Die Cullens
Am ersten Schultag fühlte ich mich wie ein tropischer, pinker Frosch mit gelben und roten Punkten in der Sahara, der ununterbrochen in einen Ventilator sprang und es jedes Mal überlebte – soll heißen: jeder stierte mich an. Ich musste bei jedem Lehrer eine Unterschrift einholen. Keine Ahnung, wozu das gut war. Nur, weil ich hochbegabt war, hieß das ja nicht, dass ich auch alles wusste.
Nachdem ich die Unterschrift vom Englischlehrer in der ersten Stunde geholt hatte, stellte er mich kurz dem Kurs vor und bat mich, mich auf den einzigen freien Platz neben einem Mädchen mit herzförmigem Gesicht zu setzen. Sie wirkte ein wenig blass, aber ihre braunen Augen lächelten mich munter an. „Hey, mein Name ist Bella“, stellte sie sich vor, als ich mich zu ihr setzte. Für einen Moment hatte ich geglaubt, Verwirrung in ihren Augen zu sehen, aber als sie mich anlächelte, war alles weg. „Faye“, lächelte ich zurück. „Freut mich, dich kennen zu lernen, Faye“, flüsterte sie. Den Rest der Stunde schwiegen wir, weil der Lehrer sich laut räusperte. Es schien im nicht zu gefallen, dass wir seinem Unterricht nicht folgten.
Bella wirkte sympathisch. Ihre braunen Augen starrten während des Unterrichts immer wieder verträumt Löcher in die Luft und es schien, als wäre sie ab und zu gar nicht wirklich im Raum.
Es klingelte und als ich aufstand, um den Raum zu verlassen, fragte mich ein Mädchen, das sich als Jessica vorstellte, welche Stunde ich als nächste hatte. Ich antwortete ihr und sie meinte, wir hätten die gleiche Stunde. Also begleitete sie mich zum nächsten Raum. Wie sich herausstellte, hatten wir den ganzen Morgen über gemeinsam Unterricht und als es zur Mittagspause klingelte, bot sie mir an, sich in der Mensa zu ihr und ihren Freunden zu setzen. Ich nahm dankend an, froh darüber, schnell Anschluss gefunden zu haben. Ich war kein Mensch, der viele Freunde oder gar eine beste Freundin brauchte, aber ganz allein war auch mir der Schulalltag zu trostlos. Es war nun einmal so, dass ich schneller lernte als die anderen, dadurch bereits Klassen übersprungen hatte und Schule dementsprechend langweilig für mich war. Klar, für jeden anderen Schüler war Schule auch kein Abenteuer, aber es war doch etwas anderes, wenn man den Unterricht hätte selbst halten können.
In der Cafeteria sah ich mich kurz nach Bella um, sah sie aber nicht. Es wunderte mich selbst, warum ich sie suchte. War mir vorher noch nie passiert. Jessica und ich stellten uns in der Schlange an und setzten uns dann an einen langen Tisch zu einem Haufen Schüler, die ein wenig aufgeregt wirkten, als ich mich dazu setzte. Sofort wurde ich ausgefragt über alles Mögliche. Sie wollten wissen, wo ich herkam, warum ich so jung war, was ich in Forks tat. Ich antwortete ihnen wahrheitsgemäß und nüchtern, was sie scheinbar ein wenig erschrak. Als sie fragten, ob ich meine Adoptiveltern vermisse, antwortete ich damit, ich vermisse sie sehr, aber ich sehe nach vorne und es würde mir wahrscheinlich gut tun, wenn ich in einer neuen Stadt nicht jeden Tag damit konfrontiert werden würde. Sofort wechselten sie das Thema.
Ich ließ meinen Blick durch die Cafeteria schweifen und entdeckte an einem Tisch, der ziemlich weit entfernt stand Bella. Sie saß mit drei anderen Schülern an einem Tisch. Ein Mädchen und zwei Jungen. Ich musterte sie ein wenig, während ich in meinen Apfel biss. Ihre drei Begleiter waren ungewöhnlich schön und hatten eine fast weiße Hautfarbe. Ohne dass ich es merkte, begann ich mit meinem Stuhl zu kippeln. Eine alte Angewohnheit von mir. Als mein Blick den dritten von ihnen streifte, erstarrte ich und kippte hinten über. Mein Kopf schlug hart auf den Boden auf und ich seufzte. Langsam rappelte ich mich auf und ein Junge, namens Mike Newton, half mir hoch. Ich bedankte mich und stellte meinen Stuhl wieder hin. Jessica kicherte und auch die anderen wirkten gut amüsiert über meine Showeinlage. Ich nahm es ihnen nicht übel. Ich an ihrer Stelle hätte garantiert auch gelacht.
Als sich die Stimmung beruhigt hatte, stieß ich Jessica mit dem Ellenbogen an. „Wer sitzt denn da bei Bella?“, fragte ich sie, den Blick auf den dritten von ihnen geheftet. Jessica seufzte, ich wusste nicht wieso und kaum hatte ich die Frage gestellt, schoss der Kopf des Jungen, den ich beobachtete, zu uns herum. Er sah mich kurz an und seine Bewegung wirkte eher willkürlich als bedacht. Ich sah nicht weg, sondern nutzte den kurzen Moment, um ihn genauer zu betrachten.
„Das sind die Cullens. Die haben eigentlich mit niemanden so wirklich was zu tun. Eigentlich sind sie vier Geschwister. Allesamt von einem Arzt und seiner Frau adoptiert, aber die beiden Ältesten gehen bereits aufs College. Bella ist die einzige, die mit ihnen rumhängt“, erklärte mir Jessica und klang ein wenig genervt. „Adoptiert… soso“, murmelte ich so leise, dass Jessica es nicht hörte. Ich ließ mich von ihnen in ihr Gespräch einbinden, ohne mich wirklich daran zu beteiligen. Hin und wieder sagte ich etwas zum Thema, aber den größten Teil der Zeit beobachtete ich einen der Cullens. Das Auffallendste an ihm war das bronzefarbene Haar. Seine Augen hatten mich bräunlich angefunkelt, als er kurz zu mir herüber gesehen hatte.
Irgendwann standen der andere Junge und das Mädchen auf und gingen aus der Cafeteria. Der Junge, der mich so faszinierte, blieb jedoch. Er und Bella wirkten vertraut miteinander. Wie ein Paar. Den Grund, weshalb mich dieser Junge faszinierte, wagte ich nicht einmal zu denken. Zwischendurch sah er mich misstrauisch an, aber dann wandte er sich wieder Bella zu. Ich wusste nicht, was diese Blicke zu bedeuten hatten, aber sie beunruhigten mich.
