Promises
„Edward?“ Esmes weiche Stimme war nicht mehr als ein leises Flüstern, das schaudernd an mein Ohr drang, als ich mich wie ein Dieb aus der Hintertür schlich. Ich blieb für einen Moment ertappt stehen, dann atmete ich tief durch. „Es ist o.k., ich muss nur schnell noch was erledigen.“ flüsterte ich dunkel zurück. Ich versuchte zu lächeln und es mit in meine Entschuldigung zu stecken. Ihre Antwort war ein bedrückendes Schweigen, das mich dazu antrieb, meinen Weg um so schneller fort zu setzten. Ich nahm den Volvo, gab Gas und rauschte durch die Dunkelheit der Bäume in Richtung Straße.
Während meine Finger ganz automatisch den Knopf der Stereoanlage bedienten, wurden mir die Ausmaße meiner Zustimmungen fast schon schmerzhaft klar. Ich musste es tun, ich hatte es ihr versprochen. Keine Bedingungen mehr, keine Ausflüchte, auch wenn allein der Gedanke daran mich umbrachte!
Der Motor gab einen empörten Laut von sich als mein Fuß das Gaspedal bis zum Anschlag durchpresste damit er noch schneller durch die wolkenverhangene Nacht schoß. Doch egal wie schnell ich auch fuhr oder rannte. Es gab kein Entkommen vor der Verzweiflung, der Angst die mich hetzte, weil ihr Gesicht. Ihr wunderschönes, zerbrechliches und so unerträglich unschuldiges Gesicht vor meinen Augen blieb und mit ihm auch die Erinnerungen der letzten Nacht.
Ich presste die Lippen zusammen und versuchte das unheilvolle Knurren des Monsters in mir zu zügeln, das bei ihrem Anblick, ihrer Berührung fast seine Ketten gesprengt hatte. Hör auf daran zu denken! Schrie ich mich selbst in meinem Kopf an. Du machst es nur noch schwieriger! Aber es half nicht. Wie sollte man dieses Erlebnis denn je vergessen? Diese Hitze, dieses Gefühl vollkommender Vereinigung, dieser Duft der mich durch strömt hatte. Ihr einmaliger Duft, dessen Anziehungskraft noch nie so stark gewesen war.
„Arrrrrg!“ Die Fensterscheiben vibrierten, doch es tat so gut die Anspannung heraus zu schreien, auch wenn sie damit nicht verschwand. Wie sollte ich es je schaffen? Wie sollte ich es je schaffen auf zu hören, wenn ich dem Monster endlich das gab, wonach es verlangte. Wo nach es seit zwei Jahren unaufhörlich lechzte? Ich hatte keine Ahnung, ich wusste es einfach nicht und ich verbot mir die Vorstellung, wenn ich bei dieser Aufgabe versagte.
Ich bekam kaum mit, dass ich die Einfahrt zu der ich wollte, schon erreicht hatte.
So schnell ich konnte stellte ich den Wagen ab, riss die Tür auf und rannte los. Hinein in das Labyrinth aus unzähligen Baumstämmen, die wie Nebelfetzen an mir vorbei schossen, während ich in die Finsternis raste und das Monster frei gab.
„Los hol dir was du willst, friss! Friss dich so satt, das du daran erstickst!“ war das Letzte was ich dachte, bevor ich mich mit meinem Verstand zurück zog.
Es würde nie satt sein, auch wenn ich ihm alles Leben gab, das die Welt zu bieten hatte. Die Gier kam nie zu Ruhe, selbst nach dem vierten Reh nicht, das in panischer Verzweiflung versuchte zu entkommen.
Die Nacht, die sich schon fast dem Ende neigte mochte mich einhüllen und das Grauen, was ich in ihr trieb, doch vor mir selbst konnte sie mich nicht verstecken. Ich ließ den regungslosen Körper in meinen Armen auf die Erde gleiten um die Reste den anderen Raubtieren zu überlassen. Mein Tier hatte was es wollte.
Stöhnend wischte ich mir übers Kinn, das überall klebte und besah mir das dunkle schwarz glänzende Nass, das von meinen Fingern tropfte. Dafür existierte ich, existierten wir. Für die Jagt danach, für immer und ewig und dazu wollte ich sie verdammen. Mein Leben, meine Seele, mein Herz! Der Schmerz schnürte mir die Kehle zu, zerfraß mich bis die Qual mich erneut zwang sie heraus zu schreien.
Zwischen dem wilden Flügelschlägen, der aufgeschreckten Vögel, die aus den dichten Kronen der Bäume davon flogen, mischte sich plötzlich ein alarmierend beißender Geruch. Der Gestank von nassem Fell, der meine Nackenhaare aufrichtete und meine Muskeln auf Spannen brachte.
„Genug Kehlen gerissen?“ hörte ich plötzlich seine heißere dunkle Stimme in meinen Kopf, dann ertönte aus der Ferne ein leises Knacken, als riesige Pfoten auf trockene Äste traten. In meinem Rausch hatte ich ihn nicht kommen gehört. Langsam drehte ich mich in seine Richtung, doch er war selbst für meine Augen noch zu weit in der Dunkelheit verborgen. Jacob Black stand irgendwo in der Form des roten Wolfs aber, wenn meine Sinne mich nicht täuschten, war er allein. „Willst du mich davon abhalten?“ fragte ich kühl, weil die Stille seiner Gedanken mir nicht gefiel. Wer wusste schon was in Jacob Black nach all dem was geschehen war wirklich vorging. Was von seiner geschunden Seele noch übrig war. Es hätte meine Seele sein können. Ein tiefes Grollen wehte mir aus den Büschen entgegen und ich brauchte eine Sekunde um zu erkennen, dass es ein ersticktes Lachen sein solle, in dem mehr Traurigkeit lag, als in tausend geweinten Tränen. „Das sollte ich,“ antwortete er mir kalt „ Ich sollte dich davon abhalten, dich jagen und dich töten. Ich sollte sie von dir befreien, bevor du sie entgültig verfluchen kannst. Sie doch noch versuchen zu retten, damit sie mit mir leben kann. Glücklich, ohne Angst ohne Schmerz und ohne Monster. Als Mensch, aber,“ Die Sicherheit seiner Stimme brach plötzlich, wie ein in sich zusammenfallendes Kartenhaus und offenbarte das ganze Ausmaß seines Leidens. „Es würde nichts ändern. Ich würde sie nur selber damit zerstören, denn du bist der Grund warum sie atmet, ihr Herz schlägt, sie lebt. Du bist ihr fehlender Teil, den nichts und niemand zu ersetzen vermarg, auch ich nicht. Obwohl ich es versucht habe, obwohl ich mein Leben dafür geben würde.“ Dann erfüllte ein langgezogenes und schmerzerfülltes Heulen die Dämmerung.
Was sollte ich ihm darauf antworten? Die Wahrheit? Das ich mir manchmal das Gleiche gewünscht hatte, obwohl ich es fast nicht ertrug mir ein Dasein ohne sie vorzustellen. Das sie sich für ihn und damit für das Leben entscheiden sollte und nicht für mich und die ewige Nacht, auch wenn es mein Herz entgültig versteinert hätte. Ich wollte wie er, einzig und allein ihr Glück, doch dieses Glück das wusste ich jetzt, konnte nur in der Finsternis liegen. Aber ich konnte ihn nicht so zurück lassen, nicht mit dieser Wunde in seiner Brust. Es hätte meine sein können „Du wirst immer auch ein Teil von ihr sein Jacob, egal was geschieht. Ich verspreche dir sie glücklich zu machen, das wird der ganze Sinn meines Daseins sein. Von jetzt an bis in alle Ewigkeit.“ Mehr konnte ich nicht geben.
Wieder erklang das Grollen. „Kann man denn glücklich in der Hölle sein?“
Ich holte tief Luft. „Ja, wenn einem der eigene Engel den Himmel schenkt.“
Darauf hin sagte er nichts mehr. In meinem Rücken begannen bereits die ersten Strahlen der Morgensonne hervor zu kriechen, die mich daran erinnerten, dass es Zeit war zu gehen. „ Ich wünsche dir alles Glück dieser Welt und einen Engel der dich findet.“ Flüsterte ich noch dann verließ ich ihn.
Ich hatte den Volvo schon wieder erreicht, als ich noch einmal seine verzweifelte Stimme hörte. „Sie darf niemals leiden“
Das junge Licht des Tages begleitete mich nach Hause und mit ihm eine neue Kraft, eines Versprechens das ich einhalten musste.