Ehrliche Worte
Als die Tür aufging hob Neji, der oben lag, verwundert den Kopf und sah in Tentens geschocktes Gesicht.
Er schien keine Panik zu verspüren, sondern hielt nur in seiner Bewegung inne, ließ von der blonden Frau ab und stand auf.
„Neji, was ist denn?“, fragte die Unbekannte verwundert, da sie offensichtlich dachte, dass sie der Grund für seine plötzliche Abneigung war.
Sie folgte Nejis Blick, bemerkte dann Tenten, die immer noch in der Tür stand, und brachte nur ein erstauntes „Oh!“ raus.
„Zieh dir was an!“, murmelte Neji zu der Frau im Bett und zog sich eine Boxershorts an. „Und dann verschwinde!“
Die Frau schien mit dieser Abfuhr überhaupt nicht zufrieden zu sein. Sie zog beleidigt ihre schwarze Unterwäsche an, ihren lila knappen Rock und ihr blaues, glitzerndes Oberteil an. Es gab ein „Zip“-Geräusch als sie ihre schwarzen knie langen Stiefel anzog. Sie glättete ihre blonden Locken und erhob sich. Sie sah wirklich aus wie eine Prostituierte, obwohl Tenten bezweifelte das sie wirklich eine war. Wäre Neji zu einer Prostituierten gegangen, hätte er sie garantiert nicht mit nach Hause genommen.
Sie ging zur Zimmertür und ihre Stöckelschuhe klackerten nervtötend auf dem Parkettboden.
Beim hinausgehen war sie Tenten noch einen bösen Blick zu. Ihre giftgrünen Augen funkelten und trafen die braunen von Tenten.
Sie richtete sich noch ein letztes Mal an Neji:
„Bis bald, Liebling.“
Ihre Stimme war hoch und eine Beleidigung für die Ohren.
„Ja ja“, nuschelte dieser nur und strich das Bett glatt.
Die unbekannte Frau öffnete die Tür und das gleichmäßige Klackern war den ganzen Flurabgang zu hören.
„Schließe bitte die Tür!“, sagte Neji zu Tenten und zog sich sein Shirt und seine Hose an.
Sie tat wie ihr befohlen und blickte Neji teils geschockt, teils verwirrt an.
„Du hättest ja wenigstens vorher anrufen oder anklopfen können“, sagte er ohne sie anzusehen und machte das Bett ordentlich.
Tenten war im Moment heilfroh, dass Miyu gut bei Lee aufgehoben war. Lee... Er wusste noch gar nichts von ihrem Entschluss.
Neji setzte sich aufs Bett und klopfte neben sich, als Zeichen das sie sich setzen sollte.
Sie setzte sich ebenfalls und sah sich kurz im Zimmer um.
Der Raum war spärlich eingerichtet. Ein Bett, ein Schrank, ein Schreibtisch mit Stuhl. An den Wänden hangen keine Bilder oder Poster und auch keine Pflanze war zu sehen. Diesem Zimmer fehlte eindeutig an Liebe und Zuwendung.
Neji sagte nichts, sah nur geradeaus. Seine weißen Augen waren immer noch wie damals, nur das jetzt sämtliche Liebe und Hoffnung erloschen war.
„Tut mir leid, dass ich euch... gestört habe“, sagte Tenten bitter und presste die Lippen aufeinander.
„Schon okay“, murmelte Neji. „Es war eh nicht so berauschend.“
,Nicht so berauschend?', dachte Tenten schockiert. Meinte er das ernst?
Sie sah ihn an und plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie nur eine von vielen war. Wie eine Nummer die man zog und nach Lust und Laune wieder zog. Und dennoch fühlte sie sich zum ihm hingezogen. Das war mehr als naiv und dumm, immerhin hat Neji sich in all den Jahren verändert. Er war nicht mehr der sture Teenager aus ihrem Team, er war nun ein eigenständiger Mann.
„Ich musste Druck abbauen, mehr nicht. Das war in letzter Zeit alles zu viel“, murmelte er, als ob er sich vor ihr rechtfertigen müsste.
„Machst du so etwas öfters?“, fragte sie abwertend und sah ihm in die Augen.
Er erwiderte ihren Blick und ihr Herz klopfte schneller. Sie fühlte sich wie ein Teenie der seinen Lieblingsstar anhimmelte, doch sie konnte sich so etwas nicht erlauben, immerhin war sie eine erwachsene Frau und hatte ein Kind.
„Ja. Warum auch nicht?“
„Also war ich nur eine schnelle Nummer für dich?“
„Wenn du es so sehen willst, dann ja. Du hättest ja auch nein sagen können.“
,Wie soll man zu so einem Mann nein sagen', dachte sie verstohlen.
Eine kurze Stille trat ein, doch dann meldete sich Neji wieder zu Wort.
„Du wolltest Miyu nicht, oder?“, fragte er leise.
Tenten sah ihn schockiert an. „Wie bitte?“
„Deine Tochter war ein Unfall, nicht?“
Ihre rechte Hand zuckte, doch sie versuchte es zu unterdrücken.
„Kann man so sagen“, murmelte sie. „Wir wollten zwar Kinder haben, aber sie war nicht geplant.“
„Hast du wegen ihr als Kunoichi aufgehört.“
„Woher weißt du das?“, fragte sie verwundert.
„So etwas merkt man. Du unterdrückst deine Gewalt und achtes mehr auf Gefühle. Hast du es für deine Tochter getan?“
Tenten schüttelte den Kopf.
„Ich hab Miyu nur in der Stillzeit betreut, danach hab ich sie an ein Kindermädchen abgegeben und bin mit Gai-sensei und Lee wieder auf Mission gegangen. Nur war mein Herz immer bei ihr, ich hab sie schrecklich vermisst und mich gesorgt. Lee meinte, dass sie ihm auch fehlte und dass es irgendwann besser gehen würde.“
Neji nickte nur. Er konnte sich nicht vorstellen, wie Lee und Tenten miteinander auf Missionen umgehen, schließlich waren sie Eheleute und waren sehr intim miteinander. Aber andere Eltern schaffen es auch Mission und Kind unter einem Hut zu bekommen.
„Und dann“, murmelte Tenten mit erstickter Stimme. „waren wir einer scheinbar harmlosen Mission. Miyu war in guten Händen , dass wusste ich und dennoch ließ ich mich täuschen. Wir wurde von zwei Feinden angegriffen und einer der beiden, wusste, dass ich eine Tochter habe und hat behauptet sie hätten sie entführt und würden ihr die Kehle durchschneiden.“
Sie brach kurz ab, weil ihr Tränen über die Wangen liefen und Neji wartete bis sie wieder anfing weiter zuerzählen.
„Ich weiß nun endlich, wieso ein Ninja keine Gefühle zeigen darf. Sie hatten mich dort wo sie mich haben wollten. Ich hörte nicht auf Lee, der meinte das alles Unsinn war und auch nicht auf Gai, der immer wieder sagte, dass Miyu in Konoha wohl auf ist. Ich war einfach blind. Nenne es Dummheit oder Mutterliebe, aber das Herz war stärker als der Verstand. Ich bin ihren gefolgt und wollte meine Kleine wieder haben. Und es kam zu einem Kampf. Ich war ihnen zwar haushoch überlegen, aber ich war verwirrt und aufgewühlt. Und dann griff mich einer der beiden an und ich konnte nicht ausweichen oder mich wehren. Und dann sprang Gai-sensei dazwischen. Einfach so, als ob es seine Aufgabe wäre mich zu beschützen. Er wurde lebensgefährlich am Kopf verletzt. Wegen mir. Ich bin schuld das er diese Amnesie hatte. Vielleicht hat er sich nur an mich erinnert, weil er tief in seiner Seele spürte, dass ich schuld an seinen Todesqualen war.“
„Glaubst du das wirklich?“, mischte sich Neji ein.
Sie nickte.
„Ich denke eher, er mochte dich halt sehr. Immerhin warst du seine Schülerin und das einzige Mädchen im Team.“
Neji musterte Tenten nun genau. Sie war wirklich hübsch geworden. Ihm ist gar nicht aufgefallen, dass sie ihre Haare anders trug. Sie hatte nur noch zwei kleine Knoten, in denen nur etwa ein drittel ihrer Haare befestigt war, den Rest trug sie offen. Auch fiel ihm erst jetzt auf das sie geschminkt war, zwar dezent, aber sie war geschminkt. Ihr Kleidungsstil hatte sich auch geändert. Sie trug ein rotes Kleid mit V-Ausschnitt. Sie war wirklich erwachsen geworden. Vielleicht hatte Gai auch ganz andere Interessen als nur das Wohlbefinden seiner Schülerin.
,So etwas darfst du nicht denken!', ermahnte er sich. ,Immerhin war er unser Lehrer und er kannte sie seit sie ins Team kam.'
„Zumindest hat er mir einen Rat gegeben, kurz bevor er... bevor er von uns gegangen ist“, murmelte Tenten.
„Welchen Rat?“, fragte er verwundert.
„Ich soll auf mein Herz hören. Neji.“ Sie sah ihn an und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
„Ich hab mich in dich verliebt, Neji.“
Ein kurzer Moment herrschte Schweigen, doch dann ergriff Neji leise das Wort:
„Tut mir leid, aber ich kann deine Gefühle nicht erwidern...“
