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Es kann nur einen geben

Zwei Hundebrüder und ein mörderisches Turnier
von

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Wege im Nichts

Ja, sie sind sich ähnlicher, als sie denken. Oder ihnen bisher bewusst war. Der Gang aus der Zwischenwelt wird es ihnen allerdings zeigen.
 

21. Wege im Nichts
 

Der Herr der Zwischenwelt hielt vor einem bemalten Holztor inne, das ohne jeden Zusammenhang in der Landschaft stand.

„Hier ist der Beginn. Ihr wolltet diesen Weg gehen, nun geht ihn.“

„Und er führt uns zum Schmied?“ erkundigte sich Inuyasha prompt.

„Ich nehme es an. Aber ich bin mir nicht sicher. Wie gesagt, nie zuvor ist jemand diesen Weg gegangen. Und ihr solltet daran denken, dass dieser Gang dazu gedacht war, Eindringlinge fernzuhalten. Was auch immer das für Hindernisse sind, sie sind gewiss gefährlich.“ Er sah zu seinen Besuchern. Da beide die Tür anblickten, hob er die Hand. Die Türflügel öffneten sich, gaben den Weg frei in einen finsteren Gang, der scheinbar ohne Ende war. Nicht einmal Wände oder Decke waren zu erkennen. „Ich kann euch nur noch eine Hilfe geben. Immer, wenn ihr so eine Tür erreicht habt, endet diese Prüfung, dieses Hindernis. Was auch immer euch verfolgt oder ähnliches, muss in seinem Bereich bleiben.“

„Wie nett“, knurrte Inuyasha

„Wie simpel“, kam es im gleichen Moment von seinem Halbbruder.

Der Herr der Zwischenwelt hätte fast geseufzt, wäre das für ein Wesen seiner Art schicklich gewesen: „Dann geht.“

Ohne jedes Zögern machte der Hundeyoukai die Schritte in das Nichts. Inuyasha war mit einem Satz an seiner Seite. Beide hörten, wie die Tür hinter ihnen geschlossen wurde, drehten sich aber nicht um, versuchten im Nichts dieses so genannten Weges die nächste Tür zu finden. Beiden stieg der kaum bemerkbare Geruch von Holz in die Nase. Dort musste sie sein. Und beide begannen darauf zuzugehen. Sesshoumaru war es durchaus gewohnt, keinen festen Boden unter den Füssen zu haben, aber der jüngere Halbbruder empfand die Tatsache, dass seine Füße nur schwarze Luft berührten ein wenig eigenartig. Allerdings hütete er sich, sein Unbehagen zu zeigen. Schließlich wollte er doch nicht wieder als das verächtliche Halbblut dastehen. Aber er blickte sich um. Es war nichts zu erkennen als Schwärze im Schwarzen, zu wittern nichts außer dem Holz.

Als es geschah, wurden jedoch beide überrascht. Aus dem Nichts erschienen um sie Hände, fassten zu. Instinktiv wichen die Halbbrüder zurück, wollten sich losreißen, aber da die weißen, kalten Hände keinen Besitzer hatten, folgten sie jeder Körperbewegung, klammerten sich unterdessen an Arme, Beine. Auch mit den Klauen waren sie nicht zu erreichen, zu zerreißen.

„He!“ fauchte Inuyasha unverzüglich: „Was soll der Blödsinn?“

Sesshoumaru stellte unterdessen fest, dass auch seine Giftklaue keine Wirkung auf die unbekannten Hände zeigte. Was das hier auch war, sie waren so gut wie gefangen. Und diese Hände schoben sie unaufhaltsam aufeinander zu.

„Bleib weg!“ brachte der Hanyou noch heraus, als er ebenfalls bemerkte, dass er auf seinen Halbbruder zugeschubst wurde. Im nächsten Moment prallten sie aufeinander. Nur die Tatsache, dass das Gewand aus rotem Feuerrattenhaar so gut wie eine Rüstung war, verhinderte, dass Inuyasha sich am Brustpanzer des Hundeyoukai verletzte. „Verdammt“, keuchte er.

Auch Sesshoumaru hatte den Aufprall als durchaus heftig empfunden. Er hatte vergessen, wie widerstandfähig solch ein Feuerrattengewand war. Und die Hände hielten sie nun so. Sie waren praktisch aneinandergefesselt. Er wandte den Kopf. Wer wohl der Besitzer dieser Hände war? Sie schwebten weiß, scheinbar ohne Körper, hier im schwarzen Nichts, aber sie mussten doch einem gemeinsamen Willen unterliegen. Seine Giftklaue war nutzlos gegen sie. Und so, wie sie nun aneinander gedrückt wurden, kam er auch nicht an seine Schwerter heran. Überdies wurde sein Arm derart fest gehalten, dass er keine Chance sah, sich selbst zu befreien. Wie überaus peinlich. Noch verdrießlicher war es allerdings, als ihm etwas anderes dämmerte: sie waren hier noch nahe an der Zwischenwelt, dem Reich der Toten. Vermutlich war jede Waffe sinnlos, die aus ihrer Welt war. Nur Tenseiga hätte vielleicht etwas erreichen können. Und er dachte jetzt erst daran. Er spürte, wie der Hanyou sich wandte.

„Angst, Inuyasha?“

„Keh!“ kam es prompt: „Aber ich habe keine Lust, hier an dich gepresst die Ewigkeit zu verbringen. Ich versuche Tessaiga zu erreichen.“

„Unsinn.“

Der Hanyou bezog diese Kritik richtigerweise auf seinen zweiten Satz: „Du tust ja gar nichts.“

„Tenseiga.“

„Tenseiga?“ Natürlich. Diese Hände waren wohl auch schon tot oder zumindest so etwas ähnliches, da war Tenseiga das Schwert der Wahl. Und Sesshoumaru kam da nicht ran: „Soll ich...?“ fragte er dann aber doch noch einmal nach. Er wusste immerhin, wie sauer er selbst wurde, wenn man versuchte, ihm Tessaiga zu nehmen.

„Zieh es langsam. Das sollte genügen.“ Sesshoumaru war über diese Rücksichtnahme angenehm überrascht.

Inuyasha musste ein wenig tasten. Auch sein rechtes Handgelenk, sein Unterarm wurden von den kalten Händen umklammert. Aber er nahm an, dass sie nur einen Versuch haben würden. Und die Aussicht, hier mit seinem ach so netten Halbbruder in alle Ewigkeit eingesperrt zu sein, war keineswegs erbaulich. Als seine Finger den Griff berührten, konnte er ein leichtes Klopfen spüren, das er von Tessaiga her kannte. Das Schwert wollte aktiviert werden. So drückte er sich noch ein wenig näher, ehe es ihm gelang, den Griff mit drei Fingern zu umfassen, langsam nach oben zu ziehen. Tenseiga kam in leuchtendem Blau aus seiner Scheide und er spürte prompt, wie er an Handgelenk und Unterarm freigegeben wurde. Er schwenkte die Klinge ein bisschen, so gut er es in dieser Haltung konnte, was seinen älteren Bruder fast den Kopf schütteln ließ. Kampfkunst war das sicher keine.

„Das ist ein Schwert, Inuyasha.“

Die Wirkung war allerdings unverkennbar. Die Hände wurden lockerer, immer mehr zogen sich zurück. Der Hundeyoukai nutzte die erste Chance, nahm sein Schwert wieder an sich. Inuyasha verstand das nur zu gut und überließ Tenseiga seinem Besitzer fast erleichtert. Das blaue Leuchten wurde nur noch intensiver und als sich die beiden umsahen, konnten sie keine der rätselhaften Hände mehr entdecken. Sesshoumaru ging weiter, die leuchtende Klinge vor sich haltend, in Richtung auf die nächste Tür. Inuyasha hielt sich relativ nah bei ihm. Er hatte das Gefühl, nur so lange vor diesen ekelhaften Händen sicher zu sein, solange er in Tenseigas Licht lief. Allerdings wollte er auch nicht zu nahe an seinem Halbbruder sein. Dieses Aneinandergepresst-Werden, war schon schlimm genug gewesen. Wo der Kerl überall gepanzert war…Immerhin hatte er sich nicht an den Dornen verletzt. Ob das diese Hände mit Absicht gemacht hatten? Hatten sie sie nur gefangen nehmen, aber nicht verwunden wollen? Nun, was immer das auch gewesen war, er war froh, im matten Licht Tenseigas vor sich im Nichts eine Tür schweben zu sehen. Er nahm an, dass damit das erste Hindernis geschafft war. Da Sesshoumaru noch immer Tenseiga in der Hand hielt, öffnete er die Pforte.

Dahinter zeigte sich diesmal ein Gang im wahrsten Sinn des Wortes, mit Wänden und Decke, einem festen Boden. Er war hell und man konnte fünfzig Schritt entfernt die nächste Tür erkennen. Es war keine Gefahr zu entdecken, aber die Halbbrüder wussten, dass dort sicher ein Hindernis war. Der Hundeyoukai schob das Schwert weg und machte den Schritt über die Schwelle, Inuyasha beeilte sich an seine Seite zu kommen. Die Tür fiel hinter ihnen zu.
 

Beide blickten sich um, witterten, ehe sie nebeneinander auf die andere Tür zugingen. War hier doch keine Falle? Oder kam sie erst kurz vor dem Ausgang?

Der Angriff erfolgte, als sie die Hälfte des Weges zurückgelegt haben, und er kam anders und kompromissloser, als sie es erwartet hatten. Ihre Sinne wurden attackiert. Ein grelles Pfeifen ließ die Ohren schmerzen, blendendes Licht die Augen schließen. Gleichzeitig drang ein grässlicher Gestank in die empfindlichen Nasen. Zusätzlich begann die Haut zu prickeln, dann zu schmerzen, als würden glühende Nadeln in alle freiliegenden Hautpartien gebohrt. Unwillkürlich brach Inuyasha in die Knie, hielt sich die Ohren zu. Das war unerträglich. Gleichzeitig wurde ihm bewusst, dass sie schleunigst die nächste Tür erreichen mussten. Dann würde das bestimmt aufhören. Trotz der blendenden Helligkeit versuchte er ein Auge zu öffnen, nach seinem Halbbruder zu gucken. Mit gewissem Erschrecken stellte er fest, dass der sich auf ein Knie niedergelassen hatte, offenbar versuchte, gegen diesen Angriff anzukämpfen. Und der Hundeyoukai wirkte nicht so, als ob er sich darum bemühen würde, vorwärts zu kommen. Stimmt, dachte er unwillkürlich. Sesshoumaru war näher am Hund, hatte die empfindlichere Nase, die besseren Ohren. In diesem Fall war das wohl eher schlecht. Er selbst kämpfte ja schon mit den Schmerzen, der Übelkeit, die der Gestank verursachte. Er musste ihm helfen, versuchen, ihn irgendwie aus dieser Versunkenheit zu wecken. Sie mussten hier raus. So schloss er das Auge wieder, dass in der Helligkeit zu tränen begonnen hatte, krabbelte in Richtung des Hundeyoukai. Irgendetwas musste er ihm sagen…

Sesshoumaru versuchte mit gewissem Ärger seinen Körper unter Kontrolle zu bekommen. Solch einen Angriff hatte er noch nie erlebt, sich noch nie nicht auf seine Sinne verlassen können. Selbst, falls einer mal schwächer war, halfen für gewöhnlich die anderen aus. Aber jetzt? Das Pfeifen schmerzte in den Ohren, er konnte nichts sehen und der Gestank ließ ihn zum ersten Mal in seinem Leben würgen. Zu allem kam noch der Schmerz auf der gesamten Körperoberfläche.

„Onii-san….Komm.“

Er musste sich verhört haben. Dieses Pfeifen gaukelte ihm Wörter vor. Aber irgendwie weckte ihn das aus seinem Alptraum aus Schmerz und Übelkeit. Nein. Er musste die nächste Tür erreichen, sie mussten die nächste Tür erreichen. Er zwang sich dazu, ein Auge zu öffnen. Trotz der gleißenden Helligkeit erkannte er, dass Inuyasha neben ihm war, irgendwie es anscheinend bewerkstelligte, in Richtung des Ausgangs zu taumeln. Wenn das das Halbblut schaffte, würde er das doch wohl auch können. Aber er vermochte es nicht aufzustehen, das war dann doch zuviel. Mühsam raffte er seine Selbstbeherrschung zusammen, um wenigstens auf allen vieren zum Ausgang zu gelangen. Immerhin bekam das der Hanyou nicht mit.
 

Das Geräusch, die Helligkeit, der Schmerz verschwanden im gleichen Moment, in dem sie die Tür berührten. Keuchend setzte sich Inuyasha, lehnte den Kopf gegen den Pfosten. Sesshoumaru zögerte einen Moment, dann setzte er sich an den anderen. Wer wusste, was nach der Tür kam und sie benötigten vielleicht ihre Sinnesfähigkeiten. Einen Moment Erholung war für die Ohren, die Nase, die Augen sicher gut. Hatte er sich zuvor geirrt? Dieses grässliche Geräusch hatte sein Gehör derart belästigt, dass er Dinge gehört hatte, die nicht existierten? Bestimmt. Inuyasha hatte ihn in seinem ganzen Leben noch nicht mit onii-san angesprochen, großer Bruder. Überdies war es natürlich unmöglich, den mal eben zu fragen. Nein. Er würde sich doch nicht vor dem Mischling lächerlich machen.

Inuyasha öffnete die Augen. Langsam konnte er wieder etwas erkennen, die Schmerzen ließen nach. Vorsichtig sah er zur Seite. Sesshoumaru schien sich ebenfalls zu erholen. Solch eine Attacke hatte er noch nie erlebt. Und anscheinend auch der Hundeyoukai nicht. Immerhin schien der zum Glück nicht gehört zu haben, was ihm da herausgerutscht war. Großer Bruder…Das hätte dem sicher nicht gefallen, von einem ach so schwachen Halbblut so angeredet zu werden. Warum nur hatte er das gesagt? War er schon so verwirrt gewesen? Aber er wusste, dass das nicht stimmte. Irgendwie waren sie sich in den letzten Tagen näher gekommen. Und auch, wenn ihm bewusst war, dass da noch ein Duell wartete, sobald sie endlich diesen Schmied und den Kessel erledigt haben würden – zumindest für diese paar Tage hatte er das Gefühl bekommen, wie es vielleicht hätte sein können. Schade, eigentlich. Aber er musste sich zusammennehmen. Im Kampf mit Sesshoumaru würde er sich keine Empfindlichkeiten leisten können, wollte er den überleben.

So sah er nur seitwärts: „Nette Falle.“

Schweigen.

Also stimmte der Hundeyoukai zu. Mit gewissem innerem Grinsen richtete sich der Hanyou auf. Wie er erwartet hatte, war sein Halbbruder ebenfalls prompt auf den Beinen. So öffnete er die nächste Tür.
 

Mit alles anderem als großer Begeisterung starrte Inuyasha auf das nächste Hindernis. Es war ein Abgrund, scheinbar ohne Ende nach rechts und links. Das gegenüberliegende Ende war ebenfalls nicht zu erkennen. Wenn man hier nicht fliegen konnte – wie sollte man da hinüber kommen? Im nächsten Moment bekam er die Antwort auf seine Frage. Vor ihnen erschien ein Seil, eher ein Tau, das sich über den Abgrund spannte, vor ihnen in der Dunkelheit verschwand.

„Ach du Schande, “ brachte er hervor. Das erinnerte ihn an diese dämliche Prüfung von Mawashi, als er mit verbundenen Augen über einen Abgrund auf einem Seil hatte gehen müssen und fast zweihundert Meter tief gestürzt war. Er hatte das zwar überlebt, aber wie tief war wohl dieser Abgrund hier? Sesshoumaru konnte ja fliegen, aber er würde sich eher die Zunge abbeißen, als den zu fragen, ob er ihn tragen würde. Diese Ablehnung und den darauf folgenden bissigen Kommentar konnte er sich sparen.

Der Hundeyoukai erinnerte sich ebenso an diese Prüfung - und daran, dass Inuyasha gesagt hatte, er sei in den Abgrund gestürzt. Er selbst war ebenfalls fehlgetreten, hatte aber fliegen können. Mawashi hatte ihm sofort geholfen. Und Inuyasha dafür verprügelt, dass er gestürzt war, nachdem ihn der Heiler wieder zusammengeflickt hatte. Nun, das würde noch ein Nachspiel haben. Er war ein wenig verwundert, dass der Hanyou nichts sagte, nicht darum bat, mit ihm fliegen zu können. Nein. Ein Feigling war sein jüngerer Bruder wirklich nicht. Er sah zu ihm. Inuyasha starrte das Seil mit zusammengebissenen Zähnen an, aber er machte den Schritt darauf zu. Vielleicht war es diese Bewegung, die den Älteren dazu trieb, etwas zu unternehmen:

„Inuyasha.“

„Was ist?“ fragte der zurück, ohne den Blick von dem gespannten Tau zu lassen. Wenn er sich daran klammern würde, mit den Händen und den Beinen...?

„Du kannst nicht fliegen.“

Irritiert sah der Hanyou, wie sein Halbbruder den Schritt über den Rand machte, neben dem Seil in der Luft schwebte. Und er glaubte seinen Augen nicht trauen zu dürfen, als der ihm die Hand hinstreckte. Das war… Noch vor wenigen Minuten hätte er sich auf dem Boden gewälzt vor Lachen, wenn ihm jemand gesagt hätte, der Hundeyoukai würde ihm je eine helfende Hand reichen. Aber vielleicht erging es dem ja so ähnlich wie ihm? Man hatte sich in den vergangenen Tagen aneinander gewöhnt? Und immerhin waren zu zweit die Chancen, hier durch zu kommen, größer. Oder auch, diesen verrückten Schmied zu erledigen. Da war Zusammenarbeit wohl wirklich richtig. So fasste er zu, ergriff zum ersten Mal in seinem Leben die Hand seines Halbbruders, spürte, wie sich lange, schmale Finger fest um die seinen legten. Nein. Er würde nicht fallen. Diesmal gab es keinen Mawashi, keine Prüfung. Inuyasha atmete tief durch, als er die Furcht aus Kindertagen in sich zurückschob, verdrängte, und das Tau betrat.
 

Eine Weile herrschte Schweigen, als sie nebeneinander den Abgrund überquerten. Nach gut zehn Minuten war noch immer kein Ende abzusehen. Inuyasha ging fortgesetzt sicherer. Die Hand um die seine versprach ihm Schutz und er konnte nicht verhindern, dass er ein seltsames, warmes Gefühl spürte. War das so, wenn man einen älteren Bruder hatte? Sesshoumaru seinerseits fühlte, wie der Hanyou immer sicherer wurde, immer schneller ging. Anscheinend verließ sich dieser wirklich darauf, dass er ihn abfangen würde. Nun gut, wenn Inuyasha eines über ihn wusste, dann, dass er immer das tat, was er gesagt hatte. Aber dennoch war es ein eigenartiges Gefühl, die Hand des Jüngeren zu halten, diese Klauen, die den seinen so ähnlich waren. Es war fast, als würde Rin zu ihm aufsehen. Da war Vertrauen, Vertrauen zu ihm, und auf seiner Seite das Gefühl, Schutz geben zu sollen. Empfand man das so, wenn man der ältere Bruder war?

„Wenn das Mawashi sehen könnte…“ sagte Inuyasha plötzlich: „Dann hätte ich wohl doch die Prüfung bestanden.“

„Das war keine Prüfung.“ Nein, das war ein Mordversuch gewesen.

„Aber du hast gesagt, dass du das auch hast tun müssen.“

„Training des Gleichgewichtes.“ Nach einem Augenblick Pause ergänzte der Hundeyoukai: „Und ich kann fliegen.“

„Natürlich. Und ich als Hanyou wurde eben getestet, ob ich es trotzdem wert bin…“

„Du hättest nicht geprüft werden sollen.“

„Nein? Was dann? War das nur eine einfache Möglichkeit den dämlichen Hanyou umzubringen?“ Der Sarkasmus war offenkundig

„Für die Lehrer anscheinend ja.“

„Bitte?“ Aber Inuyasha hatte verstanden: „Mawashi und die anderen Lehrer, also, ohne den alten Akado, haben versucht, mich umzubringen? Alles, was ich für Prüfungen hielt, waren Mordversuche? Darum hast du auch so komisch nachgefragt? Das haben sie dir natürlich nicht erzählt...“ schloss er seine, ihn überrollende, Erkenntnis. Jetzt verstand er, warum Sesshoumaru in den vergangenen Tagen immer wieder mit dieser Ausbildung angefangen hatte. Der hatte vermutlich gedacht, er höre nicht richtig. Dann dürfte er auch ganz schön wütend auf die Lehrer sein.

„Ja.“

Der Hanyou sah weiter nur auf das Seil und schwieg, sich all die Prüfungen, nein, Mordversuche, nochmals in Erinnerung rufend. „Dass ich das nicht erkennen konnte…“

„Du wusstest es nicht besser.“ Aber ich hätte besser darauf achten sollen, fügte Sesshoumaru gedanklich hinzu. Es brachte nie etwas, sich selbst zu belügen.

Inuyasha lachte auf einmal bitter auf. „Wusstest du, dass ich mich manchmal fragte, wie viele Geschwister wir überhaupt hatten? Wie viele diese Prüfungen nicht überlebten? Ich dachte…“ Er brach ab und biss wütend die Zähne aufeinander. Leise zischte er: „Verdammter Mistkerl von Mawashi. Ich könnte ihn umbringen. Sie alle!“

„Nicht nur du.“

Das hatte sich der Hanyou schon fast gedacht: „Klar, weil sie dich angelogen haben.“

Und weil sie mich dazu brachten, meinen Halbbruder zu verachten, fast zu töten. Aber das sagte Sesshoumaru nicht. Stattdessen meinte er: „Wir sollten unser Duell verschieben.“

„Du meinst, wenn wir den Schmied erledigt haben, besuchen wir Mawashi und die anderen? Die werden wir aber erst finden müssen.“ Inuyasha bemerkte, dass das Seil unter ihm schwankte und fasste instinktiv fester zu, lockerte dann aber den Griff wieder. Es war ja nicht nötig, dass er seinem Halbbruder zeigte, dass er noch immer Angst hatte. Auch, wenn dieser im Augenblick gerade ein sehr reizvolles Angebot gemacht hatte. Diesen Lehrern es mal so richtig zu zeigen, dann sogar Mawashi im Kampf zu besiegen, das wäre doch etwas. Und ihnen diese ganze dämliche, schreckliche, ja, mörderische Ausbildung heimzuzahlen. Nun gut, danach eben ihr Duell.

Möglich, dachte der Hundeyoukai. Vielleicht würde sich der eine oder andere aber auch im Schloss aufhalten. In jedem Fall würde man dort sicher wissen, wo sie abgeblieben waren. Sesshoumaru war ein wenig überrascht, wie sehr sich der Hanyou zusammennahm, sich bemühte, keine Furcht zu zeigen. Nein. Er war mutiger und stärker geworden, als er das je geglaubt hatte. Und es wäre wirklich ein Vergnügen, gegen ihn zu kämpfen. Unter allen Hanyou war es sicherlich nur Inuyasha wert, als Familienmitglied betrachtet zu werden.

Aber nein… Familie, was war das schon? Inuyasha war mehr. Der stärkste Hanyou. Sein Halbbruder. Sein Gegner. Sein Maßstab? Ja. Inuyasha war der Einzige, der auch nur annähernd war wie er, Sesshoumaru.
 

Endlich zeigte sich das Ende des Abgrundes. Auch hier schien das Tau nur aufzuliegen, aber es hielt. Der Hundeyoukai ließ die Hand seines Halbbruders los, als der nur noch zwei Schritte entfernt war.

Inuyasha sprang unverzüglich auf den festen Boden, erleichtert. Aber er sagte nur: „Da ist die Tür.“ Und diese sah nicht sonderlich einladend aus. Ein waagerechter Halbkreis aus Metall befand sich daran, wohl ein Griff. Selbst der Hanyou erkannte, dass dieser unter einer überaus mächtigen Magie leuchtete. Und was sollte der Spruch über der Tür: „Aus Zwei mach Eins“? Er sah unwillkürlich seitwärts, die instinktive Anfrage an den großen Bruder.

Sesshoumaru musterte die Tür ebenfalls, als er den fragenden Blick bemerkte: „Verschmelzung.“ Seine Ausbildung war gut genug gewesen, dass er wusste, was das hier bedeutete: das nervigste Hindernis, das er sich nur hatte vorstellen können.

„Was meinst du?“ Dann begriff Inuyasha: „Soll das heißen, wir können nur durch diese Tür gehen, wenn wir uns vereinigen? Wie soll das denn gehen? Und das will ich überhaupt nicht!“ Das Aneinandergepresst-Werden zuvor war ja wohl schon Gemeinschaft genug gewesen. Allerdings war es auch keine schöne Alternative, in alle Ewigkeit neben Sesshoumaru hier vor einer Tür zu stehen und nicht vor und nicht zurück zu können. Die dritte Wahlmöglichkeit, ein Duell, war auch keine, da offenbar nur zwei hier durchkämen.

„Das ist die einzige Möglichkeit durch diese Tür zu gelangen.“ Als ob er mit einem Hanyou verschmelzen wollte! Wenn er je einen Alptraum haben würde, sähe der sicher so aus. Aber in Anbetracht seiner guten Vorsätze erklärte er weiter: „Das kann nur mit sehr mächtiger Magie geschehen. Wie diese hier. Und bei Wesen, die sich in Seele, Youki und Körper ähnlich sind.“ Diesen Satz hätte er am liebsten verschluckt.

„Das wird also nur klappen, weil wir denselben Vater haben? Dann ist diese Tür bestimmt extra für uns aufgestellt worden.“ Der Hanyou hob den Kopf: „Danke!“ schrie er zu niemand Bestimmten, ehe er weiterfragte: „Und wo ist der Haken? Ich kann mir nicht vorstellen, dass das ungefährlich ist.“

Der Hundeyoukai benötigte zu der nächsten Antwort seine gesamte Selbstbeherrschung. Aber er hatte sich vorgenommen, der große Bruder zu sein, bis sie den Schmied getötet hätten: „Wenn wir uns nicht ähnlich genug sind, wird die Verbindung scheitern. Wir sind tot.“

„Na, der Weg ins Zwischenreich ist ja nicht weit. Noch ein Haken?“

„Wenn wir uns zu ähnlich sind, wird das entstehende Wesen die Gemeinschaft nicht mehr lösen. Auch in diesem Fall hören wir auf zu existieren, leben aber in einem Wesen weiter.“ Aber das sollte nun sicherlich nicht der Fall sein. Er war Sesshoumaru und das ein Halbblut.

„Das hört sich wirklich gut an.“ Inuyasha starrte die Tür an „Aber wir haben wohl keine Wahl, oder? Wir wollen hier raus. Immerhin, wenn das so schief geht, dass ein neues Wesen entsteht, sollte dieser…wie heißt er dann? Inumaru...den Schmied töten wollen und können.“

Sesshoumaru hätte um ein Haar den Kopf geschüttelt. Der Hanyou machte sich Gedanken, wie solch ein Wesen dann heißen würde? Wie naiv er doch manchmal war. Aber in Einem hatte er Recht: es gab keine andere Wahl.

„Und was jetzt?“ erkundigte sich Inuyasha.

„Wir müssen gleichzeitig den Griff berühren.“

Die Halbbrüder streckten die Hände aus. Im gleichen Augenblick, als sie das Metall erreichten, tauchte ein grelles Licht daraus auf, blendete sie. Das war das Letzte, was sie bewusst wahrnahmen.

Dann stand nur noch ein Wesen vor der Tür, mit langen, dichten, weißen Haaren, bernsteinfarbenen Augen und je einem Streifen an den Wangen, eine Rüstung über einem roten Gewand. Er hielt den Griff mit der Rechten fest. Für einen Moment geschah nichts, dann wirbelte die Tür um ihre eigene Achse und er wurde hinausgeschleudert.

Noch während des Fluges machte er einen Überschlag, landete. Im gleichen Augenblick, als er den Boden berührte, erschien wieder das grelle Licht, und beide Halbbrüder stürzten nach rechts und links, sprangen sofort auf, sahen sich um.

„Keh!“ machte Inuyasha leise: „Wir haben es wohl geschafft.“
 

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Ähnlich und unähnlich zugleich, also. Ob sie daraus einmal die richtigen Schlüsse ziehen werden? Das nächste Kapitel heisst allerdings zuerst einmal: Der Schmied und sein Kessel.
 

Wer so nett ist, mir einen Kommentar zu hinterlassen, dem schicke ich, wie gewohnt, eine ENS, wenn ich sehe, dass das neue Kapitel freigeschaltet wurde.
 

bye
 

hotep



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Kommentare zu diesem Kapitel (35)
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Von: abgemeldet
2007-07-30T18:40:38+00:00 30.07.2007 20:40
Inumaru? Klingt... nett. oO Ne MIschung aus Inu un Sesshy... Also, quasi Sesshy, nur ohne seine eigentliche Geduld? Mami, ich hab Aaaaaaaaaaaangst... ->.<-
Das war mal wieder ein tolles Chap... Schön, dass sich die beiden auch mal richtig unterhalten können. *drop* Hätt ich ihnen gar nicht zugetraut. Und dass Sesshy auch noch so nett (!!!) ist... wie hast du das hingekriegt? *interessiert hinguck* Pilze? Oder die kleinen rosa Pillen? Naja, vllt hast du ihm ja auch mit der Leine oder nem Maulkorb gedroht... xD
Njo, ich les dann mal weiter. ^.^ Bin ja scho ziemlich gespannt..
bis dann *gg*
nao
Von: abgemeldet
2007-07-09T12:11:40+00:00 09.07.2007 14:11
Ich glaube, ich habe ein neues Lieblingskapitel *grins*.

Wie schön Du es doch beschrieben hast, dass sie diese ganzen Prüfungen nur zu Zweit bestehen können, wie man auch anhand dieser aktuellen Aufgaben nur zu gut sieht.
Und beide entwickeln richtige und ehrliche Geschwistergefühle füreinander, wie knuffig ist das denn? ^-^
Zuckersüß fand ich auch die Stelle mit dem Seil, wie sich beide fragten, ob es sich wohl so anfühlt, wenn man einen Bruder hat, bzw. einer ist. Wirklich schnuffig, zu schade, dass sie gegeneinander kämpfen müssen, ob sie dies hinterher überhaupt noch wollen?
Du wirst es uns sagen, irgendwann einmal, hehe.

LG
Mariko
Von: abgemeldet
2007-07-07T21:18:43+00:00 07.07.2007 23:18
Hi!
Das war ein tolles Kapitel^^ Es ist richtig schön, wenn die Brüder sich gegenseitig helfen, da wird einem ganz warm =) Ich frage mich nur, woher es kommt, dass die Prüfungen genau auf die Inu-Brüder zugeschnitten waren.
Sesshoumarus Vorschlag das Duell zu verschieben, um gewissen Lehrern vorher einen Besuch abzustatten, ist echt klasse *g* Hoffentlich ist der Teil noch in diese FF miteinbegriffen.
Vor der letzten Prüfung habe ich zuerst einen Schreck bekommen, weiss auch nicht, eine Art Fusion zwischen Sesshoumaru und Inuyasha erschien mir irgendwie falsch. Da es aber nur so kurz angehalten hat, und nicht wirklich ein neuer Charakter entstanden ist, war es dann für mich doch vollkommen in Ordnung. Jetzt haben sie auch endlich den Beweis, dass sie sich ähnlich sind =)

Der Titel des nächsten Kapitels klingt vielversprechend, freu mich drauf =)

Liebe Grüsse
Breaca
Von:  Teilchenzoo
2007-07-07T20:32:27+00:00 07.07.2007 22:32
Schade, dass dieser Inumaru nicht länger gehalten hat ^^ ... wäre schön gewesen, ihn bis zur nächsten Tür zu begleiten. Naja, man kann nicht alles haben.

Hm. Das mit dem Seil ... dieses Gespräch war schön. Und die ähnlichen Gedankengänge^^. Ich hoffe, das Duell wird nur Übung und nicht tödlich. mit gelegntlichen Trainingskämpfen der ansonsten friedlichen Brüder könnte ich leben^^.
Und, natürlich, will ich auch wissen, wie die Besuche bei den Lehrern ablaufen!! Unbedingt!! Das kann noch nicht das Ende sein.

Hm. Die erste Prüfung. Nun ja ...

Bye bye lg neko
Von:  Lizard
2007-07-06T20:06:38+00:00 06.07.2007 22:06
Eines hatten alle Hindernisse gemeinsam: man braucht den anderen, um sie zu meistern. Ein schöner Einfall. Allgemein spielen zudem Hände in vielerlei Hinsicht hier eine sehr bedeutende Rolle, auch ein sehr schönes Bild. Und der Abschluss mit der Verschmelzung war nochmals eine gute Verdeutlichung der Ähnlichkeit der sonst scheinbar so verschiedenen Brüder. Dieses Motiv zieht sich bei dir ja hier durch die ganze Geschichte und es ist einer der Aspekte, die ich an dieser Story so mag.

Nebenbei ist noch die Entscheidung gefallen, dass die verehrten Lehrer noch ihr Fett weg kriegen d.h. mit Erledigung des Kesselschmieds ist damit eindeutig noch nicht das Storyende erreicht... man darf gespannt sein!
Von:  Hrafna
2007-07-05T14:10:54+00:00 05.07.2007 16:10

Hab ich schonmal erwähnt, dass der Herr der Zwischenwelt was hat?
Irgendwie mag ich Nebencharaktere... ^-^°

*Freude*
Ist zwar nur eine Kleinigkeit, aber ich möchte es dennoch erwähnen: es freut mich sehr, dass du die Schreibweise von "Tenseiga" übernommen hast!
(naja, ich werde es dir wohl auch oft genug angekreidet haben... aber so sieht es wirklich besser (und richtiger) aus!)

Ich mag den unterschwelligen Humor von Sesshoumaru, und Inu Yasha ist dir in seinr etwas ruppigen Art durch die ganze FF hinweg gut gelungen, deswegen wundert mich die Sache mit der Anrede ein bisschen.
Komme mit mir selber nicht ins Reine, ob das nun IC ist oder nicht.
Einerseits kann ich mir das aus seinem Mund überhaupt nicht vorstellen, andererseits ist da ja alles, was zuvor passiert ist, sie sind nur zu zweit und die Situation ist...misslich.
Trotzdem bin ich mir da nicht sicher. Kann man drüber diskutieren.

Und dann die Hochseilaktion.
Sesshoumaru und seinem Bruder auf diese Weise helfen...?
Ich weiß nicht, das mag mir nicht in den Kopf, Kesselturnier und Vergangenheit hin oder her.
(vll nur meine persönliche Meinung)

Aber die letzte Szene gefällt mir sehr gut, alleridngs hättest du den Zweck etwas klarer herausarbeiten können (oder wolltest du das gar nicht...?).

Alles in allem bin ich zufrieden. ^-^

Bless,
Hrafna
Von:  dice70391
2007-07-01T13:56:22+00:00 01.07.2007 15:56
Verschmelzung...
wirklich eine ganz neue form die beiden Hunde zu einander zu bringen...
naja wie gesagt ich bin im urlaub und hab nicht so viel zeit zum schreiben...
also...es hat mir wie immer eigentlich sehr gut gefallen und ich freu mich schon wenns weiter geht

dice
Von: abgemeldet
2007-06-29T21:25:37+00:00 29.06.2007 23:25
Jaja, das gute alte Teamwork...aber dafür direkt zu verschmelzen? Nee, danke...auch wenn's wie mein Vorgänger schon sagte ein wenig an DBZ erinnert, ist es doch ganz anders...Inumaru...wirklich^^.

Von:  Sasuke_Uchiha
2007-06-28T18:44:21+00:00 28.06.2007 20:44
Die Verschmerlzung war stark. Erinnert ein wenig an DBZ. Ich glaube, dass dieses Kapitel mir bisher mit am besten von allen gefallen hat.
Von:  Sarai-san
2007-06-27T20:51:28+00:00 27.06.2007 22:51
Du hast wieder eine Menge Phantasie gezeigt bei der Erfindung der Fallen. Die waren wirklich abwechslungsreich und ungewöhnlich. Gleichzeitig konnten (oder mussten?) die Brüder eine Menge übereinander lernen dabei.
Sesshoumaru hat sein Denken aber wirklich umgestellt gegenüber Inuyasha, bei dem man sich das irgendwie noch leichter vorstellen kann, dass er seinen Bruder annimmt.
Besonders die Szene über dem Abgrund zeigt ihre Annäherung.
Bis nächstes Mal.
Bye
Sarai


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