Ein Gläschen in Ehren...
Tenten rannte so schnell sie konnte nach Hause. Noch nie war sie zuvor so gedemütigt worden. Wie konnten die beiden nur so etwas tun? Schließlich war es die Beerdigung von Gai und sie wollte ihm die letzte Ehe erweisen.
Tenten öffnete die Tür und ging ins Wohnzimmer, wo Hanabi mit Miyu auf dem Boden spielte.
Hanabi sah nur auf, als jemand in den Raum trat.
„Tenten“, sagte sie teils überrascht, teils erfreut. „Wieso bist du schon zurück?“
„Es gab einen Zwischenfall“, sagte Tenten nur und setzte sich aufs Sofa.
„Was ist denn passiert?“
„Ach, Neji und Lee hatten eine kleinen... Auseinandersetzung“, murmelte sie bitter.
Hanabi stand auf und setzte sich neben Tenten.
„Neji hat sich sehr verändert, nicht? Vater meinte, dass Neji sehr erwachsen geworden ist.“
Tenten nickte nur schwach. Wenn man einen Menschen täglich sah, bemerkte man keine Veränderungen mehr, aber sechs Jahre waren eine lange Zeit.
„Haben sie sich wegen Gai-sensei gestritten?“, fragte Hanabi leise und brach die Stille. Im Stillen hoffte sie, dass Tenten ihr nun endlich mehr erzählen würde.
Doch diese schüttelte bloß den Kopf. „Es war nicht wegen Gai. Ganz im Gegenteil“, sagte sie langsam und stütze das Gesicht in ihre Hände.
Miyu hob einen Holzklotz auf und reichte ihn ihrer Mutter, die das Mädchen dankbar hoch hob und auf ihren Schoß setzte.
Miyu drückte sich an Tentens Brustkorb und plapperte aufgeregt und munter drauf los, was sie alles mit Hanabi getan hatte, als es plötzlich an der Haustür klingelte.
Hanabi zuckte leicht zusammen, löste den Blick schnell von dieser vertrauten Szene zwischen Mutter und Kind und stand auf. „Ich geh schon.“
„Das wäre nett“, sagte Tenten.
Hanabi ging zur Haustür und Tenten küsste Miyu zärtlich auf den Kopf. Ihre Tochter war das Wichtigste in ihrem Leben und kein Mann könnte das ändern.
„Du hast Besuch“, murmelte Hanabi als sie wieder zurück ins Wohnzimmer kam.
Tenten blickte auf und sah Hinata und Lee in der Tür stehen.
„Hallo Tenten“, sagte Hinata mit zarter Stumme. „Vater hat den Vorfall mitbekommen und ist kurzerhand dazwischen gegangen.“
Sie sah unsicher zu Lee, ob er noch etwas sagen wollte, doch er schwieg und blickte stur seine Ehefrau nicht an.
„Das war sehr... nett von ihm“, sagte Tenten unsicher, da sie kein besseres Wort fand.
„Was ist denn eigentlich passiert?“, fragte Hanabi ihre große Schwester, in der Hoffnung endlich mehr zu erfahren.
„Nicht so wichtig“, winkte Hinata schnell ab und wandte sich wieder an Tenten. „Vater ist Neji zum Anwesen zurück gegangen. Er wird ihm wohl die Meinung über sein Verhalten sagen. So etwas tut man nicht, vor allem wenn Mitglieder des Clans dort sind.“
Miyu, die Hinata noch nicht gut kannte, beobachte sie misstrauisch und genau. Doch plötzlich bemerkte sie ihren Vater und quiekte mit einem strahlenden Gesicht „Papa“.
„Hey, Kleines“, sagte er und ging auf Miyu zu. „Kann ich sie kurz haben?“, fragte er etwas kalt an Tenten gerichtet.
„Na- natürlich“, sagte sie schnell, reichte ihm vorsichtig das Kind und Miyu fing sofort an mit ihrem Vater zu kuscheln.
„Ich denke wir gehen besser“, sagte Hinata unsicher und sah zu Hanabi, die zustimmte.
Nach einer kurzen Verabschiedung von den beiden Hyuugaschwestern, war Lee ungewöhnlich kalt zu Tenten. Er brachte abends Miyu ins Bett und saßen schweigend mit Tenten auf dem Sofa.
„Es tut mir leid“, sagte Tenten leise, brach die Stille und nahm zögernd Lees Hand.
Er wich nicht zurück, schien aber auch nicht glücklich über diese Berührung zu sein.
„Ich könnte etwas Starkes vertragen“, murmelte er, stand auf und ging in die Küche.
Tenten sah ihn irritiert nach, stand dann ebenfalls auf und folgte ihm.
Er stand in der Küche und leerte mit einem Zug ein Cognacglas.
„Willst du auch einen?“, fragte er sie und holte ein zweites Glas aus dem Schrank, ohne auf ihre Antwort zu warten.
„Du weißt doch, dass ich schon lange nichts mehr getrunken habe.“
„Ich denke, dass ist ein Sonderfall.“
„Aber du verträgst doch nichts“, sagte sie schnell, willigte aber dann ein, weil Lee ihr das Glas mit Cognac penetrant vor die Nase hielt.
„Auf Gai-sensei. Der einen würdigen Tod gestorben war und ewig in unseren Herzen weiterleben wird“, verkündete Lee und hob sein Glas Richtung Decke.
„Auf Gai-sensei“, stimmte Tenten zu und trank einen Schluck von Cognac.
Der Alkohol brannte in ihrem Hals und sie musste kurz husten.
„Und auf Neji, der meine Ehe ruinierte, indem er meine Frau flachgelegt hat.“
„Lee, bitte!“, zischte Tenten.
„Schon gut, schon gut“, murmelte er und nahm noch einen großzügigen Schluck. „Dann halt nicht auf Neji.“
Tenten sah in das Glas, das sie bereits zur Hälfte geleert hatte. „Auf Miyu“, sagte sie leise.
Lee lächelte und strich Tenten sanft über die Wange. „Auf Miyu.“
Sie stießen die Gläser an und leerten sie in einem Zug.
„Das schmeckt eklig“, murmelte Tenten verärgert, dennoch spürte sie die Wirkung des Alkohols. „Mir ist schwindlig.“
„Komm, wir gehen ins Bett“, sagte Lee und half ihr die Treppe hoch.
Am nächsten Morgen öffnete Tenten verschlafen die Augen, denn sie hörte Miyus Rufe nach ihrer Mutter.
Tenten stand verkatert auf und fasste sich an den Kopf. Sie hatte heftige Kopfschmerzen und ihr tat alles weh. Das Gefühl von einem Kater war zwar schon lange her, aber dennoch konnte sie sich haargenau dran erinnern. So schlecht ging es ihr zuletzt nach ihrer Hochzeitsnacht.
Plötzlich merkte sie das sie nichts anhatte. Was war gestern noch alles passiert? Sie blickte zu dem Mann der neben ihr im Bett lag und stellte beruhigt fest, dass es bloß Lee war. Allerdings war er auch komplett nackt, hatten sie etwa-?
Tenten stand auf, suchte nach ihrem Bademantel und sah sich im Schlafzimmer um. Lee und ihre Sachen waren im ganzen Raum verteilt.
Sie zog ihrem Mantel an und fand eine offne Kondomverpackung die auf dem Teppich neben dem Bett lag. Sie hatten also doch miteinander geschlafen.
Plötzlich kam Panik in ihr hoch, warum wusste sie nicht, immerhin war Lee ihr Mann und sie hatte nichts zu befürchten, aber dennoch fühlte es sich falsch an: Schließlich hatten sie ja Streit.
Miyu rief erneut nach ihrer Mutter und Tenten ging, mit einem Lächeln auf den Lippen zu ihrer Tochter.
Neji saß in seinem Zimmer und blickte auf dem Fenster. Sein Onkel hatte ihn gestern einen Vortrag über Benehmen und Anstand gehalten.
‚Der hat gut reden’, dachte er bitter. ‚Er hat doch selbst keinen Anstand.’
Aber dennoch sorgte ihn etwas anderes.
Es hatte nichts mit ihm zu tun, nichts mit den Streitigkeiten in seinem Clan zu tun, sondern einzig und allein mit ihr zu tun.
Tenten. Wieso konnte er es ihr nicht einfach sagen, wieso konnte er ihr nicht sagen, was er für sie fühlte. Er wusste nicht ob er sie liebte oder nicht, er wusste nur, dass er etwas für sie empfand.
Doch er wollte nicht, dass sie ihr neues Leben für ihn aufgab. Er wollte doch ihr bestes, und er konnte ihr nicht das geben was ihr Lee täglich gab.
Ein innerer Kampf herrschte in Neji. Ein Kampf zwischen Liebe und Vernunft. Und die Vernunft schien eindeutig zu gewinnen. Er musste Konoha ein zweites Mal verlassen und diesmal für immer...
