Version I
Bibliothek
In den Text vor sich vertieft saß er da, weit über das Buch gebeugt den Kopf auf die Hand gestützt. Wer und was um ihn herum alles kam und ging bekam er schon seit fast zwei Stunden nicht mehr mit, so sehr fesselte ihn sein Buch. Dass dieses Thema es vermochte, ihn auf diese Weise zu fesseln, hätte er nie für möglich gehalten. Im Gegenteil, er hatte immer anfangen müssen zu lachen, wenn sein bester Freund über solchen Comics oder eben diesen Büchern hockte und man ihn kaum von diesen abbringen konnte. Nicht nur, dass es ein ungewöhnliches Bild war, wenn der Ältere las, er selbst hätte das Thema nie für so spannend gehalten.
Und nun?
Nun saß er selbst über eines dieser Bücher, mit düsterem Inhalt gebeugt, vollkommen gefangen im Schattenreich eines Grafen, dessen Namen er bis jetzt immer nur im Spott verwendet hatte. Wieder zupfte seine Hand ungeduldig am unteren Rand des Blattes, wartete darauf, dass die Augen über die letzte Zeile geflogen waren, um dann endlich umzublättern und auf der folgenden Seite erneut in dem aufgeschriebenen Geschehen zu versinken. Ein kurzer Blick flog zum nahegelegenen Fenster, doch noch immer war die Story zu fesselnd, als dass er auch nur annähernd wahrnehmen konnte, dass es bereits dämmerte und der Lesesaal, in dem er am Anfang Mühe gehabt hatte einen Platz zu finden, sich nun recht schnell leerte.
Immer wieder leuchteten seine Augen auf und seine Zunge fuhr unmerklich über seine trockenen Lippen. Vor seinen Augen hatte er längst nicht mehr die schwarzen Buchstaben. Nein, er sah sie vor sich, die Wesen der Nacht und wie sie ihrer Art nachgingen und sich Menschen unterwarfen. Bald sah er sich selbst inmitten der wilden Monster, fiel ganz in die Rolle der Hauptperson und war immer mehr fasziniert, als erschrocken. Nicht einmal, als das Licht vor dem Fenster gänzlich erlosch und im Lesesaal nun nur noch die kleinen Lämpchen ein fahles Licht durch den Raum warfen, sah er auf. Diese aufkommende Dunkelheit ließ ihn nur noch mehr in dem Buch versinken.
Derweil kam außerhalb des Gebäudes ein heftiger Wind auf, welcher die Äste der jungen Weiden hin und her peitschte. Kaum, dass das Pfeifen des Sturms aufgekommen war, setzte ein Regen ein, der sich nur allzuleicht gegen die großen Fenster des alte Gebäudes schlagen ließ. Die schnellen Schritte des Schwarzhaarigen wurden zunehmend langsamer. Gegen diesen Wind anzukommen, war wahrlich kein Kinderspiel mehr. Er spürte die Regentropfen hart in seinem Gesicht aufschlagen, hielt sich schützend die Arme über die Augen und versuchte den Weg vor sich auszumachen. Er hatte nun schon fast eine Stunde am vereinbarten Ort gewartet und das obwohl er schon zu spät gekommen war. Seine Verabredung, falls man ihn so nennen konnte, konnte nun einzig und allein noch an einem Ort sein, dem Ort, von dem aus er ihn kurz angerufen und sich verabredet hatte. Wieder kam eine Böhe auf und verpasste ihm einen leichten rechtsdrall. Er fühlte sich wie ein Ball, hilflos dem Wind ausgeliefert, als endlich das alte rote Backsteingebäude in Sicht kam. Als er dieses endlich betrat, hatte er das Gefühl bis auf die Knochen durchgeweicht und gefroren zu sein. Mit zitternden Fingern strich er sich die nassen Haare aus dem Gesicht und sah sich um. Der Blonde war nirgends zu sehen, jedenfalls nicht von hier aus. Er schüttelte sich noch einmal, wobei etliche Regentropfen aus seinen Haaren zu Boden gingen. Die hinterlassene Pfütze ignorierend betrat er den großen Lesesaal und sah ich um. Es waren nur noch wenige Leute hier. Einige schienen lediglich über ihren Büchern eingeschlafen zu sein. Aber einer war tatsächlich dabei zu lesen. Ein Lächeln huschte dem Schwarzhaarigem über die Lippen, als er die breiten Schultern sah, die den gestreckten Rücken abschlossen. Seine Verabredung war also tatsächlich hier hängen geblieben. Fast kerzengerade saß er da, den Kopf auf seine Hand gestützt. Wieder strich er sich durchs nasse Haar, während er dem Jüngeren näher kam. Mal wieder war er nicht im Stande den Blick abzuwenden, bis er schließlich ganz hinter ihm stand. Vampirett beugte er sich über den Größeren, um zu sehen ihn welches Buch er denn vertieft war.
"Was liest du denn da schönes?", fragte er, sanft hauchend. Obwohl er ihn nicht berührte, konnte er spüren, dass dem Blonden ein Schauer über den Rücken lief. Mit einem zufriedenen Grinsen lass der Ältere dann einige Zeilen des Buches, nur um sofort zu erkennen, dass eines seiner Lieblingsbücher war. Doch noch bevor er etwas dazu sagen konnte sah der Blonde auf, drehte sich unter ihm leicht und sah ihm direkt in die graugrünen Augen. Dem Kleineren lief ein Schauer über den Rücken, der nicht von seinen kalten nassen Sachen ausging. Der Blick seines Freundes hatte sich verändert. Die grünen Augen leuchteten, so wie er sich in seinen kühnstem Träumen nicht zu wünschen gewagt hätte. Fast andächtig sah er zu, wie sich der Blonde über die schmalen Lippen leckte und merkte nicht, wie er unwillkürlich seine Geste imitierte. Über diesem Buch schien er einer von ihnen geworden zu sein.
"Jan...", hauchte der Kleinere leise, spürte dann aber schon die starken Arme, die sich um ihn legten und ihn auf seinen Schoss zogen. Augenblicklich explodierte eine Welle von Gefühlen ihm Bauch des Älteren, der wie Wachs in seinen Händen war. Auf den Druck von zwei Fingern hin, lehnte er den Kopf zur Seite und präsentierte dem Blonden so seinen blassen Hals. Sein Atem wurde schneller, je näher der Größere seinem Hals mit den Lippen kam und als diese schließlich die weiche Haut berührten entwich ihm ein ersticktes Keuchen. Die Gefühle, die soeben noch seinen Magen durchgerüttelt hatten, legten sich schnelle auf seine Lenden, als er die heiße Zunge seines Freundes spürte, wie sie prüfend über seine pulsierende Halsschlagader leckte.
"Jan, bitte...", keuchte er erstickt, zitternd vor Anspannung. Das war etwas, dass er sich schon so lang gewünscht hatte, er hielt es kaum noch aus, glaubte unter diesen Berührungen zu zerspringen. Schließlich drang der erlösende Schmerz durch seinen Hals, als er spürte, wie sich die Zähne des Blonden langsam in seine Haut drückten. Erst leicht und prüfend, dann immer fester, doch um ihn zu verletzen waren sie nicht spitz genug. Dennoch genoss der Kleinere den süßen Schmerz. Leise stöhnte er in das Ohr des Blonden, je fester dieser sich in seinem Hals verbiss. Der Schmerz wurde bald so süß, dass er sich regelrecht auf dem Schoss des Blonden wand. Das sich unter ihm genauso viel regte wie in seiner eigenen Hose, schürte die Hitze in ihm nur noch. Als der Blonde dann noch seine heißen Hände unter die nassen Sachen des Kleineren schob, glaubte dieser verbrennen zu müssen.
Das peitschen des Windes drang laut durch den Saal unterstützt durch das Trommeln der Regentropfen. Die Lichter der Bibliothek waren längst erloschen. Der Sturm hatte sich zu einem ausgewachsenem Gewitter entwickelt und jagte nun den ersten Blitz gen Erde. Einen kurzen Augenblick lang trafen sich die funkelnden Augen, der beiden blassen Körper, die sich längst innig aufeinander Wanden.
