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Illusion of Time/Gaia

von

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6

>>Der König! Seht nur, der König ist zurückgekehrt!«

»Unmöglich…«

»Endlich ist er wieder da!«

»Aber er sieht so jung aus…! Was ist geschehen?«

Will nahm das Stimmengewirr nur verschwommen war, während er langsam die Augen öffnete. Er lag auf dem Rücken, umringt von ein paar sehr merkwürdig gekleideten Menschen, die auf ihn deuteten und erführchtig murmelten. Stöhnend stand er auf - sofort musste er sich die Augen zuhalten, denn alles um ihn herum blendete ihn so merkwürdig. Fast als sei alles - aus Gold?! Sekunden später wurde ihm bewusst, wie Recht er hatte. Ihm war schleierhaft, wie er hierher gekommen war, aber offensichtlich befand er sich auf einem großen Schiff, das vom Bug bis zum Mast aus Gold gemacht war. So weit das Auge reichte, sah er nichts als Wasser. Sie mussten mitten auf dem Ozean sein.

»Wo - wo bin ich?«, flüsterte er ängstlich.

Einer der Männer machte einen Schritt auf ihn zu und sagte: »Mein König! Wir sind so froh, dass Ihr am Leben seid!« Er sprach eindeutig eine andere Sprache; Will konnte die ungewohnten Laute hören, aber gleichzeitig hörte er die Bedeutung ganz genau heraus, so als flüsterte eine zweite Stimme sie ihm zu.

»Warum nennst du mich König?« Nun bemerkte Will, dass auch er in dieser seltsamen Sprache antwortete. »Wie bin ich hierher gekommen?«

Er spürte erneut, wie Panik in ihm aufstieg. Ohne eine Antwort abzuwarten stürmte Will an der Gruppe Männer vorbei und rannte unter Deck. Er stand unter Schock und wollte einfach nur weg. Unten befanden sich eine Menge Kisten und viele, viele Betten. Auch ein paar Menschen saßen hier herum und starrten ihn mit leeren Blicken an. »Mein König…«, flüsterten einige, aber er beachtete sie nicht. Ein paar Räume weiter fand er einen festlich geschmückten Saal vor. Nur eine einzige Frau saß an dem gewaltigen Tisch. Ihren Klamotten nach zu urteilen musste sie so etwas wie eine Königin sein. Sie blickte nicht auf, als er sich ihr näherte, und auch von der Gruppe weiblicher Bediensteter, die alle auf sie einredeten, nahm sie keine Notiz.

Als sie ihn sahen, rissen sie die Augen auf und fielen über ihn her.

»Mein König!!« war alles, was er heraushören konnte.

»Ich bin nicht -«

»Königin, seht nur! Euer Gemahl ist zurückgekehrt! Er ist wieder hier!«

Die Königin hob den Blick und betrachtete Will mit den traurigsten Augen, die er je gesehen hatte. »Das ist nicht mein Gemahl…«, wisperte sie kaum hörbar. Dann stand sie auf und machte einige unsichere Schritte auf ihn zu. »Ich weiß nicht, weshalb du hier bist, oder wer du bist. Doch du bist hier fehl am Platz.« Sie kramte in ihrem Gewand herum und holte eine Statue heraus - diesmal aus schlichtem Holz - die seiner Inka-Statuen nicht unähnlich war, jedoch ungleich mehr magische Kraft ausstrahlte.

»Hier…«, flüsterte sie Königin noch einmal und drückte sie ihm in die Hand. »Und nun geh… GEH!«, schrie sie plötzlich und ihr schriller Ton erschreckte Will. Er beeilte sich, an den ungläubig blickenden Dienern vorbei wieder an Deck zu kommen, um diesem unheimlichen Weibsbild zu entkommen. Dort standen noch immer die Männer, die ihn begrüßt hatten. Offenbar hatten sie hier auf ihn gewartet.

»Ich verstehe das alles nicht -«, seufzte er und setzte sich auf eine Kiste.

Die Männer zögerten. Sie schienen auf eine Anweisung oder eine Erklärung zu warten.

»Ähm«, machte Will, »Los jetzt! Zurück an die Arbeit!«

Schnell gehorchten sie und jeder nahm seine Arbeit wieder auf. Nur ein Mann war wie angewurzelt stehen geblieben und musterte Will. »Du bist nicht der König«, bemerkte er.

»Tatsächlich?«, erwiderte Will sarkastisch. »Ich weiß nicht mal, was ich hier soll!« Er zuckte mit den Schultern. »Wo fahren wir überhaupt hin?«

Der Mann ließ sich Zeit, bevor er antwortete. »Das wissen wir selbst nicht. Wir wollten einfach nur weg von unserem Land. Nach einer solch langen Zeit der Dunkelheit tut es jedenfalls gut, wieder die Sonne zu sehen. Wie konnten diese Tyrannan unsere wundervolle Heimat nur so zurichten?«

Will erinnerte sich, dass Lilly etwas von einem Krieg erzählt hatte, der die Welt an den Rand der Vernichtung gebracht hatte. War dies möglicherweise die Vergangenheit?

Sein Gesprächspartner schien sich in seinen Gedanken verloren zu haben, und so richtete Will sich auf und ließ ihn einfach zurück. Die letzten Stunden hatten ihn so ausgelaugt, dass die billigen Betten weiter unten lockten.

Ein hübsches Mädchen mit schmutzigen, blonden Haaren hatte gerade eines der Betten fertig vorbereitet, also schob er sich mit einem gemurmelten »Danke« an ihr vorbei und ließ sich auf das Bett fallen.

»Aber mein König!«, erschrak das Mädchen. »Dieses Bett ist Eurer nicht würdig!«

»Nimm du meins. Ist mir egal.« Und ohne das Gestammel der Dienerin weiter zu beachten, schloss er die Augen und machte es sich bequem. Ihm war bewusst, dass er sich in der Vergangenheit befand, auf einem Schiff, das aus Gold bestand und trotzdem schwamm, und für einen antiken Inka-König gehalten wurde. Aber so absurd die Situation auch war - er hatte in zu kurzer Zeit zu viel mitgemacht, um sich nun ernsthaft zu sorgen. Womöglich geschah das alles ja nicht wirklich.

Mit diesen Gedanken übermannte ihn schließlich der Schlaf und führte ihn in einen merkwürdigen Traum…
 

Er stand in seinem Zimmer, in Oma Lolas Haus. Alles wirkte verschwommen und unwirklich, als er die Treppe nach unten nahm und dort jemanden stehen sah. Die Person hatte ihm den Rücken gekehrt, aber ihr blaues Kleid und ihre wunderschönen, seidenen Haare ließen keinen Zweifel daran aufkommen, dass es sich um eine Frau handeln musste.

Sie stand vor dem großen Küchenschrank und betrachtete das Foto von Wills Eltern. Dann drehte sie sich langsam um - und Will erkannte seine Mutter.

»Ma- Mama!!«, rief er ungläubig.

»Will…«, erwiderte Shira. Ihre Stimme klang sehr weit weg. »Schau zum Himmel und bewundere den Kometen. Nach all den Jahrhunderten nähert er sich unserem Planeten wieder - und wird schließlich aufs Neue verschwinden. Manche halten ihn für einen göttlichen Stern, ein Zeichen - andere sprechen von der Apokalypse. Was glaubst du, mein Sohn?«

»Ich - ich weiß es nicht, Mama.«

»Lass uns hoffen, dass uns das Schicksal hold ist… Will. Ich werde immer über dich wachen. Gib nicht auf…«

»Mama!« Tränen rannen Will übers Gesicht, als er Shira umarmen wollte, doch vorher verblasste sie - und mit ihr der Rest der Welt…
 

»Will! Hey - Will!«

Diese Stimme… Lilly? Will öffnete die Augen und sah seine blauhaarige Freunden, die ihn besorgt ansah. »Ist alles klar mit dir?«

Will rieb sich die Augen. Er lag noch immer in diesem einfach gehaltenen Bett auf dem Inka-Schiff, doch das Schiff selbst war kaum wieder zu erkennen. Es sah aus, als sei es seit Jahrhunderten nicht mehr betreten worden. Schmutz, Staub und Spinnenweben waren noch die harmlosesten Dinge, die er sah.

»Was ist denn hier passiert?«

Aber Lilly beachtete seine Frage nicht, sondern umarmte ihn stürmisch. »Oh Will! Wir haben uns solche Sorgen um dich gemacht! Du warst plötzlich weg. Der Dorfälteste sagte uns, wo zu finden sein würdest - er sagte, du würdest allein auf dem Meer treiben!«

»Das hättest du sehen sollen, Mann! Der Alte hat uns einfach in ein paar Pollen verwandelt und hergeschickt!« Jetzt erst bemerkte Will, dass auch sein alter Freund Lance hier war. »Mannomann, Will… Was machst du denn für einen Blödsinn?«

»Lance!«, rief Will überrascht. »Und was machst du hier?«

»Hast nicht mit mir gerechnet, eh?« Lance grinste überheblich. »Du weißt doch, wie gut Seth im Spuren lesen ist. Glaubst du wirklich, wir würden dich so ein Abenteuer ohne uns erleben lassen?«

»Aber wie seid ihr nach Itory gekommen? Es ist unsichtbar!«

Lance zuckte nur mit den Schultern. »Wir haben deine Freundin hier aus dem Nichts auftauchen sehen und haben sie gezw- äh, gebeten, uns ihr Dorf zu zeigen.« Er lachte kurz, als er Lillys Gesichtsausdruck sah. »Ich bin echt enttäuscht, Will. Ich hätte nie gedacht, dass du uns zurücklassen würdest - wo wir doch Freund sind und so. Na ja, was soll´s… Die anderen sind auch alle da - komm!«

Er führte Will aufs Deck, wo dieser erneut den Blick von einer Ecke zur anderen schießen ließ. Es war ein ganz normales Schiff aus Holz, heruntergekommen und schmutzig - wenn auch funktionstüchtig. Am Mast standen Seth und Erik und sahen ihn erleichtert an.

»Da bist du ja«, sagte Seth. Will konnte sich nicht erinnern, sich schon jemals so sehr über den Anblick eines Menschen gefreut zu haben.

»Ihr seid alle da! Gott sei Dank.«

»WILL!!«, schrie plötzlich jemand hinter ihm. Er drehte sich um und erkannte gerade noch Kara, bevor sie sich ihm um den Hals warf. »Will, ich hatte solche Angst um dich!«, schluchzte sie.

»Ist schon gut. Hey, hör auf zu weinen…« Es war ihm peinlich, wie seine Freunde ihn angrinsten.

Seth wartete, bis Kara sich wieder gefasst hatte, bevor er sie fragte: »Hast du unten nachgesehen, Kara?«

»Ähm - ja. Scheinbar waren ganz unten die Kajüten der Königin und ihrer engsten Dienerinnen. Diesen Ring hier habe ich in einer Schublade gefunden.«

Seth nickte. »Schön. Das muss eines der Relikte sein, die auf das Schiff gebracht worden sind. Vielleicht sogar das wertvollste.«

Kara sah den Ring gebannt an. »Ja, er ist wunderschön, nicht wahr? Ich werde ihn behalten!«

Lilly starrte sie wütend an. »Spinnst du?«, fauchte sie. »Denk an den Fluch!«

Wie aufs Stichwort ging da ein gewaltiges Rucken durch das ganze Schiff, das die Gruppe von den Füßen fegte.

»Wa- Was war das denn?«, rief Erik.

Und wieder. Und noch einmal. Irgendetwas rammte das Schiff. Will hielt sich am Mast fest und presste Kara an sich, während seine Freunde hin und hergeschleudert wurden. Dann brach das Schiff mitten entzwei und Seth fiel ins Wasser.

»Seth!!«, brüllten alle anderen gemeinsam, die es irgendwie geschafft hatten, sich festzuhalten. Dann schossen gewaltige Tentakel aus dem Wasser, umklammerten das, was vom Schiff übrig geblieben war und brachen es in immer kleinere Teile. Das Letzte, was Will mitbekam, war, wie sie alle gegenseitig ihre Namen riefen - dann verfiel er, wie schon so oft an diesem Tag, der Dunkelheit…



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