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Bis(s) in den Tod

von

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Clair de lune

Leben geben, Leben nehmen. Nur Gott sollte dazu in der Lage sein. Genauso wie Leid zu verursachen und Freude zu schenken. Niemand sollte höher stehen, als Gott.

Shana wusste nichts über Ethan. Und als sie seine Geschichte gehört hatte, wünschte sie sich, dass man sie weiter im Unklaren gelassen hätte.
 

1816/ England/ Dover
 

„Ethan“, donnerte eine herrische Frauenstimme durch die kleine Kammer. Träge blinzelte der Angesprochene gegen die aufgehende Sonne, die durch das kleine Fenster schien. Als die morgendliche Benommenheit verschwunden war, erkannte er eine rundliche Frau, Mitte der 40-iger. Sie hatte haselnussbraunes Haar, welches schon mit ein paar grauen Strähnen durchzogen war und helle, braune Augen, die ihn zu durchbohren schienen.

„Steh endlich auf, du Faulpelz!“

Sie riss ihm das Laken, welches ihm als Bettdecke diente, vom Körper. Als er immer noch nicht reagierte, verpasste sie ihm eine Kopfnuss.

„Aua!“, wehklagte Ethan und rieb sich den Kopf. „Das tut weh, Mutter.“

Die Augen seiner Mutter wurden merklich dunkler. „Steh auf! Cain ist schon längst zum Hafen unterwegs um zu arbeiten. Und du liegst immer noch faul im Bett. Du solltest wirklich eine Tracht Prügel bekommen!“, schimpfte sie.

Ethan richtete sich auf. „Verzeih mir, Mutter.“

„Entschuldigungen melken die Kühe nicht und misten auch nicht den Stall! Du bekommst kein Frühstück, ehe du deine Aufgaben nicht erfüllt hast.“

Damit rauschte seine Mutter aus seiner Kammer.

Ethan stand vom Bett auf, gähnte und streckte sich. Seine Mutter meinte es nicht böse. Das war ihr morgendliches Ritual gewesen. Sie liebte ihn und seinen Bruder Cain sehr. Nur Ethan brauchte immer eine strenge Hand, um in die Gänge zu kommen. Er schnappte sich Hose und Hemd und ging durch das Wohn- und Esszimmer nach draußen. Eine leichte Brise wehte über die Getreide- und Kartoffelfelder. Doch sie brachte nicht genug Kühlung, um die drückende Hitze zu vertreiben.

Ethan ging zum Brunnen und schöpfte Wasser, welches er dann in einen Bottich kippte. Nachdem er sich ausgezogen hatte, wusch er sich rasch mit dem Brunnenwasser und zog sich an.

Er hielt einen Moment inne und betrachtete die aufgehende Sonne. Er mochte es, ihr beim Auf- und Untergehen zuzusehen. Es hatte irgendwie etwas Tröstliches. Die Sonne gab einem Kraft und wärmte und erhellte die Erde.

„ETHAN!“, brüllte seine Mutter von drinnen, als sie ihn wieder trödeln sah. Erschreckt zuckte er zusammen, wandte hastig den Blick von der Sonne ab und machte sich an die Arbeit.

Nachdem er die Kühe gemolken hatte, wobei sie ständig nach ihm traten und die Hühner um ihre Eier erleichtert hatte, wobei sie mit den Schnäbeln nach ihm hakten, ging er wieder nach drinnen und überreichte seiner Mutter Milch und Eier. Sie hatte inzwischen Brot, Wasser und etwas Käse aus dem Tisch für ihn bereit gestellt.

Ethan seufzte leise und setzte sich. Immer gab es nur Brot, Wasser, Käse, Eier und Kartoffelsuppe. Fleisch gönnten sie sich nur, wenn eine Kuh von ihnen geschlachtet wurde. Und selbst dann aßen sie nur die schlechten, unverkäuflichen Stücke. Mehr konnten sie sich nicht leisten. Sie waren sehr arme Bauern gewesen und konnten nur von dem leben, was sie sich selbst erwirtschafteten. Das, was sie neben dem Selbstverzehr verkauften, brachte auch nur wenig ein. Von dem Geld konnten sie gerade mal die Pacht für ihr Land bezahlen.

Doch die Familie Orwell brauchte wirklich dringend Geld. Ihre Mutter war krank. Mit jedem vergangen Tag konnte Ethan sehen, wie ihr die einfachsten Bewegungen immer schwerer fielen. Ihr Rücken schmerzte und ihre linke Hand wurde zunehmend steifer. Bald schon würde diese Hand nutzlos für sie werden. Sie hatte Husten, der sie schon seit einigen Wochen plagte. Doch nie reichte das Geld, um einen Arzt aufsuchen zu können.

Nachdem Ethan gefrühstückt hatte, trieb er das Vieh auf das Feld und mistete den Stall aus. Danach fing er an, den Acker umzugraben.

Als die Sonne ihren höchsten Stand erreicht hatte, beendete er seine Arbeit auf dem Feld und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Die Luft drückte und das Atmen fiel ihm schwer. Er ging ins Haus und sah seiner Mutter einige Sekunden dabei zu, wie sie in der Küche den Brotteig knetete. Immer wieder Brot!

„Ich gehe dann jetzt, Mutter.“

Sie sah nicht mal von ihrem Teigfladen auf, als sie antwortete: „Benimm dich und streng dich an. Bereite Cain keine Schande.“

„Natürlich nicht.“

Ethan ging zu ihr und drückte seiner Mutter einen Kuss auf die Wange.

„Überanstrenge dich nicht.“, sagte er grinsend.

Seine Mutter verstand, dass er auf ihr Alter anspielte und fuchtelte wild mit ihren bemehlten Händen durch die Luft.

„Raus aus meinem Haus!“

Ethan lachte und ging nach draußen. Er liebte seine Mutter wirklich. Er holte ein Pferd aus dem Stall, saß nach anfänglichen Schwierigkeiten auf und machte sich auf den Weg.

Dover lag ungefähr eine halbe Stunde mit dem Pferd von seinem zu Hause entfernt und war somit gut erreichbar. Die Hafenstadt war recht beliebt und belebt. Verständlich, da Schiffe aus China oder Russland anlegten und exotische Waren mit sich brachten. Doch durch die Überbevölkerung war Dover auch verdreckt und hier und da lagen Abfälle oder tote Tiere auf den Straßen. Niemand kümmerte sich um den Unrat, der in der schwülen Hitze dünstete. Warum auch? Jeder war sich selbst der Nächste.

Ethan schauderte, wie immer, wenn er durch die Straßen ritt. Es roch regelrecht nach Tod. Er mochte den Tod nicht. Er war endgültig und er hatte etwas Unreines an sich. In der Kirche erzählte man, dass der Tod natürlich war und Gott seine geliebten Kinder zu sich holte, doch Ethan sah den Tod als Werk des Teufels an. Er wusste, dass auch er irgendwann sterben musste, doch er hoffte, dass er es aufgrund hohen Alters und nach einem erfüllten Leben tat und nicht an einer Krankheit starb.

Sein Vater verstarb vor neun Jahren, Ethan war gerade mal elf, an einer Krankheit. Sie hatten natürlich kein Geld für einen Arzt gehabt und so musste er hilflos mit ansehen, wie sein Vater schwächer und schwächer wurde. Es fing mit einer leichten Erkältung an. Dann wurde sein Husten schlimmer und hohes Fieber kam hinzu. Und eines Morgens wachte er nicht mehr auf. Ethan hatte seinen Vater sehr geliebt und sein Verlust schmerzte noch immer. Nie würde er die Worte vergessen, die sein Vater sagte, bevor er einen Tag später starb.

„Ethan! Ich bin sehr stolz auf dich, mein Sohn. Höre auf das, was deine Mutter und Cain dir sagen und gebe gut auf sie Acht. Sei immer artig, rechtschaffend und reinen Herzens. Ich liebe dich, mein Sohn.“

Sein Herz krampfte sich zusammen, als er an seinen Vater dachte. Sein alter Herr hatte ihn so vieles gelehrt und so vieles gegeben. Es war ungerecht, dass er sterben musste. Er hoffte, dass er seine Familie vom Himmel aus bewachte und stolz auf sie alle war.

Sein Blick schweifte über die Stände mit Lebensmitteln, Kleidung, Vieh und Trödel, an denen er vorbei ritt. Die Ernte in diesem Jahr fiel schlecht aus. Die Bauern hatten nicht genug Ware, die sie zum Verkauf anbieten konnten. Auch seine Familie hatte sehr damit zu kämpfen. Durch den schlechten Ertrag mussten sich viele bei ihren Lehnsherren hoch verschulden. Doch einige konnten diese Schuld nicht zurückzahlen und mussten ins Gefängnis. Um diesem Schicksal zu entgehen, verschrieben sich viele der Schafszucht. Dies taten sie, weil die Textilindustrie den Markt beherrschte. Viele verkauften ihre Kinder an diese, um an Geld zu kommen. Meist schufteten Frauen und Kinder 14 bis 16 Stunden täglich in den Fabriken. Kinderarbeit war nicht verboten, so dass die Industrie gute Geschäfte machte.

Ethan hatte Glück, dass seine Mutter ihre Kinder liebte. Zwar schimpfte sie ständig mit ihnen, würde aber nie auf die Idee kommen, sie zu verkaufen.

Das Pferd verfiel in eine langsame Gangart, bis Ethan an den Zügeln zog und den Hengst zum Stehen brachte. Umständlich stieg er ab und machte das Pferd an einem Holzbalken fest. Normalerweise würde er sein Pferd niemals unbeobachtet irgendwo stehen lassen, doch der Pub am Hafen, vor dem er stand, war relativ sicher vor Diebstehlen. Das lag daran, dass ein alter Mann draußen vor dem Pub saß und auf die Pferde aufpasste. Dafür, dass er das machte, bekam er von dem Besitzern des Pubs freies Essen und Getränke. Ethan nickte dem Alten zu, was er in gleicher Manier erwiderte. Dann bewegte er sich auf den Hafen zu, der mit Menschen überfüllt war. Reiche Leute, die eine Fahrt nach Übersee machten, arme Leute, die um Geld und Nahrung bettelten, Diebe, die sich ihr Geld auf andere Weise verdienten, Arbeiter, die ihr Geld auf den Schiffen verdienten und Ausländer, die von Übersee kamen, waren zu sehen. Am Hafen fand man wirklich alle Gesellschaftsschichten.

Ethan suchte die anliegenden Schiffe ab, bis er vor der `Viktoria II’ stehen blieb. Er hatte Cain schon vom Weiten gesehen und betrat das Schiff über den Steg.

„Hey, Eth!“, begrüßte Cain ihn und stellte eine Kiste ab. Er hatte die gleiche Haarfarbe wie seine Mutter, nur, dass seine kurz geschnitten waren. Seine Augen sahen aus wie flüssiger Karamell. Ethan kam mit seinen schwarzen Haaren und den dunkelbrauen Augen nach seinem Vater.

„Hallo, Bruder.“, sagte Ethan und betrachtete seinen älteren Bruder, wie er sich streckte. Cain war groß, schlank und muskulös. Cain zerwuschelte ihm das Haar und versetzte ihm einen Boxhieb gegen den Oberarm.

„Du bist spät. Du hast bestimmt wieder vor dich hingeträumt.“ Cain lachte. „Mach dich nützlich und hilf beim Aufladen.“

Cain ärgerte ihn ständig. Er boxte oder trat ihn oder sagte, dass Ethan ein Träumer oder ein Weichei wäre. Doch Ethan wusste, dass Cain anders war. Im Grunde waren es nur geschwisterliche Kabbeleien und deswegen nahm er ihm das nicht übel. Cain musste autoritär sein, weil er das älteste, männliche Mitglied der Familie war. Er war nur ab und zu etwas kindisch. Ethan war neidisch auf ihn. Ihre Mutter liebte sie zwar beide, aber Cain noch ein klein wenig mehr. Er bekam das bessere Essen und auch größere Portionen. Er bekam neue Kleider, während Ethan immer die abgetragenen Sachen von ihm anziehen musste. Während Ethan den ganzen Vormittag auf dem Feld arbeitete, verbrachte Cain den ganzen Tag am Hafen und be- und entlud die Schiffe. Von dem Geld, was er verdiente und das sie nicht an den Lehnsherren abtreten mussten, kauften sie Medizin für ihre Mutter und ab und zu ein gutes Stück Fleisch oder neue Kleidung. Es war zwar nicht viel, aber immerhin. Damit es etwas mehr Geld wurde, half Ethan ebenfalls auf dem Schiff.

Doch er tat sich mit dieser Arbeit immer schwer. Ethan war von der Statur her eher schmächtig und besaß kaum Kraft und Muskeln. Trotzdem strengte er sich an, so gut es eben ging.

Ethan verließ das Schiff und half es zu beladen.
 

Nach getaner Arbeit – die Sonne würde bald untergehen - gingen Cain und Ethan zum Pub, wo ihre Pferde standen. Sie ritten aber nicht nach Hause, sondern betraten die Hafenkneipe. Dicke Rauchschwaden hingen in der Luft. An den Tischen saßen die Seemänner und Arbeiter und spielten Karten, unterhielten sich, tranken und aßen. Der Pub war durch das Kerzenlicht nur spärlich beleuchtet, doch dadurch gewann es an Charakter. Ethans Augen brannten und juckten und das Atmen machte ihm zu schaffen. Cain und Ethan setzten sich an den Tresen. Eine Frau tauchte vor ihnen auf. Sie hatte braunes Haar, grüne Augen, ein herzförmiges Gesicht und eine rundliche Statur. Ihre Hemdsärmel waren hochgekrempelt und ihr üppiger Busen platzte fast aus dem Kleid. Sie war 30 Jahre alt und leitete zusammen mit ihrem Mann den Pub.

„Na, wenn das nicht die Orwell-Brüder sind.“, sagte sie mit rauchiger Stimme.

„Hallo, Kate.“, begrüßte Ethan sie freundlich. Er mochte Kate, was man von Cain nicht gerade behaupten konnte.

„Als Frau hast du nichts in einem Pub zu suchen.“, knurrte er.

Kate grinste. „Und eigentlich sollte ich so einen Halbstarken wie dich rauswerfen.“

„Versuch es doch!“

„Ähm… Kate? Dürfen wir etwas zu Essen bestellen?“

Für diese Höflichkeit haute Cain Ethan ein runter, wofür Cain von Kate eine Ohrfeige kassierte.

„Hör auf, deinen Bruder zu schlagen!“, schimpfte sie.

„Hör auf, mich zu schlagen!“, knurrte Cain.

Kate kicherte und stellte ihnen je einen Teller Gemüsesuppe vor die Nase.

„Schon wieder diese Suppe.“, stöhnte Cain. „Kannst du eigentlich auch etwas anderes kochen?“

„Kann schon, ich will es aber nicht. Iss oder ich ziehe dir die Ohren lang!“

„Versuch es doch.“

„Danke für die Suppe, Kate. Sie sieht köstlich aus.“, versuchte Ethan die Situation zu retten.

„Siehst du, Cain? Ethan ist höflich. Du solltest dir mal eine Scheibe von ihm abschneiden.“

Cain stieß einen unflätigen Fluch aus und löffelte seine Suppe. Ethan lächelte entschuldigend in Kates Richtung und begann ebenfalls zu essen.

Während sie ihre Suppe verzehrten, wusch Kate Gläser ab und bediente andere Gäste. Eigentlich mochten Kate und Cain sich. Kate hatte damals in der Nähe von ihnen gewohnt. Doch dann verliebte sie sich in Earl, ihren jetzigen Ehemann und sie zogen nach der Hochzeit in die Stadt. Earl war zwar rund zehn Jahre älter als Cain, aber sie verstanden sich gut. Earl half der Familie Orwell, als ihr Vater starb. Cain nahm es Kate übel, dass sie ihm ihren Freund genommen hatte. Und das ließ er sie durch die täglichen Sticheleien immer wieder spüren.

Doch Kate war nicht nachtragend und im Grunde machte ihr der Zank auch Spaß.

Nachdem sie aufgegessen hatten, stellte sie jedem ein Ale vor die Nase.

„Wo ist eigentlich Earl?“, fragte Ethan beiläufig. Kate seufzte.

„Er liegt oben. Er hat sich heute Morgen den Fuß verletzt, als das Pferd ihn abgeworfen hat.“

„Was?“, brauste Cain auf. „Warum sagst du das erst jetzt?“

„Du hast nicht gefragt.“

„Duuu!“, drohte er und zeigte mit dem Finger auf sie.

„Mäßige dich, Cain Orwell! Ich bin eine Dame, daher behandele mich mit Respekt!“

Cain schnaubte nur verächtlich und versteckte sich hinter seinem Glas.

Als sie ausgetrunken hatten, standen sie auf und wollten gehen.

„Ethan? Macht es dir etwas aus, noch kurz zu bleiben? Ich muss etwas mit dir besprechen.“ Kate sah Cain scharf an. „Unter vier Augen.“

Cain zuckte nur mit den Schultern. „Lass dich nicht von ihr fressen, Eth. Wir sehen uns dann zu Hause.“ Mit diesen Worten war Cain verschwunden.

Ethan setzte sich wieder und Kate zapfte ein weiteres Bier für ihn.

„Kate. Wir hatten doch eine Abmachung. Cain und ich bekommen eine Mahlzeit und ein Ale umsonst. Dafür laden wir eure Ware von den Schiffen, ohne Geld dafür zu nehmen. Ich kann mir das nicht leisten.“

„Mache dir darüber bitte keine Sorgen. Das geht auf mich.“

„Das kann ich doch nicht annehmen.“

„Du kannst und du wirst!“, herrschte sie ihn an und Ethan musste sich wohl oder übel seinem Schicksal fügen. Kate widersprach man nicht.

„Worüber wolltest du mit mir sprechen?“, fragte er und nippte an seinem Ale. Er hörte sie leise seufzen.

„Hast du von dem Ball gehört, der morgen Abend stattfinden soll?“

„Du meinst bei Lord Fudge? Ich habe gehört, wie die Arbeiter darüber gesprochen haben.“

Kate nickte. „Genau den. Earl wurde zu diesem Ball geladen, doch der verletzte Fuß wird ihm hinderlich beim Tanzen sein. Daher möchte ich dich bitten, mich an seiner Stelle zu begleiten.“ Ethan verschluckte sich fast an seinem Bier.

„Wie bitte?“

„Ich kann sonst niemanden darum bitten. Und du kannst dir sicher denken, dass man schlecht über mich reden wird, wenn ich dort ohne Begleitung erscheine.“

„Aber warum fragst du mich und nicht Cain?“

Ihr Blick war Antwort genug.

„Aber ich kann doch gar nicht tanzen.“

„Das ist eine Lüge. Der Pater in der Sonntagsschule hat euch einige Tanzschritte beigebracht.“

„Ich habe keine angemessene Robe für solch einen Ball. Mein Sonntagsanzug ist zu schäbig dafür.“

„Earl und du habt dieselbe Größe. Sein Frack wird dir sicher passen.“

„Ich weiß nicht, ob ich wirklich die beste Wahl wäre.“, versuchte Ethan es weiter.

„Natürlich bist du das. Ich bitte dich, Ethan.“

Er seufzte. Kate schien wirklich verzweifelt und er war einfach zu nett, um nein zu sagen.

„Wenn du es wünschst, Kate, dann werde ich deiner Bitte mit Freuden nachkommen.“

„Vielen Dank. Das bedeutet mir viel.“

Ethan trank sein Ale aus und ritt dann nach Hause. Es war bereits dunkel geworden und der Weg wurde von dem halbvollen Mond nur schwach beleuchtet. Zwar waren die Temperaturen etwas gesunken und es war nicht mehr so heiß, dafür war es aber immer noch stickig. Aber dies war ihm lieber, als die rauchige Luft in der Hafenkneipe.

Nachdem Ethan noch einige Arbeiten zu Hause verrichtet hatte, ging er zu Bett. Er hatte seiner Mutter und Cain von dem Ball erzählt. Seine Mutter war begeistert gewesen und betete den ganzen Abend Regeln, an die er sich halten sollte, herunter. Cain jedoch war wütend gewesen. Er konnte einfach nicht verstehen, warum Kate Ethan so etwas aufbürdete. Ethan wusste, dass Kate von Cain deswegen sicher noch etwas zu hören bekommen würde. Alle Versuche, seinen Bruder zu besänftigen, schlugen fehl. Kate konnte sich auf etwas gefasst machen.
 

Der nächste Abend kam schneller, als Ethan lieb war. Als sie nach der Arbeit im Pub gegessen und Cain sich wie immer mit Kate gestritten hatte, verließ sein älterer Bruder den Pub. Hätte Ethan gewusst, was dieser Abend noch mit sich bringen würde, wäre er mit Cain nach Hause gegangen.

Kate übergab den Pub an ihre Aushilfe Molly und ging zusammen mit Ethan in ihre Wohnung, die über dem Pub lag.

Während Kate alles für die Körperpflege zusammenstellte und den Frack für Ethan raussuchte, unterhielt dieser sich mit Earl und fragte ihn nach seinem Befinden. Er mochte Earl. Er hatte der Familie durch eine schwere Zeit geholfen und er erinnerte ihn an seinen Vater. Earl war genauso warmherzig und hilfsbereit gewesen und er konnte verstehen, warum Cain ihn als eine Art Vaterersatz ansah. Ethan würde das aber nicht passieren. Für ihn gab es nur einen Vater.

Als Kate fertig war, wusch Ethan sich rasch und zog sich den schwarzen Frack an. Und Kate hatte Recht. Er passte. Auch Kate machte sich schnell fertig. Sie trug ein bodenlanges, dunkelblaues Kleid mit weißer Spitze. Der Rock war weit und das Korsett drückte ihren Busen empor. Ihre Haare hatte sie hochgesteckt und sie trug Schmuck aus Messing.

„Du siehst bezaubernd aus, Kate.“, sagte Ethan, als er sie sah.

Sie lächelte, ging auf ihn zu und band ihm die Schleife um seinen Hals richtig. Dann fuhr sie ihm einige Male durch sein Haar, so dass es ein wenig unordentlich, aber trotzdem gut aussah.

„Das Kompliment kann ich nur zurückgeben.“

Sie verabschiedeten sich von Earl und fuhren mit der Kutsche zum Anwesen von Lord Fudge. Fast wie ein Palast thronte das Anwesen in der Stadt. Es war von einer Mauer umzogen und mehrere Wachen waren zu sehen. Sie wurden durch das Tor gelassen und fuhren eine lange Auffahrt hinauf. Nachdem sie vom Kutschbock abgestiegen waren, gingen sie über eine Treppe ins Innere. Kate nannte ihren Namen und zeigte ihre Einladung. Nachdem ein Butler sie geprüft hatte, wurde ihnen Einlass gewährt. Sie hakte sich bei Ethan unter und sie wurden in den Ballsaal geleitet. Ethan kam aus dem Staunen nicht mehr raus. An der Decke, die hoch über ihnen war, waren verschiedene Fresken gezeichnet. Sechs Kristalllüster hingen herab und tauchten den Saal durch die eingefassten Kerzen in ein helles Licht. Die Fenster waren deckenhoch und der Boden war aus Marmor. Frauen in den schönsten Kleidern und Männer in den edelsten Fracks standen oder tanzten im Saal. Ein Streichquartett spielte sanfte Musik. Bedienstete liefen zwischen den Gästen umher und verteilten Getränke. Lord Fudge hatte wirklich keine Kosten und Mühen gescheut.

Kaum, dass sie den Saal betreten hatten, löste Kate sich von Ethan und ging auf eine Gruppe von Frauen zu. Allein kam er sich irgendwie verloren vor. Da er an der Frauenunterhaltung von Kate nicht teilhaben wollte, ging er zu den leer stehenden Stühlen und setzte sich. Bald schon kam ein Bediensteter und brachte ihm Wein.
 

Ethan wusste nicht, wie lange er da schon saß, an seinem Wein nippte und den Gästen zuschaute, wie sie sich unterhielten und tanzten, doch nach seinem Gefühl war es eine Ewigkeit. Er fand keinen Gefallen daran, unnütz herumzusitzen, aber er wollte Kate auch nicht stören. Also musste er wohl weiter ausharren.

Doch mit einem Mal verstummten die Gespräche. Ethan sah von seinen Füßen auf. Eine Frau, begleitet von zwei Männern, betrat den Saal. Alle sahen zu ihr hin und fingen an zu tuscheln. Da Ethan sie nicht kannte, was natürlich kein Wunder war, senkte er wieder seinen Blick und starrte seine Schuhe an. Das tat er so lange, bis ein schwarzer Rocksaum in sein Blickfeld geriet. Langsam sah er nach oben.

Der Rock war schwarz und mit dunkelroten Schnörkeln verziert. Das Korsett war ebenfalls so beschaffen, die Arme wurden von Stoff bedeckt. Ihm fiel auf, dass die Frau einen interessanten Ring an ihrer linken Hand trug. Er war schwarz und der Stein, der darin eingefasst war, funkelte rot. Er sah weiter hinauf. Die Frau trug eine Kette, doch der daran befindliche Anhänger war in ihrem Dekollete versteckt. Sie hatte helle Haut, einen schlanken Hals und ein zartes Gesicht. Ihre schwarzen Haare fielen in dunklen und sanften Wellen bis zu ihrer Hüfte hinab. Faszinierend jedoch waren ihre Augen. Sie strahlten in einem unglaublichen Blau. So was hatte Ethan noch nie gesehen.

Als er bemerkte, dass er sie regelrecht anstarrte, senkte er rasch den Blick wieder zu Boden und errötete leicht. Und dabei hatte ihm seine Mutter doch ausdrücklich gesagt, dass er die Gäste nicht anstarren sollte.

„Warum schaut ihr zu Boden, werter Herr?“, fragte sie mit sanfter und glockenheller Stimme. Ihm lief ein Schauer über den Rücken. Diese Stimme war umwerfend.

„Ich… ich…“ Er räusperte sich. „Es ziemt sich nicht, eine Frau so lange anzublicken.“

„Nein? Und wenn ich es Euch gestatten würde?“

„Mit Verlaub, werte Lady, aber selbst dann würde ich es nicht wagen, das Antlitz eines Engels mit meinen Blicken zu beschmutzen.“

Sie fing an zu lachen, was Musik in seinen Ohren war.

„Wie lautet Euer Name?“

Wie es sich gehörte, stand Ethan auf und verneigte sich.

„Ethan Orwell, werte Lady.“

„Es freut mich, Eure Bekanntschaft zu machen. Ich bin Emily Gladstone.“

Sie reichte ihm ihre Hand und er küsste leicht ihren Handrücken. Danach senkte er wieder den Blick.

„Würde es Euch etwas ausmachen, wenn ich Euch bei Eurem Vornamen nenne und mich nicht formell ausdrücke?“

„Natürlich nicht, Lady Gladstone.“

„Bitte, nenne mich Emily.“

„Ich habe nicht den Stand, um Euch so respektlos anzusprechen.“

Sie lachte wieder.

„Würdest du mir die Ehre eines Tanzes erweisen, Ethan?“

„Es tut mir Leid Euch enttäuschen zu müssen, aber ich kann nicht tanzen.“

„Sieh mich bitte an.“

Es dauerte einige Sekunden, bis er den Blick heben konnte. Diese blauen Augen raubten ihm den Atem.

„Bitte, erweise mir diesen Tanz.“

Sie lächelte und hielt ihm ihre Hand hin. Ihre Bitte auszuschlagen, wäre unhöflich gewesen. Außerdem war er sich der Blicke der anderen Gäste gewahr. Würde er nicht annehmen, würde er sie in Verlegenheit bringen, weil er sie abgewiesen hatte. Also nahm er ihre Hand. Sie fühlte sich weich und warm in seiner an.

Langsamen Schrittes führte er sie auf die Tanzfläche. Die Musik setzte gerade wieder ein. Ethan hatte wirklich keine Ahnung, was er jetzt tun sollte. Emily schien es bemerkt zu haben, denn sie trat ganz nah an ihn heran und nahm seine Hände in ihre.

„Du kannst tanzen.“, flüsterte sie. „Lausche der Musik und bewege dich einfach nach deinem Gefühl.“

Sie zeigte ihm die richtige Haltung der Hände und Ethan versuchte sich zu konzentrieren. Dabei runzelte er angestrengt die Stirn und schaute die ganze Zeit auf seine Füße. Ihm wollte einfach nicht mehr einfallen, was er in der Sonntagsschule gelernt hatte.

„Ethan.“, vernahm er sanft ihre Stimme und sah auf. „Sieh nur mich an.“

Er tat es. Zaghaft machte er einen Schritt nach vorne. Er war so in ihre Augen vertieft, dass er gar nicht merkte, dass er tanzte. Er schien in diesen blauen Augen regelrecht zu versinken. Waren seine Schritte am Anfang noch recht unbeholfen, so waren sie jetzt leichtfüßig und er schien durch den Raum zu schweben. Sein einziges Bestreben lag plötzlich darin, Emily in die Augen zu schauen. Er vernahm die Musik nicht mehr und auch die Blicke der anderen Gäste störten ihn nicht. Sie lächelte ihn stetig an, wodurch ihm ganz warm ums Herz wurde. Verliebte er sich etwa gerade? So dumm konnte er doch nicht sein. Emily Gladstone war eine Frau von Adel und er nur ein einfacher Bauer. Nie würde er ihre Gunst gewinnen können. Er war kein Mann von Welt und es gab seiner Meinung nach Männer, die besser aussahen. Sie nahm sich seiner bestimmt nur aus Mitleid an.

Das Musikstück endete. Sie gingen auseinander, verneigten sich und klatschten leicht in die Hände. Damit hatte Ethan getan, was sie von ihm verlangt hatte und wollte wieder zu seinem Stuhl zurück, doch sie hielt ihn zurück.

„Wäre es unhöflich von mir, wenn ich dich um einen weiteren Tanz bitten würde?“

Sie sah ihn vorsichtig, ja sogar zaghaft in die Augen. Ethan lächelte, beflügelt vom dem Glück, welches sie ihm zuteil werden ließ und nahm ihre Hand.

„Ihr könntet mir gegenüber niemals unhöflich erscheinen.“

Und so tanzten sie. Ethan hätte niemals gedacht, dass Paartänze so schön sein konnten. Er kannte nur Gruppentänze, die man auf den Dorffeiern tanzte und selbst da hatte er niemals so viel Spaß gehabt, wie jetzt. Das Tanzen mit Emily war mit nichts zu vergleichen.

Irgendwann waren beide ermattet, da es nicht bei einem Tanz geblieben war und sie verließen die Tanzfläche. Ethan spürte jetzt wieder die Blicke der anderen Gäste auf sich und schämte sich sofort, dass er das Tanzen mit einer Adeligen so sehr genossen hatte. Aufgrund ihres Standesunterschiedes hätte er sie noch nicht einmal ansehen dürfen.

Kaum, dass sie die Tanzfläche verlassen hatten, kamen die Männer, die Emily begleiteten und reichten ihr und Ethan etwas zu trinken. Sie hatten gerade mal einen Schluck ihres Weines getrunken, als Lord Fudge, der Gastgeber, zu ihnen kam und Emily den Handrücken küsste.

„Lady Gladstone.“, gurrte er. „Es ist mir eine Ehre, dass ihr meiner Einladung gefolgt seid. Eure Schönheit erhellt den Saal und macht das Fest glanzvoller.“

Emily kicherte. „Also bitte, Lord Fudge. Ihr schmeichelt mir. Bringt mich doch nicht so in Verlegenheit.“

Ethan seufzte. Damit hatte er wohl seine Gunst bei Emily verloren. Lord Fudge sah gut aus, besaß einen beträchtlichen Reichtum und hatte bessere Umgangsformen. Ethan wollte sich heimlich entfernen, doch Emily hielt ihn zurück.

„Warte bitte, Ethan.“

Er blieb stehen.

„Es war nett, mit Ihnen zu plaudern, Lord Fudge, aber ich muss mich entschuldigen. Sir Orwell hat mich zu einem Spaziergang in Euren prächtigen Garten eingeladen und ich kann ihm dies unmöglich ausschlagen.“

Sie ließ den perplexen Lord Fudge einfach stehen, hakte sich bei dem verblüfften Ethan unter und trat mit ihm auf den Balkon hinaus.

Die Luft hatte sich ein wenig abgekühlt, was Ethan aber nicht weiter störte, weil Emily lieber mit ihm zusammen war, als mit dem Gastgeber. Sie zog den Pöbel dem Adel vor. Er führte Emily über eine Treppe in den Garten, der durch Fackeln in ein sanftes Licht getaucht wurde. Das war auch gut so, denn der halbvolle Mond spendete nicht genug Licht.

Während sie durch die Grünanlage spazierten, folgten ihnen die Begleiter von Emily mit gebührendem Abstand.

„Verzeih bitte, dass ich dich so habe stehen lassen. Und hab Dank, dass du mich aus den Fängen von Lord Fudge gerettet hast.“

„Aus den Fängen? Ist er ein so unangenehmer Zeitgenosse?“

„Ich habe ihn schon des Öfteren auf anderen Festen gesehen. Er versucht immer auf aufdringliche Weise mir den Hof zu machen. Seine Einladung habe ich nur angenommen, weil er mich ausdrücklich darum bat. Und er hat mir die Einladung nicht durch einen Boten geschickt, sondern war persönlich bei mir vorstellig. So konnte ich unmöglich ablehnen.“

„Verzeiht, wenn ich anmaßend bin, aber wäre er nicht eine gute Wahl?“

Emily seufzte. „Ich mag ihn nicht. Er schmückt sich mit Glanz und Gloria. Für ihn sind Frauen nichts weiter als Objekte, mit denen er sich schmückt. Zu solch einer Verbindung würde ich mich niemals einlassen. Ich bin kein Objekt. Außerdem erkenne ich in ihm keine Ehrlichkeit.“

Sie gingen einige Zeit schweigend und gemächlichen Schrittes weiter.

„Bitte, Ethan. Erzähle mir doch etwas über dich. Wo lebst du? Wie ist es mit deiner Familie bestellt? Ich bin neugierig.“

„Ich lebe in einem Vorort von Dover. Mein Vater starb vor einigen Jahren und ich lebe mit meiner Mutter und meinem Bruder auf dem Gut meines Vaters.“

Er musste nicht sagen, dass er zur Arbeiterklasse gehörte. Sein geliehener und abgetragener Frack und seine schwieligen Hände verrieten ihn. Doch Emily verstieß ihn nicht wegen seiner Herkunft. Im Gegenteil. Sie schmiegte sich ein wenig mehr an seine Seite und Ethan errötete.

„Wer ist deine Begleitung?“

„Sie ist eine alte Freundin aus Kindertagen. Eigentlich war sie mit ihrem Mann zu diesem Fest geladen, doch er verletzte sich den Fuß und ich trat an seine Stelle.“

„Ich sollte das eigentlich nicht sagen, aber ich bin froh, dass du deine Freundin begleitet hast und nicht ihr Mann.“

Ethan schluckte, als Emily ihren Kopf an seine Schulter legte. Was sollte er nur tun? Machte Emily ihm gerade wirklich Avancen? Mit so was konnte er nicht umgehen.

Schweigend gingen sie weiter und entfernten sich Stück für Stück vom Haus. Irgendwann blieb Emily stehen und da sie immer noch eng aneinander geschlungen waren, hörte auch Ethan auf zu laufen. Leicht fragend sah er sie an, als sie ihn losließ. Wahrscheinlich würde sie ihn jetzt verlassen. Immerhin hatte sie sich schon viel zu lange mit ihm abgegeben. Zwar war es schade, aber die paar Stunden, die er mit dieser wundervollen Frau verbringen durfte, waren mehr, als er sich je zu träumen gewagt hätte. Ohne ersichtlichen Grund traten ihre Begleiter vor.

„Brandon.“, sagte sie nur. Der dunkelhaarige Mann schoss regelrecht vor und umklammerte Ethan von hinten, sodass er sich nicht mehr bewegen konnte. Er versuchte seine Arme zu befreien, aber der Griff von Brandon war eisern. Durch den Angriff fiel sein Glas zu Boden und der Erboden saugte den Wein gierig auf. Emily leerte ihr Glas und betrachtete Ethan.

„Was hat das zu bedeuten?“, keuchte er.

„Ich mag dich.“, beteuerte sie. „Du bist wie eine Blume, die noch nicht aufgegangen ist. Ich möchte dir helfen, zu erblühen. Ich will, dass du mein wirst.“

Ethan verstand kein Wort.

„Kyle.“

Der blonde Mann trat vor.

„Bitte erweise du Ethan die Ehre.“ Sie lächelte. „Aber sei sanft zu ihm.“

Kyle nickte und kam auf Ethan zu. Mit jedem Schritt veränderten sich seine blauen Augen und wurden plötzlich grün. Sie glühten regelrecht. Und als er den Mund etwas öffnete, ragten zwei spitze Eckezähne hervor. Ethan riss die Augen auf und wand sich. Er wollte nur weg von diesem Ungeheuer. Doch Brandon hatte ihn fest im Griff. Kyle beugte sich herunter und biss Ethan ohne Federlass in den Hals. Ethan schrie schmerzerfüllt auf und spürte, wie das Blut aus seinem Körper gesaugt wurde. Ihm wurde heiß und kalt zugleich. Er versuchte erneut sich zu befreien, aber je mehr er sich bewegte, desto fester wurde der Griff von Brandon.

Ethan hatte Geschichten über Vampire und Hexen gehört, sie aber nie für bare Münze genommen. Wie man sich doch täuschen konnte. Tränen traten ihm in die Augen und liefen ihm über die Wangen. Ein heißer Schmerz wand sich durch seinen Körper. Er hatte das Gefühl, als ob heiße Glut durch sein Blut fließen würde. Er unterdrückte seine Schreie. Sie waren fiel zu weit vom Anwesen entfernt. Niemand würde ihn hören.

Er schloss die Augen und fing an zu beten. Er betete, dass Cain und seine Mutter auch ohne ihn auskommen mögen und dass ihre Trauer nicht zu groß wurde. Er hoffte, dass seine Mutter wieder gesund werde und seine Familie ein erfülltes Leben haben würde. Und er wünschte sich, dass er seinen Vater im Himmel wieder sehen konnte, wenn er starb.

Der Schmerz in seinem Inneren wurde unerträglich, aber er versuchte es wie ein Mann zu tragen. Außerdem hatte er kaum genug Kraft um Schreie ausstoßen zu können.

Ethan öffnete die Augen erst wieder, als Kyle von ihm abließ. Er sah Ethan an, als er sich in sein Handgelenk biss und ihm die blutende Wunde an den Mund presste. Ethan jedoch verschloss seine Lippen. Er wusste, was Kyle vorhatte. Die Geschichten über Vampire schlossen das Verwandeln eines Menschen in ein Geschöpf der Nacht mit ein. Sobald er das Blut trinken würde, würde er selbst zu einem werden. Und das war etwas, was er niemals tun würde. Eher würde er sterben.

„Trink!“, befahl Kyle, doch Ethan schüttelte nur den Kopf, wovon ihm schwindelig wurde. Auch, als Kyle ihm die Nase zuhielt, nahm Ethan den Erstickungstod in Kauf, statt das Blut des Vampirs zu trinken.

„Halte ein, Kyle!“, befahl Emily und trat vor. Kyle gehorchte sofort. „Niemand widersetzt sich mir!“ Emily klang verärgert.

Einen Moment war es still. Ethan wurde nur noch von Brandon aufrecht gehalten. Er hatte keine Kraft mehr um selbstständig stehen zu können. Warum nur dauerte sein Tod so lange? Warum konnte es nicht endlich vorbei sein?

„Kyle. Lass dein Blut in dieses Glas fließen.“

Sie hielt ihm ihr leeres Weinglas hin und er ließ sein Blut aus der Wunde in das Glas fließen. Als das Glas zur Hälfte gefüllt war, nahm sie es unter seinem Handgelenk weg und Kyle leckte sich über seine Wunde. Dann reichte sie ihm das Glas, raffte ihren Rock und zog aus einem Lederband, welches um ihren Oberschenkel gewickelt war, einen Dolch heraus. Sie ließ ihren Rock wieder fallen, schnitt sich ohne zu zögern selbst ins Handgelenk und ließ ihr Blut ebenfalls in das Glas fließen.

Als es gut gefüllt war, nahm sie ihr Handgelenk darüber weg und hielt es Kyle hin. Er blickte sie ehrfürchtig an.

„Ich erteile dir die Erlaubnis.“

„Hab Dank für diese Ehre.“

Er leckte vorsichtig über die Wunde. Ein Schauer lief durch Kyles Körper und er seufzte zufrieden. Als die Blutung gestillt war, tauschte sie ihren Dolch gegen das Glas und ging zu Ethan. Er war kaum noch bei Bewusstsein. Die Schmerzen wurden immer schlimmer und er wimmerte leise. Emily strich ihm einige Strähnen von seiner kaltschweißigen Stirn.

„Wehre dich nicht dagegen.“

Sie hielt ihm das Glas an seine Lippen, doch er presste sie weiterhin fest zusammen. Er war selbst erstaunt darüber, dass er noch so viel Kraft besaß. Ärger huschte über das wunderschöne Gesicht von Emily.

„Widersetzte dich mir nicht! Es nützt dir nichts. Ich bekomme immer, was ich will!“

Sie nahm einen Schluck von dem Blutcocktail und drückte ihre Lippen auf die seine. Ethan war geschockt, da es sein erster Kuss war. Und das von so einer schönen und gleichzeitig grausamen Frau. Diese Erkenntnis schwächte seinen Willen etwas ab und seine Lippen öffneten sich ungewollt ein wenig. Mehr brauchte Emily nicht. Einige Tropfen Blut berührten seine Zunge. Er wollte sie ausspucken, als ihn die Erkenntnis traf, doch Emily hatte zusätzlich eine Hand in seinen Nacken gelegt, damit die Verbindung ihrer Lippen unter gar keinen Umständen unterbrochen wurde. Mit ihrer Zunge öffnete sie seine Lippen weiter und dass Blut rann seine Kehle herab. Es linderte seine Schmerzen schlagartig. Sein Körper gierte nach mehr, aber sein Verstand wollte sich dem verweigern. Doch sein Fleisch war stärker. Er drängte seine Zunge zwischen ihre Lippen und saugte das Blut aus ihrem Mund heraus. Als er nichts mehr von dem wohltuenden Lebenssaft schmecken konnte, löste er sich keuchend von ihr, was ihm diesmal gelang, da auch Emily von ihm abließ. Sie lachte.

„So ist es brav.“

Sie hielt das Glas an seine Lippen und Ethan leerte es willig. Die Reaktion auf das Blut setzte sofort ein, als er den letzten Tropfen aus dem Glas getrunken hatte.

Ethan legte den Kopf in den Nacken und schrie wie noch nie in seinem Leben. Diese Schmerzen schienen ihn zu zerreißen. Das Letzte, was er sah bevor er ohnmächtig wurde, war Emily, wie sie lächelte.
 

Als Ethan erwachte, war es nicht wie das übliche Erwachen. Normalerweise war er nur schwer aus dem Bett zu kriegen und er brauchte einige Zeit, bis er richtig wach war. Doch das hier war völlig anders. Er war hellwach. Er schlug die Augen auf, nur um sie gleich wieder zu schließen. Es war zwar dunkel, aber für seine Augen war es trotzdem zu grell. Seine Sinne reagierten über. Seine Ohren hörten so viele Dinge gleichzeitig, dass er die Geräusche nicht zuordnen konnte. Gerüche, die in der Luft schwirrten, nahm er viel zu intensiv wahr. Der Geruch von Kerzenwachs, Wasser, Schweiß und der Duft von Blumen. Eben diese Gerüche schmeckte er auch auf seiner Zunge. Er spürte Fasern eines Lakens unter sich und Fasern einer Decke über sich. Panisch strampelte er die Decke weg, doch das brachte nicht fiel. Seine Muskeln schmerzten und sein Körper fühlte sich falsch an. Diese Sinneseindrücke waren viel zu intensiv für ihn. Er schrie gellend auf und sank wieder in die Bewusstlosigkeit.
 

Eine Woche verging, ohne dass sich bei Ethan eine Besserung einstellte. Jedes Mal, wenn er aufwachte, schrie er vor Schmerzen auf und driftete wieder in Bewusstlosigkeit, wenn die Schmerzen und auch die Reizüberflutung zu viel für seinen Körper waren. Er flehte, dass der Tod endlich kam, doch er wurde nicht erhört. Des Öfteren hörte er Stimmen im Zimmer oder er spürte die Anwesenheit von Personen. Wenn das geschah, rastete er völlig aus. Er schlug um sich und schrie sich die Seele aus dem Leib. Er konnte es einfach nicht ertragen.

Er hatte in den kurzen Phasen, in denen er wach war, erfasst, dass er in einem pompösen Bett lag. Es war riesig und das Holz des Bettrahmens war mit Schnitzereien verziert. Die Wände in seinem Zimmer waren aus grauem Stein. Fenster vom Boden bis zur hohen Decke waren mit dicken Vorhängen verdeckt. Es befanden sich ein Schreibtisch, ein kleines Bücherregal und eine Waschgelegenheit in dem Zimmer. Außerdem ein Kleiderschrank aus dunklem Holz.

Ethan wusste, dass jemand kam, noch bevor sich die dunkle Holztür öffnete. Er hatte die Schritte schon von weitem vernommen. Er wollte nicht, dass jemand das Zimmer betrat. Er hatte sich endlich soweit im Griff, dass er nicht mehr schrie oder ohnmächtig wurde, wenn er wach war. Andere Personen würden seine eh schon gespannten Nerven überstrapazieren. Doch er konnte sich nicht dagegen wehren. Er hatte einmal versucht aufzustehen, doch er war einfach zu schwach.

Die Tür öffnete sich und Emily betrat den Raum. Er roch Rosen, Schweiß und Seife. Und irgendein anderer Geruch, den er nicht zuordnen konnte. Angst? Erwartung? Hoffnung? Der Geruch kitzelte ihn in der Nase. Es war irritierend, dass er Gefühle riechen konnte. Er hörte ihren Herzschlag und ihre langsame und regelmäßige Atmung. Der Stoff ihres dunkelroten Kleides raschelte, als sie die Tür leise schloss. Ihre Anwesenheit war zu viel für ihn. Er schrie auf und kroch in die Ecke des Bettes, die am Weitesten von ihr entfernt war. Dort machte er sich ganz klein. Er hatte nicht nur angst vor ihr, sondern auch von den ganzen neuen Sinneseindrücken.

„Wie geht es dir?“, fragte sie sanft. Doch für ihn hörte es sich so an, als ob sie neben ihm stehen würde und ihm direkt ins Ohr schrie. Er legte sich die Hände auf die Ohren. Emily lachte und er zuckte zusammen.

„Ich weiß, es ist am Anfang nicht leicht, aber wenn du gelernt hast, damit umzugehen, dann wirst du es lieben.“

Am liebsten hätte er verächtlich gelacht. Sie hatte ihn zu einem Vampir gemacht. Und das sollte er lieben?

„Bitte.“, krächzte er. Seine Stimme war zwar rau, aber sehr melodiös, wie er fand. „Bitte geh!“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich habe hier etwas, was deine Schmerzen lindern wird.“

Ethan sah sie an. Würde sie ihn endlich töten? Bei Gott, er hoffte, dass sie das im Sinn hatte. Doch sie enttäuschte ihn. Statt einem Dolch hielt sie eine Karaffe mit einer dunkelroten Flüssigkeit hoch. Erst jetzt schien Ethan es zu bemerken, dass sie noch etwas in der Hand hatte. Der Geruch von Blut stieg ihm in die Nase. Es war wie Ambrosia. Seine Augen verengten sich und er ließ ein leises Knurren verlauten. Er richtete sich etwas auf und kauerte sich hin. Emily lachte leise.

„Ich wusste, dass dir mein Geschenk gefallen würde.“

Sie ging auf das Bett zu und setzte sich auf die Kante. Ethan krabbelte Eilens über das Bett und riss ihr die Karaffe regelrecht aus den Händen. Er trank wie ein Verdurstender. Einiges lief daneben und tropfte auf seinen nackten Oberkörper, doch das interessierte ihn nicht. Das Blut dämpfte seine verschärften Sinne. Er fühlte sich schon fast wieder wie ein Mensch. Nur mit dem Unterschied, dass er keiner mehr war. Als der die Karaffe geleert und auch die danebengegangen Tropfen abgeleckt hatte, strich er sich mit der Zunge über die Lippen und war sich seiner spitzen Eckzähne gewahr. Es schockierte und beruhigte ihn gleichermaßen.

Emily sah ihn interessiert an. So, als wäre ein besonderes interessantes Tier. Er knurrte.

„Beruhige dich bitte. Ich werde dir nichts tun.“

„Ihr habt mich in einen Vampir verwandelt!“, klagte er sie an.

„Ich gebe dir Recht. Das habe ich getan. Du bist so prachtvoll, dass ich dich in meinen Reihen aufnehmen musste.“

„In Euren Reihe? Seit Ihr auch ein Vampir?“

Sie lachte. „Nein. Ich bin die Beschützerin der dunklen Wesen und deine Herrin.“

„Meine Herrin?“

„Gewiss. Und du bist ein außergewöhnliches Exemplar. Es wird sich sicher bald zeigen, wie außergewöhnlich du bist.“

„Warum gerade ich?“

„Wie ich bereits sagte, ich mag dich. Du hast Besseres verdient, als dein Leben als gewöhnlicher Bauer zu fristen. Daher habe ich beschlossen, dich zu verwandeln. Jeder, der zu mir gehört, lebt ein besseres Leben.“

„Aber warum tatet Ihr es, obwohl ich es nicht wollte? Ich mochte mein Leben als einfacher Mensch. Doch wenn man den Geschichten und Sagen über Vampire Glauben schenken kann, dann bin ich nicht einmal mehr das.“

„Du warst ein armer, einfacher Mann, Ethan. Ich habe dich zu etwas Besserem gemacht.“

„Aber ich war niemanden unterstellt. Niemand hat mich als `Seins´ bezeichnet oder Besitz an mir geltend gemacht. Ihr sagtet doch, dass Ihr meine Herrin seid. Somit bin ich nichts weiter, als euer Diener.“

Er hatte sie verärgert. Früher hätte er so etwas nicht einmal gedacht, doch er hatte sich verändert. Er spürte es. Ein starres Herz ließ auch die wärmsten und nettesten Gefühle erkalten. Er spürte ihre Verärgerung deutlich, konnte sie riechen.

Er wehrte sich nicht gegen ihre Ohrfeige. Er spürte sie kaum.

„Sprich nicht in diesem Ton mit mir! Ich habe dir dieses neue Leben geschenkt, also sei gefälligst dankbar dafür. Denn du solltest nicht vergessen, dass ich es dir genauso leicht wieder nehmen kann.“

Er wollte ihr schon sagen, dass dies sein sehnlichster Wunsch war, doch er schwieg. Wenn sie es wusste, hätte sie etwas gegen ihn in der Hand und würde ihn niemals sterben lassen.

„Verzeiht, dass ich anmaßend war.“ Er senkte ergeben den Kopf.

Ihre Züge wurden weicher und sie streichelte die Wange, die sie geschlagen hatte. Er fühlte, wie eine Eiseskälte seinen Rücken hinauf kroch, als sie ihn berührte, aber er bewegte sich nicht.

„Verzeih mir diesen Ausbruch meines Zornes.“

Er nickte. Sie beugte sich zu ihm und küsste ihn sanft auf die Lippen. Ethan war nicht versiert in solchen Dingen und eigentlich wollte er nicht geküsst werden. Zumindest nicht von ihr. Trotzdem erwiderte er den Kuss. Es war wie ein Drang, dem er unbedingt nachgeben musste. Es fühlte sich einfach gut an. Sie löste sich lächelnd von ihm.

„Ruhe dich noch ein wenig aus. Dein Körper muss sich erst an die Veränderung gewöhnen.“

„Sehr wohl.“

Sie verließ ihn. Ethan streckt sich auf dem Bett aus und bemerkte erst jetzt, dass er nicht nur nackt, sondern auch erigiert war.
 

Nachdem Ethan ihren Rat befolgt und sich ein wenig ausgeruht hatte, stand er einige Stunden später auf. Zum ersten Mal hatte er keine Schmerzen, wenn er sich bewegte. Er spürte, dass er kräftiger war, als zuvor. Frische Kleidung und eine Waschschüssel standen auf der Kommode bereit. Er erlitt einen mittelschweren Schock, als er in den Spiegel sah und sich selbst nicht sehen konnte. Und ihm wurde bewusst, dass er sich nie wieder im Spiegel sehen würde. Bisher brachte ihm das Dasein als Vampir nur Nachteile.

Das Wasser in der Schüssel war zwar kalt, aber es störte ihn nicht. Er spürte die Kälte kaum und zu Hause war das Wasser aus dem Brunnen auch immer kalt gewesen.

Als er an sein zu Hause dachte, seufzte er schwer. Er vermisste seine Familie. Musste er denn zwangsläufig bei Emily bleiben? Konnte er nicht wieder zurück nach Hause? Seine Familie würde seinen neuen Zustand bestimmt verstehen. Und wenn er jetzt wirklich mehr Körperkraft besaß, wäre er zu Hause auch viel nützlicher. Er müsste seine Arbeiten zwar in der Nacht verrichten, aber damit würde er schon klarkommen.

Er zog sich an und verließ seid der Verwandlung zum ersten Mal sein Zimmer. Das Blut, welches er Stunden zuvor getrunken hatte, half ihm, die neuen Sinneseindrücke zu dämpfen, um nicht schreiend vor Schmerzen auf dem Boden zu liegen. Der Flur war dunkel, doch Ethan konnte perfekt sehen. Düstere Bilder hingen an den Wänden. Sie zeigten Tod, Schlachten, Kriege und noch mehr Tod. Er ging nach rechts und stieß bald auf eine steinerne Freitreppe. Als er sie langsam nach unten gegangen war, befand er sich im Foyer des großen Herrenhauses. Alles war groß und imposant. Ihm war aufgefallen dass er sich nicht mehr wie ein Tollpatsch bewegte, sondern geschmeidig wie eine Katze. Es war merkwürdig, aber nicht unangenehm.

Zielstrebig ging er nach links und stieß auf eine dunkle Eichentür. Er wusste, dass Emily sich dahinter befand. Er konnte sie durch die Tür hindurch nicht nur riechen, sondern in gewisser Weise auch spüren. Es war wie eine Art Summen, das durch seinen Körper ging, je mehr er sich ihr nährte.

Er öffnete die Tür und das Bild, was sich ihm dann bot, ließ ihn erstarren. Sie saß an einer langen Tafel und aß. Er roch Fleisch und Gemüse. Neben ihr saß der blonde Vampir, Kyle, wenn er sich nicht irrte. Links und rechts an der Wand standen jeweils viel weitere Männer. Ein Blick genügte und er wusste, dass alle männlichen Personen im Raum Vampire waren. Das konnte er so genau bestimmen, weil er den Tod an ihnen `sehen´ konnte. Emily umgab ein roter, leicht pulsierender Schimmer. Der Schimmer der Männer jedoch war von tiefster Schwärze. Ethan sah auf seine Hand. Sein Schimmer war schwarz und golden. Eine eigenartige Mischung. Doch was wusste er schon?

Emily sah auf. „Ethan. Es ist erfreulich, dass du dein Zimmer verlassen konntest.“

„Verzeiht, wenn ich Euch beim Essen störe.“

„Aber nicht doch. Setzte dich bitte.“

Sie deutete auf den freien Platz neben sich. Ethan nickte und bewegte sich auf den Stuhl zu. Als er sich setzte, war er sich den Blicken der anderen Männer bewusst. Er fragte sich, warum sie stehen mussten. Und warum Kyle als Einziger sitzen durfte.

„Hast du Durst? Möchtest du etwas Blut? Am Anfang ist der Hunger immer groß, aber mit der Zeit wird es weniger.“

„Nein, ich möchte nichts. Aber danke, dass Ihr gefragt habt.“

Sie runzelte leicht die Stirn, sagte aber nichts und nahm weiter ihr Mahl zu sich.

Erst, nachdem sie zu Ende gespeist hatte, verließen die anderen Vampire auf einen Wink von ihr das Esszimmer. Alle gingen, bis auf Kyle.

„Ich spüre, dass du Fragen hast.“

„Wenn es mir erlaubt ist.“

„Bitte.“ Sie nippt an ihrem Wein und sah ihn aufmerksam an.

„Was genau seid Ihr?“

Emily lachte. „So direkt hat mich noch keiner meiner Zöglinge gefragt.“

„Verzeiht, wenn ich Euch verärgert haben sollte.“

„Mit Nichten. Im Gegenteil. Deine offene Art ist erfrischend. Und ich möchte deine Frage gerne beantworten. Ich bin die Wächterin der Vampire. Mein Blut ist die Essenz ihrer Stärke.“

Ethan sah sie fragend an, woraufhin Emily lächelte.

„Vampire sind starke Wesen. Sie können ohne große Anstrengung ein Pferd hochheben. Doch sie haben auch Feinde und da bedarf es etwas mehr Stärke. Denn Werwölfe haben die gleiche Körperkraft wie sie auch. Daher brauchen sie mehr Macht. Diese Macht stelle ich dar. Mein Blut ist kraftvoller, als gewöhnliches Menschenblut. Aus meinem Blut beziehen sie mehr Kraft. Deswegen gebe ich ihnen mein Blut, damit sie die Stärke besitzen, um ihre Feinde besiegen zu können.“

„Werwölfe?“

„Ja. Sie gibt es genauso lange, wie es auch Vampire gibt. Und seitdem bekriegen sie sich auch. Dieser Krieg zieht sich schon seit Jahrhunderten hin. Beide Spezies wollen die alleinige Macht und dulden niemanden, der mit ihnen konkurrieren könnte.“
 

In den nächsten Stunden klärte Emily ihn über Vampire und Werwölfe auf. Sie be- oder widerlegte Mythen und Sagen und gab Ethan so viele Informationen wie nur möglich. Er nahm alles in sich auf. Im Moment war alles noch ein wenig viel, aber wenn er Zeit hatte, würde er sich intensiv mit den Informationen befassen. Immerhin war er jetzt auch ein Vampir und musste anscheinend eine Weile damit leben, dass es nicht ganz einfach war, einen Vampir zu töten. Das schreckte ihn jedoch nicht ab, seinen Tod zu wollen. Emily sagte zwar, dass das Leben als Vampir das Beste war, was einem passieren konnte, aber Ethan war da anderer Meinung. Vampire waren Dämonen, Ausgeburten der Hölle und er wollte nicht als so etwas Unreines auf Erden wandeln.

„Die anderen Vampire, die du gerade gesehen hast, gehören zum Clan. Ich werde sie dir bei Gelegenheit vorstellen. Du wirst dich bestimmt gut mit ihnen verstehen. Und wenn du noch weitere Fragen hast, kannst du sie mir oder Kyle stellen.“

Sie strich dem blonden Vampir zärtlich über den Unterarm. Die Augen von Kyle fingen an zu leuchten.

„Kyle war es, der mich fand, als ich als Wächterin erwachte. Er war der Hüter des Schlüssels. Und seitdem ist er mir ein treuer Freund und Gefährte.“

„Verzeiht meine Unwissenheit, aber was meint Ihr mit Schlüssel und den Umstand des Erwachens?“

„Ich wurde verflucht. Eigentlich war ich nicht dazu erwählt, Wächterin zu werden. Eine Hexe hat mich mit der Seele der Wächterin verflucht. Als ich erwachte, fand Kyle mich. Er hütete den Schlüssel, der zu der Truhe der Wächterin führte. In dieser Truhe sind Tagebücher und Besitztümer einer Wächterin enthalten. Seine Aufgabe war es, mir diesen Schlüssel zu überreichen und nicht mehr von meiner Seite zu weichen. Er führte mich in die Welt der Vampire ein und half mir, die Truhe an mich zu bringen.“

„Wann war es, als Ihr erwachtet?“

„Das passierte im Jahre 1766. Ich zählte gerade 18 Lenze.“

Ethan stockte der Atem. „Verzeiht, aber dies war vor 60 Jahren. Wie kann es sein, dass ihr noch so jung ausseht?“

Emily lachte und erzählte ihm gern alles, was sie über Wächterinnen wusste. Zu diesem Zeitpunkt jedoch verschwieg sie, dass der Wahnsinn sie befallen hatte und dass sie eine Schwester hatte, deren Geisteszustand ähnlich war. Das sollte er erst später erfahren.

Ethan hatte viel gehört und musste diese Umstände erstmal verarbeiten. So wie er das sah, war er an Emily gebunden. Ihm behagte es nicht sehr, da er sie nicht einschätzen konnte. Er wollte nicht irgendjemandes Untertan sein.

„Ich möchte dir aber noch etwas erzählen.“, unterbrach sie seine Gedanken. Ethan sah sie aufmerksam an.

„Du bist nicht wie die anderen im Clan. Dadurch, dass bei deiner Verwandlung auch mein Blut floss, bist du anders geworden. Ich kann es spüren. Und nehmen wir nur mal den Umstand nach deiner Verwandlung. Es ist nicht üblich, dass sich Vampire so lange durch die Veränderung ihres Körpers quälen. Sie brauchen meist nur eine Nacht, bis sie sich an ihren neuen Körper gewöhnt haben. Du hast jedoch eine ganze Woche gebraucht. Ebenfalls ist es verwunderlich, dass du nicht nach mehr Blut verlangst. Im ersten Monat trinken Vampire fast täglich und sind in ihrem Durst unstillbar. Du jedoch scheinst nicht das Bedürfnis nach Nahrung zu verspüren. Könntest du dich verwandeln? Vielleicht sind dann Andersartigkeiten zu erkennen.“

„Verwandeln?“

„Kyle. Sei so gut und erkläre es ihm.“

Ohne Widerworte erzählte er Ethan, was Emily gemeint hatte. Er wusste, worauf Kyle anspielte. Er meinte die Veränderung, die er gespürt hatte, als der das Blut getrunken hatte. Ihm war nicht klar, dass man das auch willentlich hervorrufen konnte.

Er konzentrierte sich. Er spürte, wie er sich veränderte. Seine Muskeln spannten sich an und seine Eckzähne verlängerten sich.

„Faszinierend.“, rief Emily ehrfürchtig aus. „Vor ein paar Stunden, als ich dir das Blut brachte, war es im Zimmer zu dunkel, als dass ich deine Veränderung bemerkt hätte.“

„Was ist passiert?“

„In der Regel bekommen Vampire grüne Augen, wenn sie sich verwandeln. Deine jedoch sind golden. Es ist erstaunlich.“

Ethan entspannte sich wieder und machte so seine Verwandlung rückgängig. Er wollte sie nach dem Schimmer fragen, den er an den Personen sehen konnte, doch er hatte eine dringendere Frage.

„Was ist mit meiner Familie? Kann ich zu ihnen zurück?“

„Nein.“ Emily klang entschlossen. „Das ist leider nicht mehr möglich. Du bist nicht mehr Teil ihres Lebens. Du bist kein richtiger Mensch mehr. Sie können dir nicht das geben, was ich dir geben kann. Außerdem würden sie es nicht verstehen.“

Ethan schluckte. „Kann ich… kann ich mich wenigstens von ihnen verabschieden? Bitte räumt mir diese Möglichkeit ein.“

Sie schwieg einen Moment und dachte nach.

„Eigentlich ist mir bei diesem Gedanken nicht ganz wohl, aber ich denke, ich muss dir diesen Wunsch gewähren. Aber nur, wenn du versprichst, dich an mich zu binden.“

„Ich schwöre es bei meinem Tod.“ Ihm war alles recht, so lange er seine Familie noch einmal sehen konnte.

Emily lachte. „Eine weise Wortwahl. Und so treffend. Es ist noch Tag, daher ist es dir nicht möglich mein Haus zu verlassen. Aber sobald die Sonne der Nacht gewichen ist, werden wir deine Familie besuchen.“

„Ihr wollt mich begleiten?“

„Gewiss.“

Ethan fand das merkwürdig, aber er würde sein Missfallen darüber nicht zum Ausdruck bringen.
 

Die Stunden, die Ethan warten musste bis die Sonne untergegangen war, vertrieb er sich damit, das Haus zu erkunden. Er zählte 12 Schlafzimmer, 3 Gästezimmer, eine große Küche, die Schlafzimmer der Dienstboten, 3 Speisesäle und einen Ballsaal. Er fragte sich wirklich, wie Emily solch ein Anwesen als Frau ihr eigen nennen konnte. Sie sagte zwar, dass ihr Vater reich war und sie nach seinem Tod sein Vermögen geerbt hatte, aber konnte es wirklich so eine beträchtliche Summe gewesen sein?

Als er sich mit dem Haus vertraut gemacht hatte, ging er wieder in sein Zimmer. Interessiert musterte er die Bücher in dem Bücherregal. Er hatte in der Sonntagsschule Lesen, Schreiben und auch Rechnen gelernt, aber da seine Familie kein Geld hatte, konnten sie sich keine Bücher leisten und somit hatte er es nie gelernt, flüssig zu lesen. Da er jetzt eine Weile länger leben würde und bei vornehmen Leuten wohnte, sollte er den Makel des schlechten Lesens ausmerzen.

Er nahm sich einen Folianten aus dem Regal, setzte sich aufs Bett und begann zu lesen. Er zündete eine Kerze an, damit er es gemütlicher hatte. Er brauchte nicht zwingend Licht, um lesen zu können. Er sah auch in vollkommener Dunkelheit.

Wie es sich herausstellte, war es eine Abenteuergeschichte. Die hatte er schon immer geliebt. Erstaunt bemerkte er, dass er auf einmal flüssig lesen konnte. Er las einige Seiten laut und geriet nicht ein einziges Mal ins Stocken. Lag es an seinem Dasein als Vampir, dass er kein dummer Bauernbengel mehr war?

Doch bevor er sich weiter darüber Gedanken machen konnte, klopfte es an der Tür.

„Herein.“, sagte er und die Tür öffnete sich. Ein junges Mädchen betrat sein Zimmer. Sie trug die Kleidung einer Bediensteten. Ihr braunes Haar hatte sie unter einer Haube versteckt. Sie war blass und sah ausgemergelt aus. In der Hand hatte sie ein Tablett, worauf sich ein leeres Glas und eine Karaffe gefüllt mit Blut befanden. Sie machte einen Knicks.

„Lady Gladstone bat mich, Euch dies hier zu reichen. Wo soll ich es für Euch anrichten?“

Ihre Stimme zitterte ein wenig und er konnte förmlich ihre Angst riechen. Ihm würde es wahrscheinlich auch so ergehen, wenn er als Mensch einen Vampir bedienen musste. Einen Moment war er verwirrt. Er hatte zwar schon oft mit Bediensteten verschiedener Adelshäuser geredet, aber er befand sich dabei nie in der Position eines Höhergestellten. Er sah sich um.

„Stelle es bitte auf den Nachttisch.“

Sie machte wieder einen Knicks und kam seiner Bitte nach. Sie füllte das Glas mit der dunkelroten Flüssigkeit und entfernte sich wieder.

Eigentlich verspürte er nicht das Bedürfnis zu trinken, tat es dann aber doch, weil er es als unhöflich empfand, es nicht zu tun. Das Blut schmeckte köstlich, wobei es sich vom Geschmack seiner vorherigen Mahlzeit unterschied. Seine erste Mahlzeit schmeckte etwas bitter. Dieses Blut hier war süßer und irgendwie blumiger.

Er spürte, wie sich sein Körper durch das Blut erwärmte. Ein angenehmes Gefühl.
 

Kurze Zeit später kam Kyle und holte ihn ab. Im Foyer wartete auch schon Emily. Sie trug einen schwarzen Umhang, der bis zum Boden reichte. Die Kapuze hatte sie sich über den Kopf geworfen und war fast nicht zu erkennen. Neben ihr standen Brandon und ein weiterer Vampir, mit schwarzen, lockigen Haaren und braunen Augen. Kyle stellte ihn als Nigel vor.

Gemeinsam gingen sie nach draußen. Ein Stallbursche hatte eine Kutsche und zwei Pferde bereitgestellt. Nigel und Brandon bestiegen die Pferde, während Kyle die Zügel der Kutschpferde in die Hand nahm. Emily und Ethan setzten sich in die Kutsche. Ethan empfand es als ein bisschen sehr viel Aufwand. Er wollte sich doch nur von seiner Familie verabschieden.

Er wollte seiner Mutter sagen, dass er bei Lady Gladstone Anstellung gefunden hatte und von nun an bei ihr leben würde. Trotzdem würde er seiner Familie monatlich Geld schicken, damit sie über die Runden kamen. Dass er diese Lüge umsonst gesponnen hatte, war ihm bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar gewesen.

Die Fahrt dauerte nicht sehr lange. Die Kutsche hielt und Kyle öffnete die Tür. Ein komisches Gefühl beschlich Ethan, als er aus der Kutsche stieg. Es war zwar schön wieder zu Hause zu sein, aber irgendwas stimmte hier nicht. Doch das bildete er sich wahrscheinlich nur ein. Seit er ein Vampir war, nahm er vieles anders war. Wahrscheinlich war dies der Grund, dass er hinter jeder Ecke etwas Böses vermutete. Das hier war sein zu Hause. Ein ruhiger und fröhlicher Ort.

Ungeachtet seiner Begleiter, machte er die Tür des Hauses auf. Doch kaum, dass er einen Schritt ins Innere gewagt hatte, erstarrte er. Das Bild, was sich ihm da bot, würde er auf Lebzeiten nicht mehr vergessen.

Überall war Blut. An den Wänden, auf dem Boden und auf den Einrichtungsgegenständen. Die Bänke, die um den Esstisch gestanden hatten, waren umgekippt. Auf dem Tisch selbst lag seine Mutter. Zumindest das, was noch von ihr übrig war. Arme und Beine waren nicht zu sehen. Ihr Kopf lag abgetrennt etwas entfernt von ihrem Torso. Die linke Gesichtshälfte fehlte und ihr rechtes Auge hing nur noch an einer fleischigen Sehne. Das entstellte Gesicht war ihm zugewandt. Der Torso war aufgerissen. Die Gedärme lagen auf und unter dem Tisch oder baumelten über der Tischkante. Neben seiner Mutter auf dem Tisch saß ein Mädchen. Sie schien jünger als er selbst zu sein. Sie hatte kurzes, schwarzes Haar und dunkle Augen. Sie trug ein braunes, kurzes Kleid. Sie grinste Ethan an und hielt etwas Blutiges in der Hand, aber er konnte nicht erkennen, was es war.

Sein Blick schweifte weiter und er sah zwei Männer, die am brennenden Kamin standen. Durch das Feuer konnte er sehen, dass beide stattlich gekleidet waren und adelig aussahen. Zu den Füßen der Frau saß ein weißer Wolf. Als Ethan ihn ansah, richtete er sich auf. Er stand nicht auf vier, sondern auf zwei Beinen, wie ein Mensch. Er war bestimmt zwei Meter groß. Seine Augen waren blau und strahlten eine gewisse Intelligenz aus. Sein weißes Fell war durch das Blut seiner Mutter rot gefärbt. Er zeigte seine messerscharfen Zähne und knurrte leise.

Ethan wollte schreien, aber da trat Emily mit ihrem Gefolge ein. Sie blickte sich kurz und distanziert um und wandte sich dann an das Mädchen.

„Musste das sein?“

Das Mädchen zuckte mit den Schultern.

„Ich habe meinen Liebling nicht dazu veranlasst es zu tun. Es war sein eigener Antrieb, der ihn leitete.“

Der weiße Wolf stupste das Mädchen an und sie streichelte seinen Kopf.

„Du hättest es verhindern können, Eve.“

„Warum sollte ich das tun, Schwester? Diese Frau bedeutete mir nichts.“

Ethan keuchte. Das war Eve, die Schwester von Emily? Warum war sie hier? Was hatte das alles zu bedeuten?“

„Was tust du hier, Eve?“

„Ich bin auf der Durchreise und wollte mir nur ein bisschen die Stadt ansehen.“

„Und hast du etwas Schönes entdeckt?“

„Gewiss.“

Sie kraulte den Werwolf hinter den Ohren.

„Du weißt doch, dass ich immer etwas finde, was mir gefällt.“

„Warum?“, flüsterte Ethan. „Warum habt ihr meiner Mutter das angetan?“

Er wollte weinen, aber keine Flüssigkeit trat aus seinen Augen. Es war, als ob er innerlich vertrocknet wäre. Eve zuckte abermals die Schultern.

„Das musst du nicht mich fragen, sondern ihn.“

Sie deutete auf den weißen Werwolf, woraufhin dieser bedrohlich knurrte.

„Du solltest dich wieder verwandeln. Sie sind Vampire. Sie verstehen dich in dieser Form nicht, Liebling. Du bist noch nicht lange genug ein Werwolf, um in deiner Tiergestalt sprechen zu können.“

Der Werwolf nickte und trat einen Schritt zurück. Sein Kopf fiel in den Nacken und er stimmte ein furchtbares Geheul an. Knochen knackten und der Werwolf veränderte sich. Die Ohren wurden kleiner, wie auch seine Schnauze und seine Zähne. Die Haare seines Fells rieselten zu Boden und auch sein Körper schrumpfte. Der Mann, der vor ihnen stand, war nackt. Seine Haut war an einigen Stellen rot von dem Blut und es klebte noch etwas Fell daran. Er schüttelte sein braunes, kurzes Haar und hellbraune Augen sahen Ethan kalt an.

„Cain?“, flüsterte er.

„Hallo, Bruder.“

Eve kicherte. Emily schien weniger amüsiert.

„Was soll das Eve? Warum hast du seinen Bruder in einen Werwolf verwandelt?“

„Warum sollte ich nicht das Recht dazu haben? Du hast Ethan zu einen von deinen untoten Monstern gemacht. Daher nahm ich es mir heraus, Cain zu meinem Schützling zu machen. Außerdem hättest du es dir doch denken kennen. Warum sonst bist du persönlich hier erschienen?“ Sie kicherte wieder. „Wir beide wurden durch das Schicksal getrennt und zu Feinden gemacht. Warum sollten nicht auch diese Brüder vom Schicksal geschlagen werden?“

Das brachte für Ethan das Fass zum Überlaufen. Waren sie nur Spielzeuge, die von den Geschwistern Gladstone geschaffen wurden, um sich an ihnen zu ergötzen?

Er verwandelte sich und wollte sich auf Eve stürzen, aber bevor er auch nur einen Schritt machen konnte, wurde er von Kyle gepackt.

„Lass mich los!“, schrie Ethan ihn an. Eve kicherte wieder.

„Du hast dein Spielzeug aber nicht sehr gut unter Kontrolle, Em.“

„Das lass ganz meine Sorge sein.“

„WARUM?“, schrie Ethan seinen Bruder an und wehrte sich weiter gegen den Griff von Kyle.

„Das fragst du noch? Es ist deine Schuld, dass Mutter sterben musste. Du bist vom Ball nicht wieder heimgekehrt. Mutter hatte sich schreckliche Sorgen gemacht. Auch Kate konnte sich das nicht erklären. Sie sagte, dass du mit einer Dame von Adel das Anwesen verlassen hast. Mutter drängte mich, dass ich dich finden solle. Also habe ich mich in der Stadt herumgefragt und erfahren, dass du mit Lady Gladstone zusammen warst. Doch statt Emily, fand ich Eve. Ich erzählte ihr, was passiert war und fragte sie ob du dich bei ihr aufhalten würdest. Sie verneinte. Als ich mich wieder auf den Weg machen wollte, griff mich auf ihren Befehl hin einer der Werwölfe an und machte mich selbst zu einem. In gewisser Weise muss ich dir auch danken, Eth, denn ich bin jetzt stärker und mächtiger denn je.“

Emily nickte zustimmend, obwohl Cain gar nicht mit ihr geredet hatte.

„Du wusstest, dass ich Ethan zu einem Vampire gemacht habe.“ Sie sah ihre Schwester an.

„Es war offensichtlich. Und da Ethan nicht alleine mächtig und unsterblich sein sollte, ließ ich Cain diese Ehre auf meine Weise zuteil werden.“

Ethan jedoch interessierte das alles nicht.

„Warum hast du Mutter getötet?“

„Weil sie mich nicht in Ruhe gelassen hat. Ständig fragte sie nach dir. Außerdem, wir hätten sie beide überlebt. Sie war sterblich und musste irgendwann sterben. Und so konnte ich ihr den Tod durch Krankheit ersparen.“

„Du hast sie grausam ermordet!“, klagte Ethan ihn an.

„Vielleicht. Sie hatte es verdient.“

„Sie war unsere Mutter! Sie hat dich geliebt. Wie konntest du ihr das antun?!?“

„Immer hieß es nur Ethan, Ethan, Ethan. Seid du weg warst, hatte sie kein anderes Thema mehr. Ich musste sie dafür bestrafen.“

„Du Monster!“

„Nein, Eth. Wir beide sind Monster. Sieh es ein, dass wir beide Menschen töten werden, um überleben zu können! Du bist keinen Deut besser als ich!“ Er knurrte. „Ich möchte dir noch eine letzte brüderliche Geste zuteil werden lassen.“

Er nahm das blutige Etwas aus den Händen von Eve.

„Dies ist das Herz unserer Mutter.“

Ohne große Kraftanstrengungen riss er es in zwei Hälften und warf eine davon Ethan zu. Er fing sie auf.

„Von nun an sind wir Feinde, Eth. Wenn ich dich das nächste Mal sehe, scheue ich mich nicht, dich zu töten. Leb wohl.“

Er reichte Eve die Hand und half ihr, vom Tisch zu kommen.

„Leb wohl, Schwester.“, sagte sie noch, als sie an Emily und den anderen vorbei nach draußen ging.

Ethan stand regungslos da, die Herzhälfte an seine Brust gedrückt und trauerte. Er konnte nicht weinen, zumindest nicht äußerlich. Sein Herz wurde starr.
 

Er wusste nicht, wie er zurück zum Anwesen von Emily gekommen war. Es war ihm auch egal gewesen. Die Herzhälfte legte er in Alkohol, damit sie nicht verweste. Man wusch Ethan und brachte ihn zu Bett. Es war zu nichts mehr fähig gewesen. Er wollte nur noch den endgültigen Tod. Früher hatte er sich davor gefürchtet, doch diese Furcht erschien ihm plötzlich irrational. Er hatte nichts mehr. Seine Eltern waren tot und seinen Bruder hasste er und wollte ihn tot sehen. Es war einfach nicht fair.

Irgendwann öffnete sich die Tür und Emily trat ein. Sie trug nichts weiter als ihr Unterkleid. Sie fragte nicht, wie es ihm ging oder sagte tröstende Worte. Sie legte sich zu ihm ins Bett und küsste ihn. Während des Kusses entkleidete sie ihn.

Das war sein erstes Mal gewesen und er hätte am liebsten nur geweint.
 

50 Jahre gingen ins Land.

Ethan lebte sich gut in der Gemeinschaft des Clans ein. So mehr oder weniger zumindest. Seid der Nacht, in der Cain ihre Mutter getötet hatte, hatte er sich immer mehr zurückgezogen und wurde zum stillen Einzelgänger. Er lachte so gut wie nicht mehr und sprach nur, wenn es unbedingt notwendig war. Nichts war mehr von dem lebensfrohen, höflichen jungen Mann geblieben, der tollpatschig und mit einem Lächeln auf den Lippen durchs Leben ging.

Mit Kyle hatte er sich ein wenig angefreundet, da beide immer zusammen trainierten und er war es auch, der Ethan alles Grundlegende beibrachte.

Emily war verrückt. Das hatte er bald bemerkt. Und sie war eine Hure. Sie schlief nicht nur mit ihm, sondern auch mit jedem anderen Vampir im Clan. Sie hatte keine speziellen Vorlieben für irgendwen und niemand schien sich daran zu stören, dass sie die Vampire nur benutzte. Als Ethan sie einmal abwies, verließ sie kommentarlos sein Zimmer und vollführte den Beischlaf mit jemand anderen. Sie war in diesem Punkt nicht wählerisch.

Ethan liebe und hasste sie gleichermaßen.

Er liebte sie, weil sie ihm ein zu Hause gab und es ihm an nichts fehlte. Sie schützte ihn so gut sie konnte und tröstete ihn mit ihrer Wärme und ihrem Lächeln. Sie war ihm eine Freundin und gab ihm Halt.

Doch er hasste sie auch, weil sie es war, die ihn in das Leben eines Vampirs gestoßen hatte. Dadurch wurde Cain sein Feind und sein Bruder brachte seine Mutter um. Bald schon fand er heraus, dass Emily wusste, was seine Schwester getan hatte. Deswegen hatte sie ihn auch begleitet, als er seine Mutter besuchen wollte. Wäre er alleine dorthin gegangen, hätte man ihn getötet. Außerdem hasste er es, dass Emily mit jedem das Bett teilte und die Vampire sich wie einen Harem hielt. Manchmal war ihr Wahnsinn so stark ausgeprägt, dass es kaum auszuhalten war. An solchen Tagen wählte sie sich ein Opfer unter den Vampiren und peitschte ihn aus oder folterte ihn auf andere Art und Weise. Meist wurde Ethan diese Ehre zuteil, weil er nicht so folgsam war, wie die anderen. Wenn es ihm zu viel wurde, verreiste er für ein oder zwei Wochen ohne sich zu verabschieden. Dies machte Emily immer besonders wütend. Denn Ethan war etwas Besonderes gewesen.

Vampire konnten nur in der Nacht wandeln. Ein Sonnenstrahl und sie bekamen einen heftigen Sonnenbrand. Setzten sie sich weiter der Sonne aus, verbrannte die Haut und sie wurde nekrotisch. Ethan konnte die Morgen- und Abenddämmerung ertragen, was normalerweise nicht üblich war. Außerdem konnte er Gefühle von Personen spüren. Wenn jemand fröhlich war, kribbelte es in seiner Wirbelsäule. War jemand traurig, dann wurde ihm kalt. Wahrscheinlich lag es an dem Blut von Emily. Ihm war das ziemlich egal, doch Emily und Kyle interessierten sich sehr dafür.

Da es auffiel, dass Emily und ihr Gefolge nicht alterten, zogen sie öfters um.
 

Zurzeit lebten sie in Winchester, im Elternhaus von Emily, um genau zu sein. Jahrzehnte lang lebten sie in Frieden, doch wenn Wächterinnen geboren waren, kam es immer zwangsläufig zu einem Kampf. So wie auch dieses Mal.

Kaum, dass sie sich in Winchester niedergelassen hatten, kamen auch schon die Probleme. Emily lag bei Ethan im Bett. Sie ruhten sich gerade von gewissen Aktivitäten aus, als Kyle ins Zimmer gestürmt kam.

„Emily! Zieh dich an! Wir müssen dich in Sicherheit bringen. Die Werwölfe sind hier!“

Kaum, dass er das gesagt hatte, erklagen auch schon die ersten Schreie. Schnell zogen sie sich an und rannten nach unten. Kyle und Ethan blieben bei Emily und schützen sie so gut sie konnten. Doch die Werwölfe waren in der Überzahl. Emily versuchte so vielen Vampiren wie möglich ihr Blut zu geben, damit sie stärker wurden, doch nur Kyle und Ethan bekamen etwas davon ab. Dadurch konnten sie sich verteidigen und auch Emily schützen, doch der Rest des Clans hatte weniger Glück und wurde gnadenlos von den Werwölfen gerissen. Doch sie gaben nicht kampflos auf und schickten auch einige der Werwölfe in den Tod. Sobald Ethan seinen Bruder erblickt hatte, vergaß er Emily und griff seinen Bruder an. Doch sie konnten ihren Kampf nicht zu Ende führen, denn auch Emily und Eve hatten sich in einen Kampf verwickelt. Beide stießen sich gegenseitig die Dolche der Wächterin in die Brust. Ethan rannte zu Emily, sowie auch Cain zu Eve.

„Em.“, flüsterte er. „Stirb nicht!“

„Ethan.“ Sie lächelte und spuckte Blut. „Verzeih mir… dass ich dich… deines Lebens beraubt… habe. Ich liebe dich… mein-“ Sie konnte ihren Satz nicht mehr zu Ende führen, da ihr Körper in seinen Armen leblos wurde. Er schrie auf. So durfte es nicht enden. Er wollte nicht, dass sie starb. Er wollte sie selbst töten. Er wollte ihr all seinen Hass entgegenschleudern und sie gleichzeitig in den Armen halten.

Auch Cain schrie auf, als Eve ihr Leben genau im selben Moment aushauchte, wie Emily. Tränen benetzten sein weißes Fell.

„Dafür werde ich mich rächen!“, schrie er seinen Bruder an und verschwand mit der Leiche von Eve.

Der Kampf war vorbei. Kyle nahm Emily den Ring, den Dolch und den Schlüssel ab und verschwand. Kurze Zeit später kam er mit einer Truhe wieder.

„Wir sollten Emily begraben.“, sagte er mit gebrochener Stimme.

Doch statt zu gehen, blieben sie, wo sie waren und sahen zu, wie das Anwesen nieder brannte. Durch den Kampf waren Kerzen umgekippt und hatten brennbare Gegenstände, wie die Vorhänge oder den Teppich entzündet. Doch das Feuer erregte die Aufmerksamkeit der Bewohner der Stadt und sie verschwanden mit der Leiche.

Sie begruben Emily und die Truhe unter einem Rosenbusch. Sie liebte Rosen sehr und hätte es sicher so gewollt. Kyle und Ethan wünschten ihr Frieden.

„Was hast du jetzt vor, Ethan?“

„Ich weiß noch nicht.“

„Ich werde mich meiner Aufgabe wieder annehmen und zum Hüter des Schlüssels werden. Schon bald wird die neue Wächterin erwachen. Willst du mich begleiten?“

„Nein.“

„Aus welchem Grund?“

„Ich will einfach nichts mehr mit Wächterinnen zu tun haben.“

„Ich verstehe. Dann wünsche ich dir weiterhin viel Glück.“

Ethan nickte und war verschwunden.
 

Er reiste allein durch England und fand sich irgendwann auf einem Schiff zum Festland wieder. Dort begegnete er Rowen zum ersten Mal. Doch er interessierte sich nicht für andere Vampire. Er wollte durch Einsamkeit seiner Trauer Tribut zollen. Vielleicht würde ihn das irgendwann ja umbringen.

Er bereiste viele Länder. Deutschland, die Schweiz, Österreich, Frankreich, Italien und auch Spanien.

Der Kalender schrieb das Jahr 1950, als er Rowen wieder begegnete. Er lebte zu dieser Zeit in Spanien. Er besaß ein Haus und einige Angestellte. In seiner Zeit auf Reisen hatte er mal hier und mal dort gearbeitet und ziemlich viel Geld angehäuft, da er es nicht für Lebensmittel ausgeben musste. Und der Umstand, dass er seine Opfer, die er tötete, beklaute, sicherte ihm ein gutes Leben.
 

Ethan saß auf der Terrasse seines Hauses und genoss die laue Sommernacht, als Maria, seine Bedienstete, ankündigte, dass ein gewisser Rowen Hayford ihn zu sprechen wünschte. Ethan war diesem Besuch nicht abgeneigt. Es war lange her, dass er einem Landsmann begegnet war.

„Ethan Orwell. Es freut mich, dich wieder zu sehen.“, begrüßte Rowen ihn und setzte sich.

„Rowen. Ich hätte niemals erwartet, dich je wieder zu sehen.“

Es war angenehm, endlich mal wieder englisch zu sprechen. Vampire hatten keine Probleme damit neue Sprachen zu lernen. Doch es gab kaum jemanden, der englisch mit ihm sprach.

„Wie ist es dir ergangen? Seid der Überfahrt auf das Festland haben wir uns nicht mehr gesehen.“

„Ich bin viel gereist. Aber warte einen Moment. Maria?!“

Sie folgte seinem Ruf und trat nach draußen.

„Serviere Tee.“

Sie nickte und verschwand. Während sie warteten, genossen sie den Ausblick. Der Garten war mit verschiedenen Blumen bepflanzt und durch den Gärtner von Ethan sah er gepflegt aus.

Bald darauf brachte Maria den Tee. Rowen schnupperte an der Tasse.

„Earl Grey? Wie kommst du zu solch einem Gut? Seid ich England verlassen habe, habe ich keinen englischen Tee mehr getrunken.“

„Beziehungen.“, antworte Ethan knapp.

„Allein dafür hat es sich gelohnt, dich zu besuchen.“ Rowen trank lächelnd seinen Tee. „Ah… wirklich vorzüglich. Das weckt Erinnerungen an vergangene Zeiten.“

„Warum bist du hier?“

„Sagte ich das nicht? Ich habe erfahren, dass du hier wohnst und wollte dich besuchen.“

Seid Ethan ein Vampir war, war er misstrauisch gewesen und er kaufte Rowen diese Lüge nicht ab.

„Verschwende nicht meine Zeit. Ich bin nicht in Stimmung für deine Lügen.“

Rowen seufzte. „Du hast mich durchschaut. Vortrefflich. Es stimmt. Ich komme mit einer besonderen Bitte zu dir. Bist du mit dem Thema der Wächterinnen bewandert?“

Ethan schwieg. Natürlich wusste er alles, was es über Wächterinnen zu wissen gab, aber das würde er Rowen sicher nicht erzählen. Er wollte damit nichts zu tun haben.

„Nein.“, sagte er schlicht.

„Nein? Wirklich nicht? Nun. Ich habe herausgefunden, dass eine Wächterin Vampire vor Werwölfen schützt. Und dass es einen Schlüssel gibt, den die Wächterin erhält und dieser Schlüssel eine Truhe öffnet, der Aufschluss über die Wächterin gibt.“

Das war ja nicht sehr viel, was auch besser so war. Ethan wollte wirklich einen großen Bogen um dieses Thema machen.

„Und was habe ich damit zu tun?“

„Ich wollte dich bitten, mir bei der Suche der Wächterin zu helfen.“

„Nein!“

„Warum nicht?“

„Das ist doch alles an den Haaren herbeigezogen. So etwas gibt es nicht. Ich jage keinen Mythen hinterher.“

Seit Emily war er Wächterinnen aus dem Weg gegangen. Immer, wenn eine Wächterin in dem Land erwachte, in dem er sich gerade befand, reiste er weiter und brachte soviel Abstand wie nur möglich zwischen ihnen. Er hatte nämlich den Drang, die Wächterinnen zu treffen. Doch er musste dieses Bedürfnis unterdrücken, da er die Wächterinnen wahrscheinlich getötet hätte. Er hasste sie. Einmal hatte er eine getroffen. Und das war der größte Fehler überhaupt gewesen. Denn dieses Mädchen war keine individuelle Person, sondern Emily höchstpersönlich. Es war, als ob sie nie gestorben wäre. Sie sah zwar anders aus, hatte aber den gleichen Charakter und denselben Wahnsinn wie seine Emily. Das schlimmste war jedoch, dass sie sich an ihn erinnerte. Sie wusste, wie er hieß, wie er zum Vampir geworden war und einige andere Dinge, die nur Emily wissen konnte. Ohne zu zögern brachte er sie um. Seitdem mied er diese Frauen. Daher würde er sich nicht mit Rowen verbünden, um gerade Wächterinnen zu finden.

„Aber wäre es nicht interessant herauszufinden, ob es wirklich ein Mythos ist oder vielleicht doch der Realität entspricht?“

„Nein. Frag jemand anderen.“

Rowen seufzte und trank schweigend seinen Tee.

Doch Ethan änderte seine Meinung ganz schnell, als eine Welle der Übelkeit durch seinen Körper ging. Verdammt! Dadurch, dass das Blut einer Wächterin mitverantwortlich für sein Dasein als Vampir war, spürte er unweigerlich, wenn eine Wächterin erwachte. Und genau das passierte gerade in diesem Augenblick.

Rowen schien es nicht zu bemerken, aber Ethan würde es immer spüren. Jetzt war schnelles Handeln gefragt. Wenn Rowen sich wirklich auf die Suche nach einer Wächterin machte - wovon er ausging – würde diese Frau genauso wie alle anderen mit der Seele Emilys bestraft sein. Unweigerlich würde Rowen dann herausfinden, in welcher Beziehung Ethan zu den Wächterinnen stand. Doch dies war sein dunkles Geheimnis. Er musste unter allen Umständen verhindern, dass Rowen das herausfand. Warum nur war ihm dies nicht schon früher klar geworden? Wenn er Rowen begleitete, konnte er verhindern, dass der Vampir etwas fand. Er würde seine Suche sabotieren und konnte so sein Geheimnis wahren.

„Also gut.“, sagte er und Rowen blickte auf. „Ich habe darüber nachgedacht und werde dich begleiten.“

„Wirklich?“

„Ja. Morgen Nacht brechen wir auf.“

„Und wohin?“

„Vielleicht nach Frankreich. Dort ranken sich viele Mythen.“

Rowen lächelte und der Pakt war besiegelt.
 

So wurden die beiden nicht nur zu Reisegefährten, sondern auch zu Freunden. Sie reisten durch die Länder und Ethan sabotierte Rowen, wo er nur konnte.

5 Jahre später reisten sie nach Asien. Weitere 15 Jahre verstrichen, bis Rowen und Ethan auf Hunter, Jay und Hawk trafen. Ethan hasste diesen Umstand. So viele Vampire auf einmal versetzten ihn in die Zeit zurück, als er noch bei dem Clan von Emily lebte. Außerdem hatte man nie seine Ruhe.

Das veranlasste ihn, sich etwas abzusetzen und er reiste 1979 nach China und traf auf Chris. Sie war die Erste und Einzige, die er in einen Vampir verwandelte. Er fand es eigentlich grausam, Menschen in solche Monster zu verwandeln. Doch Chris war ein besonderer Fall. Es war ihr Schmerz, der ihn zu ihr geführt hatte. Und sie hatte keine Einwände gehabt, also hatte er sich hinreißen lassen. Doch der Umstand, dass Chris durch sein Blut sein ganzes Leben in sich aufnahm, hinderte ihn daran, weitere Zöglinge zu schaffen. Es reichte, dass sie wusste, was mit ihm passiert war. Andere sollten das nie erfahren. Als eine Wächterin in Asien erwachte, half Ethan, dass sie aufgrund mysteriöser Umstände verstarb. Doch er konnte seinem Schicksal nicht ewig entfliehen.

Eines Nachts, er war auf der Jagd, spürte er die Anwesenheit einer vertrauten Person in einer nahe gelegenen Gasse. Der Umstand, dass diese Person im Sterben lag, machte ihn misstrauisch und er sah nach. Es war Kyle, der blutüberströmt im Dreck lag und im Begriff war endgültig zu sterben.

„Ethan?“, fragte er vorsichtig, als er ihn aus dem Schatten heraustreten sah. „Du lebst?“

„Du anscheinend auch. Zumindest noch.“

„Gut, dass ich dich treffe.“

Er hielt etwas in die Höhe. Als Ethan es erkannte, zischte er und wich zurück.

„Bitte.“

„Nein!“

„Ich sterbe. Du musst es für mich tun.“

„Ich bin dir nicht verpflichtet.“

„Dann tue es für Emily.“

„Schon gar nicht für Emily!“

„Du hast keine Wahl.“ Kyle hustete. „Ich, Kyle Elwood, Hüter des Schlüssels der Wächterin der Vampire, übertrage dir, Ethan Orwell, die Pflicht meine Aufgabe weiterzuführen.“

„Nein!“

„Du kannst dich dieser Aufgabe nicht verwehren.“

Ethan knurrte und nahm den Schlüssel, was Kyle ein Lächeln abrang. Dieser Bastard wusste, dass Ethan Wächterinnen getötet hatte. Mit der Aufgabe des Schlüsselhüters war es ihm verboten, die Frauen zu töten. Und er musste sich an die Gesetzte halten.

„Und nun verschwinde. Werwölfe sind hinter mir her.“

So was hatte Ethan sich schon fast gedacht, daher hatte er auch nicht gefragt, wer Kyle diese Verletzungen beigebracht hatte. Da Kyle ihm immer ein guter Freund gewesen war, erwies Ethan ihm die letzte Ehre und schlug ihm den Kopf ab.

Dann rannte er weg, weil die Werwölfe schon sehr nahe waren. Es dauerte auch nicht lange und er stieß mit Shana zusammen. Und so nahm die Geschichte ihren Lauf.
 

And that’s all?
 

Na ja. Meiner Meinung nach hätte es besser sein können, aber es zählt eure Meinung. Wie man gesehen hat, war Ethan nicht immer so, wie er jetzt ist. Also mein Beta hasst die Gladstones. Ich mag sie. Die sind so schön irre. Ich hoffe, es konnten einige Fragen in Bezug auf Ethan geklärt werden. Freu mich wie immer auf eure Meinung.

Also bis denn dann
 

BabyG



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Kommentare zu diesem Kapitel (7)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Kooriko_Cosplay
2008-12-17T17:50:11+00:00 17.12.2008 18:50
Ich glaub mein einziger Komentar zu diesem kapi ist: Absolut geiles Kapitel.
Weiter so^^ schreibst echt gut ^^
Von: abgemeldet
2008-12-03T01:50:11+00:00 03.12.2008 02:50
Ich finde deine Story so geil! Du schreibst so toll, da wird man total neidisch! *Seufz* So würde ich auch gere schreiben können.
Ich finde Ethan toll, habe iwie ein Faible für Vampire, vor allem für so Abweisende. Der macht ja beinahe meinen Edward Konkurenz xD. Und mir tut Shana Leid, hoffentlich wird die keine Emily-Kopie. Das wäre böse von dir!
Auf jeden Fall ist deine Story supergenialklassetoll!
MfG Despina
Von: abgemeldet
2008-11-30T17:44:56+00:00 30.11.2008 18:44
ich mag die gladstones auch nich -.-
aber ethan mag ich jetzt noch mehr als zuvor schon : )
ethan 4 president *g*

also ich die seitenzahl gesehen hab war ich....baff .____.
sooo viele Seiten :3
schööön xD

hdl ♥
Von: abgemeldet
2008-11-30T16:37:09+00:00 30.11.2008 17:37
*nach luft schnapp*
i...ich bin sprachlos.... das war so der hammer... ethan kann ich jetzt viel besser verstehen......ich mag weder eve noch emily!!!! ethan wollte das doch garnet und dann auch noch die sache mit cain... kein wunder das er verbittert is....

du hast das ganz große klasse gemacht *dir einen keks schenk*

mal sehn wie shana auf die geschichte reagiert x3

danke für die ens und bis zum nächsten kap
lg bloodyangel
Von: abgemeldet
2008-11-30T15:19:30+00:00 30.11.2008 16:19
OMFG.
Boaaaah, Emily diese verfi**te Hure! Wie die einen aufregt!
Hab laut angefangen zu lachen als sie gestorben ist. Hat sie verdient.
Gott, ich hab totale Angst davor dass Shana so werden könnte wie Emily. Brrr...><
Am Anfang des Kapps hab ich noch so gedacht: Emily ist aber nett. xD
Und Ethan...der war ja Früher total anders. Nett und höflich.
Und das mit Cain...Ich hab meine Maus gegen den Bildschirm geworfen und bildlich geflucht als ich gelesen habe dass Cain seine eigene Mutter zerfetzt hat.
Die Leiche hast du übrigens sehr schön beschrieben. Erst recht das hängende Auge. :D Ich steh auf brutales Zeug. *seufz*
Mir hat das Kapitel eigentlich sehr gut gefallen.
Ich hab gequiekt vor Freude als ich gesehen habe dass es 9 Seiten waren. Und alle über Ethan! x3

Freu mich schon auf das nächste Kap. Mal sehen wie Shana reagieren wird.

Schreib schnell weiter, ja?
LG meloO

PS: I <3 ETHAN! =DDD

Von: abgemeldet
2008-11-30T15:02:28+00:00 30.11.2008 16:02
WOW...WOOOW...WOOOOOOOWWWW!!!!!!
Neun Seiten voller Ethan*kreisch* Das war SO toll! Schade nur, dass Shana nicht vorgekommen ist! Für gewöhnlich mag ich die Rückblicke ja nicht ganz so, aber das war einfach der totale Wahnsinn!
Also ich mag Emily und Eve! Die haben echt nicht mehr alle Latten am Zaun, mir gehts da oft genau so!
Das mit Cain und Ethan fand ich eigentlich ziemlich schlimm, die Geschichte mit Emily & Eve und dann auch Ethan & Cain hat schon was Ironisches...
Ich hoffe jetzt echt, dass Shana nicht so wird wie Emily!
Verrückt hin oder her, das würde alles irgendwie kapput machen!

Kannst du mir beim nächsten Mal wieder ne ENS schicken? Wäre toll...

LG KAFKA alias Green-frog!
Von:  P-Chi
2008-11-29T20:52:13+00:00 29.11.2008 21:52
... Ich...bin absolut sprachlos... ;_______; Ich hätte beinahe losgeheult als ich fertig war, mein Pa hat mich auch schon so merkwürdig angesehen...-_-' Er versteht mich nicht...
ABER ich hab nen schock für's Leben bekommen als ich die Seitenzahl gesehen hab! HALLO?! Geht's noch?!! Das war der Horror, ...ich verzeihe dir aber weil das Kapi so toll gelungen ist xD~
Cain...dieser Mistkerl! Grr, ich kann den Typen nicht leiden und gebe deiner Beta-Leserin zum Thema Gladstones vollkommen recht!!! *knurr* Blöde Weiber...so hochnäsig!
Ethan...oh, armer Ethan *schluchz* er hat so ein Leben nicht verdient. *Tränen in Augen hat*
Aber ich hoffe doch sehr das er seine Einstellung zu den Wächterinnen verändert hat, als er Shana kennengelernt hat. ;3

LG MOCCA


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