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Sechs Menschen - Ein Sturm - Ein Schicksal

Vorgeschichte der Organisationsmitglieder Nr. 7 - 12
von

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Spiel auf Zeit

Zeit.
 

Was ist Zeit?

Mal rennt sie einem davon, als wäre sie ein aufgeschreckter Hase.

Mal scheint sie so langsam zu vergehen, dass jede Sekunde wie die Ewigkeit scheint...

Aber immer ist sie schwer zu greifen.
 

Wohl dem, der in der Lage ist, sie zu kontrollieren.

An einem gottverlassenen Ort wie diesem, an dem die Zeit keinen der bekannten Regeln folgt, wäre dies eine willkommene Begabung.
 

Man nennt mich Rulod. Manche kennen mich als Glücksspieler, andere wiederum als Gentleman. Aber jeder kennt mich als einen ehrenhaften Bürger.
 

Es drängt sich die Frage auf, wie es jemanden wie mich an einen Ort wie diesen verschlagen konnte... Nur Dunkelheit um mich herum. Und keine weitere Menschenseele außer mir. Das Einzige, was mir bleibt, um die Zeit zu vertreiben, ist es, gegen das Nichts Karten zu spielen. Vielleicht interessiert es sich sogar dafür, was ich zu erzählen habe.
 

Ich denke, es ist das Beste, wenn ich mir die oberste Karte vom Stapel nehme und meine Geschichte ganz von vorne beginne...
 

Der schicksalhafte Tag war ein Freitag. Es war Frühling und somit genau die richtige Zeit, mit seiner Angetrauten eine Spazierfahrt mit der Kutsche zu wagen. Jemand wie ich war selbstverständlich wohlbekannt in der Damenwelt, denn schließlich ließ ich keine Gelegenheit aus, einer Dame den Hof zu machen. Auch an diesem Tag war ich mit einer holden Maid aus gutem Hause unterwegs. Wir kamen gerade von einem Rundgang durch die Casinos zurück und waren beide ein wenig angeheitert, um meine Glückssträhne zu feiern. Möglicherweise lag es am Wein oder an der Jahreszeit, aber als wir durch das Armenviertel gingen, war ich nicht annähernd so vorsichtig, wie ich hätte sein sollen. Und prompt nutzte auch jemand die Gunst der Stunde und stellte sich uns in den Weg. Es war ein großer, bulliger, furchteinflößender Kerl, einer der Sorte, die man oft an den Eingängen von sehr exklusiven Clubs sieht und um die man lieber einen enormen Bogen macht. Da er nicht darauf aus schien, sich mit mir auf offener Straße prügeln zu wollen, sondern mir nur stumm winkte, mir zu folgen, sagte ich meiner Begleiterin Lebewohl und schickte sie nach Hause. Natürlich nicht ohne ihr einen galanten Handkuss zu geben und ihr ins Ohr zu flüstern, sie möge sich noch für später bereithalten.
 

Ich folgte dem Mann, bis wir in einer besonders dunklen Seitengasse ankamen, in der schon weitere bullig aussehende Männer warteten. Ein fester Griff um mein Handgelenk zeigte mir sofort, dass eine Flucht nicht toleriert wurde. Schnell beschloss ich, den Herrschaften so wenige Angriffsmöglichkeiten wie möglich zu bieten.

"Du bist also dieser eitle Fatzke, von dem sich die Frauen so schwärmen, hm?" Einer der Männer kam auf mich zu, eine Alkoholfahne stach mir unangenehm in die Nase. Dass manche Leute nicht wussten, wann sie mit dem Trinken aufhören sollten. Widerlich. Ich rümpfte die Nase. "Rulod ist mein Name und ja, wenn die Damenwelt so von jemandem schwärmt, dann muss sie wohl mich meinen."

Sie umringten mich, einer von ihnen ließ die Knöchel knacken. Ich versuchte, so gut wie möglich ein gleichgültiges Gesicht aufzusetzen, trotz der aufsteigenden Furcht.

Der, der mich in die Gasse geführt hatte, packte mich am Kragen. "Lass dir dies eine Warnung sein, Rulod. Wenn du noch ein einziges Mal unsere Weiber antatscht, dann gnade dir Gott."

Bevor ich irgendetwas zu meiner Verteidigung sagen konnte, spürte ich einen dumpfen Schlag auf den Hinterkopf und alles wurde schwarz.
 

Als ich wieder erwachte, befand ich mich immer noch in der Gasse. Regen fiel auf mich herab. Ich versuchte, mich aufzurichten, aber jede einzelne Bewegung trieb einen glühend heißen Schmerz durch meinen Körper. Anscheinend hatten die Männer ihre Wut an mir ausgelassen, nachdem ich zu Boden gegangen war. Nachdem ich es irgendwie unter größten Schmerzen geschafft hatte, mich aufzusetzen, seufzte ich missmutig. Die Wunden, die die Männer mir zugefügt hatten, bluteten immer noch.

Was sollte ich machen? Ich konnte nicht aufstehen, die nächste Polizeiwache war mehrere Straßen entfernt und ehe jemand auf meine Hilfeschreie geachtet hätte, wäre ich längst elendig verblutet. Mir blieb nur eine einzige Möglichkeit übrig. Ich erinnerte mich daran, dass ich auf dem Weg hierher eine kleine Gaststätte gesehen hatte und beschloss, dorthin zu kriechen. Leichter gedacht als getan, aber ich biss die Zähne zusammen. Jeder einzelne Meter erschien unendlich lang zu sein. Ich merkte, wie der Regen dichter wurde. Durst plagte mich, also hob ich angestrengt meinen Kopf und versuchte, ein paar Tropfen mit der Zunge abzufangen. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie sich der Himmel rapide verfinsterte.
 

Ich konzentrierte mich wieder darauf, meinen Weg fortzusetzen, doch der Regen hatte die Straße in eine Rutschbahn verwandelt. Mehrmals verlor ich den Halt und fiel auf die Brust, jedes Mal begleitet von einem schmerzvollen Aufschrei.

Schließlich und letztendlich erreichte ich die Gaststätte. Meine Kleidung starrte vor Dreck, Blut und Wasser, ich sah aus wie ein Landstreicher. Ich schrie, bettelte um Hilfe, doch keiner reagierte, ich kroch zu der Tür, die leider abgeschlossen war, klopfte, hämmerte gegen das harte Holz. Warum reagierte keiner? Warum ließ man mich so im Stich? Wo waren alle?
 

Ich sah mich angestrengt um. Die Straßen, die sonst voller Leben waren, schienen auf einmal völlig ausgestorben zu sein. Der Himmel war kohlrabenschwarz und schien auf die Erde zu fließen. War dies alles Gottes Strafe?

Nein, das durfte nicht das Ende sein. Ich wollte nicht qualvoll auf irgendeiner Türschwelle sterben, sondern lieber im hohen Alter im Kreis meiner Enkel!
 

Etwas berührte mein Bein. Sofort schreckte ich aus meinen Gedanken auf, hoffend, endlich Hilfe gefunden zu haben. Aber es war keine Hilfe, in deren gelben Augen ich nun sah.

Ich kroch näher an die Tür, suchte Schutz vor diesen scharfen Krallen, die meine Beine attackierten. Was waren das für Wesen? Sie sahen aus wie gigantische schwarze Ameisen, deren Fühler unentwegt zitterten. Ich bemerkte, dass sie aus dem Schatten krochen und etwas zu suchen schienen. Aber was? Das eine Wesen, das meine Beine angegriffen hatte, schien mich direkt anzusehen. Was wollte es von mir? Es ließ von mir ab und kam langsam näher.
 

Ich stieß einen heiseren Angstschrei aus und versuchte, wieder auf die Beine zu kommen, irgendwie zu flüchten, nur weg von hier. Aber alles misslang und artete nur in noch größerer Pein aus.

Mein Körper war nur noch ein Wrack. Ich konnte nicht mehr stehen, alles tat höllisch weh, der Blutverlust war enorm, meine Sinne begannen zu schwinden, ich war von den schwarzen Wesen umzingelt - meine Lage war aussichtslos.

"Egal, was du suchst, du kannst es haben. Nimm dir, was du willst. Meine Zeit ist nun gekommen. Ich gebe auf. Lass mich wenigstens in Frieden ruhen." sagte ich, meine letzten Kräfte zusammensammelnd.
 

Es wirkte kurz so, als würde das Wesen lächeln. Dann sprang es auf meine Brust und hieb seine Krallen hinein. Dieser Schmerz war beinahe sanft im Gegensatz zu den anderen, die ich empfand. Ein helles Licht blendete mich kurz, danach spürte ich gar nichts mehr.
 

Als ich meine Augen wieder aufschlug, umhüllte mich die pure Dunkelheit. Ich merkte, dass jeglicher Schmerz von mir genommen war. In meinen Taschen entdeckte ich sogar noch ein vollständiges Kartenspiel.
 

Und von dem nehme ich nun die letzte Karte auf die Hand. Meine Geschichte ist beendet, ich spüre, wie meine Sinne schwinden. Ich heiße diese Ohnmacht willkommen, heißt sie doch, dass mein Irrweg endlich ein Ende gefunden hat. Und ich endlich in Frieden ruhen kann.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Kizara
2008-07-13T10:49:52+00:00 13.07.2008 12:49
Ohhh cool du hast die FF jetzt auch auf Mexx *freu*
Ich kannte sie schon von FanFiktion. de und fand sie soooooo
toll *grins*
Bitte schreib bald weiter!!
Von:  juuzousuzuya
2008-02-28T17:33:39+00:00 28.02.2008 18:33
mit der Ich-perspecktive ist eine gute abwechslung ^^
mir gefällt die FF sehr gut
könntest du mir eine ENS schreiben wenn es weiter geht?
das wäre nett

lg


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