Alle Wege führen zum Kühlschrank - zu welchem auch immer
Hallo =)
Ich möchte mich an dieser Stelle ersteinmal ganz herzlich bei euch für eure Kommentare bedanken! Ich bin wirklich nicht dazu gekommen sie zu beantworten, denn ich war die letzte Wochen fast nur in der Schule, da waren theaterprobern (das Stück haben wir verhauen...), Lehre, eine Physikklausur (danke für's Daumendrücken, es ist ganz gut gelaufen) und der Ausflugstag. Jetzt bin ich geschafft aber nur noch eine Woche, dann sind Ferien und dann werde ich die erste Woche nur durchschlafen und dann habe ich wieder wahnsinnig viel Zeit und kann euch alle nerven =)
Ich wünsche euch dennoch ganz viel Spaß beim Lesen!
Er seufzte.
Geschichte lernen war anstrengend, besonders wenn einem der Magen knurrte und man nichts Anständiges zu essen da hatte.
Dennoch erhob er sich, ging in die Küche und warf einen Blick in den Kühlschrank. Allerdings nur um bestätigt zu wissen, was er schon die letzten drei Male gesehen hatte, als er hineingesehen hatte; Leere.
Erneut seufzend schloss er den Kühlschrank wieder und ging, wie schon die letzten drei Male, wieder in sein Zimmer, ohne etwas gegessen zu haben.
Wieder Geschichte; die Reformation.
Nach einer Ewigkeit, so kam es ihm vor, schielte er auf die Uhr.
Kurz nach halb vier.
Das hieß, seit seinem letzten Blick auf die Uhr waren gerade mal ein paar Minuten vergangen.
Wären seine Eltern oder sonst wer da gewesen, wäre er nun zu denen gegangen und hätte sich ein wenig abgelenkt, ein wenig entspannt, doch diese waren ja noch immer in Nordrhein-Westfahlen, irgendeine Tante fünften Grades zu besuchen.
Irgendwie war er schon froh, dass er nicht dabei war, er empfand die Besuche bei der Verwandtschaft immer als anstrengend und ermattend und so hatte er sich unter dem Vorwand, was ja eigentlich die Wahrheit war, noch lernen zu müssen, in den Zug gesetzt und war nach Hause gefahren.
Erneut seufzte er. Er hatte kaum bemerkt, wie seine Gedanken abgeschweift waren. Dennoch hatte er sich das Lesen der letzten viertel Seite im Buch auch sparen können, denn das musste er jetzt noch mal machen und sich nach Möglichkeit darauf konzentrieren.
Er ließ sich zurückfallen, wurde von der Matratze sanft gefedert.
Es ging einfach nicht mehr, er konnte nicht mehr lernen, sein Kopf schien schon zu brummen.
Er schloss für einen Moment die Augen.
Gero hatte ihn während seiner Abwesenheit fünf Mal angerufen, Micha hatte es auf dem Anrufbeantworter gesehen. Er hatte keine langen Nachrichten hinterlassen, nur kurz und knapp gesagt, er solle sich doch melden, wenn er nicht wütend sei.
Micha war nicht wütend.
Gut, eigentlich hätte er es sein müssen, doch er konnte den meisten Menschen nicht böse sein; zumindest war ihm noch niemand begegnet, dem er etwas nachgetragen hätte.
Septima hatte früher noch versucht ihm das auszureden, doch war sie kläglich gescheitert und sagte ihm jetzt nur noch selten, dass er auch sauer sein durfte.
War Gero eigentlich nachtragend?
Micha hatte noch nie wirklich darüber nachgedacht.
Eigentlich war das bei Gero ganz anders als bei den meisten Menschen; wenn Gero wütend war, schlug er demjenigen, den es betraf, eine rein und dann war es gut. Sonst hatte Micha etwas in der Art noch nie bewusst bei Gero mitbekommen.
Er lächelte. Hätte er Gero gefragt, hätte der ihn wahrscheinlich angemault, dass nachtragend sein weibisch sei und wohl eher zickig.
Er stand auf.
Wieso dachte er schon wieder an den Rothaarigen?
Es war schon fast beängstigend wie oft er in der letzten Zeit an diesen gedacht hatte! Es verging kaum eine Stunde, in der er nicht wenigstens einen kurzen Gedanken an ihn verschwendete.
Erneut ging er in die Küche, doch diesmal nicht für etwas zum Essen, es brachte ja doch nichts noch ein fünftes Mal nachzusehen, sondern um sich etwas zu Trinken zu machen. Allerdings entpuppte sich der Teevorrat als aufgebraucht und Milch war auch keine mehr da, dabei wollte Micha eigentlich etwas Warmes.
So brummte er kurz und ging dann in den Flur, um sich Jacke, Mütze, Schal, Handschuhe und Schuhe anzuziehen, noch einmal zu überprüfen, ob er den Haustürschlüssel dabeihatte und dann raus zu gehen.
Er musste zugeben, dass er ziemlich nervös war, als er klingelte.
Als nach dem ersten Versuch jedoch niemand öffnete, klingelte er noch einmal; wieder öffnete niemand. So drehte er sich, nicht sicher, ob er niedergeschlagen oder erleichtert sein sollte, um und wollte gerade gehen, da vernahm er, wie die Tür sich öffnete und Gero gähnte: „Micha? Was machst’n du hier? Ich dacht du wärst bei Verwandten?“ Micha schluckte und drehte sich, ein etwas gezwungenes Lächeln auf den Lippen, zu Gero um, der in der Tür stand, den Unterarm auf Kopfhöhe im Rahmen abgestützt, sodass er den Kopf daran lehnen konnte; er musterte Micha unter halb geschlossenen Lidern.
„Ja, eigentlich schon, aber ich bin früher heim, weil ich noch lernen wollte, meine Eltern sind aber noch weg. Nur kann ich jetzt nicht mehr lernen, weil ich heute schon zu viel gelernt habe und nichts mehr in meinen Kopf reinpasst und…“ Er unterbrach seinen Redeschwall, als Gero langsam die Augenbrauen hob und fragte schließlich leise, den Blick gen Boden gerichtet: „Darf ich reinkommen?“
„Klar“, kam die immer noch etwas schläfrige Antwort und Gero hielt ihm die Tür offen, dass er eintreten konnte.
„Habe ich dich eigentlich geweckt?“, fragte Micha etwas schüchtern, als er neben Gero auf dem Sofa saß. Nicht nur dessen Verhalten gab Grund zu dieser Annahme, sondern auch die Tatsache, dass er in Boxershorts und T-Shirt hier neben ihm saß.
„Joa, so’n bisschen“, antwortete Gero.
„Das tut mir leid.“
„Was soll’s, hätte eh bald aufstehen sollen. Schon scheiße, dass Ella nicht mehr da ist, die hat mich sonst immer geweckt.“ Gero streckte sich ausgiebig. Seine Worte klangen fast schon ausgelassen, doch vermutete Micha eher, dass das nicht der Fall war.
Er versuchte von dem Thema wegzukommen und versetzte: „Gero, sag mal, es ist mir zwar irgendwie peinlich das zu fragen, aber…“
„Nein, ich werd nicht mit dir ficken.“
„Was?“ Micha riss die Augen auf und Gero grinste: „Brauchst gar nicht so zu glotzen, ich mach so was nich!“
„Du bist doch blöd“, murmelte Micha daraufhin und stellte beschämt fest, dass sich seine Wangen röteten. Gero jedoch lachte nur, bis Micha sich wieder ein Herz fasste und in seiner eigentlichen Frage fortfuhr: „Ich wollte dich eigentlich fragen, ob ich etwas essen darf. Ich bin nämlich noch nicht zum Einkaufen gekommen und heute ist Sonntag und in unserem Kühlschrank befindet sich rein gar nichts.“
„Fühl dich wie zu Hause. Kennst dich ja aus, hol dir einfach was“, sagte Gero und lehnte sich zurück.
Als Micha, ein Butterbrot mit Käse in der Hand und zufrieden wieder ins Wohnzimmer kam, war Gero nicht mehr da. Einen Moment stutzte er, dann rief er nach ihm.
Und nur einige Sekunden später, rief Gero zurück, dass er oben sei.
So tapste Micha die Treppe hinauf und öffnete zögerlich die Tür.
Der Rothaarige stand gerade vor seinem Kleiderschrank und kramte zwischen den T-Shirts, ohne wirklich eines anziehen zu wollen; das andere hatte er schon ausgezogen.
„Darf ich reinkommen?“, fragte Micha vorsichtig. Gero wandte sich ihm einen Moment zu, drehte sich dann wieder weg und meinte: „Tu was du nicht lassen kannst.“
Tief durchatmend setzte sich Micha auf das Bett und sah einen Moment lang auf Geros Rücken. Er konnte sehen, wie sich die Schulterblätter bewegten, während Gero suchte und er sah, dass das Tattoo auch den hinteren Teil der linken Schulter bedeckte.
Die kurzen, roten Haare lagen im Nacken etwas auf.
Gero hatte anscheinend endlich ein T-Shirt gefunden, zog es heraus und wollte es gerade überziehen, da sagte Micha leise: „Warte!“
Perplex hielt Gero inne, ließ die Arme wieder sinken und beobachtete Micha, der inzwischen aufgegessen hatte und nun auf ihn zukam.
Er streckte vorsichtig einen Arm nach Geros Schulter aus und kurz bevor er ihn berührte, flüsterte dieser: „Was wird das?“
Doch im nächsten Moment berührten Michas Fingerspitzen behutsam die gefärbte Haut über dem Schlüsselbein. Er strich vorsichtig darüber und fragte schließlich, die Hand ruhen lassend: „Hat es eigentlich sehr wehgetan?“ Er sah bei dieser Frage auf und Gero ins Gesicht, der ebenfalls von Michas Hand aufsah.
„Meinst du das Tattoo?“, fragte er, offensichtlich etwas verwirrt, doch Micha lächelte: „Das auch, aber eigentlich meinte ich den Bruch.“
„Welchen Bruch denn?“, erkundigte sich Gero perplex und Micha, etwas unsicher, zog seine Hand wieder zurück und sagte: „Der vom Snowboarden.“
„Woher weißt du denn von dem?“
„Benne, Bess und Ella haben es doch erzählt, bevor wir nach Damüls gefahren sind.“
„Und das weißt du noch?“ Er klang erstaunt und Micha nickte daraufhin, tat einige Schritte zurück, damit Gero sich das T-Shirt überziehen konnte.
„Joa“, begann dieser dann. „Also das hat schon verdammt wehgetan und ist auch nicht ganz so verheilt, wie es eigentlich sollte, aber ich kann damit leben, tut ja nicht mehr weh. Nur das Geräusch war echt widerlich, hast du es schon mal gehört, wenn ein Knochen bricht?“ Micha schüttelte gebannt den Kopf. „Kein schönes Geräusch, wirklich nicht, allein wenn du’s hörst und sei’s bei jemand anderem, den du nicht mal kennst, tun dir sämtliche Knochen weh.“ Er schüttelte sich.
Micha nickte. Einige Momente, in denen Gero sich eine Hose suchte, herrschte Stille, dann fragte Micha: „Und das Tattoo?“
„Nicht der Rede wert…“, winkte Gero ab und Micha unterbrach ihn: „Ganz ehrlich?“
„Naja“, meinte Gero, nun offensichtlich ein wenig verlegen. „Ein bisschen ziept’s schon, aber man hat ja immer das Ergebnis vor Augen und man tut’s freiwillig. Und wenn man das Bisschen Schmerz nicht aushält, soll man sich kein Tattoo stechen lassen.“ Er hatte sich inzwischen auch eine Jeans angezogen.
„Und warum hast du keine Piercings?“, fragte Micha dann, er hatte sich wieder aufs Bett niedergelassen.
„Jetzt hört’s aber auf!“, rief da Gero. „Seh ich etwa aus wie ’ne Zecke?“ Verwirrt schüttelte Micha den Kopf und erkundigte sich: „Zecke? Was soll das heißen?“
„Ach Micha“, seufzte Gero. Er ging auf ihn zu, verwuschelte ihm kurz die Haare und ging dann aus dem Zimmer, ohne noch etwas zu sagen. Einen Moment lang sah der Blonde ihm verblüfft hinterher, dann erhob er sich und folgte ihm die Treppen wieder hinab.
Es war spät geworden; draußen war es schon seit einigen Stunden dunkel. Sie saßen gemeinsam vorm Fernseher, beziehungsweise Gero saß auf dem Sessel und Micha lag auf dem Sofa, eine Decke um sich.
„Sag mal“, vernahm er Geros Stimme. „Hast du eigentlich mal wieder deinen Schlüssel vergessen oder warum flackst du immer noch hier rum, ich dachte, du müsstest so viel lernen?“
Micha setzte sich auf und schlang sich die Decke um die Schultern. Einen Moment lang schwieg er, dann sagte er: „Nein, ich habe meinen Schlüssel nicht vergessen und ja, ich muss eigentlich noch lernen.“ Er hielt inne und Gero versetzte mit hochgezogenen Brauen: „Aber?“
„Aber“, fuhr Micha fort. „Ich hab eine Pause gebraucht und zwar ganz dringend und da meine Eltern ja noch nicht zu Hause sind, habe ich gedacht, ich könnte doch auch zu dir gehen.“
„Und wann willst du wieder nach Hause?“ Wollte Gero ihn etwa loswerden? Hatte er keine Lust auf seine Gesellschaft? Fast schon schuldbewusst erwiderte Micha: „Naja, eigentlich wollte ich dich ja fragen, ob ich heute hier schlafen kann.“ Er biss sich auf die Unterlippe und fügte hastig hinzu: „Aber ich kann auch nach Hause gehen, wenn du das nicht möchtest, wirklich, ich wollte nur heute Nacht nicht ganz alleine sein und…“
„Krieg dich wieder ein, is schon okay“, versetzte Gero und sah wieder auf den Fernseher.
War das Gespräch damit beendet? So schnell?
Der Rothaarige hatte wirklich nichts dagegen einzuwenden, wenn Micha in dieser Nacht bei ihm schlief?
Vielleicht, überlegte Micha, hatte er auch einfach Angst, dass Micha ihm die Sache aus dem Galgen noch immer nachtrug und ließ sich deshalb so schnell darauf ein.
Gero griff zu seinem Bier und schielte dabei zu ihm. Daraufhin hielt er in seiner Bewegung inne und fragte argwöhnisch: „Was starrst du mich denn jetzt so an? Soll ich dich rauswerfen, oder was?“
„Nein!“, entgegnete Micha da hastig. „Bitte nicht! Ich wollte dich nicht anstarren, ich war nur eben etwas in Gedanken.“
„Na dann.“ Er nahm einen Schluck seines Biers und als er noch einmal zum Fernseher blickte und feststellte, dass die Werbung begonnen hatte, sagte er: „Ich geh raus, eine rauchen.“ Damit erhob er sich, zog Micha etwas gröber die Jacke weg, warf sie sich selbst über die Schultern und ging hinaus.
Der Blonde sah ihm hinterher. Geros Benehmen war wirklich seltsam.
Am nächsten Vormittag, als sie ausgeschlafen und ausgiebig gefrühstückt hatten, verabschiedeten sie sich mit eine flüchtigen Umarmung voneinander.
Und Micha hätte sich am liebsten selbst geschlagen, als sein Herz bei dieser Berührung einen kleinen Sprung machte.
Nun, erstens: Ich hasse die Reformation! Und doch kommt sie jedes Jahr in mindestens drei Fächern parallel dran >__>"
Und dann: Die Szene mit dem Schlüsselbein wollte ich eigentlich gar nicht reinbringen (wobei ja das ganze Kapitel ziemlich ungeplant war oÔ) und wollte es eventuell als Kurzgeschichte/Zusatzkapitel hochladen, aber so passt es auch... Und wenn ich schon beim Thema bin... hättet ihr nach der Fertigstellung des ganzen hier noch Lust auf ein oder zwei Extrakapitel zu meinen Charakteren? Die würde ich dann nämlich auch hochladen =)
Ich danke fürs Lesen und verabschiede mich, lG, Terrormopf :]