Weitere Verhöre
Ich habe euch diesmal anscheinend erfolgreich in die Irre geführt. Nun, vielelicht bringen euch die weiteren Verhöre auf die richtige Spur. Hier kommt das vorletzte Kapitel, dann liegen alle Indizien offen.
7. Weitere Verhöre
Sakura ließ der Heilerin der Yamashidas höflich den Vortritt, als sie das Zimmer von Namida Midoshi erreichten.
„Ihr Götter“, murmelte Hitomi: „Sieh dir das an, Sakura.“
Diese verstand den Ausruf. Wie auch ihr Ehemann lag Namida auf dem Rücken, zeigte keine Abwehrverletzungen. Der einzige Unterschied war, dass eine lange Haarnadel noch in ihr steckte. „Untersuchen wir sie. Lord Sesshoumaru will sicher rasch Bericht erstattet bekommen.“
„Ja.“ Hitomi sah sich um: „Wer hat sie gefunden?“
Die Aufseherin des Frauentraktes nickte seitwärts. „Aiko Matano. Sie waren die besten Freundinnen. Aber mit der zu reden ist im Moment sinnlos. Sie weint nur hysterisch vor sich hin.“
„Die Frau des Burgvogtes?“ erkundigte sich Sakura ein wenig überrascht. Immerhin waren die beiden Ehemänner nicht gerade in bestem Einvernehmen gestanden.
Hazu betrachtete die Tote: „Ja. Aber Namida und Aiko haben sich immer gut verstanden. Und ehrlich gesagt, hat sich Aiko auch immer gut mit Namidas Mann verstanden. Ab und an kam er sogar in den Trakt um mit ihr zu spielen oder so…Der Burgvogt weiß natürlich nichts davon.“
Das konnte sich Sakura denken: „Er und der Aufseher der Kanzlei waren Konkurrenten, nicht wahr.“
„Ja.“
„Aber das ist doch ungewöhnlich, dass ein Mann die Ehefrau seines Rivalen besucht? Überhaupt Besuche im Frauentrakt macht?“
Hazu seufzte. Sie war normalerweise die Diskretion in Person.
Sakura sah sie an: „Falls du es mir nicht sagen willst, werde ich keinen ausführlichen Bericht an Lord Sesshoumaru geben können. Dann wird er gewiss selbst mit dir reden wollen, nachdem er mich bestraft hat.“
„Ich verstehe, Heilerin.“ Hazu konnte sich vorstellen, dass das Mädchen ebenso wenig Wert auf eine Bestrafung durch den Dämonenprinzen legte, wie sie selbst: „Es ist ungewöhnlich, ja. Und eigentlich…eigentlich sollte es nicht sein. Aber Aiko war sehr traurig, weil sich der Burgvogt eine Nebenfrau genommen hatte, diese nun jede Nacht bei sich hatte. Und Namida ist...war ja ihre beste Freundin. Vielleicht hatte sie etwas ihrem Mann erzählt.“
„Midoshi hat seine Frau geschlagen.“
„Nun, das war einige Male vorgekommen. Aber das ist eben so.“
Hitomi hatte unterdessen die Leiche untersucht: „Genau wie ihr Mann, fast genau die gleiche Stelle, der gleiche Einstichwinkel. Das muss derselbe Täter gewesen sein. Oder Täterin, denn wir sind hier im Frauentrakt.“
„Offenbar gehen hier allerdings die Männer ein und aus.“ Sakura warf einen Blick zu Hazu.
Die Aufseherin wurde rot: „Also, wie das klingt!“ Das hatte sie nun davon, dass sie kleine Gefälligkeiten tat. Ganz bestimmt würde das jetzt herauskommen. Und Fürst Yamashida wäre gewiss nicht erbaut.
Sakura hatte kein Verständnis für Leute, die Befehle nicht beachteten und wandte sich wieder der Toten zu: „Selbstmord kann es nicht gewesen sein?“
„Du meinst, dass sie erst ihren Mann und dann sich selbst tötete? Nein. Sieh her. Sie hätte dann mit der rechten Hand zustechen müssen. Der Winkel wäre ganz anders. Und mit links...nein. Niemand kann sich selbst so mit aller Wucht eine Nadel ins Herz stechen und so...ja, locker hinfallen. Ich bin sicher, dass sie ermordet wurde.“
„Mord Nummer Sieben“, seufzte Sakura. Vermutlich wäre Lord Sesshoumaru langsam ungehalten, dass er nicht weiterkam, während um ihn Menschen starben. Immerhin konnte sie bei ihm sicher sein, dass er den Zorn nicht an ihr auslassen würde, solange sie keinen Fehler beging. Bei einem menschlichen Herrn hätte das durchaus anders aussehen können. „Ich möchte kurz mit Aiko Matano sprechen.“
„Ich sagte schon, dass das sinnlos ist.“ Die Aufseherin klang fast ärgerlich. Sie war nicht gewohnt, dass sich Frauen ihren Anweisungen widersetzten.
„Möglich. Aber dann kann ich Lord Sesshoumaru dies berichten.“ Sie erinnerte sich nur zu gut, dass er schon einmal sie davor gewarnt hatte, seine Befehle zu interpretieren. Und er wollte bestimmt wissen, ob Namida zu Aiko etwas gesagt hatte, das erklären könnte, wer sie und ihren Mann getötet hatte. Möglicherweise wäre das der Schlüssel zu den gesamten Morden.
„Na schön, dann komm mit.“ Hazu drehte sich um: „Ich glaube, sie ist in ihrem Zimmer.“
Die Frau des Burgvogtes lag in ihrem Zimmer und schluchzte vor sich hin. Andere Frauen saßen um sie, versuchten, sie zu trösten.
Die Aufseherin nickte etwas: „Aiko? Das hier ist Sakura. Sie möchte dir im Auftrag Lord Sesshoumarus ein paar Fragen stellen. Schaffst du das?“
„Ich...ich weiß nicht.“ Aber sie setzte sich auf.
Sakura betrachtete sie. Sie zitterte, schien unter Schock zu stehen. Nun ja, die Leiche der besten Freundin zu finden war sicher zum Furcht einjagen. „Es dauert bestimmt nicht lange“, sagte sie daher: „Darf ich kurz allein mit dir sprechen?“
„Ja, natürlich…das…das geht schon.“
Als die anderen Frauen draußen waren, fuhr Sakura fort: „Hat Namida irgendetwas dir gegenüber erwähnt, warum ihr Mann und sie sterben mussten?“
„Nein. Ich meine, ihr Mann war so ein netter Mensch.“ Erneut begannen Tränen zu laufen.
Sakura meinte hastig: „Bitte, wenn es nicht geht, dann komme ich später wieder.“
„Nein, nein, das…es geht schon.“
„Die Ehe der Midoshis war manchmal ein wenig …schwierig? Ich hörte, er habe sie geschlagen?“
„Ja.“
„Und doch sagst du, er sei nett gewesen?“
„Ja. Ich…Namida war meine Freundin, schon sehr lange Aber sie hatte manchmal eine Art….Als sie erfuhr, dass er eine Geliebte hat, wurde sie so wütend, dass sie ihn anschrie.“
„Dein Mann hat eine Nebenfrau.“
„Ja. Aber deswegen habe ich ihm doch keine solche Szene gemacht.“
„Aber es hat dir auch nicht gefallen.“
„Nein, was will man allerdings schon zu einem Ehemann sagen. Er hat doch das Recht. Auch dass Recht der Strafe.“
„Natürlich. Hat Namida sonst irgendetwas erzählt? Ich meine, hat ihr Mann ihr manchmal etwas aus der Kanzlei berichtet?“
„Was? Nein, nein, das hätte er doch gar nicht gedurft. Und er war wirklich ein ehrenhafter Mann.“ Aiko schluchzte ein wenig: „Namida hat ….ach, was soll es.“
„Namida?“
„Sie...ich glaube, sie wusste gar nicht, was für einen guten Mann sie da hat.“
„Ahja.“ Sakura dachte nach, aber ihr fiel nur noch eine Frage ein: „Wann hast du Namida gefunden?“
„Was?“
„Wann bist du in ihr Zimmer gegangen?“
„Ich weiß nicht…nach dem Aufstehen, eben.“
„Dann hast du sie gefunden und bist weggelaufen? Zu Hazu?“
„Sie war tot und ich... ja.“
„Danke, das war es einstweilen.“ Hoffentlich war das richtig gewesen.
Sakura erstattete dem Hundeprinzen Bericht. Dieser sah aus dem Fenster, ohne sich umzudrehen. Als sie fertig war, schwieg er weiter, was sie erleichterte. Keine Frage seinerseits bedeutete, dass sie keinen Fehler begangen hatte. Sie wandte den Kopf als die Tür beiseite geschoben wurde. Sesshoumaru drehte sich um.
Ein Mann in höfischer Tracht kam herein, verneigte sich, ehe er sich niederkniete: „Verzeiht, Lord Sesshoumaru“, sagte er höflich: „Fürst Yamashida gab mir den Auftrag, mich Euch vorzustellen. Mein Name ist Akimaru Minaru. Ich bin der neue Vorsteher der Kanzlei des Fürsten.“ Seine Stimme zitterte vor Nervosität.
Also Midoshis Nachfolger. Und sein Schützling. Hier war jemand, der eindeutig von Midoshis Tod profitiert hatte. Sakura betrachtete ihn. Im Gegensatz zu seinem Konkurrenten Usugi wirkte dieser Höfling unelegant, ja, fast derb. Er war breiter gebaut. Eine Narbe zog sich über seine linke Wange. Sie erkannte einen jahrealten Schwerthieb. Er musste, ebenso im Gegensatz zu Usugi, früher im Kampf gestanden haben, sich mit Schwertern auskennen. Wenn sie ihn ansah und sich an Usugi erinnerte, war es nicht weiter verwunderlich, dass Kiko Minaru, seine Ehefrau, gern mit Nanako Usugi angebändelt hatte. Die beiden waren ja vollkommene Gegensätze. Und bei der laxen Pflichtauffassung Hazus hatte Kiko durchaus Gelegenheit gehabt.
Sesshoumaru sagte langsam: „Gut. Ich möchte wissen, was mit Kyogis Familie ist.“
„Äh...ja, Lord Sesshoumaru. Das kann ich Euch in Kürze berichten. Der Bote, der die Todesnachricht der Familie brachte, ist vor wenigen Stunden zurückgekehrt.“
„Schick ihn zu mir. – Du kannst mit einem Schwert umgehen?“
„Ja, Lord Sesshoumaru.“ Das klang verwundert. Dann fasste sich der neue Aufseher der Kanzlei an die Stirn, wo sich ein dunkler Fleck zeigte: „Deswegen? Ich übe regelmäßig.“ Sakura bemerkte dabei, dass auch seine Hände Kratzer aufwiesen. Minaru musste wirklich hart üben. Sein neues Amt würde ihm dafür kaum mehr Zeit lassen.
„Schick mir den Boten.“
Da das ein klarer Befehl war, verneigte sich Minaru und ging. Sesshoumaru drehte sich wieder um, sah aus dem Fenster. Der Mann war nervös gewesen, aufgeregt. Und er profitierte vom Tode Midoshis. Hatte das etwas zu sagen?
Kurz darauf kam der Bote, kniete nieder. Er war ängstlich. Das war der erste Dämon, den er traf. Er hatte sonst nur gehört, dass diese Wesen Menschen fraßen. Der hier schien ja anders zu sein, aber das beruhigte ihn kaum. Immerhin hatte man ihm schon erzählt, dass der Prinz sofort zuschlug, wenn jemand ein bisschen zu unhöflich war.
„Du hast die Todesnachricht zu Kiyogis Familie gebracht.“
„Ja, Herr.“ Er wagte es, rasch zu dem Mädchen zu blicken, das schräg hinter ihm war. Immerhin war er nicht der einzige Mensch hier im Zimmer.
„Sag Lord Sesshoumaru.“
„Ja, Lord Sesshoumaru, wie Ihr wünscht“, erklärte er hastig. Dieser Dämon drehte sich nicht einmal um.
„Wie nahm die Familie das auf?“
„Die Witwe .na ja. Sie brach zusammen. Sie hatte ja eben erst ihren Sohn begraben.“
„Kiyogis Sohn ist tot?“
„Ja, Herr...äh…Lord Sesshoumaru. Er ist wohl ungefähr vor vierzehn Tagen gestorben.“
„Woran?“
„An einer Krankheit. Soweit ich mitbekam, war er schon sehr lange krank gewesen. Sie sagten in dem Dorf, dass dauernd andere Ärzte da gewesen wären.“
„Was tut die Witwe jetzt?“
„Ich weiß nicht. Fürst Yamashida ist gewöhnlich so großzügig und gibt den Hinterbliebenen eine Abschlagsumme. Aber genaues weiß ich nicht darüber.“
„Du kannst gehen.“ Er hörte, wie der Bote erleichtert aufatmete, in gewisser Hast das Zimmer verließ. Menschen und ihre Gefühle. „Sakura.“
„Lord Sesshoumaru?“
„Wenn ein Mensch etwas verschweigt, das ihm keinerlei Nachteil bringen würde….wie nennt man das?“
„Verzeiht. Ich verstehe nicht, Lord Sesshoumaru.“
„Welches Gefühl könnte die Ursache sein?“
Oh. Sakura dachte hastig nach. Er wollte anscheinend, dass sie ihm wieder einmal menschliches Verhalten erklärte. Aber wer hatte etwas verschwiegen, auch wenn es ihm keinen Nachteil gebracht hätte? Allein, das war gleich. Er wollte eine Antwort und sie wusste nur zu gut, was Zögern ihr einbringen würde. So meinte sie: „Ich kann mir nur vorstellen, dass jemand nicht alles sagt, weil er Angst hat, dass er doch einen Nachteil davon haben würde. Angst, ja. Oder Vorsicht.“
Angst. Das wäre eine Möglichkeit. Der Dämonenprinz blickte wieder aus dem Fenster. Langsam wurde ihm klar, was hier im Schloss geschehen war. Alles hatte relativ harmlos begonnen, hatte sich dann in eine Lawine verwandelt, die sich selbständig gemacht hatte. „Wo würdest du einen Stein verstecken, Sakura?“
„Unter anderen Steinen.“ Sie wagte es, den Kopf zu heben, ihn anzustarren.
Er drehte sich nicht um. „Und einen Mord?“
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Das nächste Kapitel bringt die Auflösung der Yamashida-Morde.
Wer so nett ist, mitzuraten, dem shcicke ich, wie gewohnt, eine ENS, wenn ich sehe, dass das neue Kapitel freigeschaltet wurde.
bye
hotep