Blut
16. Zorro Blut
Blut. Immer nur Blut! Dieser übelriechende rote Saft, der sich nicht wirklich abwaschen läßt. Überall klebt er fest, kriecht in jede Ritze; unmöglich ihn loszuwerden. Aber dennoch lechzen die Menschen gierig danach. Allerdings nur solange es nicht ihr eigenes ist, eben eine besondere Art der Perversion.
Ich verstehe das nur zu gut. Es ist ein überragendes Gefühl meine Klinge in den Körper eines Gegners zu rammen, zu sehen wie er zusammensackt, sein Blut über den kalten Stahl läuft, um von dort auf den Boden zu tropfen. Einfach die Macht zu spüren ein Leben auszulöschen, besonders wenn dadurch einer anderen Seele Gerechtigkeit widerfährt. Kein Wunder, daß ein Mord häufig zum nächsten führt, meist wenn das Töten die einzige Art der Erfüllung ist.
Aber heute Abend war es anders. Kein Glück, kein erhabenes Gefühl durchströmte mich als ich mein Schwert zog, nicht die Genugtuung einen Auftrag erfüllt und dadurch eine Geißel der Menschheit niedergestreckt zu haben, sondern pure Angst steuerte mein Tun.
Es war aber nicht die Angst um mein eigenes Leben, warum sollte ich mich auch vor meinem Schicksal fürchten, sondern die Angst um das Leben einer jungen Frau, deren Gesellschaft ich in den letzten Wochen zu schätzen gelernt habe.
Sie gehört zweifellos zu den wenigen Menschen in meinem Leben deren Anwesenheit mich nicht nach spätestens drei Tagen nervt, eher im Gegenteil. Ich freue mich sie zu sehen, ihre Stimme zu hören und ja, inzwischen genieße ich es fast schon ihre Nähe zu spüren. Zu spüren wie ein Herz schlägt, nicht wie es unter meinen Händen damit aufhört.
Manchmal erwischte ich mich schon bei dem naiven Gedanken, dass es immer so sein könnte, niemand unsere Zweisamkeit zerstören würde. Aber das ist töricht! Spätestens wenn wir diese Stadt wieder verlassen wird Robin zu einem Teil meiner Erinnerungen werden, mehr nicht.
Doch dieser Gedanke schmerzt.
Sicherlich wird mir ihre Gesellschaft fehlen, ihr friedlicher Anblick wenn sie schläft, ihre zarten Finger die durch mein Fell streichen. Alles Momente in denen ich an sie denken werde und die mir gleichzeitig verdeutlichen, dass ich ihr nicht helfen kann, sollte sie gerade meine Hilfe brauchen.
Ich hoffe, ich werde nicht verrückt.
Fast schon aus Gewohnheit blicke ich zur Badezimmertür, hinter der Robin vor einigen Minuten verschwunden ist. Sicherlich versucht sie das Blut abzuwaschen, aber auch sie wird merken, dass das nicht allzu einfach ist. Auch für mich nicht, denn es ist meine Schuld, dass es so weit gekommen ist.
Ich habe ihn die alte Feuertreppe hinaufklettern hören, doch als Katze war ich ihm unterlegen. Ein gezielter Tritt in die Rippen hat genügt, um mich auf die Bretter zu schicken, während meine Krallen kaum Schaden auf seiner Haut hinterlassen haben werden, zu dick war er doch in seine Winterkleidung eingepackt.
Außerdem braucht mein Körper leider immer Ewigkeiten, bis er sich von einer Gestalt in die nächste verwandeln kann, nicht wie bei Sanji, ihm genügen wenige Augenblicke, maximal ein paar lächerliche Sekunden.
Und dem nicht genug, meine Waffen benötige ich zum Kampf ja ebenfalls, zumindest gegen diesen Eindringling, konnte ich doch den Griff einer Handfeuerwaffe aus seiner hinteren Hosentasche lugen sehen, als er durch Robin’s Fenster ins Innere kletterte. Ein Zweikampf wäre nur zu Robin’s Nachteil ausgefallen, denn sie besitzt keinerlei Kampferfahrung, noch weiß sie sich effektiv zu verteidigen.
Doch was geschehen ist läßt sich nicht mehr ändern, folglich lohnt es sich auch nicht noch einen Gedanken daran zu verschwenden. Viel wichtiger ist es, dass…ja, gute Frage. Was ist jetzt zu tun?
Im Prinzip ist mein Job hier erledigt. Täter zur Strecke gebracht, Leiche und Spuren beseitigt. Ich könnte gehen.
Könnte…
Sanji würde mich köpfen.
Was treibt dieses Weib eigentlich so lange im Badezimmer?! Und wieso muß ich hier sitzen, bloß weil mein Bruder sich einbildet sich vor der Frauenwelt profilieren zu müssen? Sanji ist ein gemeines Aas, das zahle ich ihm zurück! Er soll bloß nicht glauben, dass ich mich noch einmal von ihm herumkommandieren lasse!
Entschlossen öffne ich die Badezimmertür, reiße dabei fast die Türklinke ab, maroder Mist, um Robin mitzuteilen, dass ich weder Zeit noch Lust habe darauf zu warten, bis sie ihr albernes Schönheitsritual abgezogen hat! Frauen!!
Doch wie so oft kommt es ganz anders als ich es geplant habe. Kein Seifenschaum der in Form von Wölkchen durch den Raum wabert, kein beschlagener Spiegel und keine Robin, die mir aufgrund meiner Dreistigkeit die Seife an den Kopf werfen will.
„Ist mein Leben denn gar nichts wert?“
War ich eben noch voller Wut und Energie, so ist jetzt nichts mehr davon übrig geblieben. Kraftlos fühlen sich meine Arme an, beinahe taub. Aber es ist nicht nur ihre Hilflosigkeit die mich lähmt, sondern auch meine eigene, mit der ich mich schon lange Zeit nicht mehr konfrontiert sah. Draußen auf der Straße ist es einfach den Helden zu spielen, solange man seine Sorgen und Ängste zu Hause lassen kann. Doch hier…
Stumm blicke ich in ihre traurigen blauen Augen, die sich scheu hinter ihren Ponyfransen verstecken und mich ängstlich, aber auch flehend ansehen. Und sie bringen eine Saite in mir zum klingen, dass selbst meine Haut zu kribbeln beginnt. Wäre ich nun in der Gestalt des kleinen Katers würden sicherlich meine Schnurrhaare vibrieren. Beängstigend und doch so…aufregend anders.
Meine Gedanken beginnen in eine andere, eine neue Richtung zu driften, als hätte jemand einen Schalter umgelegt und es wird mir klar, dass ich mehr für die Opfer tun kann als nur ihre Peiniger zu töten. Ein Gedanke den ich noch nie hatte, der mir aber vertraut erscheint. Ist das nicht eigenartig?
Und noch während ich das denke ertappe ich meinen Körper dabei wie er bereits diesen neuen Gedanken in die Tat umzusetzen versucht. Wann habe ich schon mal jemanden umsorgt, mich wirklich um sein Wohl bemüht? Bei Sanji vielleicht…wahrscheinlich sogar.
Die aufkommenden Bilder unserer Kindheit, das Blut das unsere Körper auch schon damals besudelte, die Schmerzen und das Leid…ich schiebe sie zur Seite. Es hat keinen Sinn in der Vergangenheit zu leben, man verliert nur den Blick für das Wesentliche und das spielt nun mal in der Gegenwart. Schlimm genug, dass ich es häufig vergesse.
Ich nehme das größere der beiden Handtücher vom Haken an der Wand und versuche Robin’s schmächtigen Körper darin einzuwickeln. Das Handtuch ist zu klein und es fühlt sich nicht weich und sanft an, so wie sie es jetzt sicherlich bräuchte. Ein trauriges Bild und ein kläglicher Versuch es zu verbessern.
Die Dusche ist nicht aus edlem Marmor, dafür wächst Schimmel an der Decke und ich bin auch kein edler Retter, nur ein Mörder mit einem viel zu kleinen und schäbigen Handtuch. Aber es sind auch nicht die Äußerlichkeiten auf die es jetzt ankommt. Robin benötigt meine Hilfe, nicht mein Schwert.
Ohne Mühe hebe ich sie auf meine Arme und bringe sie zurück in ihr Zimmer, wo ich sie vorsichtig auf ihrem Bett ablegen will, doch sie hält mich fest. Ihren Kopf drückt sie an meine Schulter und ihre zarte Hand sucht Halt an meinem Shirt. Es sieht wohl nicht danach aus, als würde ich mich alsbald aus der Affäre ziehen und mich wieder in den kleinen schwarzen Kater verwandeln können.
Nicht dass ich mich allzu gerne auf allen Vieren fortbewege, aber in meiner pelzigen Gestalt kann ich Robin leichter gegenübertreten. Sie verspürt keinen Groll gegen meine tierische Seite, fürchtet sich nicht vor meinen Taten, weil sie meine wahre Identität nicht kennt. So gesehen basiert ihre Zuneigung auf einer Lüge.