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Junischnee

von

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Das Geständnis

Bonjour,
 

heute also ist es soweit… die Veröffentlichung meiner zweiten Fic beginnt hiermit.
 

An dieser Stelle heiße ich alle willkommen, die auch meine erste Fic gelesen haben und mir quasi ‚treu’ geblieben sind; ich hoffe, ich erfülle eure Erwartungen.

Und dann natürlich noch ein herzliches Hallo an alle, die neu hinzugekommen sind: Hi! Freut mich, dass ihr hierher gefunden habt!
 

Nun, der Name dieser Fiction verrät nicht wirklich, um was es geht, aber das war Absicht; tatsächlich hat sich der Titel noch sehr kurzfristig geändert.

Im ersten Kapitel also geht es um etwas, das wohl allen hier hinreichend bekannt sein dürfte…

Shinichi ist wieder da und nun geht’s daran, Ran irgendwie zu beichten, wer er die letzte Zeit über gewesen ist…

Was hinterher folgt, sprich, ab Kapitel zwei, ist meine Überlegung… wie’s laufen könnte, nach der Zerschlagung der BO.

Ich bin gespannt, was ihr sagt.
 

Viel Spaß beim Lesen wünscht euch

Eure Leira

______________________________________________________________________
 

Shinichi Kudô, seines Zeichens Meisterdetektiv, saß im Büro von Kommissar Meguré und wartete. Wie lange er das schon tat, wusste er nicht. Zeit spielte keine Rolle mehr.

Gedankenverloren betrachtete er die kalten, lindgrün gestrichenen Wände.

Das ganze Zimmer war eher spartanisch eingerichtet; alles deutete auf Funktionalität hin - hier drin wurde gearbeitet, und sonst nichts.

An den Wänden reihten sich Aktenschrank an Aktenschrank und an der einzigen Wand, die nicht zugestellt war, hingen ein Stadtplan von Tokio und Umgebung, gespickt mit unzähligen roten Pinnadeln, und ein Kalender.
 

Er saß auf einem mit schwarzem Leder bezogenen Metallstuhl vor dem großen, dunkelbraunen Schreibtisch des Kommissars, der voll gestellt war mit Akten, Ordnern, ein paar Bilderrahmen und leeren Kaffeebechern. Shinichi nahm einen der Rahmen, betrachtete die Frau, die auf dem Foto abgebildet war und stellte ihn wieder zurück.

Midori Meguré.

Wenigstens etwas, was dem Raum ein wenig Persönlichkeit, Wärme verlieh, abgesehen von der Zimmerpflanze in der Ecke.

Der Chefsessel hinter dem Bürotisch war leer.
 

Shinichis Gedanken schweiften ab, als sich seine Augen in der hellgrünen Unendlichkeit der Wände verloren.
 

Heute, nach ziemlich genau drei Jahren Martyrium hatte er es endlich geschafft.

Er hatte die die Organisation ausgehoben, war wieder so alt, wie er sein sollte und… er war zurückgekehrt.

Lebend- was an ein Wunder grenzte, bedachte man, was er in den letzten Tagen durchmachen hatte müssen.

Begonnen hatte alles damit, dass die Organisation ihm einen unmissverständlichen Brief geschickt hatte, in dem sie ihm klarmachte, dass sie wusste, wer er war und was sie mit denen anstellen würde, die er liebte, sollte er sich nicht stellen, den Schutz des FBI verlassen…

Also hatte er sich gestellt.

Um diesen Entschluss zu fällen, hatte es keiner langen Überlegung bedurft. Unter den Personen, die er liebte, befand sich auch Ran; und er wollte unter keinen Umständen, dass man ihr etwas antat. Also fand er sich am beschriebenen Ort zu festgelegten Zeit ein, wie versprochen ohne Begleitung und FBI.
 

Die Tage, die dem folgten, waren die Hölle gewesen.

Wie er befürchtet hatte, hatte man sich nicht damit zufrieden gegeben, ihn einfach zu erschießen… nein, sicher nicht.

Das wäre ja human gewesen, und wenn diese Leute eins nicht waren, dann war das human. Menschlich.

Er versuchte zu verdrängen, was man ihm angetan hatte; zumindest solange, bis der Kommissar seine Aussage aufzeichnen würde. Ihm graute davor… allein der Gedanke daran verursachte bei ihm ein Gefühl von Übelkeit.

Er nahm einen Schluck Kaffee aus dem Plastikbecher, den ihm Miwako Sato gereicht hatte, als sie ihn hier drin abgesetzt hatte.

Seine Flucht… er war durch die Lüftungsschächte gekrochen. Sie hatten sich damit zufrieden gegeben, ihn mit Handschellen an einem Heizungsrohr festzuketten, was an und für sich schon qualvoll gewesen war, schließlich sprach man vom kältesten Juni in Japan seit Beginn der Wetteraufzeichung. Überall drehten die Menschen in den Häusern die Heizungen auf, denn draußen war die Temperatur herbstlich kühl… und da die Organisation sich in der Hinsicht von den anderen Bürgern Tokios nicht unterschied, war das Rohr da drin folglich dementsprechend heiß gewesen. Wobei er sich sicher war, diese Verbrecher hätten auch es auch bei hochsommerlichen Außentemperaturen extra für ihn angestellt… damit er nicht fror, nur für alle Fälle.

Ein sarkastisches Lächeln umspielte seine Lippen.

Der Punkt war, er war allein gewesen im Raum.

Also hatte er seine Hände aus den Handschellen gezogen, eine Aktion, die ihre Spuren hinterlassen hatte… und war in den Lüftungsschacht geklettert. Das war gestern gewesen.

Irgendwann in der Nacht war er dann bei der Polizei aufgekreuzt und seit den frühen Morgenstunden nahmen die Beamten den Laden auseinander.
 

Die Polizei war immer noch mit den Festnahmen beschäftigt und er war jetzt hier, im Büro des Kommissars, um seine Aussage zu machen… dann wollte er heim. Einfach nur nach Hause… versuchen zu vergessen.

Und er wollte zu Ran… und ihr die Wahrheit über seinen Verbleib während der letzten Jahre erzählen. Die Wahrheit über Conan Edogawa.
 

Das Geräusch der aufgehenden Tür riss ihn aus seinen Gedanken.

„Aaaah…Hallo Kudô. Ich hoffe, du nimmst mir nicht übel, dass ich dich ein wenig warten lassen musste.“

Der Kommissar warf ihm einen entschuldigenden Blick zu und nahm, wie immer, auch in seinem Büro seinen Hut nicht ab.

Shinichi wusste, wieso.

Er schüttelte leicht den Kopf.

„Schon gut.“

Meguré setzte sich.

„Du siehst grauenhaft aus.“, meinte er mit einem Blick auf seinen Zeugen.
 

Shinichi zog eine Augenbraue hoch.

„Danke, Sie auch.“, murmelte er zynisch.

Der Kommissar hingegen lachte.

„Wie schön zu hören, dass du deinen Humor noch nicht verloren hast.“
 

Shinichi seufzte. Humor? Seit wann setzte man Zynismus mit Humor gleich?

Kommissar Meguré zog eine Schublade heraus und holte ein Aufnahmegerät hervor.

„Können wir?“

Shinichi nickte kaum merklich.

„Bringen wir’s hinter uns.“, murmelte er tonlos.
 


 


 

Die Uhr schlug vier Uhr nachmittags.

Das Verhör war jetzt vier Stunden her; Shinichi war danach nach Hause gegangen –in sein Zuhause! Und er war endlich mal wieder in der Lage gewesen, die Klinke des Gartentores allein herunterzudrücken, welch eine Leistung!- und hatte sich erstmal unter die Dusche gestellt.

Da sich verständlicherweise nichts Essbares im Kühlschrank befunden hatte, war er anschließend, wenn auch eher unwillig, zum Professor gegangen. Er wollte eigentlich vermeiden, Shiho über den Weg zu laufen. Er wollte nicht darüber reden, was er erlebt hatte. Als er ihr nach dem Verhör das Gegengift vorbeigebracht hatte, bevor er in seinem Haus verschwunden war, hatte sie ihn schon so komisch angesehen, den Mund geöffnet, als ob sie ihm etwas sagen wollte...
 

Als er geklingelt hatte, war sie diejenige gewesen, die ihm geöffnet hatte. Er hatte Shiho Miyano zwar noch nie gesehen, nicht in ihrer richtigen Größe, hieß das, aber er hatte sie sofort wieder erkannt.

Sie hatte nichts gesagt (wofür er tief dankbar war) und auch er hatte sich wortlos an ihr vorbei durch die Haustür gedrückt.

Der Professor hingegen redete wie ein Wasserfall die nächsten zwei Stunden auf ihn ein. Er hatte ihm etwas zu Essen und eine Tasse Tee hingestellt und überflutete den jungen Detektiven mit einem waren Wortschwall, darunter eigentlich hauptsächlich Ratschläge…
 

Er solle doch ins Krankenhaus gehen, sagte der Professor.

Shinichi schüttelte den Kopf. Nein, auf gar keinen Fall. Alles, bloß kein Krankenhaus. Er hasste Krankenhäuser.
 

Aber er müsse sich doch ausruhen, sagte Agasa.

Könne er auch daheim, hatte Shinichi gemeint.
 

Zu seinen Eltern nach LA fliegen, schlug der alte Mann vor.

Die säßen wohl schon im Flieger und kämen morgen, hatte Shinichi geantwortet.
 

Das stimmte auch; Shinichi hatte sie noch vor dem Verhör angerufen, und sie hatten ihm versprochen, den nächsten Flug nach Tokio zu nehmen.

So ging das über zwei Stunden hinweg; irgendwann hatte Shinichi, als der Professor erneut den Mund öffnete, um einen weiteren Vorschlag zu machen, ihm das Wort mit einem „Danke fürs Essen, Professor!“ abgeschnitten und sich verabschiedet.
 

Der Grund für seinen Aufbruch war nicht nur die erdrückende Fürsorge von Hiroshi Agasa gewesen; was an und für sich allein schon gereicht hätte, dachte Shinichi, als er in den Park schlenderte.

Er hatte den Professor selten so erlebt… er hatte sich wohl wirklich ernsthafte Sorgen gemacht und tat es offensichtlich noch immer.
 

Nein… der zweite und Hauptgrund dafür war der gewesen, dass Shinichi, bevor er zum Professor gegangen war, Ran angerufen hatte, mit der Bitte, ihn um vier im Park zu treffen, an der Bank am See.

Sie hatte sich etwas verwirrt angehört, als er ihr am Telefon nicht sagen wollte, warum er sie sprechen wollte, aber eingewilligt, da zu sein.
 

Die Bank kam in Sicht und genau, wie er sich gedacht hatte, wartete sie schon.

Er setzte sich wortlos neben sie und eine Weile schwiegen sie sich an.
 

„Also bist du auch mal wieder im Lande.“

Shinichi hörte die Wut in ihrer Stimme. Und einen Hauch von Misstrauen.

Er war selber Schuld.

„Ja.“

Er sah nicht auf, wusste aber, dass sie ihn ansah.

„Ich nehme an, du willst mir wieder nicht sagen, wo du gewesen bist? Und was ist jetzt eigentlich mit Conan? Der war auch plötzlich weg…“

Shinichi hob nun doch den Kopf und sah ihr ins Gesicht.

Sie war verärgert und er konnte ihr das nicht übel nehmen. Schließlich hatte sie ja auch keine wirklich überzeugende Antwort auf ihre Frage bekommen, wohin der kleine Grundschüler vor gut einer Woche verschwunden war.
 

Er biss sich auf die Lippen. Rans Gesichtsausdruck änderte sich etwas…wurde sanfter, milder.

Sah sie ihm an, wie er mit sich rang? Wie schwer ihm das alles fiel?

Welche Angst er hatte?

Und die hatte er. Eine Scheißangst, sie zu verlieren, für immer. Er konnte es ihr nicht mal verübeln, wenn sie ihn für den Rest seines Lebens hasste, für das was er ihr angetan hatte. Für das, was er war.

Ein Lügner.

Betrüger.

Mistkerl.
 

„Was ist los mit dir?“

Sie hörte sich besorgt an und das war genau das, was er nicht wollte. Dass sie sich schon wieder Sorgen machte.
 

„Nichts. Ich…“

Er blinzelte, dann sah er ihr in die Augen.

„Bevor ich dir das sage, was ich dir sagen will, weswegen ich dich hierher bestellt habe…möchte ich, dass du mir eins versprichst.“

Sie starrte ihn an.

„Was denn?“

„Bleib hier und hör mich an, bis ich fertig bin. Bitte. Mir ist wichtig, dass du die ganze Geschichte von A-Z hörst, denn nur dann kannst du vielleicht verstehen, warum ich das alles gemacht hab. Was du hinterher machst, ist deine Sache und ich habe für all deine Reaktionen, die eventuell kommen, vollstes Verständnis. Versprichst du’s mir?“

„Sicher.“

Sie setzte sich etwas seitlich hin, um ihn besser ansehen zu können. Er war sehr blass. Gut, Shinichi war nie besonders braungebrannt gewesen, aber heute… heute war er kreidebleich.

„Ran, mir ist das wirklich ernst. Du hörst dir alles an?“

Sie starrte ihn an und langsam begriff sie. Es war ihm wirklich wichtig…

„Ich bleibe… ich schwör’s.“

Sie hob eine Hand zum Schwur und legte die andere auf ihr Herz.
 

Shinichi atmete tief durch und knetete nervös seine Hände.

Ihr fiel das auf; und daneben noch etwas.

Sie griff nach seiner Rechten und schob den Ärmel seines weißen Hemds zurück. Der Arm war bandagiert. Der andere auch.

Sie starrte ihren Freund entsetzt an.

„Shinichi, was ist…“
 

„Dazu komm ich gleich.“

Er entzog ihr seine Hand und räusperte sich.
 

„Conan…Conan Edogawa existiert nicht mehr.“

Rans Augen weiteten sich.

„Ist er… Ist er... tot?“

„Nein… nein so ist das nicht. Du hast es ohnehin schon so oft vermutet und… es stimmt. Conan Edogawa hat nie existiert. Ich bin Conan gewesen.“

Rans Magen fühlte sich an, als ob sich ein Pfund Eiswürfel darin befände.

„Du…“

Er hörte die Wut in ihrer Stimme aufflackern.

„Ja. Ich. Hör zu, du hast versprochen…“

„Schön.“, antwortete sie säuerlich.

„Ich bin gespannt wie du das alles rechtfertigen willst.“

Shinichi zuckte zusammen.
 

„Bevor ich mit den Rechtfertigungen anfange, sollte ich dir wohl besser erklären, wie es überhaupt zu Conan Edogawas Auftritt kam…

Erinnerst du dich an unser…“, er räusperte sich, „Date im Tropical Land?“

Ran, die ein wenig rot bei dem Wort Date geworden war, nickte.

„Dann weißt du sicher noch, dass damals dieser Mordfall war… dieser eklige Zwischenfall mit der Perlenkette. In unserem Zug saßen damals doch auch noch zwei merkwürdig aussehende Männer in Schwarz. Sie hatten zwar mit diesem Fall nichts zu tun, aber mir kamen sie sehr verdächtig vor.“

Er seufzte.
 

„Als wir heimgehen wollten, sah ich einen von ihnen. Den Kürzeren. Ich beschloss, ihm zu folgen, denn er benahm sich höchst merkwürdig. Sah sich ständig um, wirkte nervös.

Also rief ich dir noch zu, du solltest vorgehen, ich würde nachkommen, weißt du noch?“

Er sah von seinen Schuhen auf und in ihr angespanntes Gesicht. Sie nickte nur.

„Das hätte ich nicht tun sollen. Ich habe nie wieder etwas so bitter bereut wie diese Entscheidung. Ich hätte dich heimbringen sollen, wie ich’s immer getan habe wenn wir weg waren…“

Er drehte den Kopf und schaute einem Eichhörnchen zu, das den Baum raufkletterte. Der Wind raschelte leise in den Blättern und kräuselte das Wasser des Sees.

Dann fuhr er fort.
 

„Ich schlich ihm also hinterher und ertappte ihn dabei, wie er einen Waffenhändler erpresste. Und vor lauter Fotoschießen hab ich nicht bemerkt, dass…“

„…der zweite von ihnen hinter dir stand? Der große Blonde?“, wisperte Ran.

„Genau. Ich hab’s erst gespannt, als er mir von hinten eins übergebraten hat.“

Ran zuckte zusammen.

Er langte sich unwillkürlich an den Hinterkopf.

„Ich wurde also niedergeschlagen und durfte mir mitanhören, wie sie mit mir zu verfahren gedachten. Wodka, so war der Kodename des kleineren, wollte mich erschießen, doch der andere, Gin, hielt ihn davon ab. Es würde noch zu sehr von Polizisten wimmeln, man hätte den Schuss gehört.“

Ran war kalkweiß geworden. Gerade wurde ihr klar, dass sie um ein Haar ihren Freund verloren hätte. Erschossen.
 

„Gin meinte, sie sollten ein Gift an mir ausprobieren, neu entwickelt und im Blut nicht nachweisbar. Sie steckten mir also die Pille in den Mund, ich konnte mich nicht wehren, ich war von dem Schlag auf den Kopf betäubt. Ich verlor das Bewusstsein und als ich wieder aufwachte…“

Er lachte bitter.

„…fiel mir noch nicht einmal auf, dass etwas anders war. Erst als ich beim nach Hause laufen in ein Schaufenster gesehen hab, hab ich’s gesehen. Ein Grundschüler in viel zu großen Klamotten.“

„Hast du’s gespürt? Das…“

„Schrumpfen? Ich wusste da noch nicht, was mit mir passierte, aber ja… ich hab’s gespürt. Ich hatte eigentlich geglaubt, ich würde sterben. Es war… furchtbar. Nichts, was ich zur Nachahmung empfehlen würde.“

Er versuchte gelassen, witzig zu klingen, aber Ran wusste, das hinter diesen ironischen Anspielungen viel mehr steckte. Er wollte nur nicht, dass sie sich sorgte. Mitleidig wurde?
 

„Warum sagst du nicht, dass du höllische Schmerzen hattest? Und streite es nicht ab, ich hab dich kurz vor und nach diesen…Verwandlungen gesehen, das weißt du…“
 

Shinichi fuhr hoch und starrte sie an.

„Ich… ich will nicht, dass du mir vor lauter Mitgefühl vorschnell vergibst. Du weißt, was ich alles gemacht hab, all die Lügen, all diese…fadenscheinigen Ausreden, all den Kummer und die Schmerzen die ich dir bereitet habe – und nun fang du bloß nicht an, das abzustreiten, ich weiß es, ich hab dich weinen sehen, mehr als einmal und du weißt das auch…

Ich will, dass du das vor lauter Mitleid nicht vergisst. Wenn du mich nach unserem Gespräch hassen willst, dann tu das. Ich will nicht, dass du den Blick für die Realität verlierst. Ich hätte verdient, wenn du mich hinterher nie wieder sehen willst.

Aber ich will, dass du weißt, warum ich dass alles gemacht habe. Bestimmt nicht aus Vergnügen oder weil… weil ich nicht nachgedacht habe, oder du mir egal wärst…“
 

Ran schluckte.

„Also, dann schieß mal los. Warum hast du mir nicht einfach gesagt, was mit dir passiert ist? Warum all die Lügen und Ausflüchte?“
 

Shinichi seufzte.

„Weil… weil ich dich beschützen wollte…“

„Ich kann auf mich selber aufpassen!“, brauste Ran auf.

„Ich streite ja auch nicht ab, dass du dich nicht verteidigen kannst. Aber sieh’s mal andersrum: ich bin auch schon oft in heiklen Situationen gewesen, aber dieser Fall -und ich geb’ das ungern zu- ist sogar mir fast über den Kopf gewachsen.

Es gab Zeiten, wo ich nicht mehr wusste, wie das weitergehen oder enden soll. Ich nicht mehr wusste, was ich machen soll.

Nicht einmal mehr wusste, wer ich bin.“

Ran schaute ihn bedrückt an.

„Trotzdem…“

„Ran, diese Organisation besteht nicht nur aus zwei Personen, sondern aus hunderten. Sie operieren nicht nur hier sondern auch in den Staaten. Das sind keine Kleinkriminellen gewesen. Ich wollte nicht, dass dir etwas passiert, wegen mir. Wegen meiner Dummheit. Sie hielten mich für tot und so sollte es auch bleiben. Hätten die herausgefunden, dass ich noch lebe, hätten sie alles versucht, um mich noch zu kriegen, und das hätte nicht nur mich in Lebensgefahr gebracht, sondern alle, die mir nahe stehen. Meine Eltern, den Professor… dich. Ich hätte mir nie vergeben können, wenn dir wegen mir was zugestoßen wäre. Also hab ich die Klappe gehalten und die Identität von Conan Edogawa angenommen. Bin in die Grundschule gegangen…“

Er lächelte schief.
 

„Nach drei Tagen kam die erste Schwierigkeit. Du. Du machtest dir Sorgen um mich. Also hat der Professor“, er zog eine Ran nur allzu gut bekannte rote Fliege aus seiner Jackentasche, „diesen Stimmenimitator erfunden. Und dazu gleich das hier auch noch. Das Narkosechronometer.“

Ran starrte ihn an. Sie ahnte, was jetzt kommen würde.

„Mit dem Verzerrer hab ich nicht nur dich angerufen, sondern auch…“

„Paps’ Stimme nachgeahmt und seine Fälle gelöst.“

„Fast alle, ja. Mit den Narkosepfeilchen wurde er cirka zwanzig Minuten betäubt, in der Zeit löste ich den Fall, dann wachte er wieder auf und heimste den Ruhm ein.“

Er sagte das ohne eine Spur von Neid oder Vorwurf in der Stimme.

„Er bringt mich um, wenn er das alles erfährt.“

„Sagst du’s ihm?“

„Ja. Aber vom Telefon aus, nur zur Sicherheit.“

Er seufzte.

„Soweit, so gut. Wo waren wir? Ach ja. Das Handwerkszeug des Lügners.“

Er lächelte bitter.

„Was dann kam, weißt du. Ich hab dich angelogen, dir zwei verschiedene Personen vorgegaukelt, die in Wirklichkeit nur eine waren und… hab mich gehasst. Tag und Nacht.“

Er bemerkte ihren überraschten Gesichtsausdruck.

„Wirklich, das kannst du mir glauben. Wenn es eine Person auf dieser Welt gibt, der ich nicht wehtun, die ich nicht anlügen will, nie weinen sehen will, dann bist das du. Ich hab mich vor mir selbst geekelt und wusste doch nicht, was ich ändern konnte. Es gab nichts zu ändern.“

Rans Herz hatte bei seinen Worten begonnen, schneller zu schlagen.

Er hingegen schaute auf den Boden.
 

„Nun. Da dein Vater nun berühmt war, und gelegentlich der Schwarzen Organisation ins Gehege kam, gerieten er und somit auch du zunehmend ins Schussfeld. Was natürlich nicht beabsichtigt war. Irgendwann fanden sie heraus, dass es nicht dein Vater war, der die Fälle löste. Und sie entdeckten, dass das Gift nicht jeden tötete…

Gleichzeitig erkannten sie die Verbindung zwischen meinem „Todestag“ und dem erstmaligen Auftauchen von Klein Conan bei den Môris. Vor eineinhalb Wochen landete dann dieser Brief bei mir.“
 

Er zog das mittlerweile völlig zerschlissene Blatt Papier heraus.

Shinichi reichte es Ran, die es mit zitternden Händen leise las.
 

Shinichi Kudô,
 

wir wissen wer du bist.

Solltest du dich nicht freiwillig stellen, wird deine hübsche Freundin dafür bezahlen.
 

Wir erwarten dich Freitag um Mitternacht in der alten Lagerhalle im Hafenviertel, neben der Kneipe „Zum ertrunkenen Fisch“.

Du kommst allein, ohne Freunde, Polizei oder FBI.

Sei dir sicher, dass wir jeden deiner Schritte verfolgen werden und es mitbekommen, wenn du beschattet wirst oder verwanzt bist.
 

Du weißt wer wir sind.
 

Ran hielt den Brief so fest, dass sie ihn fast zerriss. Ihr ganzer Körper bebte und sie starrte ihn mit Tränen in den Augen an.

Der Wind blies ein paar farbige Blätter vor sich her, nahm sie mit auf den See hinaus, fing sich in Rans Haaren und wehte sie ihr ins Gesicht.

Er zupfte ihr die Strähnen vorsichtig aus den Augen und zog ein Taschentuch heraus, reichte es ihr, nahm ihr den Brief vorsichtig aus den Händen, faltete ihn und steckte ihn wieder in seine Jacke.
 

Sie blies sich nicht die Nase und tupfte sich nicht die Augen. Sie krampfte ihre Hände in das Tuch und fuhr fort ihn anzustarren.
 

„Du bist gegangen.“

Es war kaum mehr als ein Flüstern.

„Ja.“

„Daher auch…“

Sie deutete auf seine Handgelenke.

„Handschellen. Ja.“

„Warum?!?“

Ihre Stimme war wieder lauter geworden. War er so blöd oder tat er nur so, da allein hinzugehen, alleine?!

„Weil ich mir sicher war, dass sie ihre Drohung war machen würden. Du wärst nicht die erste Leiche gewesen, die ihren Weg pflastert.“

Ran atmete heftig, Tränen rannen ihr übers Gesicht. Langsam wurde ihr klar, dass ihr Freund, Shinichi, den sie seit dem Kindergarten kannte, in den letzten drei Jahren schon mindestens zweimal wirklich nur ganz knapp dem Tod entronnen war.

„Aber…WARUM? Verdammt noch mal, Shinichi! Die hätten dich töten können, du Idiot…“

„Das war mir klar.“

Sie starrte ihn verständnislos an.

„Was?“
 

„Ich sagte, das mir das durchaus bewusst war, Ran.“

Seine Stimme war kaum lauter als ein Flüstern. Aber trotzdem war jedes seiner Worte genau zu verstehen.

Ran sah ihn an.
 

„Ist dir denn dein Leben so wenig wert?“, hauchte sie.

Er blinzelte.

„Ich lebe gerne, versteh mich nicht falsch. Ich stelle nur… ein anderes Leben über mein eigenes. Das ist alles.“

Ran schluckte.

„Meins? Du würdest eher sterben, als mitanzusehen, dass ich…“

Er seufzte.

„Ich hab dir doch vorhin schon mal erklärt, dass ich es mir nie, nie verzeihen könnte, wenn dir wegen mir was passiert. Ich könnte es nicht ertragen…

Könnte nie wieder in den Spiegel sehen…

Also ja…ich würde eher sterben, als mitanzusehen, dass du getötet wirst. Wenn ich das verhindern kann… dann tu ich es auch.“

Shinichi hatte sehr, sehr leise gesprochen. Die letzten Worte waren kaum mehr hörbar gewesen, seine Stimme verlor sich in der Ferne genauso wie sein Blick.
 

Eine Weile herrschte Stille.

Ran erfasste langsam die ganze Tragweite dessen, was Shinichi ihr gerade erklärt hatte. Sie wusste nicht, ob sie wollte…dass er für sie sterben würde… sie…liebte ihn doch.

Sie musste es wissen.
 

„Shinichi?“

Er drehte den Kopf und schaute sie an.

„Hm?“

„Wieso würdest du für mich sterben?“

„Du willst einen Grund?“

„Ja.“
 

Er schaute zu Boden und Ran spürte, wie schwer es ihm fiel, die nächsten Worte auszusprechen. Wie unendlich schwer. Und sie fühlte die Angst, die er vor ihrer Reaktion hatte.
 

„Weißt du…“, begann er.

„Ich wollte es dir schon im Restaurant sagen, du weißt schon, der Tag nach dem Schulfest… aber…das Gegengift war nur temporär, und ich wusste das nicht. Hätte ich es gewusst, hätte ich den Fall sausen lassen…“
 

„Shinichi…“

Er sah auf.

„Den Grund…bitte…“

Ihre blauen Augen schienen in ihm zu lesen wie in einem offenen Buch. Unverwandt starrte sie ihn an.

Shinichi schluckte. Jetzt oder nie.
 

„Ich liebe dich.“
 

Ran blinzelte.

Sie glaubte einfach nicht, was sie gerade gehört hatte.

Shinichi drehte sich weg. Er fühlte sich irgendwie idiotisch… da saß er nun, und offensichtlich war es ihr…peinlich? Oder vielleicht hatten sich ihre Gefühle ihm gegenüber ja geändert und nun war es ihr unangenehm…
 

„Sag das noch mal.“

Er wandte ruckartig seinen Kopf und starrte sie an. Ein flehender Ausdruck lag in ihren Augen und er wusste nicht, warum…
 

„Ich liebe dich. Ich könnte nicht ertragen, wenn dir etwas wegen mir zustößt weil ich dich…“

Weiter kam er nicht mehr.

Ran fiel ihm in die Arme und weinte hemmungslos.

„Ich liebe dich auch…“, schluchzte sie in seine Schulter.

Er schlang vorsichtig seine Arme um ihren Körper, streichelte ihr über den Rücken.

„Das weiß ich… du glaubst nicht wie sich das angefühlt hat.“

Ran lachte leise, ihr Gesicht tränennass, und richtete sich auf. Sie konnte sich an den Abend nur allzu gut erinnern. Dieser Tag, als sie Conan kennengelernt hatte und mit ihm nach Hause gegangen war…einen kleinen Jungen an der Hand führend, der eigentlich...
 

„Weißt du, du bist das Mädchen weswegen ich Asami Utchida – nein, lass mich ausreden…“

Ran hatte ihren Mund erstaunt geöffnet.

„…einen Korb gegeben habe. Aber ich hab mich nie getraut, dir gegenüber irgendwelche Andeutungen zu machen, weil ich unsere Freundschaft nicht komplizieren oder gefährden wollte, denn was wäre denn gewesen, wenn du nicht genauso… empfinden würdest wie ich? Also hab ich die Klappe gehalten. Und nie mitgekriegt dass du… mich liebst. Erst an diesem Abend. Ich hab dir die Frage eigentlich nur spaßeshalber gestellt, mit der Antwort hätte ich nie gerechnet…war wie ein Schlag ins Gesicht, das kann ich dir sagen. Genau das wollte ich schon lange hören, und als ich es hörte… war ich nicht in der Lage, dir…“
 

Ran nickte nur. Sie verstand ihn.

Er wischte ihr zärtlich die Tränen von den Wangen.

Sie spürte seinen Atem auf ihrem Gesicht… dann schob sie ihre Hand in seinen Nacken und zog seinen Kopf zu sich, schloss die Augen… spürte seine Lippen auf ihren, ganz sanft zuerst, fühlte, wie er ihr übers Haar strich, sie dann dichter an sich zog, ihr Kuss langsam an Leidenschaft gewann…
 

Und sie fühlte sich glücklich. Er war endlich bei ihr.
 

Endlich...
 

Wie lange sie noch so auf dieser Parkbank gesessen und sich geküsst hatten, sie in seinen Armen gelegen hatte und seine Nähe genossen hatte, konnte sie hinterher nicht mehr sagen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (10)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2009-01-03T12:30:28+00:00 03.01.2009 13:30
Der Anfang ist schon mal vielversprechend. Les auch gleich weiter
Von: abgemeldet
2007-10-04T15:18:27+00:00 04.10.2007 17:18
oh super ich hab nach einer richtig tollen Ran-Shinichi-FF gesucht und hab auch noch eine gefunden.

Ist echt toll, gefällt mir super

mach mich jetzt an die nächsten Kapitel
Von: abgemeldet
2007-08-30T19:05:49+00:00 30.08.2007 21:05
Das war jetzt die erste Conan ff die ich lese
Und sie gefällt mir echt gut
Hach ja, du hast das alles super beschrieben
Du hast echt talent
Mach weiter so
cYa Rosenbluete001
Von:  Seiji_Takashi
2007-08-24T15:46:45+00:00 24.08.2007 17:46
Ist klasse schreib schnell weiter.
Hoffentlich treffen sich ran und shinichi wieder!!!
Von: abgemeldet
2007-08-20T17:12:35+00:00 20.08.2007 19:12
hayy das kapi war ja echt der hamma =) !!!! *sehr schön und toll find* aber bei deinen geschichten hab ich das nicht anders erwartet ^^ finde die echt alle supertolli bis jetzt =P nochma ein riesengroßes lob an dich denn diese FF ist echt gaiel und bin echt begeistert
lg Shi_Ran-chan
Von:  Eri_Kisaki
2007-08-19T20:54:38+00:00 19.08.2007 22:54
Hach, noch eine gut geschriebene FF von dir ^.~ Ich bin echt wieder gespannt, wie es weitergeht. Hm, ich lass mich mal überraschen, was von dir kommen wird und denk jetzt mal selbst nicht nach. ^^
Zum Glück hat Ran ihm so schnell verziehen. Wie lange war er denn eigentlich gefangen und was haben die denn Gemeines mit ihm angestellt? ._.
Lg Eri_Kisaki
Von:  Eri_Kisaki
2007-08-19T20:35:20+00:00 19.08.2007 22:35
Erst einmal was zu dem Bild: Das ist voll toll! Besonders die s/w Figuren gefallen mir ^^
Du kannst auch super Hände zeichnen ^^ Super, super toll und schön ^^
Von:  Shelling__Ford
2007-08-19T12:24:59+00:00 19.08.2007 14:24
^^
echt hammer kapi nur immer weiter so freu mich schon auf die fortzetzung ^^ In treuer Leserschaft Shellingfordw
Von:  ShinichiKudo_017
2007-08-19T12:09:05+00:00 19.08.2007 14:09
Wahnsinn!

Das Lapitel war echt der Hammer! Total cool! Zwar nciht gerade sentimental von Shinichi das so kalt einach zu sagen aber trotzdem total cool! ^_______^

Ich freu mcih schon rießig auf das zweite Kapitel!

LG und weiter so!

ShincihiKudo_017
Von:  foxgirl
2007-08-18T20:55:31+00:00 18.08.2007 22:55
*wow*

wie Schön.

Bin schon gespannt auf das nächste Kapitel.
Erfahren wir auch, wie Kogoro die Wahrheit aufnimmt?

foxgirl


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