Kapitel 17 - Roulette der menschlichen Schwächen
Kapitel 17 - Roulette der menschlichen Schwächen
„Kyoko, ich…“ Ren seufzte. >Das hat keinen Sinn.< Gequält sah er auf sein Spiegelbild, dem er gerade weismachen wollte, er könne problemlos jederzeit selbstbewusst und überzeugend drei bestimmte Worte loswerden. Doch sobald er anfing blickte ihn die imaginäre Kyoko in seinem Kopf ängstlich an und flüsterte: ‚Ich habe ihnen doch gesagt, ich liebe Sie nicht. Kommen Sie nicht näher! Bitte gehen Sie, Tsuruga-san!’ Im spärlichen Licht des Badezimmers musterte Ren sich selbst. Man sah ihm den eklatanten Schlafmangel weniger an, als er gedacht hatte. Nach einem Blick auf die Uhr huschte er ins Wohnzimmer. Yashiro würde ihn in 10 Minuten abholen. Seufzend ließ er sich auf der Couch nieder nur um Sekunden später wieder unruhig aufzuspringen, da er zu nervös war, um ruhig sitzen zu bleiben. Wieso war er so nervös? Er war Ren Tsuruga, die Gelassenheit in Person! Nun, früher hatte er das vielleicht von sich behaupten können, heute klang es wie ein schlechter Scherz. >Jetzt beruhig dich! Das ist ein ganz normaler Arbeitstag.< Hektisch sah er auf die Uhr. „Immer noch 10 Minuten?!“ Das konnte nicht sein! Verging die Zeit denn überhaupt nicht? Auch wenn er das ungemütliche Zusammentreffen mit Kyoko scheute, das Warten bis dieser Moment eintraf war unerträglich. Stöhnend ließ er sich wieder auf der Couch nieder und schloss langsam die Augen. „Kyoko…“
„Hey, passen Sie doch auf, sie pinkfarbenes Monstrum!“ >Kein Grund gleich ausfallend zu werden…< dachte Kyoko knurrend. Nach einem bösen Blick nach hinten verschwendete sie aber keinen Gedanken mehr an das Auto, dass sie geschnitten hatte. Zeitig in aller Früh hatte sie sich auf ihr Rad geschwungen um noch vor allen anderen die Außenlocation zu erreichen. Besser gesagt, um sie vor Ren zu erreichen. Sie hatte in dieser Nacht kaum ein Auge zugetan. Da sie aber trotzdem keine Ahnung hatte, wie sie sich nun verhalten sollte, hatte sie beschlossen, vorerst unterzutauchen. Soll heißen: mit der Love-Me Uniform würde sie sich diverse lästige Menschen vom Hals halten und vor Ren würde sie sich einfach verstecken. Hinfahren, drehen, heimfahren. Wenn sie das lebend schaffte, war sie gut.
„Ren?“ Schlagartig riss Ren die Augen auf. „Kyoko?“ Doch das Trugbild der hübschen Oberschülerin verschwamm sogleich und an dessen Stelle traten die Umrisse seines Managers. „Tut mir leid dich enttäuschen zu müssen, aber ich glaube Kyoko-chan würde im Moment weder einen Fuß in deine Wohnung setzten, noch würde sie dich ‚Ren’ nennen.“ Musste Yashiro ihm das jetzt wieder rein drücken? Nach einen grimmigen Blick Rens meinte dieser entschuldigend: „Ich wollte dich nur daran erinnern, was heute auf dem Spiel steht…“ Stöhnend rieb sich Ren den Kopf. Als ob er das vergessen könnte! Wo war er überhaupt? Ach ja, auf seiner Couch. Er musste wohl eingedöst sein… Während der Autofahrt erwies sich Yashiro als ungewohnt taktvoll und auch auf dem Weg zum Set verlor er kein Wort über das Mädchen. Shingai begrüßte sie freundlich, wirkte aber etwas unruhig. „Ren, kann ich dich kurz unter vier Augen sprechen?“ Es war wie ein verbaler Schlag in die Magengrube, sofort erwartete der Schauspieler das Schlimmste. „Wären sechs Augen auch recht?“ Der Regisseur zuckte mit den schultern und winkte den beiden mitzukommen. Ein paar Schritte außerhalb vom Set vertraute er sich ihnen schließlich an. „Also… es geht um Kyoko-chan.“ Ren hatte es erwartet. Seine Kehle wurde merkwürdig trocken und ein leichtes Stechen machte sich im Brustbereich bemerkbar. Hoffentlich war ihr nichts passiert… „Sie… als ich am Set ankam hat sie mich freundlich begrüßt - wie immer, nur dass sie diesen knallpinken Overall anhatte-“ „Den Love-Me Overall?!“ unterbrach ihn Yashiro verwirrt, Shingai nickte und fuhr fort. „Und dann… war sie plötzlich weg. Wie vom Erdboden verschluckt. Ich weiß nicht mal, in welche Richtung sie gegangen ist, da ich die Augen von diesem schrecklichen Pink abwenden musste…“ Dafür brachte jeder, dessen Augen diesen verfluchten Overall jemals gestreift hatten, Verständnis auf. Alarmiert und beunruhigt sah Yashiro zu Ren. Karuizawa war noch nicht vergessen… „Ich bin mir sicher, dass sie zu Drehbeginn wieder da ist.“ meinte Ren nüchtern, ein wenig beruhigt ging Shingai zum Set zurück. Baff sah Yashiro seinen Schützling an. „Also, dass du so ruhig bleibst, hätte ich-“ Es verschlug dem Manager die Sprache als ihn ein sein Schützling plötzlich grob an den Schultern packte und todernst meinte: „Yashiro, geh Sie suchen! Sofort!“ Dann ließ er ihn los und stapfte Richtung Maske davon. >Wenn ihr etwas passieren würde, könnte ich mir das nie verzeihen… aber wenn ICH losgehen würde, um sie zu finden könnte ich alles noch verschlimmern…< Etwas perplex sah Yashiro Ren nach, bis ihm das vollkommene Ausmaß der ihm übertragenen Verantwortung bewusst wurde. Würde Kyoko auch nur ein Haar gekrümmt, würde Ren sich die Schuld dafür geben. Und Yashiro würde das ausbaden dürfen. „KYOKO-CHAN!“ Nur gut, dass das knallpinke Teil unübersehbar war. Sicher würde er ihr bald über den Weg laufen, auch wenn er im Moment ein eher ungutes Gefühl im Magen hatte.
Zwanzig Minuten später standen die drei Männer wieder bei einander. In ein paar Minuten war Drehbeginn - von Kyoko keine Spur. Alle drei waren schwer am grübeln. Shingai war verwirrt und besorgt, Ren plagten die von Yashiro erwarteten Schuldgefühle und dem Manager selbst stand der pure Angstschweiß auf der Stirn. >Ich habe sie überall gesucht und obwohl sie diesen verfluchten Overall trägt ist sie einfach unauffindbar. Ihr wird doch nicht wirklich etwas passiert sein?< Leise durchbrach schließlich Ren die Stille, als er in sich selbst hineinmurmelte: „Das ist alles meine Schuld…“ Während nun Yashiro seufzend ausatmete und sich seine Augen gen Himmel wandten riss bei Shingai langsam der Geduldsfaden. „Ren, wen du eine Ahnung hast, wo sie sein könnte, spuck’s aus!“ Bevor sich der Schauspieler rechtfertigen konnte, antwortete jemand hinter Shingai: „Wenn sie Minami-san suchen, die ist in ihrer Garderobe.“ „Nein, wir suchen Kyo-“ Mitten im Satz blieben ihm auf einmal die Worte im Mund stecken. Die sonst so beherrschten Gesichtsmuskeln nahmen einen eher dümmlichen Ausdruck an, langsam drehte Shingai sich um. „AH!“ Vor lauter Schreck sprang er fast einen Meter zur Seite. „KYOKO-CHAN?!“ >Wo kommt die denn auf einmal her?!< Auch Yashiro und Ren rissen perplex die Augen auf während die aus dem Nichts aufgetauchte und fertig für den Dreh gestylte Kyoko verwirrt den Regisseur musterte. „Wollten wir nicht jetzt zu drehen anfangen?“ „Äh…ja...“ stammelte Shingai, >Mein armes Herz…<. Und so machten sie sich auf den Weg zum Set. Während sie so den Weg entlang schlenderten, spürte Kyoko plötzlich Rens Blick auf ihr liegen. Ob allein sein Blick ihr den Nacken zerfetzen könnte? >Nein, ich bemerke nicht, dass sie mich ansehen, Tsuruga-san. Sie überschätzen das Beutetier.< Trotzdem begann ihr Herz wie wild zu schlagen, die Versuchung einen Blick nach hinten zu riskieren wurde mit jedem Schritt größer. Fast sehnsüchtig schien ihr Kopf sich umwenden zu wollen, energisch starrte sie stur nach vorne. >Nein! Schau bloß nicht nach hinten! ... Nein! … Nicht hinseh-< Doch zu spät, statt darauf zu achten, was das Hirn vermeldete ergriff das Herz die Oberhand und zaghaft drehte sie ihren hübschen Kopf um 60°. Erschrocken rissen beide die Augen auf, als sich ihre Blicke trafen, während Kyoko sofort wieder den Weg fixierte, legte sich ein leicht melancholischer Schleier über Rens Augen. >Ich Volltrottel! Was sollte DAS denn? Hab’ ich nicht ausdrücklich ‚Nicht hinsehen’ gesagt?< Ein unangenehmes Gefühl ließ ihren gesamten Brustbereich verkrampfen, äußerlich sah man der jungen Schauspielerin aber weder an, dass sie sich nichts mehr wünschte als wieder völlig unbekümmert in die braunen Augen ihres Sempais blicken zu können, noch dass sie jetzt überall anders lieber wäre als hier auf diesem Set. Und wie sie jetzt die Szene mit Ren schaffen sollte, war ihr sowieso ein Rätsel… Am Set wartete Ikue schon eine ganze Weile auf den Rest der Truppe, unnützerweise war auch Minami aufgekreuzt, und das obwohl Kyokos Rachegeister doch ‚unabsichtlich’, sozusagen im Vorbeigehen, den steckenden Schlüssel der Garderobe einmal herumgedreht hatten - wie war die da bloß raus gekommen? Aber sie hatte ohnehin größere Probleme als ihre blonde Kollegin, es verschaffte Kyoko fast eine gewisse Genugtuung, ihre bitterbösen Blicke offensichtlich zu ignorieren. „Okay, lasst uns anfangen!“ Und schon wanderten diverse Kleinigkeiten wie intrigierende Frauenzimmer wieder in den Hintergrund. Fast mechanisch bewegten sich ihre Beine, bis sie sich auf ihrem Platz neben Ren eingefunden hatte. Den Blick stur geradeaus gerichtet, um bloß nicht der hypnotisierenden Wirkung seiner Augen zu unterliegen wartete sie hochkonzentriert auf das Zeichen des Regisseurs. „Katsu!“
Szene 3 - Part 2
„Wo ist denn nun ihr verdammtes Auto?“ Kyosuke und Satsuki gehen gerade die Straße entlang, auf der Suche nach Ryojis rotem Kombi. „Ich dachte, sie wüssten wo er steht, Iriya-san.“ „Vielleicht würde ich mich daran erinnern können wo er steht, wenn hier nicht jemand die ganze Zeit herum nörgeln würde!“ Kyosuke verdreht die Augen während Satsuki ihren Gang beschleunigt, bis sie plötzlich etwas Anderes auf der Straßenseite entdeckt. Sie geht ein Stückchen nach vorne, um bessere Sicht auf den Wagen zu bekommen. „HAH! Gefunden!“ Triumphierend dreht sie den Kopf zu ihrem Begleiter um, der plötzlich die Augen weit aufreißt, Satsuki packt und grob zu sich zieht. Zwei Sekunden später rauscht ein Laster, der in dieser Zone eigentlich gar nicht fahren dürfte, vorbei, genau an der Stelle wo Satsuki noch vor wenigen Augenblicken gestanden hatte. „HABEN SIE DEN VERSTAND VERLOREN? IHNEN HÄTTE WER WEIß WAS PASSIEREN KÖNNEN!“ Noch ziemlich unter Schock holt Satsuki nicht einmal zu einer frechen Antwort aus, sondern stammelt nur: „I-Ich…“ Und als sie aufsieht vergisst sie sowieso, dass sie überhaupt etwas sagen wollte. Diesen Blick hat sie bei Kyosuke noch nie gesehen. Was ist das bloß für ein Blick? Eine Zeit lang stehen beide unbeweglich da, die Augen nicht vom Anderen los reißen könnend, bis sie eine bekannte Stimme abrupt aus den Gedanken reißt. „Satsuki! Kyosuke! Was macht ihr denn hier?“ Ein etwas verwirrter Ryoji kommt zu den beiden, wortlos reicht ihm Kyosuke Jacke samt Schlüssel. „Ah! Sag bloß, ich hab’ keinen Schlüssel mitgehabt! Na das hätte noch ein Problem werden können!“ Lachend bedankt er sich, ohne große Worte verabschiedet sich Kyosuke. Den Arm um sie gelegt geht Ryoji mit Satsuki Richtung Auto.
Katsu
Unsanft wurde Ren wieder in die Realität gerissen. Anders als Kyosuke war er sich dessen schon bewusst, dass er die Liebe seines Lebens getroffen hatte. Ein flaues Gefühl breitete sich in ihm aus, die Gedanken überschlugen sich. Er würde es ihr jetzt sagen müssen. Sie zur Seite bitten, um die Worte, die er so gemieden hatte, seiner Traumfrau endlich mitzuteilen. Am Ende dieses Tages würde er entweder der glücklichste Mann auf Erden oder ein seelisches Wrack sein. Wie heißt es so schön, no Risk, no Fun. Auch wenn dies alles Andere als spaßig war. Unsicher sah er auf. „…“ >WO IST SIE?< Kyoko war verschwunden - wieder einmal. >Das gibt’s doch nicht! Muss man die irgendwo fest ketten, damit sie mal an einem Ort bleibt?< Fassungslos stand er da, bis ihm Yashiro ein „Geh sie suchen!“ ins Ohr zischte und ihm einen kleinen Schubs nach vorne gab. Aber wo sollte er zu suchen anfangen? Sie konnte praktisch überall sein! >Nein, halt! Sie muss sich doch noch umziehen!< Und so fasste er den Entschluss, bei ihrer Garderobe anzufangen, auch wenn er sich nicht recht große Hoffnungen machte. Sachte klopfte er an, eine Stimme antwortete: „Einen Moment, bitte!“ Eine männliche Stimme. Eine ihm bekannte, männliche Stimme. Ikue Tsotos Stimme. >Was macht der in ihrer Garderobe?!!< Alle möglichen Gefühle strömten durch ihn hindurch, wieder einmal der Selbstkontrolle beraubt riss er die Türe auf. Verdattert sah Ikue ihn an - nur mit Boxer-Shorts bekleidet. Von Kyoko keine Spur. Beide brauchten einen Moment um die Situation zu erfassen, bis Ikue nüchtern fragte: „Okay… was sollte das jetzt?“ Äußerst verwirrt trat Ren nochmals einen Schritt zurück. Auf der Tür stand ‚Kyoko Mogami’, ganz bescheuert war er ja auch nicht. „Ist das nicht… Mogami-sans Garderobe?“ Skeptisch musterte Ikue ihn. „Dann wär’s ja noch schlimmer, wenn du einfach so hereinplatzt.“ Langsam verlor Ren die Geduld. „Wo ist dann Mogami-sans Garderobe?“ Kurz wirkte Ikue so, als wollte er noch was sagen, verkniff es sich aber doch und meinte nur: „Sie wollte heute Morgen kurzfristig Garderoben tauschen, also ist sie in meiner, rechts neben der Maske. Und mach bitte die Tür zu, es zieht.“ Sofort machte sich Ren auf den Weg, fassungslos über die Tatsache, dass sie extra eine Finte gelegt hatte, um nicht gefunden zu werden. Wenig später klopfte er auch schon an der Tür mit dem ‚Ikue Tsoto’ Schild, nichts passierte. Er klopfte noch einmal, schließlich fragte eine nervöse Mädchenstimme: „Wer ist da?“ >Kyoko… das war doch ihre Stimme…< Was sollte er sagen? Würde sie ihm überhaupt aufmachen? Die Chancen standen eher ungünstig… „Hallo? Wer ist da?“ „… Pizza-Service.“ Es war das Erste das ihm eingefallen war, noch während er es aussprach hatte er ein ungutes Gefühl dabei. Was für ein Schwachsinn, hätte er doch nur einfach seinen Namen gesagt… Währenddessen starrte Kyoko drinnen verwirrt die Türe an. Pizza-Service? Sie hatte doch gar keine Pizza bestellt. Und die Stimme klang verdammt nach Ren. >Ach was, Tsuruga-san würde sich doch nicht als Pizzabote ausgeben. Sicher ein Missverständnis.< Und so öffnete sie die Tür, schmiss sie vor Schreck aber sofort wieder zu, als sie Ren erblickte. Ihr Herz begann ungesund schnell zu schlagen, während Ren sich draußen selbst verfluchte. „Ky- Mogami-san, mach bitte auf.“ Sie konnte es nicht fassen! Wie sadistisch war dieser Mann? Wütend riss sie die Tür wieder auf. „Finden Sie das witzig, Tsuruga-san?!“ Entschuldigend sah er sie an und ihr Zorn verflog sofort, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte. „Tut mir leid, ich wollte dich nicht ärgern. Ich… kann ich kurz mit dir reden?“ Kyoko schluckte. Wenn er sie nicht ärgern wollte, was wollte er dann? Sie konnte sich nicht einmal im Entferntesten vorstellen, was auf sie zukommen könnte. >Angst!< Ren seufzte, er würde wohl heute keine Antwort mehr bekommen. Kurzerhand machte er einen Schritt nach vorne, woraufhin Kyoko nach hinten stolperte bis sie an der Couch anstand. >Alle Fluchtwege abgeschnitten… uh, bitte machen Sie es kurz und schmerzlos, Tsuruga-san!< „Mogami-san…“ Das war noch schwerer als er gedacht hatte. Schlug sein Herz überhaupt noch? „Ich…“ Ängstlich sah sie auf und ließ seine Stimme absterben. >Verdammt, schau mich doch nicht so an!< Er atmete tief ein und sah ihr fest entschlossen in die Augen. „Ich liebe dich.“
Die Zeit schien still zu stehen, völlig baff sah Kyoko ihren Senpai an. Stand vielleicht hinter ihr noch wer oder war das tatsächlich an sie gerichtet gewesen? Hatte sie sich vielleicht verhört? Ihr Kopf war vollkommen leer, bis auf das dröhnende Geräusch des Schlagens ihres nahe am Koma stehenden Herzen, das einen Salto nach dem Anderen schlug. Noch war sie auf etwas in der Art ‚Sehen Sie mal dort hin! Ja, genau da haben wir eine Kamera versteckt! Und da, und da auch…’ gefasst, doch Ren stand weiterhin nur da, sie treuherzig ansehend, mit einem solch verzweifelten Blick, dass jeder der nicht komplett blind war sehen konnte, dass dieser Mann verliebt war. Kurz erlaubte sich Kyoko, in eine nicht allzu unrealistische Traumwelt abzudriften, in der sie auf ihn zuging, er sie in den Arm nahm und die magischen Worte noch einmal zärtlich in ihr Ohr flüsterte. Nichts würde sie glücklicher machen. Zaghaft sah sie auf während Ren glaubte vor Nervosität 1000 Tode sterben zu müssen. >Ich liebe ihn…< Vom Gedanken zum Fuß dauerte es weniger als eine Zehntelsekunde, doch noch in der Bewegung erstarrte sie, als sich eine überaus misstrauische Stimme ihres Unterbewusstseins zu Wort meldete. ‚Was wenn das eine Falle ist? Hast du denn von Sho gar nichts gelernt?’ Angst beschlich sie, energisch verdrängte sie den Gedanken an ihre letzte Begegnung mit der Liebe. >Tsuruga-san ist nicht so wie Sho!< ‚Schätzchen, alle Männer sind wie Sho wenn sie eine Frau am Haken haben. Und Tsuruga-san weiß, dass er nur mit den Fingern schnipsen zu braucht um dich an Land zu ziehen. Hast du wirklich gedacht, du könntest ihn hinters Licht führen?’ Unsicher suchte sie kurz den Blickkontakt, nur um danach sofort die Maserung des Bodens zu bewundern. Plötzlich war sie voller Zweifel. >Aber… ich liebe ihn…< ‚Genau deshalb bist du ein leichtes Opfer, ein gefundenes Fressen! Mach nicht zweimal denselben Fehler, hörst du?’ Höchst beschäftigt mit sich selbst vergas Kyoko beinahe, dass Ren noch immer dastand, aber einsehen musste, dass das Mädchen mit der Situation vollkommen überfordert war. „Nimm dir soviel Zeit wie du brauchst.“ meinte er leise, bevor er sich umdrehte und die Tür hinter sich schloss. „Uh…“ Fertig ließ sich Kyoko auf die Couch sinken. >Was hätte er denn davon? Was hätte er davon, mir etwas vorzumachen?< Seufzend legte sie den Kopf in ihre Hände. >Ich würde ihm so gerne vertrauen…< ‚Sho hast du auch vertraut und er hat dir das Herz gebrochen, dir wertvolle Jahre deines Lebens gestohlen, dein Ego zerstört UND deinen Stolz und deine Würde verletzt. Du willst das doch nicht wirklich noch einmal durch machen, oder? Willst du wirklich, dass wieder jemand auf dem kümmerlichen Rest Gefühl herumtrampelt, dass deiner kaputten Seele geblieben ist?’ Ihr war so richtig nach heulen zumute. Sie hatte Angst, so große Angst davor, dass er ihr das gerade erst von der Reha erholte Herz brechen könnte. >Aber Tsuruga-san ist NICHT Sho!< Langsam stand sie auf. >Ich will zu ihm…< Sie wusste nicht, was auf sie zu kommen würde, wusste nicht was sie tun oder sagen sollte, wenn sie ihm gegenüber stand. Es war nicht einmal sicher, ob sie es überhaupt bis zu ihm schaffen würde ohne kalte Füße zu bekommen und Reißaus zu nehmen. Doch sie liebte ihn, und trotz ihrer inneren Zerrissenheit wusste Sie, dass sie ihm irgendwo vertraute. Er hatte ihr geholfen, ihr verloren gegangenes Gefühl wieder zu finden. Sie hatten zwar einen etwas unglücklichen Start gehabt, doch war es auch der Beginn einer wundervollen, wenn auch manchmal etwas verwunderlichen Senpai/Kohai - Beziehung gewesen. Vielleicht würde sie es bereuen. Vielleicht aber auch nicht.
Das Herz war Ren bis in die Hose gerutscht, taub für sämtliche Geräusche um ihn herum wankte er zu seiner Garderobe. Erledigt ließ er sich auf der Couch nieder, die Gedanken rasten mit Höchstgeschwindigkeit durch seinen Kopf. Er wusste nicht, wie lange er schon dagesessen und Löcher in die Luft gestarrt hatte, als ihn plötzlich ein Klopfen zusammenzucken ließ. >Kyoko?< Tief ein und aus atmend versuchte er wieder alle 5 Sinne beisammen zu kriegen, bevor er sich räusperte und ein „Ja?“ über die Lippen brachte. Langsam öffnete sich die Tür, jede Faser seines Körpers war angespannt - bis er Minami sah. Es war ein Ding der Unmöglichkeit seine Enttäuschung nicht zu bemerken, unzufrieden ließ sie sich neben dem wieder in die Couch gesunkenen Schauspieler nieder. „Was soll das lange Gesicht, Kuon?“ „Ich sagte doch, du sollst mich nicht so nennen.“ Er konnte nichts dagegen tun, aber die Atmosphäre war irgendwie merkwürdig. Wie er da auf der Couch saß, innerlich zerwühlter denn je, äußerlich cool, wie er meinte, und neben ihm seine besorgte Ex-Freundin, die ihn noch dazu Kuon nannte. Als hätte ihn jemand zurück in die Vergangenheit befördert. Minami seufzte und meinte dann: „Ren, ich muss mit dir reden.“ Das war ein äußerst ungünstiger Augenblick. Konnte das nicht warten, bis er wieder ganz bei sich war? „Entschuldige, aber können wir das vielleicht ein anderes Mal machen?“ „NEIN!“ Gereizt stieß die junge Blondine ihn um, sodass er nun halb auf der Couch lag, lehnte sich über ihn und zischte: „Du wirst mir jetzt endlich einmal zuhören!“ Erwartungsvoll sah sie in seine braunen Augen, doch sie würde in ihnen nichts Besonderes finden, egal wie lange sie suchte. Ren empfand die Situation, als würde er sich selbst nur beobachten, in seinem Blick lag keinerlei Emotion. Doch sie wäre nicht Minami Takuno, wenn sie sich von so etwas schon entmutigen ließe. „Seit ich wieder in Japan bin versuche ich schon… dir etwas zu sagen… Kuon.“ Er bemerkte gar nicht, wie sein Mund das Wort „Was?“ zu formulieren begann. Ein verführerisches Lächeln umspielte ihre Lippen, leise hauchte sie: „Das.“, und küsste ihn. Sein Körper erinnerte sich, der Verstand hatte sich schon längst ausgeklinkt. Das Herz spielte nur eine unbedeutende Nebenrolle, der ‚Eroberer’ war erwacht. Der zuerst zaghafte Kuss wurde leidenschaftlicher, fordernder - bis Rens Unterbewusstsein plötzlich die Notbremse zog. Geschockt zuckte er zusammen und riss die Augen auf, hoffend, dass er eben nur geträumt hatte. Doch realer ging’s nicht mehr, er hatte das Gefühl, unglaublichen Mist gebaut zu haben, denn irgendetwas lief hier schrecklich falsch. Minami beugte sich zu ihm vor um den unterbrochenen Kuss fort zu setzten, doch Ren stieß sie weg, unbeabsichtigerweise fiel die Blondine von der Couch. Während die sich nun stöhnend die schmerzenden Aufprallstellen rieb, sah Ren auf - und was er sah ließ im das Blut in den Adern gefrieren…
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Uhhh, so nervös war ich beim Hochladen eines Kapitels schon lange nicht mehr.
Noch dazu muss ich gleich sagen, dass jetzt eine schreibkarge Woche kommt, da ich nächste Woche auf Kreativwoche bin.
Auf jeden Fall bin ich schon gespannt auf eure Kommis :D
An dieser Stelle auch gleich ein Danke an alle, die sich ein paar sekunden-minuten Zeit nehmen um einer Autorin die Freude einer Review zu machen. Dankeschön :D