Erwartungen Bad Day
„Wo bleibt ihr denn?“ war das erste was wir von René zu hören bekamen als wir gegen Abend wieder bei der Villa ankamen. Sie und Alice hatten es tatsächlich bis dahin geschafft das gesamte Haus in einen wahren weißen Traum zu verwandeln. Das Wohnzimmer glich dem Abbild aus einem „Heiraten aber richtig“ Magazins, wobei es in meinen Augen schon ein wenig mehr als übertrieben war. Aber anscheinend nur in meinen, denn die anderen von Esme über Rosalie bis zu Jasper und Carlisle, die beide von ihrem Ausflug nach Seattle zurück gekehrt waren, so lautete jeden falls die Vision für meine Mutter, wurden nicht müde ihre Begeisterung über die gelungene Dekoration kund zu tun. Edward drückte sanft meine Schulter. „Sorry Mum, aber ich brauchte einfach mal ein wenig Zeit für mich.“ Sie lächelte verständnisvoll und ich war froh das sie die Wahrheit nicht kannte.
Alice grimmiger Blick und Jaspers verkniffene Miene hingegen zeigten mir deutlich, dass sie bereits wussten, was passiert war. Ob nun durch Alice Visionen oder durch Emmetts Erzählungen konnte ich nicht sagen. „Trotzdem muss ich dich ein wenig zur Eile antreiben, weil ich deinem Vater heute morgen noch versprochen habe, dass wir mit ihm zusammen Essen.“ Meinen entgeisterten Gesichtsausdruck interpretierte sie falsch. „Keine Sorge ich koche nicht.“ Sie seufzte in Esmes Richtung „Das musste ich Charly auch gleich versprechen.“ Ich sah Edward an, während ich ihr die Frage stellte „Wir allein?“ Wieder ein tiefer Seufzer und eine gemurmelte Entschuldigung die irgendwas von das letzte mal, bevor das Kind das Haus verlässt beinhaltete. Die Vampire um uns herum wechselten untereinander verschiede Blicke und was für meine Mutter klang, wie das leise rascheln von Vorhängen, war das schnelle und hohe Debatieren der Familie Cullen. Das Ergebnis ihrer Beratung tat Carlisle kund. „Ich kann Schief Swan verstehen, schließlich steht ihm morgen als Vater eine große Aufgabe bevor.“ Er lächelte, das es meiner Mutter die Sprache verschlug „genießt den heutigen Abend in Kreis der Familie“
Eine knappe halbe Stunde später fuhr ich meine Mutter in Edwards Volvo nach Forks. Der Transporter war ihr einfach eine Spur zu rustikal und ich war insgeheim froh etwas vertrautes von Edward um mich herum zu haben. Während ich in unsere Straße einbog wurde mir bewusst das ich es ohne ihn an meiner Seite kaum aushielt. Ich grübelte noch darüber nach ob es allein an der Sache mit Jakob lag, die unsere Verbindung noch mehr verstärkt hatte oder ob ein anderes Erlebnis den Zustand, der schmerzhaften Leere verursachte, den ich empfand, wenn er nicht bei mir war.
Charly wartete schon in Regenjacke auf der Ausfahrt auf uns. Wieder einmal fielen Binnfäden vom Himmel, die sich im Scheinwerferlicht reflektierten. Charly schlüpfte so schnell er konnte zu uns in den Wagen. Die Wassertropfen aus dem Gesicht wischend begrüßter er uns freudestrahlend. Verwundert über seine sichtbar gute Laune und den Umstand, dass wir wohl nicht bei uns zu Hause zu Abend essen wollten, drehte ich mich zu ihm um. „Hey Dad was hast du mit uns vor? Führst du uns aus?“ er grinste schüchtern zurück „So was in der Art. Ich dachte ich muss mich, na ja ich glaub ich hab da noch einiges wieder gut zu machen.“ Mit diesem veränderten Ton hatte ich wirklich absolut nicht gerechnet und ein kurzer Seitenblick zu meiner Mutter bestätigte mir, sie auch nicht. Anscheinend war Charly trotz aller Bedenken und Vorbehalte klar geworden, wie wichtig es mir war, dass meine gesamte Familie hinter mir und meiner Entscheidung stand. Beflügelt von diesem Gedanken legte ich schwungvoll den Rückwertsgang ein „O.k. Wo darf es denn nun hingehen?“ Plötzlich öffnete er wieder die Wagentür. „Wenn du es mir erlaubst, soll es eine Überraschung werden.“
So kam es das wir die Plätze wechselten und ich auf der Rückbank landete. Es musste immer noch an dem Glücksgefühl liegen, dass ich einfach nicht darüber nachdachte, was Charly sich für mich ausgedacht haben könnte und an den lustigen Geschichten über die Jugend meiner Eltern die sie plötzlich erzählten, während der Wagen durch die Dunkelheit glitt. Charly fuhr um einiges langsamer als Edward, trotzdem merkte ich zu spät das wir gar nicht mehr in Forks waren. Plötzlich schrillte etwas in meinem Kopf und wie aufs Stichwort huschte das kleine halb verwitterte Holzschild von La Push an uns vorbei. Nein!!! Meine Finger verkrallten sich im hellen Lederpolster. „Wir fahren zu Billy?“ entfuhr es mir. Es hörte sich an, als wenn ich ersticken würde. René sah fragend zu Charly hinüber, der tatsächlich glaubte eine gelungene Überraschung vollbracht zu haben. „Ja, sie haben extra für dich eine Party organisiert Bella und ausgerechnet Jacob hatte die Idee dazu.“
So musste sich eine Ratte fühlen, die erkannt hatte, dass sie ohne eine Chance zur Flucht in der Falle saß. Wie betäubt hockte ich nun auf meinem Platz. Jegliches Glücksgefühl war verschwunden, als hätte es nie existiert, während Edwards Wagen mich Meile für Meile weiter von ihm weg und gleichzeitig näher zu meinem Alptraum brachte.
Ich versuchte, trotz der aussichtslosen Lage, die Ruhe zu bewahren und mich darauf zu konzentrieren nicht die Nerven zu verlieren. Ich würde also in wenigen Minuten, denn wir hatten das Grundstück der Blacks bereits erreicht, Jake erneut gegenüberstehen und dieses mal hatte ich, statt zweier rasender Vampire, meine nichts ahnenden Eltern bei mir.
Ich biss mir schmerzhaft auf die Lippen, denn trotz aller Bemühungen fing ich an zu schnaufen. „Alles in Ordnung Schatz?“ der Volvo hielt genau vor Billys hell erleuchteter Veranda, die über und über mit Lampions und Papierblumen behangen war. Für einen kurzen Augenblick musste ich an Alice denken, doch dann öffnete sich die verbogene Holztür und Billy rollte uns entgegen. Der lang geflochtene Zopf wie ein seidiger Schal um seine Schultern gelegt und mit dem Ausdruck tiefster Zufriedenheit im Gesicht.
Mir wurde plötzlich eiskalt.
Charly war bereits ausgestiegen und erklomm die drei Stufen zur Veranda und René wartete wohl nur auf mich, also bemühte ich mich meine Starre zu lösen und so locker wie möglich aus dem Auto zu krabbeln.
Billy, der Charly die Hand gereicht hatte, grinste in meinen Augen wie ein Haifisch „Hallo Bella, hallo René, ich hoffe unsere Überraschung ist gelungen.“ Er rollte zurück um uns die Möglichkeit zu geben Einzutreten. Die übertrieben einladende Geste war fast schon grausam. Am liebsten wäre ich hinters Lenkrad gesprungen und einfach davon gerast, allein meine Mutter neben mir und mein bereits im Haus stehender Vater hielten mich davon ab. Ich konnte sie nicht zurück lassen. Früher hätte ich sie den Blacks bedingungslos anvertraut. Früher war vor zwei Tagen gewesen. Vorsichtig um nicht über meine zitternden Knie zu stolpern schritt ich auf das Haus und auf seine Bewohner zu, da drin auf mich warteten.
Der Erste oder besser die Erste, die mir schüchtern entgegen kam, war Emily. Die entstellte Seite ihres Gesichts hinter einem Vorhang von schwarzen Haaren verborgen, lächelte sie mich an „Alles gute Bella, dass sagt man doch so oder?“ Ihre Unsicherheit half mir ein wenig, anscheinend wusste sie mit dieser Situation auch nicht so richtig umzugehen. „Danke Emily,“ Ich nahm sie leicht in den Arm. Das Vampirmädchen und das Wolfmädchen. Vielleicht waren wir uns doch ähnlicher als wir es insgeheim ahnten.
Die nächste Begegnung zeigte mir dann wieder deutlich, warum ich eigentlich nicht hier sein sollte. Im Wohnzimmer hockten sie all bis auf Jacob, wie eine Horde wartender hungriger Geier. Das sie dabei alle kleine bunte Hüttchen auf dem Kopf und Luftschlangen um die Hälse geschlungen hatten machte die ganze Sache auch noch vollkommen bizarr, weil ihre Augen mich regelrecht zu durchbohren schienen. Was ging in ihren Köpfen vor? Wer von denen stellte sich gerade insgeheim vor mich auf der Stelle mit seinen Klauen zu zerreißen? Paul? Quiel? Beide? Allein davon abgehalten durch ihren Rudelführer. Emily zog mich am Arm zum letzten freien Sessel. „Möchtest du was trinken?“ Sie reichte mir ein Glas mit einer ziemlich süß aussehenden Brause.
Aus einem Instinkt heraus roch ich darn, bevor ich einen Schluck nahm.
Natürlich entging mein Verhalten den anderen nicht. „Keine Sorge wir haben nicht vor dich zu vergiften“ zischte Paul mich an. Sam, der neben mir auf dem Sofa saß warf ihm einen warnenden Blick zu, dann wandte er sich an mich. „Bella, ich hoffe das du das hier als das verstehst, was es ist. Nämlich eine Geste von uns, dir für deine Zukunft,“ er stockte kurz „alles Gute zu Wünschen.“ Damit hatte ich nicht gerechnet „Danke“ war alles was ich ihm antworten konnte, denn in diesem Moment kam Charly aus der Küche zu uns herüber. „Na amüsiert ihr euch?“ Die versteinerten Mienen sprachen Bände. Der nächste Versuch Konversation zu betreiben machte alles nur noch schlimmer „Wo ist Jacob?“ Emily senkte betreten den Blick, als Sam antwortete „Er holte noch ein paar Getränke von der Tankstelle.“ Erst als Charly uns wieder in Richtung Küche verließ sagte er mir die Wahrheit. „Diese Party war schon geplant, bevor es zu diesem unverzeihlichen Aussetzer gekommen ist.“ In seinen Augen war nichts anderes als Bedauern. „Ich habe keine Ahnung wie es so weit kommen konnte Bella, glaub mir, wenn ich nur einen einzigen Hinweis darauf in seinen Gedanken gefunden hätte, hätte ich ihn aufgehalten, aber keiner von uns war dabei. Niemand hat etwas bemerkt.“ Pauls dämliches Grinsen nach zu urteilen war das schwer zu glauben. Dennoch nickte ich, so das Sam fortfuhr „Er hat komplett die Kontrolle verloren und keine Ahnung wie er dir je wieder unter die Augen treten soll.“ Am besten gar nicht. Doch tief in mir drinnen wusste ich, dass es so für keinen für uns enden konnte. Keiner von uns konnte so weiter leben, nicht in Frieden, also fragte ich beklommen „Wo steckt er wirklich?“ Die Antwort kam zögerlich. „Er streift seit Stunden draußen um her, gerade hat er sich in die Garage zurück gezogen.“
Wieder meldete sich mein Instinkt. Tu es nicht, doch die feindlichen Blicke um mich herum waren genauso wenig zu ertragen. „Ich bin gleich wieder da“ damit stand ich auf und verließ das Haus, mit einem unangenehmen Kribbeln im Bauch.
Draußen sorgte die frische Luft dafür, dass ich wieder besser denken konnte. Wollte ich wirklich Jacob gegenübertreten und damit die furchtbaren Erinnerungen zurück holen? Oder war es vielleicht doch besser einfach davon zu fahren. Charly und René hätte ich schon eine passende Ausrede auftischen können, die Hochzeit morgen bot genug Möglichkeiten dafür, doch meine Füße trugen wie von selbst in Richtung Schuppen aus dem ein schwacher Lichtstrahl in die Nacht hinaus drang.
Es wird dir danach besser gehen, versuchte ich mir selbst Mut zu machen, danach ist es entgültig vorbei. Mit zitternden Fingern griff ich nach der Türklinge.
Drinnen empfing mich zu nächst nur Stille und ich brauchte ein paar Sekunden, bis ich Jacob überhaupt entdeckte. Er saß in seinem Rabbit, die Augen geschlossen, als würde er schlafen, doch das fast unsichtbare Schunkeln des Wagens zeigte mir, dass er alles andere als das tat. Noch immer scheute ich mich davor auch nur ein Wort zu sagen, also schlich ich mich einfach nur langsam vor. Wohlwissend, dass er längst bemerkt haben musste, dass ich da war.
Auf Höhe der Beifahrertür blieb ich stehen. Noch immer ertönte kein Laut, noch immer verhaarte er ungerührt auf seinem Sitz.
Plötzlich kam mich grenzenlose Wut. Schlagartig ohne das ich es richtig steuern konnte, vielleicht ausgelöst durch sein ausdrucksloses Gesicht, vielleicht auch durch den unterdrückten Stress der Situation und den grausamen Erinnerungen. Egal ich trat jedenfalls schnaubend gegen die Tür des Autos. Erschrocken über diese auch für mich überraschende Reaktion meinerseits riss Jacob darauf hin die Augen auf. „Hey?!“ Doch ich steigerte mich gerade erst richtig rein und wie von Sinnen fing ich an auf die Karosserie ein zu treten. Das Jacob wie ein geölter Blitz aus dem Wagen schoss bekam ich gar nicht richtig mit „Hör auf damit!“ Er packte mich an der Hüfte und riss mich herum, ohne dabei auf meine zappelnden Füße und Arme zu achten. Kaum spürte ich ihn an meinem Körper, fing ich an zu schreien. „Fass mich nicht an!“
Er ließ mich augenblicklich los, doch ich hatte soviel Schwung entwickelt, das es mich in die Ecke mit seinen Ersatzteilen katapultierte. Es schepperte ohrenbetäubend, als ich zwischen den zahlreichen Reifen, Radkappen und Auspuffrohren aufschlug und dann war da noch was anderes.
Ein hässliches, schmerzhaftes Ziehen oberhalb meines Bauchnabels, dass anfing zu strahlen und mich nach Luft schnappen ließ.