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Ich liebe ihn ... aber ich hasse ihn auch

Die Geschichte meiner Familie
von

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Er wachte urplötzlich auf und riss die Augen schwer atmend auf. Alleine, ganz alleine. Auch hier, er kannte keinen um sich. Es war niemand bei ihm. Im Traum gerade eben, war er an einem Ort gewesen an dem ihn niemand kannte, aber trotzdem abwies und auf ihn nieder sah.

Doch wo war er jetzt? Er blinzelte leicht und merkte, dass er das Zimmer in welchem er lag auch nicht kannte. Es war ein weißes steriles Zimmer, genauso wie ein Krankenhauszimmer.

Das letzte an das er sich erinnerte war, dass er aus Wut über seine Mutter in den Wald gelaufen war. Doch wie kam er hierher, warum war er überhaupt hier? Er fühlte sich matt und erschöpft, aber dafür musste man nicht ins Krankenhaus.

Er stützte sich mit seiner linken Hand auf das Bett und wollte sich hochstemmen. Doch mit einem lauten Schmerzensschrei fiel er zurück in die Kissen. Schmerz durchzuckte sein Handgelenk, seinen Arm und nun seinen ganzen Körper.

Der Schrei war so laut gewesen, dass man ihn sogar im Flur des Krankenhauses hörte. Kurz darauf hörte man Schritte auf dem Flur und die Türe zu dem Zimmer wurde geöffnet. Er wurde an den Schultern gepackt, als er erneut mit zusammengekniffenen Augen versuchte sich aufzurichten.

„Leg dich wieder hin! Du hast viel, zu viel Blut verloren, als dass du jetzt schon wieder aufstehen könntest ... dürftest!“

Doch er lag auch schon wieder im Bett und umklammerte das verbundene Handgelenk. Seine Augen waren vor Schmerzen zusammengekniffen, so erkannte er auch nicht denjenigen, der sich um ihn sorgte.

„Mein Vater ist der Chefarzt hier. Ich hol ihn gleich. Ich sollte ihm Bescheid geben, sobald du aufwachst, Akio.“

Die Stimme seines Gegenübers hatte etwas beruhigendes an sich. Sie war leise und besorgt, sehr besorgt und das tat gut. Es war schön zu wissen, dass sich doch jemand um ihn sorgte. Doch er fragte sich immer noch, was genau passiert war.

Langsam kamen mit dem Schmerz auch die Erinnerungen. Seine Tat, das Messer in seiner Hand, der Schnitt. Doch danach erinnerte er sich an nicht mehr. Irgendwer musste ihn gefunden haben, ihn hierher gebracht haben.

Doch bevor Akio weiterdenken konnte, öffnete sich die Türe zu seinem Zimmer ein weiteres Mal und er vernahm eine ihm sehr bekannte Stimme.

„Nakato-kun? Ist er aufgewacht??“

„Ja, warten sie kurz hier, dann hole ich meinen Vater!“

Akio hörte klackende Schritte, die Schuhe einer Frau auf dem Krankenhausboden, die Schuhe seiner Mutter, sie bewegte sich auf ihn zu.

„Ja, vielen Dank.“

Akio richtete sich gerade auf als die Türe zuging. Diesmal stützte er sich allerdings mit dem rechten Arm, alleine halten konnte er sich nicht, dafür war er noch zu schwach.

„Akio! Du musst liegen bleiben, sonst...“ Doch Akio schlug in dem Moment die Hand seiner Mutter weg, sie hatte diese auf seine Schulter legen wollen.

„Fass mich nicht an!!!“

„Aber ... Akio ... ich ... ich mach mir doch Sorgen ... warum, warum hast du das getan?“

Erneut versuchte sie ihren Sohn in den Arm zu nehmen, doch er funkelte sie an und der wütende Gesichtsausdruck ließ sie zurückzucken.

„Sorgen? Pah! Wer’s glaubt wird selig. Du hast dich doch die ganze Zeit einen Dreck um mich geschert, also warum solltest du dich jetzt um mich sorgen, huh?“

„Aber ich...“

Doch Akio ließ seine Mutter nicht aussprechen, oder gar zu Wort kommen.

„Du vergleichst mich mit Vater. Hälst du mich für genauso egoistisch wie ihn! Und deswegen interessierst du dich nicht für mich, behandelst mich wie Dreck ... ach nein ... du kümmerst dich gar nicht um mich! Verschwinde einfach und lass mich in Ruhe.“

Die letzten Worte hatte er so laut gefaucht, dass seine Mutter von dem Bett zurück gewichen war.

„Verschwinde! RAUS!!“

Wiederholte Akio noch einmal. Seine Mutter nickte unter Tränen und verschwand mit schnellen Schritten aus dem Zimmer. Er hörte noch wie sie mit jemandem vor der Zimmertüre sprach. Doch es interessierte ihn nicht, es interessierte ihn nicht was seine Mutter tat. Ob sie wegen ihm weinte, oder nicht. Sie war es schuld, sie hatte ihm nicht als Ablehnung entgegengebracht.

Doch seine Gedanken änderten sich, als er sich wie in Trance über das verletzte Handgelenk fuhr.

Wer hatte ihm geholfen? Warum wohl hatte er das getan? Wer Sodas tat wollte nicht mehr leben! Man wollte nicht das jemand einen rettet und ihm hilft zu leben, zu überleben.

Doch ihn hatte jemand gerettet, gegen seinen willen.

Auch ohne zu wissen wer derjenige war, hasste Akio ihn jetzt schon.

„Du willst wohl nicht mehr liegen was? Bleib sitzen, ist eh besser für deinen Kreislauf, dann kommt er in Schwung.“

Akio wand den Kopf in die Richtung aus der die Stimme kam. Jetzt erst erkannte er diese Stimme, die ihm so bekannt vorgekommen war.

Kouji!

Dieser stand nun an der Zimmertüre und blickte ihn sanft an. Langsam löste er sich von dem Türrahmen und trat auf Akio zu. Er legt ihm eine Hand auf die Stirn und seine andere auf die eigene Stirn.

„Gut! Du hast kein Fieber mehr. Mein Vater kommt gleich. Er ist noch beschäftigt, solange soll ich mich um dich kümmern.“

Er lächelte ihn an und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Doch Akio schien verwirrt.

„Wa-Warum tust du das?“

„Warum? Ich hab dich im Park gefunden, in deinem eigenen Blut, wie..“

„DU WARST DAS? Was glaubst du warum ich da getan hab? Ich wollte weg von hier. Es interessiert doch eh keinen ob ich lebe oder nicht. Keiner schert sich einen Dreck um mich!“

Doch ehe Akio auch nur einen weiteren Satz anfangen konnte, hatte Kouji ihm eine Ohrfeige verpasst.

„Und was glaubst du warum deine Mutter hier ist? Warum ich auch hier bei dir bin. Wegen deinen Worten heult sich deine Mutter gerade die Augen aus dem Kopf.“

„Mir doch egal! Selbst schuld wenn sie auf einmal auf besorgt tut.“

„Ruh dich einfach aus. Ich habe ihn gesagt, dass du Ruhe brauchst. Aber lass mich dich wenigstens untersuchen.“

„Ich dachte dein Vater ist Arzt und nicht du!“

Akio sprach leicht zickig, doch widerstrebte es ihm, von Kouji untersucht zu werden, geschweige denn mit ihm zu reden. Er hatte ihn gerettet, er hatte ihn um seinen Tot gebracht. Um seinen Frieden. Doch Kouji schien das nicht zu interessieren. Er maß Akios Blutdruck und fühlte seinen Puls.

„Ja, mein Vater ist der Chefarzt hier, aber die Kleinigkeiten habe ich von ihm gelernt. Du kannst froh sein. Dein Blutdruck normalisiert sich wieder und auch dein Puls ist nur noch ein wenig erhöht. Aber das wird wohl eher an deiner Erregung liegen!“ Er ließt Akios Hand wieder sanft auf die Bettdecke gleiten.

„Du scherst dich auch nicht darum, was ich denke oder will, oder?“

Akio blickte sein Gegenüber fragend an. Doch entgegen Akios Erwartungen, sah Kouji lächelnd auf und legte eine Hand auf die Akios.

„Ganz im Gegenteil. Was glaubst du warum ich in der Schule immer wieder mit dir geredet habe? Du wirkst so einsam, sogar ein wenig gebrochen. Du tust zwar immer so stark, als wenn die besonders die Gerüchte, die in der Schule über dich und deine Familie kursieren, nichts ausmachen, doch deine Augen sprechen Bände der Wahrheit. Sie zeigen den Schmerz den du fühlst und deine Einsamkeit!“

Kouji stoppte, als er bemerkt hatte, das Akio den Kopf senkte. Er legte ihm eine Hand um die Schulter und beugte sich zu ihm hinab. Nun konnte er erkennen, dass Akio weinte. Dieser legte sich eine Hand über die Augen.

Das waren die Worte gewesen die Akio sich erhofft hatte. Die ganze Zeit gehofft hatte zu hören, von irgendwem. Schon so lange, schon seit sein Vater verschwunden war. Die Worte die bezeugten, das es einen gab der sich um ihn kümmerte, den es kümmerte, wie es ihm ging, wie er sich fühlte.

Akio ließ seinen Körper gegen den von Kouji sinken.

„Danke..“

Das Wort verließ leise aber glücklich Akios Mund. Sein letzter Gedanke vor der Tat war richtig gewesen. Es gab einen der sich um ihn kümmerte. Einen der nicht wollte, dass er diese Welt verließ. Einen der um ihn weinen würde, wenn er starb.

Es war derjenige in dessen Armen er gerade lag. Er schmiegte seinen Kopf leicht gegen Koujis Schulter und ließ seinen Tränen nun freien Lauf. Die Hände verkrallte er in das Hemd Koujis.

„Akio..“

Kouji sprach leise mit seinem Schützling.

„Du brauchst dich nicht so zu verstellen. Zeig dich mir und auch den anderen so wie du wirklich bist. Dann werden die anderen dich verstehen und auch akzeptieren. Und nur so werden auch die Gerüchte verschwinden, erst wenn du ihnen die Stirn bietest und die Wahrheit erzählst. Ich weiß das sowas einfacher gesagt, als getan ist, aber du kannst das schaffen, da bin ich mir sicher.“

Akio antwortete nicht mehr. Er hatte die Augen geschlossen und beruhigte sich langsam wieder. Auch seine Tränen ließen langsam nach.

Kouji hatte recht. Was hatte er schon dafür getan, dass das Gerücht, welches ihn so quälte, verschwand. Die anderen kannten die Wahrheit nicht, konnten sie nicht kennen. Wie sollten sie auch, als sie ihn zu Beginn gefragt hatte, hatte er nie geantwortet. Es war zu qualvoll gewesen darüber zu sprechen. Damals wie auch heute.

Akios Blick wanderte zu Koujis Gesicht und sein lächeln gab Akio Zuversicht. Er wusste nun, dass er es mit Kouji schaffen konnte, aus der Hölle seiner Gefühle hinauszukommen. Er würde es mit Sicherheit schaffen wieder er selbst zu werden.

Er war sich zwar nicht sicher ob ihn auch irgendwer anders verstehen würde, doch solange einer, Kouji, hinter ihm stehen würde, reichte es um das ganze durchzustehen.

„Und du solltest wissen, dass deine Mutter auch Angst hatte dich zu verlieren. Bevor sie zu dir durfte, musste mein Vater ihr erstmal eine Beruhigungsspritze geben. Sie war nach dem Anruf des Krankenhauses sofort losgerast, um möglichst schnell hierhin zukommen. Sie gibt sich für alles die Schuld. Sie wollte dich nicht bedrängen, dich nicht mit ihrer Sorge belasten...“

Ein leisen schiefen war von der Türe zu hören. Kouji hatte Izumi Minamoto dazu veranlasst, vor der Türe stehen zu bleiben, sodass sie das Gespräch zwischen ihm und Akio verfolgen konnte.

Doch Akio schüttelte leicht den Kopf.

„Ich will nicht mit ihr reden, noch nicht. Ich brauche Zeit, Zeit zum verstehen, zum realisieren."

„Das du jetzt sofort wieder wie früher sein sollst, hat auch keiner verlangt, Akio! Lass dir Zeit! Es gibt nichts wozu wir, ich dich zwingen will.“

Kouji legte ihm eine Hand auf den Kopf und lächelte ihn aufmunternd an.

Genau in diesem Moment fühlte sich Akio so wohl wie schon ewig nicht mehr. Seine Ängste waren für einen Augenblick komplett verschwunden und vergessen und das erste Lächeln, das erste ehrliche Lächeln seit zwei Jahren erschien auf seinem Gesicht. Doch auch ehe er nur ein Wort sagen konnte, klopfte es an der Zimmertüre und ein Arzt trat ein.

„Vater..“ Kouji löste sich langsam um auf seinen Vater zuzueilen und ihn mit einer Umarmung zu begrüßen. Die beiden unterhielten sich kurz und der Arzt nickte darauf hin. Er trat langsam auf Akio zu, als Kouji den Raum verließ.

„Hallo Akio. Schön, dass du wieder bei Bewusstsein bist. Ich bin Doktor Natako, Koujis Vater und nun dein behandelnder Arzt.“

Das Gespräch ging so noch einige Minuten weiter, ehe der Arzt mit der eigentlichen Untersuchung anfing.

Was Akio allerdings nicht wusste, war, dass diesen Gespräch dazu da war, um die beste Therapie für ihn zu finden.

Denn Doktor Natako war nicht nur Arzt, sondern auch Psychologe, und Akio war sein nächster Patient.



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