Zum Inhalt der Seite

13 Götter

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Der stille Held

Wenn ich, sagen wir, Vexen jetzt fragen würde, über was er gerade grübelt, würde er mir antworten?

Wie würde seine Antwort klingen?

Würde er mich scharf anfahren, weil ich ihn bei seinem Gedankengang unterbrochen habe, oder würde er mich, gedankenverloren wie er es gerade ist, überhaupt nicht hören?

Vielleicht würde er ja auch sachlich auf diese Frage antworten und mit mir eine ernsthafte Diskussion anfangen, die ihn auf irgendeiner Ebene zu Antworten verhilft, nach denen er momentan sucht.

Obwohl „momentan“ gewaltig untertrieben ist.

Vexen hat schon immer nach Antworten auf irgendwelche Fragen gesucht, die ihm gerade einfielen und die ihn dann so lange nicht mehr losließen, bis er entweder die Lust verlor – und das war bisher eigentlich ziemlich selten passiert – oder er die Antwort bekommen hatte.

Natürlich hätte er eigentlich nie davon ausgehen dürfen, dass seine Antwort die richtige ist, denn die Fragen, die er sich stellte, hätte kein Buch der Welt beantworten können. Er suchte sie stets selber, forschte und experimentierte bis spät in die Nacht hinein und es fiel mir schwer zu glauben, dass er es wirklich ernst meinte, wenn er behauptete, er hätte die Nacht über vorzüglich geschlafen.

Ich wagte es ständig zu bezweifeln, dass er auch nur länger als eine halbe Stunde in der Nacht schlief und diese halbe Stunde kann man nie im Leben als Schlafen bezeichnen.

Höchstens als ein Einnicken, das garantiert nicht erholend und erst recht nicht belebend war.

Wie hat er es wohl geschafft, seine Forschung so vehement durchzuziehen ohne an ihr zu verzweifeln?
 

Ich kenne ihn schon lange genug um zu wissen, dass er seine Forschung auf ein simples System aufbaut, das bisher problemlos funktionierte und zu erstaunlichen Ergebnissen führte, aber dennoch … ein einfaches System kann ihn doch sicherlich nicht vor seiner Erschöpfung gerettet haben?

Oder kann es sein, dass er an mehr als nur der Dunkelheit im Herzen des Menschen geforscht hat?

Denn dann, vorausgesetzt er kam zu hilfreichen Resultaten, wäre es nicht weiter verwunderlich, dass er ohne seiner Kraftlosigkeit zu erliegen, seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen konnte ohne dabei ins Gras zu beißen.
 

Seltsam …
 

Ich bin mit einem meiner kleinen Rätsel beschäftigt, die ich seit je her in meiner Freizeit zu lösen versuchte, und trotz des hohen Aufwands an Konzentration habe ich keinerlei Probleme damit, zu Vexen hin und wieder rüberzuschielen und über ihn nachzudenken.

Bisher war es nie passiert, dass er meinen Blick bemerkte und mir ein vorwurfsvolles und angenervtes „Was?“ an den Kopf warf und ich hoffte inbrünstig, dass dies nie passieren würde.

Wie ich bereits sagte, kenne ich ihn schon lange genug um zu wissen, wie er ist, wie er reagiert und vor allen Dingen wie es ist, mit ihm zu streiten.

Und jede noch so zickige Frau – wahrhaftig jedes Mal, wenn ich diesen Vergleich für mich anstelle, dann denke ich an sie – könnte dann nur schwerlich mit ihm mithalten.

Ich will’s nicht drauf anlegen.

Ich sehe viel lieber, von der Seitenlinie zu, wenn er sich mit irgendjemandem streitet … auch wenn dieser irgendjemand vorzugsweise jemand vollkommen Fremdes ist, der ihm in seiner Forschung rumpfuscht, oder einer aus der Organisation, der eine höhere Nummer trägt als er, was eigentlich nicht sonderlich schwer ist.

Mit Zexion jedoch …
 

„Verdammt!“
 

Aus den Augenwinkeln bemerke ich, wie Vexens Blick für einen winzigen Augenwinkeln auf mir hängt, dann jedoch wieder wegsieht. Es passiert öfters, dass ich vor mich hinfluche, wenn ich bei meinen Rätseln irgendeinen Fehler gemacht habe so wie gerade. Vexen interessiert es mittlerweile gar nicht mehr. Ein kurzer Blick zu mir, auf mein Gesicht, auf meine Hände, und das reicht ihm um zu wissen, über was ich mich beschwert habe.

Nichts Ungewöhnliches.

So genau wie ich ihn kenne, kennt er auch mich.

Selbstverständlich, nicht wahr?

Immerhin waren wir nicht nur Schüler unter demselben Lehrer, sondern kannten uns auch schon vorher, wenn auch eher gezwungen als freiwillig.

Wir lebten in demselben Stadtviertel unserer Welt, wohnten in derselben Straße, nicht direkte Nachbarn, aber das ist für Eltern, die sich gut und lange kennen, völlig unbedeutend.

Ich hatte mich schon lange damit abgefunden, dass Vexen ein seltsamer Vogel war; andersrum war es ja auch nicht im Geringsten anders. Vermutlich war es deswegen auch kein besonders großer Zufall, dass wir beide uns unter Ansem als Schüler wieder fanden.

Wir waren uns kein bisschen ähnlich, aber mit der Zeit gewöhnt man sich an alles, macht sich all das zu Eigen, was nicht das eigene war.
 

Unter Ansem, unserem ehemaligen Lehrer, trafen wir dann auch die anderen Studenten, von denen nur wenige bereits länger unter ihm lernten als wir.

Diese wenige tragen jetzt die Namen Xemnas, Xigbar und Xaldin – die einzigen übrigens, deren Namen mit dem Zeichen, dass alle Organisationsmitglieder in ihrem Namen tragen, beginnen.

Zexion – ich glaube, ich habe bei ihm am längsten gebraucht, mich an seinen neuen Namen zu gewöhnen – war irgendwie … wie das dritte Rad in Vexens und meinem kleinen Zweigespann.

Es passierte immer öfter, dass Vexen und Zexion sich in die Haare bekamen und es passierte immer öfter, dass ich einfach nur schweigend zusah.

Aus Fehlern lernt man ja bekanntlich und es reichte mir vollkommen, dass ich mich in einen richtigen Streit zwischen ihnen – kleine Zickenkriege stehen eigentlich auf der Tagesordnung – einmischte und noch mehr zusammengeschissen wurde als Xemnas oder von mir aus sogar noch Xehanort es je gekonnt hätte.

Wenn ich daran denke, an diesen einen Moment – und dabei reicht es, wenn ich Zexions Namen in Gedanken erwähne –, dann fange ich bereits an zu zittern.

Ja, natürlich. Ich weiß, Niemande können sich nicht fürchten. Genau genommen können sie reichlich wenig in dieser Sicht, aber die Erinnerung daran ist noch so frisch, als hätte ich sie erst vor einem Moment gemacht.
 

Also … wenn ich jetzt, Minuten nachdem ich wegen eines kleinen Fehlers fluchte, zu Vexen, den ich einst zwar nie einen Freund, aber doch einen Seelenverwandten genannt hätte, der er sehr wahrscheinlich immer noch ist, rüberblicke und ihn wahrhaftig fragen würde, über was er nachdenkt, würde er mir dann antworten?

Vernünftig, so wie in alten Tagen?

Zexion ist nicht da … und bis er wiederkommt, wird es noch eine Weile dauern … es bestände also kein Grund für ihn, laut zu werden …

Ist das Risiko einen Versuch wert?

Wie damals … es reizt mich schon …
 

„Vexen …“
 

Und wahrhaftig – er sieht auf, seine Hand mit seinem Stift, mit dem er sich gerade noch gegen die Stirn getippt hatte, erstarrt mitten in der Bewegung.

Seine grünen Augen hängen auf mir und warten darauf, dass ich weiter spreche.
 

„Über was denkst du nach?“

„Das interessiert dich?“

„Würde ich sonst fragen?“

„Nein … würdest du nicht.“
 

Er lacht leise, schüttelt den Kopf und wirft mir sein Klemmbrett zu.

Kaum, dass ich es aufgefangen habe und es sicher auf meinem Schoß liegt, nehme ich mein Rätsel wieder in die Hand und werfe es ihm zu.
 

„Das sind keine Forschungsdaten, Vexen! Das ist …“

„Ich hab nie behauptet, es seien welche, mein Freund.“
 

„Wie damals also, ja?“

„Es war nie anders.“
 

Da hat er Recht.

Es war wirklich nie anders.

Und wir, die wir nichts empfinden, keine Freundschaft, nichts dergleichen, können auch nichts daran ändern.

Es bleibt immer so.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück