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Fesseln der Liebe (?)

von

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Kapitel 11

Nacht um elf Uhr trafen die zehn Schüler sich draußen vor dem Wald. Zuvor waren sie gemeinsam den Weg entlang gegangen, den sie für die Mutprobe bestimmt hatten. Zuerst ging es einen Hügel hinauf, an Eichen vorbei. Den Weg folgend kamen sie an einem großen Stein an, an den sie Kerzen zurück ließen, die dann die zwei, die die Mutprobe gemeinsam bestritten, wieder abholen mussten. Insgesamt waren es fünf Kerzen. Sollte diese Aufgabe gemeistert sein, mussten sie weiter marschieren, den Hügel wieder hinab, an einer dunklen, unheimlichen Höhle vorbei und wieder zurück zu den anderen.

Da der Plan fest stand, losten sie als nächstes durch Streichhölzer die Pärchen aus. Der Zufall entschied sich für Aya und Ria als drittes Team. Vor ihnen kam Shinri und nach ihnen Jackin mit einem anderen Mitschüler dran.

Das erste Paar setzte sich bereits in Bewegung, um die Mutprobe hinter sich zu bringen, während die, die hier bleiben, die Zeit stoppen mussten. Die beiden Jungs waren zuversichtlich und erfreuten sich bereits an der Dunkelheit des Waldes. Aya teilte mit ihnen diese Zuversicht. Das Einzige, was sie an dieser Probe störte, war Rias Anwesenheit. Sie waren die einzigen beiden Mädchen und schon steckte das Schicksal beide in einem Team. Zu gerne hätte sie die Zeit mit Jackin genutzt, um das Problem zwischen ihnen aus den Weg zu schaffen, welches ihre eigene Dummheit heraufbeschworen hatte.

Einige Zeit warteten die Schüler auf ihre Kollegen. Nach einer Weile erschienen diese beiden hinter den Bäumen und einer von ihnen schwenkte siegesfreudig die Kerze. Die Jungs lachten ausgelassen. Niemand bemerkte die heraufziehenden, verschwörerischen Wolken, die den Himmel unheilverkündend bedeckten. Kühle Luft kam auf und der Wind blies stark durch den stillen Wald.

Nur Shinri bemerkte das aufkommende Unwetter, während er mit seinem Mitschüler auf dem Weg durch den Wald machte. Eine Unruhe regte sich in ihm. Er wollte Aya und Ria zurückpfeifen, als sie sich dann auf den Weg in den Wald wagten. Doch sie hörten nicht auf ihn. Er musste sich in Geduld üben. Ria würde es ihm nie verzeihen, wenn er ihr diese Chance verbaute, sich zu beweisen. Sollten sie aber seine Hilfe brauchen, wäre er sofort zur Stelle.

Aya und Ria liefen nebeneinander den Hügel hinauf, immer dem Weg folgend. Es war ungewöhnlich ruhig zwischen ihnen. Obwohl Aya diese Zweisamkeit hätte nutzen können, schwieg sie. Auch Ria wirkte sehr zurückgezogen und unnahbar. Kein böses Wort fiel zwischen ihnen, aber auch kein gutes. Irgendwann hielt Aya diese Stille nicht mehr aus. Eine Frage drängte sich auf, die sie sonst nie hätte fragen können, weil die Jungs immer in ihrer Nähe waren. „Ria, wieso hängst du eigentlich so sehr an Jack?“ Sie machte sich Sorgen um ihren besten Freund und wünschte sich nur das beste für ihn.

Ria blickte auf. Ein unergründliches Lächeln legte sich auf ihre Lippen, als sie antwortete: „Na ja. Es ist das selbe, was auch dich und Shinri verbindet. Jack und ich gehörten einfach zusammen.“

„Was soll das eigentlich immer mit diesem Du-gehörst-mir-Quatsch? Ich verstehe euch echt nicht! Du meinst bestimmt wieder das eigenartige Zeichen. Das ist doch nur Zufall!“, regte sich Aya laut auf. Eigentlich wusste sie, dass es kein Zufall sein konnte, aber sie wollte sich den Glauben nicht nehmen lassen, an dem sie so verzweifelt hing.

Ria schüttelte wissend den Kopf. “Du nennst es Zufall, aber es ist Schicksal. Wenn die Zeit gekommen ist, wir mein Cousin dir alles genau erzählen. Aber jetzt ist es noch zu früh.”

Das brünette Mädchen blieb wie stehen. Ihre Züge waren eine einzige Frage und jeder Trottel hätte ihr angemerkt, dass sie eben etwas erfahren hatte, dass sie nie für möglich gehalten hätte. Ria kicherte leise, als sie in ihr Gesicht sah und zog somit den Zorn ihrer Mitstreiterin auf sich.

Schnell schüttelte Aya die Lähmung des Schocks beiseite und folgte wieder dem Weg. In ihren Gedanken versuchte sie die Information zu verarbeiten. Ihr fiel nämlich erst jetzt auf, dass sie sich nie gefragt hatte, wie die beiden zueinander standen; Sie waren Cousin und Cousine. Somit hatte sie mit zwei Zomas zu tun und diese Einsicht schmerzte sehr. Diese Familie schien der Hölle entsprungen zu sein, so plötzlich und unerbittlich wie sie aufgetaucht waren. Ohne Rücksicht auf Verluste verfolgen sie immer ihren eigenen Plan. Aya schien ihr höchstes Opfer zu sein, denn genau so fühlte sie sich im Moment. Ihr war, als hätte man ihr ein Brett an den Kopf geschlagen, um ihr endlich die Augen zu öffnen. War Ria wirklich gut für Jackin?

Aya verließ den Gedanken, Ria und Shinri würden einen fiesen Plan verfolgen, und fuhr das Thema weiter fort: “Was ist eigentlich mit der Liebe? Ihr sagt immer, wir seien euer Eigentum, wir gehören euch, aber was hat das für einen Zweck, jemanden mit Gewalt an sich zu binden? Wo bleiben die Gefühle?”

Der zunehmende Wind drängte gegen Aya und zog an ihren Sachen, während sie versuchte, den Hügel zu erklimmen, um Ria einzuholen. Es war mühselig, doch sie gelangte schon bald an ihr Ziel. Sie bemerkte unter der ganzen Anstrengung kaum, dass Ria nicht antwortete. Sie schwieg und die Stille war bedrückend. Ihr betrübter Blick war auf den Boden vor ihren Füßen gerichtet. In ihren Gedanken war sie weit fern der Gegenwart. Ihr Aussehen verriet die Traurigkeit in ihrer Seele. Ein tiefes Mitgefühl breitete sich in Aya aus. Sie wollte Ria trösten, ihren Kummer vertreiben und sie Lächeln sehen.

Eigentlich war sie fest darauf aus, ihre Mitschülerin für immer zu hassen. Sie stellt sich rigoros zwischen Jackin und Aya. Ein großer Grund, sie nicht zu mögen. Jetzt erfuhr sie sogar, sie wäre Shinris Verwandte. Ein weiterer Grund. Zu guter Letzt hatte Ria einen Charakter mit dem Aya nicht klar kommen konnte. Wie konnte man ihr verübeln, sie nicht mögen zu wollen? Doch trotz den Augenblicken des Streites und den Hass, den Aya versuchte gegenüber Ria beizubehalten, war es ihr nicht möglich, den Kummers der Mitschülerin zu ignorieren.

“Du weißt nichts, Aya. Du weißt rein gar nichts von unserer Familie”, erklang dann irgendwann Rias Stimme. Sie hatte wieder Mut gefasst und sah selbstsicherer aus. Sofort verging Aya der Drang, sie zu trösten.

“Wie soll ich denn etwas wissen, wenn ihr es mir nicht erzählt?”, schimpfte sie und versuchte erneut mit Ria schritt zu halten.

“Wir werden es euch nicht erzähl-!”, schimpft Ria ihrerseits, verstummte aber kurz darauf, als ein Wassertropfen ihr ins Gesicht fiel. Ihre Augen weiteten sich vor Schreck und sie wischte den Tropfen so schnell wie möglich beiseite. Doch half es ihr nichts, denn kurz darauf stürzte das Wasser wie aus Eimern auf sie herab.

“Verflucht!”, zischte Aya auf. “Wir haben es gleich, Ria! Dort vorne sind die Kerzen!” Doch Ria war im Gedanken ganz wo anders. Sie starrte aus schreckgeweiteten Augen in die Ferne. Doch es war nicht das, was sie sah, sondern das was sie spürte, dass ihr den großen Schock verpasste. Der Regen durchnässte ihre Haare und ihre Kleidung. Vor Kälte begann ihr Körper zu zittern.

Aya sah dem nicht länger zu. Schnell ergriff sie Rias Hand und zog sie mit sich. “Wir müssen das schnell hinter uns bringen, komm!” Somit riss sie das Mädchen aus ihren Gedanken und gemeinsam kämpften sie gegen das Unwetter an.

Der Wind, der über das Land fegte, brachte einen starken Schauer mit sich, der immer mehr zunahm. Die nasse Kleidung war nun eines der kleinsten Probleme, da beide Mädchen kaum mehr fünf Meter weit sahen und den Weg fast erahnen mussten. Dennoch liefen sie uneingeschränkt weiter und kämpften gegen den Wind, die drängenden Regentropfen und den tiefen Schlamm unter ihren Füßen an.

Vor ihnen erschien ihr Ziel. Erleichtert atmete Aya auf und schnappte sich die Kerze. Ria wartete wenige Meter weiter weg auf sie. Nervös, wie nie zuvor.

Sofort traten sie den Heimweg an und beschlossen, bis der Regen nachließ Schutz in der Höhle zu suchen. Sie stampften durch den Matsch, der sich unter ihren Füßen bildete und immer weicher zu werden schien, den Hügel hinab, darauf bedacht, nicht auszurutschen; Es bewies sich als schwierig.

Das Wasser rann unaufhörlich vom Himmel herab und befeuchtete den Boden, bis sie dachten, sie würden irgendwann darin versinken, wie in Treibsand. Die matschige Erde ruinierte ihre Hosen, aber beide ließen es ungeachtet. Ria wünschte sich nur noch eines, ins Trockene zu kommen und Aya wollte genau das selbe.

Doch auf einmal erhellte sich der Himmel über ihnen, gefolgt von lautem Donnern. Aya betrachtete den Himmel, als ein weiterer Blitz folgte. Sie schüttelte den Kopf. Damit hätte sie rechnen müssen. Sollte jemals das Unwetter angefangen haben, in diesem Ausmaß, dann war das Gewitter nicht mehr weit. Seufzend lief sie weiter. Unter dem nächsten Donnergrollen vernahm sie einen lauten Schrei. Schockiert fuhr sie herum.

Ria hatte sich nicht mehr vom Fleck bewegt. Sie stand nur wenige Meter hinter Aya, die Augen fest zugekniffen und die Hände auf die Ohren gelegt. Ein leises Wimmern entrang sich ihrer Kehle, als der nächste Blitz über das Land zuckte, gefolgt vom Grollen des Himmels. Einmal mehr empfand Aya ein tiefes Mitgefühl für Ria. Nun gesellte sich auch eine leichte Panik mit dazu, als sie dieses Bild miterleben musste. Sie wusste nicht, was mit Ria los war, doch wollte sie ihr helfen.

“Ria? Was hast du? Kann ich dir helfen?”, bat Aya flehend. Ihr war, als wäre Ria in einer anderen Welt. Sie bekam weder eine Antwort, noch regte sie sich, als die Worte erklangen. Verzweifelt betrachtete Aya ihre Mitschülerin, die einem inneren Kampf ausgesetzt war. Hilflos sah sie zu.

Als der nächste Donnerschlag ertönte schrie Ria dieses Mal laut auf und Tränen rannen über ihr Gesicht. Sie war nicht mehr in der Gegenwart, sondern weit weg, in einer Welt, die Aya nicht kannte. Sie vermutete wage, dass Ria in der Vergangenheit festsaß. Was sollte sie jetzt tun? In diesem Moment wünschte sich Aya, Shinri wäre hier. Er wüsste, wie er Ria helfen konnte, welche Worte sie jetzt brauchte, um getröstet zu werden.

Auf einmal erschrak Aya. Ria schien es kaum mitzubekommen, als der Boden nachgab. Halt suchend umklammerte Aya den nächstbesten Baum, während sie mit ansah, wie Ria in die Richtung des nächsten, baumbeschmückten Abhang hinuntergezogen wurden.

Schnell stürzte Aya hervor und griff nach der Mitschülerin, um sie vor dem Unheil zu bewahren. Es war zu spät. Beide stürzten hinab. Aya bekam kaum mehr was mit. Es ging zu schnell. Erst, als sie den Boden unter ihr spürte und ein schweres Gewicht auf ihr, öffnete sie wieder die Augen. Ganz in der Nähe saß Ria. Sie war gegen einen Baumstamm geschleudert worden und kauerte nun an dieser Stelle. Die Schmerzen nahm sie kaum wahr.

Aya selbst lag auf dem matschigen Boden. Ihr Fuß war zwischen Baum und Erde gefangen. Schmerz verzerrte ihr Gesicht. Sie biss sich auf die Lippen und hoffte, Ria könnte sie hören; Sie hätte Ria zu Shinri geschickt. Das Trauma, welches sie gerade durchlebte, vereinnahmte sie aber zu sehr und Ayas Stimme drang nicht bis in den dunklen Winkel, den Schatten der Angst.

Hilflos schrie sie einige Minuten. Vielleicht suchte man nach ihr. Doch wenig später gab sie diese Bemühungen auf. Durch den schweren Regen und unter den Donnergrollen war ihre Stimme nur schwer zu vernehmen. Es war vergeblich.

Schweigend lag sie dort, dem Unwetter ausgesetzt, betrachtete Ria und versuchte noch immer, mit Worten zu ihr zu gelangen. Es half alles nichts. Ihr blieb nur noch eine Wahl, sie musste warten, bis man sie suchen würde.
 

Als der Regen einsetzte, begaben sich die ersten drei Jungs wieder hinein. Ihnen folgten, zur späten Stunde, die letzten. Nur Jackin und Shinri blieben zurück. Sie wollten Aya und Ria nicht alleine lassen. Obwohl der Regen sie ganz durchweichte, rührten sie sich nicht von der Stelle.

Jackin beobachtete den Zoma, der seinen Blick unentwegt, entschlossen und lauernd auf das Waldstück gerichtet hatte, aus dem sie kommen sollten. Der Weg müsste bereits absolviert sein. Das Unwetter machte den Boden glitschig und ermöglichte dem beiden Mädchen auf keiner Weise vorwärts zu kommen, ahnte Jackin bereits. Er hoffte, dass ihnen nichts passiert, denn der Wald war tückisch und gefährlich.

Das Gewitter setzte ein und Jackin zuckte erschrocken zusammen. Er blinzelte durch den Regen, der bereits dichter geworden war, erkannte aber immer noch keine der Mädchen, weder Ria noch Aya erschienen am Waldrand. Eine Unruhe durchwühlte seine Seele. Er betrachtete ein weiteres Mal Shinri. Er stand ungerührt an der selben Stelle. Als das Grollen des Donners ertönte, hatte er nicht einmal mit der Wimper gezuckt. Doch wusste Jackin nichts von den Höllenqualen, die sich in Shinris Seele abspielten.

Auf einmal legte sich der Ausdruck von Besorgnis auf Shinris feste Züge. Eine böse Vorahnung kroch in ihm hinauf. Ihm war klar, was Ria in diesem Moment durchmachte. Er erlebte mit ihr die selben Qualen, denn er war es, der ihr jahrelang zur Seite gestanden hatte. Er konnte nicht länger warten.

“Jackin! Wir müssen sie suchen! Ria braucht dich, dringend!”, drängte der Zoma und rannte bereits über den matschigen Boden, der ihm kaum etwas auszumachen schien. Leichtfüßig erreichte er den Waldrand und wartete einen Augenblick auf den anderen.

Als Jackin ihn erreichte fragte er ihn: “Wieso eigentlich ich? Du kennst sie doch länger als ich! Was ist denn überhaupt los mit dir?” Ihn verwirrte es, dass Shinris plötzliche Ruhe auf einmal einer Aufruhr glich. Obwohl die Außenstehenden es nicht bemerken würden, Jackin wusste, was in Shinri vorging. Er machte sich Sorgen und Vorwürfe zugleich. Jackin hatte keine Ahnung, um was es genau ging, aber er teilte diese Besorgnis. Er wollte nur, dass es den beiden Mädchen gut ging.

“Stell jetzt keine Fragen! Komm! Bevor es zu spät ist!”, rief Shinri hastig und setzte sich erneut in Bewegung. Ihm war bewusst, dass Jackin ihm ohne Kommentar folgen würde.

Der blonde Junge kämpfte sich durch den Schlamm. Der dickflüssige Boden erschwerte den Weg zunehmend und zerrte an seinen Kräften. Shinri schien es nichts auszumachen. Geschickt stieg er den Hügel hinauf, der Stelle entgegen, an er sie die Kerzen abholen müssten. Einen kurzen Moment ließ er Jackin alleine stehen und begutachtete die Höhle. Es gab keine Anzeichen dafür, dass sie hier Schutz gesucht hätten. Verzweifelt lief er weiter. Er musste sie finden, hätte es sogar sehr gut gekonnt, nur durfte er keine Aufmerksamkeit erregen. Jackin folgte ihm.

Shinri holte Luft und begann nach Aya und Ria zu rufen. Immer wieder erklangen ihre Namen. Seine Stimme durchdrang die Regenflut. Voller Sorge lief er nun einige Schritte langsamer. Er spürte es. Hier mussten sie sein. Er konnte Rias Angst riechen und Ayas Verzweiflung drang bis in sein Herz vor. Er musste sie finden!

Das Wetter zerrte an Jackins Kräften und er konnte sich nur mit Mühe durch den Schlamm bewegen. Die Sorge um die beiden Mädchen trieb ihn immer weiter voran. Er rief ebenfalls nach den Vermissten. Sie mussten hier irgendwo sein, ganz in der Nähe. Diese Vermutung bestätigte Shinris Verhalten. Zielstrebig, mit ruhigen Schritten, ging er den Weg entlang. Jackin schätzte sich glücklich, Shinri an seiner Seite zu wissen. Ohne ihn, wäre er nie so weit gekommen.

Der Regen behinderte die Sicht. Wahrscheinlich wäre Jackin vom Weg abgekommen, wenn er alleine gegangen wäre. Er wusste nicht, wie der Zoma es schaffte, doch er konzentrierte sich weiterhin auf die Suche. In diesem Augenblick war Shinris Eigenartigkeit unwichtig. Viel mehr ging es um das Leben zweier Mädchen, die ihnen viel bedeuteten. Hoffentlich ging es ihnen gut.
 

Aya horchte auf. Sie vernahm die Stimme eines Jungen, selbst durch das Gewitter und den dichten Regen. Ihr Herz erwärmte sich und klopfte vor Freude schneller. Das Zeichen begann zu kribbeln. Als sie schon die Hoffnung aufgegeben hatte, erkannte sie die Rettung. Einen kurzen Blick auf Ria werfend, bemerkte sie, dass das Mädchen nichts der Gleichen wahrnahm. Aya erlag der Vermutung, nur geträumt zu haben. Um diese Zeit, bei diesem Wetter, an diesem Ort gerettet zu werden war schier unmöglich. Doch dann erklang ein weiteres Mal dieselbe Stimme, lauter und verzweifelter als zuvor. Dann wusste sie es, Rettung war in Sicht.

Der Regen erschwerte die Suche, dass wusste Aya. Sie selbst sah kaum mehr das Umfeld, nur Ria und die dichten Regentropfen, die unaufhörlich auf ihre nasse Haut prasselten. Sie musste ihnen helfen. “Hier!”, wollte sie rufen, den Suchenden auf sich aufmerksam machen, doch es gelang ihr nicht. Ihr Rachen war trocken. Das Rufen fiel ihr schwer, selbst das Sprechen war kaum mehr möglich. Nur ein Flüstern und Ächzen entrang sich ihrer Kehle. Hoffnungslos.

Wieder schwand all ihre Zuversicht. Nie würden sie gefunden werden, sollte der Regen weiterhin andauern. Sie konnten weder gesehen noch gehört werden. Wie sollte dann eine Rettung gelingen? Sie werden an dem Abhang vorbei gehen, nicht ein Blick hinab werfen, und wenn doch, dann werden sie nichts erkennen, nur Dunkelheit und Regen.

Aya rührte sich. Sie wollte noch nicht aufgeben. Vielleicht gelang es ihr, sich zu befreien und nach oben zu klettern. Ihr war nicht wohl bei dem Gedanken, Ria in diesem Zustand hier alleine zu lassen, aber sie brauchten beide dringend Hilfe.

Der Baum rührte sich nicht. Ein stechender Schmerz durchfuhr ihr Bein und breitete sich in ihrem Körper aus. Ein Brennen folgte. Aya wollte schreien, doch nur ein Ächzen entrang sich ihrer Kehle. Sie biss sich auf die Lippen und schluckte den Schmerz hinab. Nun erkannte sie das zweite Problem, dass sich ihr und der Rettung in den Weg stellte. Wie konnte sie sich von hier befreien? Selbst, wenn man zu ihnen eilte, der Baum rührte sich keinen Millimeter. Hoffnungslos ließ sie sich zurück sinken.
 

“Wo sind sie nur?”, fragte Jackin voller Sorge. Diese Frage war viel mehr an sich selbst und an die Götter gerichtet, als an Shinri. Müde kämpfte er gegen den Wind, den Matsch und den unaufhörlichen Regen an. Shinri lief vor ihm, ruhig und besonnen, nur seine Augen zeigten ihm, dass er sich ebenfalls Sorge.

Der Wald war zu groß!, stellte Jackin dann fest, ohne es laut aus zu sprechen. Sie würden die beiden nie finden, nicht heute und bei diesem Wetter. Die Sicht war beschränkt und sie könnten genauso gut den Abhang hinunter gestürzt sein, nur wo? Bei diesem Gedanken erschauderte Jackin. Er hoffte, beide noch lebend wiederzufinden.

Dennoch, solange Shinri bei ihm war, konnte er nicht aufgeben. Der Junge schien sich genauso viel Sorgen zu machen und lief unbeirrt weiter. Jackin glaubte sogar, Shinri wusste, wohin sie gehen mussten. Es war eigenartig, aber es war das erste Mal, dass er dem anderen vertraute. Vielleicht ärgerte Shinri Aya tagtäglich, aber es lag ihm auch verdammt viel an ihr. Ohne Aya an seiner Seite waren seine Augen immer so leer, als fehle ein Teil seiner Selbst.

Auf einmal blieb Shinri mitten im Weg stehen. Jackin wäre beinahe in ihn hinein gelaufen, da der Regen ihm die Sicht unmöglich machte. Verwirrt sah er Shinri an.

Dieser stand schweigend an der selben Stelle. Hatte er aufgegeben? Fraglich hob Jackin die Augenbraue und hoffte, der Zoma würde weiter gehen. Sie mussten schließlich die Mädchen finden, bevor es zu spät war. Es war dunkel, es regnete, dies alles erschwerte ihre Suche, aber Jackin wollte sich nicht aufhalten lassen. Er musste sie finden, koste was es wolle.

“Ich glaub, wir haben sie”, meinte Shinri leise, dennoch vernahm Jackin die Worte. Sofort setzte er sich wieder in Bewegung und kletterte geschickt den Abhang nach unten. Er suchte immer die Bäume mit festem Untergrund aus. Jackin fiel sofort auf, dass es hier vor kurzem einen Erdrutsch gegeben hatte. Er betete gen Himmel, dass es den beiden Mädchen gut ging.

“Aya”, murmelte Shinri erleichtert, als er durch die Dunkelheit die beiden Mädchen erblickte. Jackin sah um sich, doch konnte er sie nicht erkennen. Er sah die Dunkelheit und Shinris Umriss, aber sonst niemanden. Doch dafür spürte er Rias Gegenwart.

Jackin, der Aya nicht ausmachen konnte, folgte seinem Gespür und lief Richtung Ria, während Shinri sich dem umgestürzten Baum näherte, unter dem Ayas Bein vergraben lag.

Ria saß an einem Baum und kauerte sich zusammen. Der Anblick vermittelte Jackin Angst und Hilflosigkeit. Vorsichtig kniete er sich hinab und legte seine Hand trösten auf ihre Schulter. “Ria, ich bin es, Jack. Du bist nicht alleine.” Er ahnte nicht, was in ihr vor ging, wusste aber, dass sie Qualen durchzustehen hatte, die er sich nicht einmal selbst zumuten würde. Er hüllte sie in eine warme Umarmung und drückte sie an sich. Tröstend. Schützend.

Das Mädchen nahm seine Stimme war, die wie ein Licht in der Dunkelheit das Chaos in ihrer Seele durchdrang. Halt suchend klammerte sie sich an ihn und weinte bittere Tränen. Freude und Trauer. Es war ein Wunder, dass er bei ihr war. Sie hoffte, er war kein Traum und würde bei ihr bleiben. Binnen weniger Sekunden setzte der Schlaf ein, den ihr müder Körper ihr erst jetzt gewährte.

Erleichterung überkam Jackin, als er Ria in seinen Armen spürte. Die Gewissheit, ihr ginge es gut, erfüllte ihn mit großer Freude. Nachdem sie eingeschlafen war, wand er sich in der Dunkelheit um. Hoffentlich ging es Aya ebenfalls gut.

Shinri stürzte ohne Rücksicht auf sich selbst an Ayas Seite. Seine Hand ergriff ihre und er stützte ihren Kopf mit der anderen. Der Matsch, der dadurch an seinen Körper geriet, war ihm vollkommen gleichgültig. Ruhig peilte er die Lage und seine besonnene Art erreichte Ayas Herz. Sie kämpfte die Tränen der Dankbarkeit und Freude hinab, bevor er sie falsch verstehen würde. Sie war ihm dankbar, dass er gekommen war und freute sich, dass auch Jackin da war, aber Shinris Anwesenheit war anders. Er glich einer kleinen Flamme inmitten eines düsteren Raumes. Als sie ihn hörte, ihn sah, glaubte sie an die Rettung und wusste, er würde nichts unversucht lassen, um sie von hier weg zu bringen. Wieso sie sich dem so sicher war, war ihr nicht klar, aber das Gefühl brannte sich deutlich in ihr Herz, als wäre es schon immer da gewesen.

Besorgnis und Wut flammten in Shinris Augen auf. Er musterte den Baumstamm, der Aya höllische Schmerzen bereiten musste, während sein kleiner Wildfang nicht einen Mucks von sich gab. Sie gab sich in dem Moment stark, in dem andere weinend zusammen gebrochen wären. Ihm wurde wieder einmal klar, wie wichtig sie in seinem Leben war. Sie war seins, gehörte zu ihm. Niemand konnte sie trennen und das war auch gut so. Sollte es doch jemand wagen, er wäre unberechenbar gegenüber diesem Jemand.

“Es wird jetzt etwas weh tun”, meinte Shinri besänftigend und in seinen Augen spiegelte sich Sorge um Aya wieder, doch sie nickte mutig. Sie würde stark sein, hatte sie sich geschworen, obwohl ihr zum Heulen zumute war. Die Schmerzen waren das kleinste Problem in diesem Augenblick. Viel mehr erkannte sie Shinris Leid und Selbsthass in dessen Augen.

Sie war ihm dankbar, war glücklich über seine Anwesenheit und wollte ihn in die Arme schließen. Er war den ganzen Weg hier her gerannt, nur für sie? Sie konnte es kaum glauben, dass es wirklich so sein sollte. Seine Züge verrieten aber, dass dem so war. Er hätte nichts unversucht gelassen, um zu ihr zu gelangen. Ihr Herz machte Freudesprünge und wollte gleichzeitig zerspringen.

Noch einmal wies Shinri Aya darauf hin, dass er ihr Scherzen bereiten würde, bevor er unter den Baumstamm griff. Es dauerte einige Zeit, bis er das Holz richtig zu fassen bekam. Langsam Ruck zog er den Stamm ein Stückchen nach oben und schob sorgfältig Ayas Fuß in die Freiheit. Die Brünette stöhnte bei der Berührung vor Schmerz auf. Ein gewaltiges Feuer durchströmte sie, stechend und brennend rann es ihren Körper empor. Sie verkniff sich ein Aufschreien mit großer Mühe und biss die Zähne verzweifelt zusammen. Sofort beugte Shinri sich zu ihr hinab, schlang seine Arme um sie und hob sie ein Stück empor. Ein weiteres Mal war sie den Schmerzen ausgesetzt. Nur die Nähe des Jungen ließ sie die Qualen ertragen.

Shinri wand sich an Jackin. “Wir müssen Unterschlupf suchen. Ich schätze, das Unwetter wird die nächsten Zeit bleiben. Der Boden ist zu gefährlich, um ihn zu überqueren. Die Höhle ist nicht weit von hier. Lass uns dort Schutz suchen.”

Jackin nickte zustimmend, auch wenn er nicht wusste, ob Shinri es sah. Mit Ria in seinen Armen ging er zu Shinri - dessen Stimme leitete ihm den Weg. Als er ihn sah, erspähte er auch Aya, die mit einem schmerzverzerrten Gesicht in seinen Armen lag. Es gab aber keine Zeit zu fragen, sie mussten sich beeilen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Mayuki
2008-09-12T09:58:10+00:00 12.09.2008 11:58
*-* Uhh~
Lesefutta x3
Finds immer noch derbst interessant xD
Aber denke man erfäher im übernächsten Kapi wieder mehr ;3
Ich freu mich schon drauf ^^
Und hetz dich net xD immer schön Zeit lassen.. aber auch nich zuviel zeit.. ach einfach so wies dir passt xP!
hdgdl gruß Mayu~


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