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Photophobia

a fear of light (die Angst vor dem Licht)
von

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Anaxiphilia

anaxiphilia –

The act of falling in love with the wrong person (sich in die falsche Person verlieben)
 

Bisher hatte Ryuuzaki Schlaf immer als eine Notwendigkeit betrachtet, der auch er nicht entkommen konnte, ein zeitraubendes Zeugnis menschlicher Schwäche, weshalb er seinen Schlaf auch auf ein Minimum reduziert hatte. Wenn er aufgewacht war, dann war er sonst immer sofort aufgestanden, um nicht eine einzige Minute zu verschwenden.
 

Yagami Light hatte ihm beigebracht, dass man auch anders aufwachen konnte. Man konnte einfach liegen bleiben und darauf warten, bis die Lebensgeister langsam erwachten. Weil er so viel Schlaf nicht gewohnt war, war Ryuuzaki nämlich für gewöhnlich derjenige, der als erster erwachte. Anfangs hatte er Light dann gleich geweckt, aber der brauchte offensichtlich ein paar Minuten, um wach genug zu werden, auch aufzustehen. Deshalb hatte Ryuuzaki es sich notgedrungen auch angewöhnt, etwas länger liegenzubleiben und auf diese wunderbare Weise langsam wach zu werden.
 

Jetzt gerade befand er sich in diesem glorreichen Moment zwischen Schlafen und Wachen, wo ihm so viele ungewöhnliche Bilder und Worte im Kopf herumschwirrten und sich immer wieder zu neuen, undenkbaren Kombinationen zusammenfanden. Es war zu früh, um sich zu sorgen, um Kira, um Light, um die Welt da draußen. In diesem einen Augenblick war Kira nichts als ein Wort, zu weit weg um ihn in Aufruhr zu versetzen. Er wollte nicht aufwachen.
 

Irgendetwas lag auf ihm, diese Erkenntnis drang langsam zu ihm durch. Es war kein Kissen. Dieser betörende Duft, den Light Yagami verströmte, lag in der Luft und Ryuuzaki atmete ihn schamlos ganz tief ein. Seit Light vor ein paar Tagen wegen seinem Fuß gestürzt und auf ihm gelandet war, hatte dieser Geruch sich an ihm festgesetzt und er war nicht unglücklich darüber. Im Gegensatz zu den meisten Menschen belästigte er Ryuuzakis feine Nase nicht. Es war ein ganz eigener Geruch, so schwer zu beschreiben, dass er keine Worte dafür fand, sondern nur Beschreibungen von Assoziationen, die er in ihm wach rief.
 

Auch wenn er es nicht wollte, der Schlaf wich von ihm und Stück für Stück holte die Realität ihn ein. Er öffnete müde die Augen und schmiegte seine Wange an die weiche Haut von Lights rechtem Arm. Eine seiner Hände kroch unter der warmen Decke hervor und berührte abwesend diesen Arm, der wie selbstverständlich auf ihm lag, praktisch auf seinem Gesicht. Er blickte nach rechts, wo Light sein schlafendes Gesicht in ein Kissen gedrückt hatte. Sein sonst so perfektes Haar stand in alle Richtungen ab und er wirkte vollkommen gelöst und entspannt. In dieser Haltung zeichneten sich die Muskeln auf seinem Arm ab. Irgendwie hatte Ryuuzaki Light immer als Kind gesehen. Fast erwachsen zwar, aber noch ein Schüler – beziehungsweise jetzt Student – und nicht mehr als ein besonders scharfsinniges Kind, das seinen Verstand wie eine Waffe gebrauchte. Light hatte es ja selbst gesagt, Kira ist ein verwöhntes Kind. Ryuuzaki war es nie ganz gelungen, Kira und Light im Geiste voneinander zu trennen. Aber neben ihm lag kein Kind. Das war ein junger Mann, nicht sehr viel jünger als er, intelligent und kräftig, schön und tödlich.
 

Irgendwann heute Nacht hatte er sich wohl auf den Bauch gedreht und dabei seinen Arm über Ryuuzaki geworfen, so als wäre der ein Kissen. So nah hätte Ryuuzaki niemals freiwillig jemanden an sich herangelassen und er wunderte sich irgendwo, dass er nicht wach geworden war.
 

Aber es war so schön, so gemütlich, so…
 

Mit einem wohligen Brummen legte Light seine Stirn in Falten. Die Muskeln in seinem Arm spannten sich an und er erwachte. Ganz langsam öffnete er seine Augen und zog sein Gesicht ein Stück aus dem Kissen, gerade genug, um sehen zu können.
 

Der Blick in die verschlafenen Augen wirkte wie ein Kübel Eiswasser, den man über Ryuuzaki ausgeschüttet hatte. Er spürte, wie er erstarrte, als wäre sein ganzer Körper plötzlich zu Eis gefroren. Und Light merkte es auch. Fast abrupt hob er seinen Arm hoch. "Entschuldige", sagte er ohne Bedauern in der Stimme. "Ich muss geträumt haben."
 

Ryuuzaki zwang sich, sich zu entspannen. Obwohl er am liebsten aus dem Bett gesprungen wäre, setzte er sich nur langsam auf. Aus der Hosentasche holte er den Schlüssel für die Handschellen und machte sich los. Er wusste, dass Light es auffallen musste. Normalerweise machte er sie erst im Bad voneinander los, damit ihm auch nicht die geringste Bewegung von Light entging. Heute hätte er es nicht geschafft, die bloße Erinnerung an die unfreiwillige Nähe machte ihn unruhig und nervös. Auch wenn er ganz besonders langsam ging, es kam ihm vor wie eine Flucht, als er im Badezimmer verschwand und Light im Bett zurückließ.
 


 

Die Ermittlungen und das Leben mit Ryuuzaki kam Light manchmal wie eine andere Welt vor, so als wäre sein ganz normales Leben zwischenzeitlich eingefroren, damit er inzwischen am Fall Kira arbeiten konnte. In diesem Hochhaus, in diesem Büro, da schien die Welt da draußen mit den ganz normalen Ereignissen und Problemen manchmal gar nicht zu existieren. Deswegen traf ihn die e-Mail, die er eher zufällig entdeckte, eher unvorbereitet. Es war vormittags, das Team war bereits eingetroffen und weil er sich etwas gelangweilt hatte, hatte er sein e-Mail Postfach der Touou Universität aufgerufen. Weil er das so selten machte, waren da meistens nur viele Mails mit langweiligen Neuigkeiten über Professorenwechsel oder Events auf dem Campus. Heute aber war eine besondere e-Mail dabei.
 

Nachdem er sie gelesen und kurz darüber nachgedacht hatte, wie er darauf reagieren sollte, hatte Light sich in seinem Stuhl zurückgelehnt und mit einem Räuspern die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. "Ryuuzaki, ich hätte da eine Bitte."
 

"Ja?"
 

"Ich muss morgen zur Uni." Light deutete auf den Bildschirm, damit Ryuuzaki die e-Mail überfliegen konnte. "Ich hätte es beinahe vergessen, aber das Semester ist fast zu Ende. Morgen sind die Prüfungen." So ganz stimmte das nicht. Er hatte jeden Gedanken an die Prüfungen nicht ganz ohne Grund beiseite geschoben, weil es momentan Dinge gab, die wichtiger waren als das Lernen.
 

"Du hättest es beinahe vergessen?!", wiederholte sein Vater im Hintergrund schockiert. "Willst du mir erzählen, du hast bis eben nicht gewusst, wann deine Prüfungen sind?"
 

Achselzuckend erklärte Light: "Ich war hier so eingespannt, dass ich es völlig vergessen hatte. Zum Glück habe ich meine e-Mails geprüft."
 

Sein Vater wirkte nicht sehr begeistert, Ryuuzaki zeigte wie üblich gar keine Gefühlsregung und dem Rest des Teams stand ein gewisses Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Offenbar kannten Matsuda und Mogi im Gegensatz zu Light nicht die Annehmlichkeiten, sich vor Prüfungen nicht fürchten zu müssen.
 

"Also?", fragte Light erwartungsvoll. "Ließe sich das einrichten, dass ich morgen meine Prüfungen ablegen kann? Man sieht vielleicht darüber hinweg, dass ich im Unterricht nicht anwesend bin, aber wenn ich morgen nicht erscheine, muss ich das Semester wiederholen."
 

"Heißt das, du willst an der Prüfung teilnehmen, obwohl du gar keine Zeit zum lernen hattest?!", fragte Matsuda ungläubig.
 

"Ja."
 

"Denkst du, du schaffst das?", erkundigte sein Vater sich. Offenbar wusste er nach all den Jahren immer noch nicht, wie gut sein Sohn wirklich war.
 

"Es gefällt mir zwar nicht, aber ich möchte Raito nicht noch mehr Schwierigkeiten machen als ich es ohnehin schon tue", mischte Ryuuzaki sich ein. "Ich möchte nicht dafür verantwortlich sein, dass du das Semester wiederholen musst."
 

Zufrieden nahm Light dies zur Kenntnis und wandte sich wieder dem Bildschirm zu. Er hielt es nicht für zweckdienlich, jetzt noch mit dem Lernen anzufangen. In unregelmäßigen Abständen hatten einige seiner Kommilitonen ihm Informationen über den derzeitigen Unterrichtsstand per e-Mail zukommen lassen und er hielt sich diesbezüglich für ausreichend informiert. Die interessantere Frage war, ob Ryuuzaki vorhatte, die Universität in Handschellen zu betreten.
 


 

Die Antwort, die Light auf diese Frage bekam, war nicht wirklich überraschend. Denn pünktlich um acht Uhr betraten sie zu zweit und aneinander gekettet den Prüfungssaal. Es wurde laut im Raum, man bedachte sie beide mit ungläubigen Blicken. Selbst für Light, der mit einer gesunden Portion Selbstbewusstsein gesegnet war, war der Weg zu seinem Sitzplatz kein sehr angenehmer. Wenigstens waren die Professoren informiert, sonst hätte es vermutlich Schwierigkeiten gegeben. Was genau Ryuuzaki ihnen mitgeteilt hatte, wusste Light nicht und wollte es, wenn er ehrlich war, auch gar nicht wissen.
 

Kaum hatten sie beide sich gesetzt, da rief eine Mädchenstimme: "Raito-kuuuun!" Jemand schlang von hinten die Arme um ihn und als er sich umdrehte, erkannte er Mai. Zum Beginn des Semesters - vor Ryuuzaki und seinen Handschellen, fügte er in Gedanken hinzu - hatte er sich ab und an mit ihr getroffen. Das war nun doch schon eine ganze Weile her, trotzdem war sie offensichtlich nach wie vor von ihm begeistert. "Hast du meine e-Mails bekommen?", plapperte sie drauf los. "Es war ganz schön langweilig ohne dich! Wo warst du bloß?"
 

"Raito und ich arbeiten an einem zeitaufwändigen wissenschaftlichen Projekt", kam Ryuuzaki ihm zuvor.
 

Mai musterte Ryuuzaki von oben bis unten und man sah ihr am Gesicht an, dass sie in diesem Augenblick beschloss, den eigenwilligen jungen Mann nicht zu mögen. "Und worum geht es bei diesem Projekt? Gehören die Handschellen vielleicht auch dazu?"
 

"In der Tat. Wir arbeiten an einer Studie über die sozioökonomische und psychosoziale Lebenssituation emotional und physisch voneinander abhängiger Individuen von überdurchschnittlicher kognitiver Kapazität."
 

Light lachte und Mai verzog beleidigt das Gesicht.
 

Die Tür ging auf und der Professor betrat den Raum. Nervöse Stille breitete sich im Raum aus und nur auf zwei Leute übertrug sich die plötzliche Anspannung nicht. Light war eigentlich nur neugierig auf die Fragen und natürlich darauf, wie Ryuuzaki bei den Prüfungen so abschneiden würde. Und was Ryuuzaki anbelangte… wenige Minuten später, nachdem die Prüfungszettel ausgeteilt worden waren und die emsige Stille nur vom Kratzen der Stifte auf rauem Papier übertönt wurde, hörte Light links neben sich erst ein Rascheln und dann das Geräusch, wie von einer harten Tafel Schokolade ein Stück abgebissen wurde.
 


 

Zur Mittagszeit hatten Light und Ryuuzaki sich wie die meisten anderen auch in die Mensa gesetzt um etwas zu essen. Mai und zwei ihrer Freundinnen hatten sich ihnen mehr oder weniger aufgedrängt und deshalb saßen sie beide jetzt eingeengt zwischen den Mädchen und mussten sich so überaus interessanten Themen wie "die Party letzten Donnerstag" aussetzen. Während Light sich Mühe gab, freundlich zu sein und wenigstens ein wenig mit den Mädchen zu plaudern, schwieg Ryuuzaki eisern und tat fast so, als wären sie überhaupt nicht anwesend.
 

Nachdem sie in der Früh die schriftlichen Prüfungen abgelegt hatten, waren am Nachmittag die mündlichen an der Reihe. Hier hatte Ryuuzaki nachgeben müssen, er hatte sich einverstanden erklärt, für den Rest der Prüfungszeit die Handschellen zu entfernen, weil die Professoren es offenbar nicht akzeptiert hätten, wenn sie beide zu zweit zu den mündlichen Prüfungen aufgetaucht wären. Deshalb saßen sie jetzt zwar nebeneinander, aber Light genoss die seltene Freiheit, seinen linken Arm frei bewegen zu können, ohne auf die Kette und Ryuuzaki achten zu müssen.
 

Das Mensapersonal war nicht unbedingt gut zu sprechen auf Sonderwünsche, weshalb Light und Ryuuzaki alle beide dasselbe auf ihrem grauen Tablett hatten. Ein Teller Curryreis (Hauptgericht), ein Teller Gemüse (Beilage) und ein kleines Schälchen Pudding (Nachspeise).
 

Nicht einmal zwei Minuten nachdem sie sich hingesetzt hatten, holte Ryuuzaki sich wie selbstverständlich Lights Nachtisch. Light nahm sich von Ryuuzaki mit der gleichen Selbstverständlichkeit den Curryreis. Er wusste, dass Ryuuzaki von besonders scharfen Speisen noch weniger hielt als von allen anderen nicht gezuckerten Mahlzeiten. Er selbst war wie immer in letzter Zeit fast ausschließlich mit Süßem konfrontiert worden, deshalb würde er keine Schwierigkeiten mit einer doppelten Portion haben, ganz im Gegenteil. Er deutete mit seinen Stäbchen auf Ryuuzakis Gemüseteller und sagte: "Iss wenigstens das Gemüse. Irgendwoher musst du ja Vitamine kriegen."
 

Während Light sich über seine doppelte Portion mit großem Appetit hermachte, brachte Ryuuzaki es tatsächlich über sich, den Löffel für den Nachtisch wegzulegen und sich mit den Stäbchen an das ungeliebte Gemüse zu wagen. Es war eine neue Erkenntnis für Light, dass Ryuuzaki es offensichtlich nicht gewohnt war, mit Stäbchen zu essen. Er dachte daran, dass der andere vor langer Zeit mal etwas von England erzählt hatte und schloss daraus, dass Ryuuzaki nicht in Japan aufgewachsen war. Aller Wahrscheinlichkeit war er aus Europa, eine Theorie, die Light schon aufgestellt hatte, nachdem er gemerkt hatte, dass Ryuuzaki deutsch sprach.
 

Es war sehr erstaunlich, dass Ryuuzaki es ohne Widerworte schaffte, so etwa die Hälfte des Gemüsetellers zu essen. Das war ein sehr seltenes Ereignis. Er aß zwar nicht ausschließlich Süßes, soviel hatte Light schon mitbekommen, aber wenn er es nicht unbedingt musste, verzichtete er lieber auf alles, was nicht mindestens zur Hälfte aus Zucker bestand.
 

Die Mädchen hatten den Tellertausch sowie Lights Bemerkung über das Gemüse und Ryuuzakis Reaktion darauf neugierig beobachtet und eines sagte: "Ihr seid echt gute Freunde, kann das sein?"
 

Erstaunt blickte Light sie an. Er warf Ryuuzaki einen Seitenblick zu und antwortete: "Ich schätze ja." Ihm war bis eben gar nicht aufgefallen, wie vertraut sie beide miteinander umgingen. Jemand, der ihre Situation nicht kannte, mochte wohl leicht falsche Schlüsse ziehen. Ryuuzaki hatte sich gerade den ersten Löffel Pudding in den Mund gesteckt und sein seliges Lächeln ließ darauf schließen, wie glücklich er darüber war, den Geschmack des Gemüses übertünchen zu können.
 

Light deutete auf den halbvollen Teller. "War das schon alles? Bei deiner Ernährung wundert es mich nicht, dass du bleich wie ein Gespenst bist."
 

"Dieses Zeug ist mir einfach zu bitter", maulte Ryuuzaki.
 

Das blonde Mädchen rechts von Mai kicherte. Light wollte nicht so ganz verstehen, was sie so lustig fand. Also entschloss er sich, sie zu ignorieren und erkundigte sich beiläufig bei seinem Sitznachbarn: "Wie waren die Prüfungen für dich so bisher?"
 

Achselzuckend erwiderte Ryuuzaki: "Viel zu einfach."
 

Light hätte liebend gerne gefragt, ob Ryuuzaki schon mal eine Universität besucht hatte. Der Meisterdetektiv war immerhin ein paar Jahre älter und Light wusste noch immer so gut wie nichts über ihn. Wenn er schon mal studiert hatte, war es kein Wunder, dass ihm die Prüfungen leicht fielen. Er hatte ein ähnlich gutes Gedächtnis wie Light. Einmal aufgenommenes Wissen ging eben nicht mehr verloren. Aber vor den Mädchen konnte Light ihn schlecht fragen.
 

"Was hat es denn nun eigentlich wirklich mit der Kette auf sich?", erkundigte sich eines der Mädchen neugierig. "Ihr habt ganz schön Aufsehen erregt, heute Morgen."
 

"Ah, das?", fragte Ryuuzaki unschuldig. "Wie schon gesagt, das ist ein Experiment."
 

Misstrauisch beäugte Mai ihn. "Ein Experiment, soso…"
 

"Ich schreibe eine wissenschaftliche Arbeit über die psychischen Auswirkungen, die aufgedrängte körperliche Nähe auf einen Menschen hat. Weil Raito recht robust wirkt, dachte ich mir, er wäre als Fallstudie besonders gut geeignet."
 

Light sah Ryuuzaki mit hochgezogenen Augenbrauen an. Robust?
 

Achselzuckend meinte der: "Du hast ein gesundes Selbstbewusstsein, ich war mir sicher, dass du unter dem Druck ständiger Beobachtung nicht allzu schnell zusammenbrichst." Das Erschreckende war, neben der Tatsache, dass Ryuuzaki den Mädchen das Blaue vom Himmel runter log und das ohne auch nur eine Miene zu verziehen, dass Light seine Frage gar nicht gestellt hatte und Ryuuzaki trotzdem darauf geantwortet hatte. Er legte seine Essstäbchen weg und verkündete, dass er satt war. Sein Sitznachbar hatte seinen Pudding sowieso schon lange verschlungen.
 

Grinsend deutete Ryuuzaki auf den fast vollen Gemüseteller und äffte Light nach: "War das schon alles?"
 

Die Antwort war ein bitterböser Blick und Light stand auf. "Ich geh mal eben zur Toilette."
 

"Ich komme mit", verkündete Ryuuzaki und Light ächzte innerlich. Die Kette war ab und trotzdem hatte er keine Sekunde Ruhe vor diesem Kerl.
 

Das ständig kichernde Mädchen beugte sich rüber zu Mai und sagte etwas, das wohl eigentlich ein Flüstern hätte sein sollen, aber für die beiden Jungs überdeutlich zu hören war. "Ryuga-kun hängt an Yagami-kun wie ein Baby."
 

Eine andere erwiderte scherzhaft: "In ihrem letzten Leben waren sie sicher Liebende."
 

Es war nur ein dummes Sprichwort, eine Redensart um besonders gute Freunde zu beschreiben und trotzdem löste es irgendetwas in Light aus, das er selber nicht verstand. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals und zum ersten Mal überhaupt wagte er es nicht, Ryuuzaki anzusehen, weil er fürchtete, der würde ihm die unerwartete Reaktion auf die gedankenlose Äußerung an der Nasenspitze ansehen.
 

"Wie poetisch", erwiderte Mai säuerlich.
 

Light schüttelte den Kopf, in der Hoffnung, mit dieser Geste auch den Gedanken abschütteln zu können, und schritt so rasch voran, dass Ryuuzaki hinter ihm zurückblieb.
 


 

Um fünf Uhr Nachmittags verließen Light und Ryuuzaki, nun schon wieder aneinander gekettet, das Schulgebäude. Die Prüfungen hatten sie hinter sich gebracht und es wurde Zeit, ins Büro zurückzukehren. Mit in den Hosentaschen vergrabenen Händen schlurfte Ryuuzaki neben Light her. Eben hatte er Watari benachrichtigt und sie würden in wenigen Minuten mit der Limousine abgeholt werden.
 

"Wie ist es gelaufen, Raito?", erkundigte Ryuuzaki sich, obwohl er die Antwort sicherlich kannte.
 

"Gut."
 

"Wirst du das Semester erfolgreich bestehen?"
 

Selbstsicher erwiderte Light: "Ja."
 

"Sehr gut. Dann hat sich der kleine Ausflug ja gelohnt." Ryuuzaki blickte in die Luft, so als müsste er über seine nächsten Worte erst nachdenken. "Während ich draußen vor dem Saal stand und auf das Ende deiner Prüfung gewartet habe, habe ich mir die vorbeikommenden Studenten angesehen. Mir kam der Gedanke, dass jeder von ihnen Kira sein könnte."
 

"Aha?" Das war nun keine wirklich neue Erkenntnis. Kira war ein Phantom, bisher gab es so gut wie gar keine Hinweise. Im Grunde konnte es jeder sein. Worauf also wollte Ryuuzaki hinaus?
 

"Ich weiß, dass du zur Zeit nicht Kira bist." Light wollte über das 'zur Zeit' Protest einlegen, aber Ryuuzaki hob die Hand und kam ihm zuvor. "Trotzdem habe ich mir vorher nie wirklich klargemacht, dass du momentan genau wie ich Kiras Feind bist. Ich habe Vorkehrungen zu meinem Schutz getroffen, aber deinen Namen kennen sehr viele hier. Mir wurde bewusst, dass ich dich in Gefahr gebracht habe."
 

Light wusste wirklich nicht, was er darauf antworten sollte. Einmal mehr wurde deutlich, wie sehr L sich auf ihn als Kira versteift hatte.
 

"Kira ist da draußen irgendwo und ich habe dich gedankenlos ins Team geholt und schleppe dich in Handschellen zur Uni. Es war mir nicht bewusst, was für einer Gefahr ich dich aussetze."
 

War das so etwas wie eine Entschuldigung? Oder sprach Ryuuzaki mal wieder einfach aus, was ihm durch den Kopf ging? Oder war es am Ende wieder eine seiner Fallen, die ausschließlich dem Zweck diente, Light als Kira zu überführen? "Ich dachte, das sei dir egal", sagte er.
 

Ryuuzaki wirkte, als sei er mit dem Gedanken schon wieder weit weg, als er antwortete: "Ja, das dachte ich auch."
 

***
 

Tut mir so leid, dass das so lange gedauert hat... aber ich habe ewig lange an diesem Kapitel gefeilt, es wollte mir nicht so recht gefallen. Jetz bin ich zufrieden und ich hoffe es gefällt euch. Und schreibt Kommentare, ich freu mich über jeden einzelnen!



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2009-12-23T22:02:07+00:00 23.12.2009 23:02
ich habe bis jetzt erst gelsen und jedes wort richtig genossen..das ist ja wie ne achterbahnfahrt der gefühle du kannst echt klasse schreiben ^^ und ich finde es soo schön und soo..boa ich weis auch nicht..vorallem musste ich über den satz lächeln als die mädchen sagten das ryuzaki an light hängt wie ein baby und dann musste an die fürsorgliche art von light gegenüber L denken vorallem das mit dem daumen lut´schen beim schlafen ein paar kapitel zurück...owww soo süß ^^

schreibst du eig noch weiter da oben steht ja so ne prozentzahl und das sie noch nicht abgeschlossen wäre... es wäre traurig wenn ssoo wäre..


schöne feiertage ^^ und weiter so..bin ein fan von dir geworden ^^
Von:  bebi
2007-08-04T11:20:41+00:00 04.08.2007 13:20
Armer L, dass er Light lästig ist. Gut, dass der das nich hören konnte. XD wirklich schönes Kapi ich werd immer weiter in diese Story reingezogen....und ich hab gerade eigentlich so gar keine Zeit >.<
Von:  Noise
2007-03-06T11:53:17+00:00 06.03.2007 12:53
omg, ich LIEBE diese FF *_*... mir hat gut gefallen, dass du die vertrautheit zwischen L und Raito so deutlich gemacht hast und der letzte Satz von L ist ZUCKER.
du kannst gut anspielungen schreiben.

aber: mir war die bemerkung mit den "liebenden" ein bisschen ZU direkt. aber das war der einzige winzige kritikpunkt ^.^


supisupisupi *__*... ich freu mich schon auf das ende *///*
Von:  -Pusteblume-
2007-02-28T20:33:31+00:00 28.02.2007 21:33
"In der Tat. Wir arbeiten an einer Studie über die sozioökonomische und psychosoziale Lebenssituation emotional und physisch voneinander abhängiger Individuen von überdurchschnittlicher kognitiver Kapazität."

Man kann es natürlich auch so umschreiben, wie das Verhältnis und ihre Situation zwischen Light und L ist. Ich freu mich jedes Mal, wenn ich ein neues Kapitel entdecke, obwohl ich die Überschrift dieses Mal nicht ganz einordnen konnte, denn irgendwie ist nichts wirklich Sichtbares in diese Richtung hin geschehen, jedenfalls nichts, was ich mir gedacht habe xD
Bin schon auf das nächste Kapitel gespannt (wie immer)!
Gruß irOny


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