ich schaffte es einfach nicht zu sagen, dass es mir gut ging, dass alles in Ordnung war, denn das war es einfach nicht. Und erzählen, was mich bedrückte konnte ich ihm auch nicht. Noch nicht. Ich hatte es jedenfalls nicht vor. Und zum Reden zwingen konnte er mich nicht, er konnte es vielleicht versuchen, aber dann würde ich ihn, so wie jetzt auch mit Schweigen beglücken. Auch wenn es mir leid tat. An einer roten Ampel beugte sich Aoi zu Reita. „Sag mal… was ist los mit ihm?“

„Woher soll ich das wissen?“

Die Bitte hatte er nicht vergessen und er würde hoffentlich die Klappe halten. Wenn ich es nicht erzählen wollte, sollte er doch auch ruhig sein. Er musste mir diesen Gefallen einfach tun, auch wenn er nicht verstand, warum ich es für mich behalten wollte. „Du warst doch mit ihm da und nicht ich! Jetzt rück’s schon raus…!“

„Was soll ich rausrücken, wenn ich keine Ahnung hab, du Spaßbremse! Und jetzt müll mich nicht mit deinem Geblubber zu, sonder guck auf die Straße und geb endlich Gas!“ Ich war froh, dass Reita nichts sagte, auch wenn man mir das nicht ansah. Aoi gab sich damit mit einem Schnaufen zufrieden und drückte, wie Reita es verlangt hatte, auf das Gaspedal.
 

„Wann kommen sie denn? Wann kommen sie denn? Kai, Kai, Kai!“ Immer wieder zupfte Ruki an Kais Ärmel. Dieser lächelte ihn nur an, strich ihm kurz über die Wange, ehe er sich wieder auf dem Sofa zurücklehnte. „Sie kommen sicher bald. Aoi ist ja schon einige Zeit weg…“

„Können sie nicht jetzt schon kommen?“ Kaum merklich schüttelte der Braunhaarige den Kopf. „Jetzt hab doch mal ein bisschen Geduld, Ruki.“

„Ich will mich aber nicht gedulden, verdammt!“, nörgelte der Blondschopf. In dem Moment ging die Haustür auf und schwupp – Ruki war auch schon vom Sofa verschwunden, ließ Kai allein zurück.

Ich hatte mich gerade meiner Schuhe entledigt, als mir der kleine Blonde am Hals klebte. „Uru-chan! Und? Wie war’s? Wie geht’s deiner Mutter?“

Ein wenig umständlich befreite ich mich aus der Umklammerung des Kleineren und sah zu Kai, der sich gerade zu uns gesellt hatte und mich freundlich anlächelte. Mein Versuch das Lächeln zu erwidern, versagte kläglich. Ich hatte mich schnell verzogen, wieder ohne ein Wort zu sagen. Ich sperrte mich in meinem Zimmer ein. Einen kurzen Blick warf ich auf den Laptop, spielte mit dem Gedanken online zu gehen und Atashi von meinem Kummer zu erzählen, aber das konnte ich später noch. Außerdem wollte ich ihn nicht noch mehr mit meinen Problemen belasten. Also ließ ich es bleiben, zog mich erst einmal um. Bequemere Sachen und schon fiel mir das Nachdenken ein wenig leichter. Ich legte mich auf meinem Bett lang, verschränkte meine Arme in meinem Nacken und blickte stumm an die Decke. Ich hatte heute noch kein einziges Wort gesprochen. Schon seltsam. Sonst bedankte ich mich immer, begrüßte meine Freunde, aber jetzt strafte ich sie mit Schweigen. Dabei konnten sie doch am Wenigsten etwas für meine Probleme. Ich spielte kurz mit dem Gedanken wieder nach unten zu gehen und ihnen alles zu erzählen, doch ich hielt mich zurück. Zuerst wollte ich mir sicher sein, was genau ich ihnen erzählte. Solange würden sie sich gedulden müssen, so leid es mir auch tat, aber es ging nicht anders. Wenn Reita heute einen schlechten Tag hatte, würden sie es ja eh herausfinden, von daher. Wahrscheinlich würde er es ihnen einfach erzählen. Irgendwie traute ich ihm das zu. Ich wusste nicht, dass die Vier unten in der Küche saßen und über mich redeten…
 

„Irgendetwas stimmt mit ihm nicht, so viel steht fest.“

„Ja, stimmt. Da hast du recht, was könnte Uru-chan nur haben?“

„Ich schätz ma’, dass es mit seiner Mutter zu tun hat.“

„Bist du da von allein drauf gekommen, Spaßbremse, oder hat dir wer geholfen?“

Verächtlich schnaubte Aoi auf den letzten Satz, der von Reita kam und verschränkte seine Arme bockig vor seiner Brust. Von Kai bekam er dafür einen tadelnden Blick, immerhin ging es jetzt um ein ganz anderes Thema. Ruki, der neben ihm saß, nahm einen Schluck von seinem Kakao.

„Irgendwelche Ideen, was wir tun könnten?“, war die leise Frage von Kai, nachdem sie sich eine Weile lang angeschwiegen hatten. „Ich sage, wir gehen in sein Zimmer und zwingen ihn zu reden. Wenn er nicht reden will, bekommt er keinen Nachtisch.“

„Das funktioniert vielleicht bei dir, RuRu, aber ich glaub Ruha würde das kalt lassen.“, vermutete der Älteste Stirn runzelnd. „Dann schlag was Besseres vor!“

„Wie wär’s, wenn wir ihn einfach in Ruhe lassen würden?“ Der Schwarzblonde, der seinen Platz neben dem Ältesten hatte, hatte seine Arme verschränkt, sich auf dem Stuhl zurückgelehnt und wohnte dem Gespräch eigentlich nur halbherzig bei. „Wie wär’s, wenn du die Klappe hältst, wenn du nichts Geistreiches zu sagen hast?!“

„Bah! Ruki halt die Fresse!“, keifte er zurück und der Blonde sprang augenblicklich auf und versteckte sich hinter Kai. Dieser hatte für das kindische Verhalten seiner Mitbewohner nur ein Seufzen übrig. Nicht mal ein so ernstes Thema, ließ sie ernst bleiben. „Beruhigt euch. Denkt dran. Es geht um Uruha. Wir sind seine Freunde und sollten uns um ihn kümmern.“

„Meine Rede!“, erwiderte Aoi und runzelte wieder die Stirn. „Aber wie sollen wir das anstellen? Er will ja nicht reden, ne?“

„Vielleicht sollte einer von uns einfach zu ihm rauf gehen und mit ihm reden.“, schlug Kai vor, Reita schnaubte nur. Ruki und Aoi schienen darüber nachzudenken. „Das funktioniert sicher! Ich bin schon unterwegs!“

Doch noch bevor Ruki gen Tür hasten konnte, hatte Kai ihn am Stoff seines T-Shirts gepackt und sanft auf seinen Stuhl gedrückt. „Ich glaube nicht, dass du gehen solltest.“

„Waaaaaa~s? Warum sollte ich nicht?“ Beleidigt zog der Blonde eine Schnute. Er konnte sich auch gut um seine Freunde kümmern, jawohl! „Weil du nur die Geduld verlieren würdest …“

Mit verzogenem Gesicht präsentierte Ruki Aoi seinen Mittelfinger und starrte bockig auf den Boden. Der Braunhaarige tätschelte ihm kurz den Kopf. „Sei nicht beleidigt. Aber … Aoi hat Recht, Ruki.“

„So wenig vertraust du mir also?“

„Das hat damit nichts zu tun. Aber nimm es uns nicht übel.“

„Mrah. Meinetwegen.“, stimmte Ruki schließlich doch noch zu und schwieg vorerst. Nun mischte sich Reita wieder in das Gespräch ein. „Glaubt ihr echt, dass der einem von euch was erzählen wird?“

„Glaubst du er würde dir irgendwas erzählen, Nasentanga?“, konterte der Älteste und streckte dem Punk die Zunge raus. „Fresse.“

Daraufhin erwiderte Angesprochener nichts mehr. Jedenfalls nicht zu Reita. Stattdessen drehte er seinen Kopf wieder in Kais Richtung. „Also einer von uns beiden, ne?“

„Denke ich auch.“ Der Brünette nickte leicht, schien aber dennoch zu überlegen, legte sich eine Hand an sein Kinn. „Wir müssen wirklich überlegt vorgehen. Wem von uns würde er am ehesten etwas über seine Probleme erzählen?“

„Ihr könnt ja nacheinander hingehen und es ausprobieren.“, warf Ruki in die Runde, erntete ein Kopfschütteln von Kai und Aoi, was ihn die Nase rümpfen lies. „Warum nicht?“

„Weil er sich wundern würde, warum wir alle nacheinander kommen, um mit ihm zu reden. Da wird er erst Recht nichts erzählen.“

Eine kurze Schweigepause trat ein, in der jeder seinen Gedanken nachhing.

„Vielleicht solltet ihr ihn einfach in Ruhe lassen. Wenn er euch etwas erzählen wollte, hätte er’s doch getan.“, konnte man ein leises Murmeln neben Aoi vernehmen.
 

„Seit wann interessiert es dich, wie es Uruha geht, was er denkt oder sonst was, häh?“, wurde der Blondschwarze von Aoi gefragt. „Vorher hattest du ja eher deinen Spaß dran ihm Angst einzujagen. Ich frag mich immer noch warum ich dich habe überhaupt mit ihm mitgehen lassen!“

„Selbst Schuld, Spaßbremse.“, murrte Reita lediglich. „Ich sag bloß, dass es nichts bringt, wenn ihr ihn ausquetschen wollt.“

„Sag das nicht so, Rei. Das klingt voll negativ. Wir machen uns nur Sorgen und wollen ihm helfen..“, nuschelte der Älteste und legte seinen Kopf auf seiner Handfläche ab. „Aber wie stellen wir das nur an?“

Alle drehten ihre Köpfe zu Ruki, zuckten mit den Schultern. Mal abgesehen von Reita, der nur mit den Augen rollte. Momentan erstaunlich schweigsam war dann doch Kai, der weiterhin seinen Gedanken nachhing. Dies bemerkte der kleine Blonde natürlich sofort. „Sag schon, Kai. Hast du eine Idee?“

„Nein … nicht wirklich. Aber ich denke es ist das Beste, wenn einer zu ihm hochgeht. Er soll sich bloß nicht verschanzen und alles in sich hineinfressen. Es reicht, wenn er weiß, dass er immer zu uns kommen kann…“ Ruki und Aoi nickten. „Jedenfalls fürs Erste…“

„Tze. Ich sag, dass es nichts bringen wird.“, gab Reita noch mal seinen Senf dazu.

„Dich hat keiner gefragt.“, meinte Ruki schnippisch. „Was meldest du dich denn, eh? Hat hier einer die Null gewählt?!“

„Scheinbar schon, wenn du dich einmischst, ReiRei!“, zickte der Kleinste in der Runde. Kai stand plötzlich auf. Alle Blicke richteten sich auf ihn. Doch anstatt irgendetwas zu sagen, schlenderte er zum Kühlschrank, zog eine Saftflasche heraus. Dann nahm er sich noch ein Glas, kippte in dieses den Saft. Den stellte er dann zurück in den Kühlschrank und hielt Aoi das Glas hin. „Hier. Geh du zu ihm.“

„Eh? Und warum ich?“, fragte der Schwarzhaarige ein wenig perplex. Eigentlich sollte man ja erwarten, dass Kai hingehen würde, um mit Uruha zu reden, ihn zu beratschlagen, ihm zu helfen. Doch der Braunhaarige lächelte leicht. „Ich pass auf, dass die andren beiden nicht stören. Jetzt geh, bevor Uruha eingeschlafen ist.“

„Aye aye!“ Aoi stand auf, nahm vorher noch das Glas von Kai entgegen und verschwand hinter der Küchentür. Nur noch Ruki musste noch seine Meinung kundtun.

„Ich glaub nicht, dass das klappt… Ich hätte gehen sollen.“
 

Meine Augen hielt ich halb geschlossen, nichts von dem ahnend, was unten in der Küche besprochen wurde. Ich ahnte nicht, dass Reita meiner Bitte doch nachgekommen war. Ich ahnte nicht, dass Ruki jetzt beleidigt in der Küche saß, weil er nicht zu mir sollte. Ich ahnte nicht, dass Kai gerade ein paar Reisbällchen vorbereitete. Ich ahnte nicht, dass Aoi gleich bei mir vor der Tür stehen und klopfen würde. Als allerdings eben erwähntes Klopfen an mein Ohr drang, öffnete ich meine Augen gänzlich, hob meinen Kopf ein wenig an. Ich spielte mit dem Gedanken das Geräusch einfach zu ignorieren, aber das konnte ich nicht machen. Es war eh entweder Aoi oder Kai. Die anderen beiden meiner Mitbewohner klopften nicht, bevor sie das Zimmer betraten. Noch einmal klopfte mein Besucher an, diesmal ein wenig zögerlicher. Ich seufzte innerlich auf. „Ja?“

Ich konnte ihn nicht einfach ignorieren. Das erste Wort für diesen Tag. Meine Gedanken hatte ich ein wenig geordnet, aber noch nicht genug, dass ich mich in der Lage war irgendetwas von meinen Problemen zu erzählen. Ich wusste noch nicht so recht, wie ich mit der Tatsache umgehen sollte, dass Yune ein dreckiger Lügner war und so weiter. Den Gedanken schob ich beiseite, als die Tür leise geöffnet wurde und Aoi eintrat. Er lächelte mich leicht zurückhaltend an, ich setzte mich auf mein Bett, deutete mit einem Nicken an, dass er sich auch setzen sollte. Der Schwarzhaarige zögerte nicht, sondern kam der Geste gleich nach, setzte sich auf die Bettkante, sah mich schweigend an. Ich konnte in seinen Augen geradezu sehen, wie ein kleines Rädchen ratterte und den besten Ansatz für eine ‚Rede’ suchte. „Also… ich … hab mich nicht zufällig hierher verirrt.“

Hätte ich auch nicht gedacht. Auf diesen Satz erwiderte ich nichts. „Und na ja… also…und…“

War es etwa so schwer die richtigen Worte zu finden? Abwartend betrachtete ich meinen Mitbewohner, ließ meinen Kopf kaum merklich in die Schräge gleiten. „Wir dachten uns, dass es das Beste ist, wenn... du…“

Er legte wieder eine kurze Pause ein. Wahrscheinlich würde jetzt etwas kommen wie ‚wenn du uns erzählst was los ist’. Aber das wollte ich nicht. Noch nicht. Und das würde ich Aoi auch sagen. Ich hoffte nur, dass er mir das nicht übel nehmen würde. Aber wie ich meinen Mitbewohner mittlerweile einschätzte, würde er das nicht. Manchmal war er ja doch erwachsen. Wie gesagt … manchmal.

„Argh!“ Ich sah zu dem Kleineren, der sich gerade die Haare raufte. „Jedenfalls! Du sollst wissen, dass du immer zu einem von uns kommen kannst, wenn etwas ist, ne?“

Ich konnte nicht anders. Ich musste einfach lächeln. Aoi blinzelte erst, erwiderte das Lächeln mit einem breiten Grinsen. Er wusste, dass ich verstanden hatte. „Ich weiß zwar nicht, was los ist, aber … das wird wieder. Lass den Kopf nicht hängen. Es geht wieder Bergauf.“

„Danke, Aoi.“ Ich wusste das sehr zu schätzen, aber meine Zuversicht darauf, dass es besser wurde, war denkbar klein. Aber irgendwie wollte ich ja auch an seine Worte glauben. Ich wusste genau, dass die drei – ich schloss Reita mal aus, der war unberechenbar – immer für mich da sein würden, wenn ich Probleme hatte.
 

„…Aoi?“, fragte ich nach einigem Schweigen dann zögerlich. Er sah auf, bewarf mich mit einem fragenden Blick. „… würde es dir etwas ausmachen… mich…“

„…dich was?“, hakte er nach, nachdem ich für einige Sekunden nicht weiter gesprochen hatte. „… mich in den Arm nehmen?“

Irgendwie hatte ich jetzt das Bedürfnis mich richtig trösten zu lassen. Ich wollte wissen, dass ich nicht allein war, dass man sich wirklich um mich kümmern würde. Zuerst sah mich der Schwarzhaarige ein wenig verdutzt an und ich zweifelte schon wieder ein wenig an meiner Frage, als er doch tatsächlich seine Arme um mich legte und mich an sich drückte. Zuerst war ich ein wenig verdattert, dass er scheinbar keine Hemmungen hatte. „Klar kann ich das! Wir sind doch Kumpels, ne?“

„Hmh.“, gab ich nur zustimmend von mir und schloss meine Augen. Und schon wurde mir ein bisschen wärmer, denn ich wusste, dass ich nicht allein war. Mir war klar, dass die anderen für mich da sein würden. Kurz verharrten wir einfach so, ohne ein Wort zu sagen, ehe es ein zweites Mal für diesen Abend an der Tür klopfte. „Herein.“

„Uruha? Aoi?“ Kais Kopf lugte durch die Tür und er begann augenblicklich zu lächeln, als er uns so sah.

„Hm?“, kam es gleichzeitig von uns beiden und Kai kicherte vergnügt. „Ich hab was zu Essen gemacht. Kommt ihr runter?“

Gerade, als ich antworten wollte, fuhr mir Aoi dazwischen. „Ist RuRu da hinter dir?“

„Jaha! Ich bin auch da!“ Ich sah Aoi an. Was sollte das werden? „Komm rein Kai. Ruki geh den Miesepeter holen!“

Verständnislos folgte Ruki Aois Anweisung und brüllte Reitas Namen – wohl bemerkt den verhassten Spitznamen ‚ReiRei’ – und keine Minute später stand Gerufener mit verzogenem Gesicht vor dem Blonden, um ihm die Ohren lang zu ziehen. „Du kleine Kröte, komm her! Es nützt dir nichts, dich in Barbies Zimmer zu verstecken!“

Ruki versuchte derweil tatsächlich bei mir Schutz zu suchen und hastete ins Zimmer, wo Aoi und ich noch auf dem Bett waren, er seine Arme um mich gelegt und Kai saß daneben. Ruki sprang nun auf Kais Schoß und Reita kam vor Wut schnaubend durch den Türrahmen gerauscht. „Boah. Was veranstaltet ihr denn hier?“

„Komm mal her!“, meinte Aoi grinsend. Etwas verdutzt machte der Punk tatsächlich einen Schritt auf uns zu. Kai wusste wohl genau was der Schwarzhaarige vorhatte, denn er begann wieder zu grinsen und auch Ruki hatte es begriffen. Reita und ich waren die Einzigen, die nicht kapierten, was die anderen vorhatten.
 

Kaum, dass Reita nah genug bei uns war, entließ mich Aoi aus der Umarmung, packte sich mit einer Hand Reita, mit der anderen Kai, der wiederum Ruki mit sich zog zu mir, sodass wir uns nun alle irgendwie umarmten. Verzückt quiekend drückte sich Ruki gleich gegen uns alle. „Wir sind die fünf Musketiere!“

„Bah! Zwerg! Halt die Fresse und… Aoi! Lass mich los!“, zeterte Reita, dem die Umarmung wohl komplett gegen den Strich ging. Ich dagegen fand es sogar angenehm. Ruki quietschte eh zufrieden vor sich hin, Kai lächelte glücklich und Aoi lachte sich was weg. Alles in allem eine sehr seltsame Umarmung, von uns fünf. Okay. Wir waren ja auch von Grund auf verschieden, wir durften das. „So Ruha! Und jetzt weißt du, dass wir alle immer für dich da sind. Rei! Wehe du widersprichst!“

„Was wenn, häh?“, fragte der Punk trotzig und ich begann zu kichern. In dem Moment lösten die anderen die Umarmung. „Uruha du…“

„…du lachst ja!“, beendete Ruki Kais Satz. Ich stutzte kurz, blinzelte alle Vier einmal verpeilt an, begann dann wieder zu lächeln und drückte die, die ich in meine Finger bekam an mich. Der Rest – also Ruki und Reita – wurden von den anderen mitgezogen, sodass wir wieder ein wenig seltsam auf meinem Bett rumhangen. Komisch, dass folgender Satz, sogar an Reita gerichtet war. Aber irgendwie… stimmte es ja auch.

„Ja! Weil ihr für mich da seid.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (19)
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Von:  Armaterasu
2009-02-20T23:09:16+00:00 21.02.2009 00:09
du hast uruhas gefühle echt klasse beschrieben... gerade wie sehr im der verrat von yune nah geht... und auch seine zwiespältigkeit... der eine teil will ihn hassen, der andere kann es nicht... echt klasse, wie du das beschrieben hast...
aoi war auch geil, wo er mit uruha reden wollte/sollte... wie er da so verpeilt war und einfach nicht die richtigen worte fand... echt süß ^^
und die umarmung am ende war auch richtig süß gewesen *___________*
Von:  Seme-Aoi-chan
2008-10-24T17:51:48+00:00 24.10.2008 19:51
hach ist das süß! und selbst rei sorgt sich! einfach knuffig!
*verzückt ist!ein wunderschönes kapitel!^^
Von:  Sweet_Ruki
2008-09-25T07:52:32+00:00 25.09.2008 09:52
Ich finde es süß von den anderen wie sie sich sorgen um Uru machen und ihm helfen wollen!!! XDDD
^______________________^
Aber das Yune vorbei gekommen ist, naja...Uru hätte ihn vielleicht mal anhören können??? Aber es war auch wirklich so ein Schock für ihn was Yune gemacht hat > < *aufreg*
Ganz Klasse fand ich den Schluss, mit der Umarmung, und das Rei mit einbezogen wurde auch!!!! Der Hammer!!!! Würde am liebsten gleich mit denen Knuddeln!!!!!!
^^
Von:  Bakugou
2008-06-30T02:10:00+00:00 30.06.2008 04:10
süüüüüß ;A;~
aber warum is in JEDER ff die ich lese Uruha immer der, der leidet? T_T
das is gemein T~T

alles in alles is deine Ff bis jetz pure Liebe ><
wobei ich sagen muss, dass ich mich anfangs etwas an deinen schreibstil gewöhnen musste, da er doch irgendwie kindlich ist...was allerdings dann wider ein wiederspruch zu ein paar szenen ist xD
aber ich mag ihn *3* generell mag ich es, wie du die charaktere beschriebst ;3; ich glaub ich würde Ruki jeden tag knebeln und in irgendeinen schrank sperren xDDD~~
außerdem bin ich ja der meinung, dass Atashi Reita is u_û weil ja uru Schleppi einma einfach so an war un da hat der sich bestimmt die addy gehlot °~° höhö~
und wehe dir wenn nich xDDDDD~~

ne also ich mag die ff wirklich ;~;
nur Uru darf auch ma ein bischen mehr glück haben bitteeeeeh~~~ T~T

entschuldige diesen chaos-kommi....man beachte aber die Uhrzeit und möge mir verzeihen xD~

Nuru~~ ♥
Von: abgemeldet
2008-06-14T09:01:04+00:00 14.06.2008 11:01
Boaah, das kann jetzt mal ein langer Kommi werden! °////° |D~
Geeeeniahaaal! ^__________^
Hach, das ist einfach toll, wie du das schreibst! Als ich das Kapi zu Ende gelesen habe, hab ich nur 'Wie süüüß!' gerufen XD~
Meine Eltern würden jetzt mal wieder denken, dass ich Komplexe habe, was auch nicht so danmeben gegriffen werde, aber das ist jetzt erstmal Wurst =D~
Jedenfalls find ich es einfach total hammer, wie du Reita reden lässt XD~ Ich muss bei jedem seiner Kommentare immer lachen |DD~ Der ist dir echt tooootal gut gelungen ^_____________^
*smile*
Und bei Ruki muss ich immer nur denken 'SÜß!' |D~
Weil ich find das total toll, wie du den immer so flummig machst ^___^v
Und und und Kai und Aoi sind auch echt klasse XD~
Alles is klasse! ^_____________^
Und Yune will ich gleich mal eins in die Birne hauen o.o'
Ja, und man merkt ja schon, dass Reita immer lieber zu Uruha wird ^-^
Und auch Uruhas Gefühle sind schön detailliert beschrieben :]~
Schreib bitte schneeeeeeeeeeeeeeell weiter! *treller* ^_______^
LG __URUHA
Von:  Koakuma
2008-06-11T22:32:07+00:00 12.06.2008 00:32
woah deine fanfic ist echt der oberhammer!
du glaubst gar nicht wie sehr ich mich immer darüber freue, wenn ein neues kapitel fertig ist!
bin besonders gespannt, was aus dieses unbekannten internetliebe wird *popcorn holen geh*
ich liebe deine idee(n)!

Von: abgemeldet
2008-06-10T17:24:59+00:00 10.06.2008 19:24
ich wûnschte, reita wùrde mal sagen was er denkt!!
uru tutt mir so leid.. und das yune dann nochmal herkomen musste... was wollte der eigentlich?
also ist awie immer supatoll♥
und ich hoffe uru gehts bald besser ;_;
ara♥
Von:  xXTamafuneXx
2008-06-10T11:37:04+00:00 10.06.2008 13:37
das ende is ja ma knuffig freu mich schon auf nächstes kapitel^^
Von: abgemeldet
2008-06-08T09:06:09+00:00 08.06.2008 11:06
hey^^
toll kapi!! da muss ich dich ganz dolle loben...
das ende war ja richtig süß geschrieben! immer weiter so.
ich find ruki ja nach wie vor richtig niedlich^^
toll, dass reita nichts gesagt hat, aber er könnte mal mit diesem Barbie aufhören >_<
schön wenn man freunde hat, die einen so gut verstehen!
*keks dalass*
Von: abgemeldet
2008-06-07T12:21:23+00:00 07.06.2008 14:21
tolles chap. *_*
boooah der schluss ist einfach hammer <3
mooou~ ruha tut mir soo leid...
aba das kommt shon wieda~ ^^
anoo~ bin ja mal gespannt wies weitergeht xD
*muuuah* *abknuutsh*
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