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Kurzgeschichten

Was werden sie sagen, meine Darling?
von

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Was werden sie sagen, mein Darling?

Der Mond scheint fahl durch das Dachfenster, das wie ein Tor in ewigen Nebel, in Kälte und Einsamkeit wirkt, und die feuchte Abendluft dringt durch die Mauern des alten Hauses. Es ist still; nur mein Summen und das unbeständige Klicken der Tastatur sorgen hin und wieder für Abwechslung. Mein Atem schweigt ebenfalls, selbst meine Herz, das gerade noch laut und drängend pochte, ist still, während meine Gedanken auf Reise gehen.

Es ist kalt, doch nicht frostig genug, um mich in mein Bett zu treiben, noch hat der eisige Frühlingsabend mich nicht besiegt. Das Blut in meinen Adern fließt ruhig, stetig, scheinbar glühend durch mich hindurch und verbrennt das gefrorene Fleisch auf meinen Knochen. Der Schmerz, der mich peinigen sollte, ist wohltuend, eine Erlösung für die totgeglaubten Sinne, die langsam wieder zu atmen beginnen, während meine Augen schwer sind, und eine entspannende, befriedigte Müdigkeit immer weiter Besitz von mir ergreift. Alles scheint gestochen scharf, trotz der Erschöpfung tritt alles viel klarer als zuvor hervor, ist offensichtlicher, selbst das verschwommene Bild der Bäume, die nun wieder hinter einem Regenschleier verschwinden, ist intensiver. Leise summt der Monitor, leise fällt der Regen, leise ist das Tappen der Maus, die sich aus ihrem Versteck gewagt hat, und doch erscheinen sie mir laut, befreiend.

Ein süßer, leicht fauliger Geruch liegt in der Luft, geschwängert vom verrottendem Fleisch steigt sie mir in die Nase und erfüllt mich mit Behagen, während das dämmrige Licht immer weiter abnimmt, zusammen mit dem Mond, der langsam aber sicher vom Firmament verschwindet. Plötzlich höre ich die nahe Kirchturmuhr schlagen, einmal, zweimal, dreimal, viermal, dann verstummt sie in der Nacht und hinterlässt nichts als das Summen des Monitors, das Plätschern der Regentropfen, das vereinzelte Klacken der Tastatur und mein leises Lachen. Bald wird es wieder hell, und dann muss ich die Jalousien herunterziehen, so wie ich es die letzten drei Tagen jeden Abend gemacht habe, dann muss ich einen lauten Tag verharren, ohne mich zu regen, ohne zu denken, ohne zu sein...

Nur die Nacht ist mein Freund, nur die Nacht, die mir Schutz und Halt gibt, nur sie, sie allein. Der Tag ist verräterisch, alles ist verräterisch, und deshalb sitze ich hier schon seit zweiundsiebzig Stunden. Ohne Schlaf, ohne Nahrung. Auch mein Wasser ist bald aufgebraucht, und ich darf kein Neues holen. Doch das macht nichts - weder hungert noch dürstet es micht, ich verlange nicht nach Bewegung oder Schlaf, ich bin zufrieden.

Auch wenn meine Finger anschwellen und schmerzen, jede Bewegung zur Pein werden lassen, auch wenn meine entzündeten Augen brennen und meine feuchte Kleidung an meinem Körper klebt und fault.

Ich darf hier nicht weg.

Selbst der Schutz der Nacht ist nicht genug, sie dürfen mich nicht sehen, mich nicht hören, nicht ahnen, dass wir noch da sind. Noch glauben sie, wir wären im Urlaub, noch bin ich sicher. Noch, mein Darling, noch.

Heiße Tage haben mich und dich gequält, mich mehr als dich, denn ich fürchtete, du würdest uns bald verraten. Doch der Regen hat die Hitze fortgespült und nur eine wohltuende Kälte zurückgelassen. Der Staub ist mit dem Sonnenlicht verschwunden, und sobald es vorbei ist, werde ich wieder auf der Straße gehen können. Ich hasse es, wenn alles schmutzig, schal ist, wenn die Luft zum Atmen nicht reicht, das weißt du. Du weißt viel über mich, sehr viel; du kennst mich besser als jeder andere. Du hättest das nicht tun sollen.

Wir wären gemeinsam weggefahren, hätten Spaß miteinander gehabt, wundervolle Momente geteilt, doch nun ist es zu spät.

Verstehst du mich?

Durch das zunehmende Rauschen der Nacht dringt schon seit einigen Minuten Stimmengewirr, und ich glaube langsam, dass sich etwas zusammenbraut. Du brauchst mir nicht zu antworten, schließlich tust du das nie, doch ich denke, dass es Ärger geben wird. Die Äste der alten Kastanie vor unserem Haus blinken, blau-weiß, blau-weiß, unaufhörlich, immerzu. Ich kann die Blicke aus den anderen Hausern spüren, starr liegen sie auf unserem Domizil, lüsternd und geifernd.

Ich weiß nicht, was geschehen ist, noch liegt der schützende Mantel der Nacht über uns, zusammen mit dem Duft des Gevatters Tod, noch haben wir Zeit, bis die Gefahr beginnt.

Egal was geschieht, ich werde dir nicht verzeihen, Darling, hörst du mich? Du kannst so lange schweigen, wie du willst, und wenn es hundert Elfenjahre werden, diese Wunden heilen nie. Die Wunde in meinem Gesicht, die die ganze Haut mit Feuer überzieht, die schon, genauso wie mein schmerzender Arm, der bis in die Schulte hinauf gelähmt scheint, langsam zu heilen scheint, vergisst deine Untat, doch verzeihen kann ich dir nicht. Meine Stimme ist versiegt, allein die Tasten schreiben meine Gedanken, denken meine Sätze, langsam, aber stetig, stockend, aber genau so, wie ich sie denke.

Kleine Kondenswasserwolken hängen vor mir in der Luft, kaum wahrnehmbar, aber da, soweit ist die Luft abgekühlt, nicht zuletzt, weil die Heizung abgestellt ist.

Leise knarzt das Holz, und das leise Tappen unendlich vieler Füße macht mich wieder auf das Treiben aufmerksam. Ich könnte zum Fenster gehen und die Geschehnisse der Nacht mit eigenen Augen betrachten, doch das darf ich nicht, denn ich darf mich nicht regen, nicht zeigen, dass wir noch da sind...

Doch sie ersparen mir die schier endlose Warterei, ich höre, wie mit einem dumpfen Knall die Haustüre zu Boden fällt und ein Mensch nach dem anderen in unser Refugium eindringt. Sie schreiten durch die Küche, kommen immer näher. Hörst du sie, Darling?

Die Sonne geht langsam, unbeschreiblich langsam auf, fast unmerklich beginnen die Wolken sich lichtfarben zu färben, beginnt der Morgen die Nacht in ihre Schranken zu weisen, beginnt die gefährliche Zeit, die Zeit, die schnell vorbeigehen muss, aufdass ich wieder leben darf...

Die Stufen knarren leise.

Sie kommen, ich kann ihre Schritte auf der Treppen hören, spürst du es auch? Siehst du es auch? Heftige Stimmen brüllen ins Nichts, brüllen laut und fordernd, und mit einem lauten Krachen fällt die Tür zu Boden. Gleichzeitig ertönt ein Schrei, hörst du, es ist Elisa - was wird sie wohl denken, wenn sie uns so sieht? Was werden all die Anderen denken?

Was werden sie sagen, Darling?

Was?

Warum eigentlich nicht?

Es war nicht das langsame, geradezu aufreizend lahme Tippen, das ihm als erstes auffiel - das kam erst viel später. Auch die dilettantischen Berichte störten in da noch nicht, unter anderem wohl, weil er noch keinen einzigen gelesen hatte; nein, als erstes fiel ihm diese penetrante Ungepflegtheit auf.

Alles begann an dem Tag, an dem er aus seinem Urlaub zurückgekam; da Frau Sauder wegen Krankheit wohl länger ausfiel, hatte er Benjamin Nießen in seiner Abwesenheit die Aufgabe übertragen, einen Ersatz für sie zu finden. Keine schwierige Aufgabe, und sein junger, engagierter Assistent mit der phänomenalen Menschenkenntnis war seiner Meinung nach geradezu prädestiniert für sie. Es gab also keinen Grund, sich Sorgen zu machen.

Doch schon vor dem Büro seines neuen Angestellten merkte er, dass nicht alles lief, wie es sollte. Die Musik, die aus dem engen Raum drang, war merkwürdig; ja, sie war, wenn er es sich nun, im nachhinein, genauer überlegt, der erste Hinweis auf die zersetzende Wirkung, die sein neuer Mitarbeiter auf die Belegschaft haben würde. Es war keine Klassik, kein Pop, kein Techno, kein Punk, im Grunde keine Musikrichtung, die er kannte, aber sie war seltsam bedrückend, missklingend, irgendwie sehr unangenehm. Er war immer schon für alles offen gewesen; seine Mitarbeiter durften hören, was sie wollten, solange sie damit niemanden störten. Doch diese Töne störten ihn ab der ersten Minute.

Das war kein guter Anfang..

Dennoch klopfte er unvoreingenommen an, bevor er vorsichtig den Raum betrat, um seinen neuen Angestellten zu begutachten. Der war unübersehbar da; unhöflicher Weise hatte er ihm den Rücken zugekehrt und ließ nicht mehr erkennen als sein dunkel gelocktes, fettiges Haar, das mit Pomade in den Nacken gestrichen war.

Er konnte auch jetzt nicht leugnen, dass dieser ungepflegt wirkende erste Anblick wohl den Grundstein seines Argwohns bildete.

Auch das schmierige Lächeln war ihm von Anfang an unsympathisch, dieses zu weiße Grinsen über den schmalen Lippen, das von Grund auf gestellt und falsch wirkte und fast wäre er zurückgewichen, als der eindeutig türkischstämmige Mann ihm die Hand reichte und als Memmet Hekimoglu vorstellte.

Nun schlug ihm auch der betäubende Parfumgestank entgegen, der den ganzen Menschen einhüllte, vermutlich, um andere Gerüche zu überdecken. Und hier entschied es sich schon: Ein Blick in die kleinen, verschlagenen Augen und er wusste, dass Benjamin sich diesmal geirrt, den falschen Menschen ausgesucht hatte.

Doch er beschloss, den Beiden noch eine Chance zu geben.
 

Aber auch in den folgenden Wochen änderte Memmet sein Verhalten und seinen Aufzug nicht; im Gegenteil, er schien sogar noch dreister zu werden. Seine Höflichkeit war haargenau berechnet, und er wusste, wie er seine Komplimente, schwer und süß wie türkischer Honig, anbringen musste, um die gewünschte Reaktion zu erhalten; er spielte mit den anderen Mitarbeitern wie mit Marionetten. Außer ihm schien das keiner zu durchschauen, im Gegenteil, viele empfanden Memmet Hekimoglu sogar als angenehmen Zeitgenossen - blanker Hohn für den Chef, der schon längst erkannt hatte, was für einer der Neue war.

Er war geschickt.

Nie blieb Arbeit liegen, alles schien stets seine Richtigkeit zu haben, doch die Berichte waren schlampiger als die der anderen, viel öfter kam er zu spät oder verließ das Büro früher; mit einem Scherz auf den Lippen lud er seinen Mitarbeitern mehr Arbeit auf, ohne dass diese es merkten.

Besonderst dreist ging der Türke mit seiner Mittagspause um.

Nach belieben verschob er sie, sodass man nie genau wusste, ob man ihn nun im Büro antreffen würde oder nicht. Eine Kontrolle der tatsächlichen Länge war so natürlich nicht möglich, noch ein Beweis für Memmets Unzuverlässigkeit. Doch außer ihm, der er ja gezwungen war, darauf zu achten, fiel das auch weiterhin keinem auf. Auch Benjamin verbrachte viel Zeit mit dem Türken, er vertraute ihm immer mehr an und schien einfach nichts zu merken. Sicher, Memmet war intelligent, sehr intelligent, wenn man bedachte, mit welchem Geschick er seine Kollegen hinter das Licht führte, doch er war nicht im geringsten vertrauenswürdig. Aber sprach er es an, schien ihm zwar niemand widersprechren zu wollen, doch Zustimmung bekam er ebenfalls nicht, trotz der offensichtlichen Schwächen des neuen Mitarbeiters. Als er die Störung durch diese unsägliche Musik anmerkte, die ihm jede freie Sekunde raubte, meinte Benjamin sogar, dass er sie interessant fände.

Interessant!

Der Assistent wollte nur seinen Mitarbeiter schützen, soviel war klar, doch durch seine höfliche und diplomatische Art, auf die er bei seinen Angestellten großen Wert legte, kam ihm nie eine Beschwerde zu Ohren; im Gegenteil, Memmets Teamfähigkeit und sein analytischer Verstand wurden mehrfach gelobt.

Alles Schuld der Firmenpolitik, die vorschrieb, auch positive Eigenschaften des Einzelnen ausdrücklich zu loben, und fand man, wie bei Memmet Hekimoglu, keine, so versuchte man, aus der Not eine Tugend zu machen, aus den offensichtlichen Schwächen eine Stärke. Es war absurd; das selbe Vorgehen, auf dass man in der Vergangenheit so stolz gewesen war, führte nun dazu, dass er keinen handfesten Grund sah, die Probezeit durch eine Entlassung zu beenden. Zwar hätte es eines solchen auch nicht bedurft, war die Probezeit im Vertrag doch einwandfrei geregelt, doch es gehörte sich nicht, jemanden ohne Begründung auf die Straße zu setzen. Zudem wollte er noch ein wenig abwarten, niemand sollte ihm vorwerfen sollen, er habe der Integration in die Arbeitsgemeinschaft nicht genug Zeit geschenkt.
 

Doch auf Dauer konnte es so nicht bleiben. Die Situation zehrte an seinen Kräften, dieser eine Arbeiter schaffte es, die ganze Firma zu beschweren. Zwar schien auch weiterhin kaum einer Augen für die Schwächen des Türken zu haben, doch er selbst wusste instinktiv, wer Schuld an den vielen kleinen Pannen hatte; wenn nicht direkt, dann zumindest aus dem Hintergrund. Lag die Arbeit brach und war partout nichts zu tun, so konnte man davon ausgehen, dass Memmet den ganzen Tag an seinem Schreibtisch saß. War dagegen die Hölle los, wusste man nicht mehr, wo einem der Kopf stand, so verließ er das Büro vorzeitig, um einen Termin wahrzunehmen.

Benjamin entschuldigte dies damit, dass der Türke eine große Familie habe und in der Verwaltung eben an anderen Tagen Hochkonjunktur war als im unmittelbaren Service, doch er wusste vermutlich selber, dass das keine plausible Erklärung war. Gab es viel zu tun, so hatten alle da zu sein, und wer sich stets verdrückte, bürdete seinen Kollegen noch mehr Arbeit auf. Dennoch musste man diese Ausreden annehmen, schließlich konnte man keinem das Gegenteil beweisen; was man dagegen zum Glück nicht annehmen musste, war das immer wildere Zuspätkommen.

Am Anfang waren es nur wenige Augenblicke gewesen, doch inzwischen kam der junge Ausländer manchmal erst zehn Minuten nach Arbeitsbeginn an; wo sollte das noch enden? Memmet behauptete, er müsse den Bus nehmen, und dieser führe sehr knapp, sodass es häufiger zu Verspätungen käme, doch er durchschaute ihn. Auch seine Beteuerungen, er würde die verlorene Arbeitszeit nachholen, glaubte er nicht.

Memmet Hekimoglu war einfach faul.
 

Der Höhepunkt des Konfliktes wurde im Winter erreicht.

Es war ein verschneiter Novembertag, und als er um viertel vor Neun Memmet aufsuchen wollte, um über sein Verhalten zu reden, war dieser noch nicht in seinem Büro; um genau zu sein, hastete er gerade die Treppe herauf und meinte, die Straßen wären vereist. Eine dreiste Lüge, nur um wieder ein wenig Zeit zu schinden, wieder Anderen die Schuld zu geben - was genug war, war genug.

Und so entließ er Memmet Hekimoglu umgehend. Eine Kündigungsfrist von vier Wochen räumte er dem Anderen noch ein, schließlich mussten die Beurteilungen für die Empfehlung noch einholt werden; außerdem war er ja kein Unmensch. Er bestand nur auf Ehrlichkeit und Anstand.
 

Doch Benjamin fand seine Reaktion vollkommen übertrieben; auch andere verstanden diesen Schritt nicht, obwohl sie es nicht so deutlich zum Ausdruck brachten wie sein Assisten. Sie verstanden nicht, dass es auch zu ihrem Besten war, Memmet hatte sie erfolgreich getäuscht, ihnen den freundlichen, fleißigen Arbeiter vorgespielt. Doch das Unverständnis der Anderen war ihm egal; er wollte nur das Richtige tun. Ohne die Einwände anzuhören, forderte er jeden, unter dem Memmet Hekimoglu gearbeitet hatte, dazu auf, eine Beurteilung abzugeben, die dann auch in das Gesamturteil einfließen sollte - eine ehrliche Beurteilung. Die Betroffenen verstanden, was er meinte, und ließen ihm bald ihre Beschwerden zukommen. Einige enthielten sich, konnten sich einfach nicht dazu entschließen, die Wahrheit zu sagen, doch er nahm es ihnen nicht übel. Er war kein nachtragender Mensch, noch nie gewesen. Doch alles musste seine Richigkeit haben.

Deswegen erstaunte ihn der Beitrag seines Assistenten umso mehr.
 

Herr Memmet Hekimoglu kann stets gewissenhaft, ordentlich und kreativ im Team arbeiten. Er verrichtet alle Arbeiten wie gewünscht und übertrifft dabei häufig die an ihn gestellten Erfahrungen, immer bestrebt, die bestmöglichsten Resultate zu erzielen. In allem, was er bei uns tut, ist er sehr gut.
 

Erst konnte er nicht glauben, was er las; dann rief er Benjamin, um ihn zur Rede zu stellen. Dieser schien das schon erwartet zu haben, war sich dabei aber keines Fehltittes bewusst - kaum auf die Bewertung angesprochen, meinte er schon, dass er dabei bleiben würde, er habe dem nichts mehr hinzuzufügen. Und als wäre das nicht genug, behauptete er gleich, die Entlassung sein ungerechtfertigt und basiere auf Vorurteilen, die er Memmet gegenüber habe! Dabei hatte er dem Türken so viele, zu viele Chancen gegeben...
 

Natürlich wies er seinen Assistenten damals zurecht.

Er sagte ihm, dass er sich aus Dingen heraushalten sollte, wenn er nicht in der Lage war, sie objektiv zu sehen. Ja, er versuchte sogar, ihm klar zu machen, dass er ihm die Fehlbesetzung nicht übel nahm, denn die Angst vor diesem Vorwurf schien ihm der wahre Grund für diese Schönfärberei der Wahrheit. Er schätzte Benjamin sehr; ein vitaler, engagierter Bursche mit Plänen und Idealen, eine Mischung, aus der noch viel werden konnte. Irren war menschlich, und das sagte er seinem Assistenten auch, in der Hoffnung, dieser möge sich besinnen.

Doch das schien dieser nicht vozuhaben, im Gegenteil, er sträubte sich noch mehr dagegen, seinen unpassend positiven Beitrag zum Zeugnis zu ändern. Zu selbstsicher, zu stolz war Benjamin, der im Verlauf ihrer Unterredung kindestrotzig den Rotstift griff und ein "mehr als" über sein 'sehr gut' kritzelte.

Das war wohl der Moment, in dem seinem Vorgesetzten klar wurde, dass er seinen liebsten Mitarbeiter verzogen hatte, wie einen Hund, dem man zuviele Freiheiten lässt. Egal, wie man dachte, die Wahrheit blieb nun einmal die Wahrheit, und das bedeutete, dass Memmet Hekimoglu ein Zeugnis bekommen musste, das späteren Arbeitgebern schon im Voraus eine Warnung schickte. Doch Benjamin schien nicht seiner Meinung zu sein; im Gegenteil, sein Widerspruch wuchs mit jeder Sekunde, die ihr Gespräche anhielt.

Das konnte er nicht zulassen; immerhin war er hier noch der Chef, er hatte das letzte Wort und mit Sicherheit die größere Lebenserfahrung.

Wenn Benjamin nicht Willens war, seine Beurteilung zu ändern, dann konnte er ebenfalls seine Kündigung einreichen, postwendet, und sich eine neue Arbeitstelle suchen - eine, die mit Sicherheit nicht halb so gut bezahlt wurde. Er mochte seinen Assistenten sehr, doch ein Streit wie dieser musste Konsequenzen haben.

Doch das schien den jungen Mann nicht im geringsten zu stören; im Gegenteil. Obwohl er ihn die ganze Zeit ohne Vorbehalte unterstützt und gefördert worden war, besaß der Bengel die Frechheit, ihn anzustarren und dann, grimmig lächelnd, zu nicken.

"Warum eigentlich nicht?"
 

Genau das hatte er gesagt; wortwörtlich. Danach war er aus dem Büro gestürmt und hatte es am nächsten Tag nur noch einmal, zum letzten Mal, betreten, um seine Kündigung zu bringen. Die Zeugnisse des Memmet Hekimoglu wurden notgedrungen gelassen, wie sie waren, und von einem Tag auf den anderen war eine seiner besten Mitarbeiter fort, einfach so. Das verstand er immer noch nicht, denn auch wenn sein Assistent ein Hitzkopf gewesen war, hatte es dafür nun wirklich keinen Grund gegeben, oder?

Linda Lay

Im Grunde war Linda Lay ein ganz normales Mädchen.

Sie trug ihr Haar lang und glatt, wenn es Mode war; und sie trug es kurz gelockt, wenn die Mode sich wieder änderte. Sie mochte rosafarbene T-Shirts zu langen weißen Röcken, wenn alle sie trugen, und sie trug Röhrenjeans in Stiefeln, weil jedes Mädchen sie mochte. Sie liebte Brad Pitt und Leonardo DiCaprio, wenn man sie gerade gerne sah, und waren diese Zeiten vorbei, leugnete sie, jemals von ihnen geschwärmt zu haben.

Jeden Morgen, bevor sie in die Schule ging, bevor sie auch nur das Haus verlies, verbrachte sie fast eine Stunde im Badezimmer, vor dem großen Wandspiegel, und versuchte, sich die neuen Muster aus einem Magazin auf das Gesicht zu malen, probierte, perfekt zu sein in Kleidung und Haltung, so perfekt, wie all die anderen, damit sie neben ihnen bestehen konnte, damit sie nicht anders war; jeden Morgen achtete sie darauf, dass ihre Schuhe zu der Kette passten. Wenn sie aß, sorgte sie dafür, dass jeder mitbekam, welch schlechtes Gewissen sie wegen dieser Sünde plagte und sie hatte mit den Jahren ihre Koketterie fast bis zur Perfektion getrieben. Auf ihr Benehmen legte sie sehr viel Wert, auch auf ihren Umgang; und egal, wann man sie antraf, sie wusste immer, wie sie zu wem zu stehen hatte.

Sie kannte ihren Platz, und sie wusste, was mit ihren Freunden geschehen würde, wenn sie ihn verließ oder zuließ, dass ein anderer den seinen verkannte; sie wusste, dass diese Freunde dann die Pflicht hatten, sie auf ihren eigenen Platz zu verweisen. Sie wusste, wovon, von wem sie träumen durfte und von was nicht; sie wusste, wonach sie streben konnte.

Linda Lay war wie alle Mädchen; nach denen hatte sie sich gerichtet, sich richten müssen, um ihre Freunde nicht zu verlieren, um ihr Leben, das schon längst nicht mehr nur eine Lüge war, weiterleben zu können. Sie war so glücklich wie alle in dieser Anonymität und so unerfüllt wie die Meisten.
 

Doch eines an Linda Lay war anders als bei all den Mädchen, die sie kannte:

Immer, wenn sie alleine war, immer, wenn sie traurig war, wenn die Sonne schien oder der Wind durch die Äste der großen Kastanie vor ihrem Fenster stürmte, immer wenn sie abends in ihrem Bett lag, enttäuscht von der Welt oder wenn sie sich auf der Wiese räkelte, sich ungewiss, ob das, von dem sie heimlich träumte, jemals wahr werden würde, und ob das, was sie wollte, wenn sie es bekam, auch das sein würde, was sie brauchte, immer dann schloss sie die Augen.

Ganz fest, sodass kein Lichtstrahl durch ihre Lider dringen konnte, so fest, das die ganze Welt stehen blieb und ihr fassungslos beim Träumen zusah.

Ja, Linda Lay träumte, und die Welt sah zu, wurde einer Fülle von Gedanken, von Vorstellungen gewahr, die sie selbst sich nie hätte erdenken können. Denn wenn das Mädchen, das sein Haar trug wie alle anderen, das im Grunde genau so war wie alle anderen, sich in die andere Welt flüchtete, dann war sie plötzlich anders.

Sie lachte nicht, wenn ihr nach weinen zumute war; sie flennte. Sie sah nicht zu, wenn Unrecht geschah; sie gab dem Rechten das Recht zurück. Und vor allem war sie immer, an jedem Ort, zu jeder Zeit, in jedem Traum sie selbst - ganz sie selbst. Und auch wenn sie von Bergen träumte, von Feen, Elfen und Prinzessinnen, von Trollen, Königen und echten Freundschaften, träumte sie doch immer von einer ehrlicheren Wirklichkeit.

So gab es für sie zwei Welten:

Die eine, in der sie Linda Lay war, in die Schule ging, Freunde hatte, die keine waren und jeden Tag eifrig lernte, was sie am nächsten Tag wissen musste, und die andere, die sie sich erträumte, in der sie anders war und für diese Andersartigkeit nicht verachtet, sondern bewundert wurde, wo sie ihre Wünsche nicht versteckte, sondern lebte.

Sie war sich dessen nie bewusst, doch in ihren Träumen war die Welt, wie sie sein sollte, licht, ehrlich, freundlich; es gab keine Grenzen in ihrem Reich der Phantasie.
 

Genau das sollte Linda Lay auch helfen, denn irgendwann werden Träume, die hinter fest geschlossenen Lidern geträumt werden, Lider, die so fest zugekniffen werden, das kein Lichtstrahl hindurchdringen kann, wahr; irgendwann drängen sie in die Wirklichkeit und ändern, wenn schon nicht die Welt, dann doch den Menschen. Und so sollte Linda Lay eines Tages in dem Bewusstsein erwachen, dass es nicht wichtig war, was ihre Freunde von ihr dachten, denn wenn diese Freunde sie nicht mochten, wenn sie ehrlich war, so mochten diese Freunde nicht sie, sondern die Masken, die sie trug. An diesem Tag sollte Linda Lay ihre Hosen über den Stiefeln tragen und die rosafarbenen T-Shirts, die nicht sie, sondern die anderen mochten, fortgeben; an diesem Tag sollte sie sich selbst erkennen.

Doch bis zu diesem Tag in ferner Zukunft war Linda Lay wie alle anderen Mädchen, die sie glaubte zu kennen und träumte nur im Stillen von der einen, der anderen Welt.

Nacht im Schützengraben

Zusammen mit der Kälte zog auch die Feuchtigkeit aus der dunklen Erde zu mir hinauf. Kugeln flogen schon seit Stunden über meinen Kopf hinweg und würden dies wohl auch noch einige Zeit lang fortsetzen. Plötzlich aber verstummten die Gewehre und kein Mündungsfeuer erhellte mehr die nun tiefschwarze Nacht. Ein Unheil verkündendes Grollen begann, und die Erde bröckelte von den Wänden auf mich herab. Als die Kugeln aber weiterhin schwiegen, verließ mich ein Teil der lähmenden Angst und ich konnte mich nicht zurückhalten und warf einen vorsichtigen Blick über den Erdwall, um hinter das Geheimnis des Geräusches zu kommen.

Und beschloss prompt, mich so schnell wie möglich zurückzuziehen, denn ein Panzerregiment nahm unbeirrbar Kurs auf unsere Stellung.

Es war nicht mein Krieg; also wollte ich dort auch nicht sterben. Während ich mit schlotternden Knien davon kroch, hoffte ich, dass kein Schütze meine Flucht entdecken würde, und schaffte es tatsächlich in die wie ausgestorben scheinende Versorgungsstation, ein weiteres Loch im Erdboden. Es war erschreckend; dort, wo sonst stets eine grausige Emsigkeit herrschte, gab es nun nur Stille...

Fast nur Stille.

Ein dunkles Stöhnen lies mich herumfahren, und im selben Moment ertönte erneut der Klang der Mordmaschinerie. Ich schluckte schwer und erkannte im aufblitzenden Leuchtfeuer den Schatten eines jungen Mannes, der auf der Erde lag. Ich betrachtete ihn argwöhnisch, bis mein Blick an dem rotgefleckten Stoff hängen blieb. Der Krieg war einer harte Schule gewesen und nur diesem grausigen Lehrmeister war es zu verdanken, dass ich sofort verstand, was mit dem blutigen, leeren Verband an seiner linken Hand geschehen musste.

Vorsichtig kroch ich auf ihn zu, einfach wegzusehen schaffte mein Gewissen selbst nach so vielen Leichen nicht, und band den blutenden Unterarmstumpf sorgfältig ab. Eine Splitterbombe habe dem Fremden die Hand zerrissen und gleichzeitig sein linkes Bein verletzt, erzählte er mir heiser, doch das sei nicht so schlimm, wie er mir versicherte.

Er hieß Kurt, und wäre er nicht eingezogen worden, hätte er inzwischen wohl einen Roman über den Kampf herausgebracht. Nun würde er ihn nicht einmal beginnen; Gedichte, so erklärte er mir, könnten diesen Krieg viel treffender beschreiben. Seine Blutung war fast vollständig gestillt, doch die Schüsse über unseren Köpfen steigerten sich weiter, bis hin zu einem unbeschreiblichen Crescendo.

Es war eine lange Nacht, wahrscheinlich die längste, die ich je erlebt habe, doch nicht für eine Sekunde ließ ich seine unversehrte Hand los. Auch er dachte nicht daran.

Als gegen Morgen die Schreie und Schüsse immer seltener wurden, war ich trotz der durchwachten Nacht wacher als je zuvor, und mir wurde klar, dass nun die Zeit der Flucht gekommen war.

Ich warf Kurt einen Blick zu. Im fahlen Morgenlicht wirkte sein Gesicht aschgrau und eingefallen, gealtert durch diesen unmenschlichen Krieg. Sein Arm zitterte, blutete aber schon lange nicht mehr.

Es war die Zeit für die Flucht; doch Kurt konnte nicht fliehen, ohne zu sterben. Noch konnte ich entkommen, noch blieb Zeit – doch ich wartete. Ich wartete, bis gegen Mittag die Soldaten kamen und uns in Kriegsgefangenschaft nahmen.

Kurt und mich.

Wilhelm

Wilhelm war ein schmaler Junge mit dunkelblondem Haar und braunen Augen, stets ruhig und irgendwie langweilig. Obwohl er nur wenige Straßen entfernt wohnte, hatte ich mich nie übermäßig für ihn interessiert; um ehrlich zu sein, ich hatte ihn vor diesem Jahr nicht einmal wahrgenommen. Doch mit einem Mal kam ich nicht darum herum; tagtäglich schubsten ihn die älteren Schüler, stießen und schlugen ihn sogar manches Mal. Bald machten auch die Klassenkameraden mit. Doch er schwieg, und ich kann mich nicht erinnern, dass seine Eltern in all den Wochen jemals beim Herrn Lehrer gewesen wären. Die Schläge trafen ihn immer härter, der Spott wurde immer grober, doch er schwieg. Vermutlich dachte ich deshalb, er müsse diese Behandlung wohl verdient haben; trotzdem beteiligte ich mich nie daran, wusste ich doch, was meine Eltern zu all dem sagen würden. Doch an jenem Sommertag vor so vielen Jahren war es nicht Wilhelm, den sie quälten, sondern ich. Weil Herr Lausitz gesagt hatte, dass meine Eltern Rote gewesen seien, hatte ich diese Behandlung mit einem Mal auch verdient, und das wollte mir nicht so recht einleuchten. Ich war doch nicht rot und auch meine Eltern hatten nie etwas derartiges verlauten lassen! Trotzdem stießen sie mich so lange, bis ich stürzte und hart auf dem Boden aufschlug. Erst dann lachten sie, unsicher, weil meine Nase stark blutete, und liefen davon.

Und ich?

Ich rollte mich auf den Rücken und starrte in den hellblauen, sonnenbestrahlten Himmel, während ich mir immer furchtbarer vorkam. Ich fühlte mich wie zerschlagen, obgleich sie nicht so hart zugelangt hatten, mein Bein schmerzte und die Haut über meiner linken Wange pochte wie wild. Tränen stiegen mir in die Augen, doch plötzlich merkte ich, dass ich beobachtet wurde, und unterdrückte diesen Beweis meiner Schwäche. Ich blinzelte einige Male heftig und erkannte dann das blasse Gesicht Wilhelms. Er betrachtete mich unsicher, prüfend und überlegte sich wohl, ob ich auch zu der Meute gehört, die ihn stets quälte, dann aber reichte er mir seine schmale Jungenhand. Für einen Moment zögerte ich; dann ergriff ich sie und ließ mir aufhelfen.
 

Wir sahen uns in den nächsten Wochen häufig, mit der Zeit fast jeden Tag. In der Schule hielten wir still und hofften, unbemerkt zu bleiben, und klappte dies nicht, gaben wir uns Mühe, unsere Eltern nichts von den Problemen wissen zu lassen. Wilhelms Eltern waren ruhig und freundlich, bewahrten sich aber immer ihre vorsichtige Reserviertheit. Damals dachte ich, es sei, weil wir einmal Rote gewesen waren; später wurde ich eines Besseren belehrt.

Eines Tages kam Wilhelm nicht mehr zur Schule und auch bei ihm daheim war keine Spur von der Familie. Sie waren fortgegangen, ohne mir ein Wort zu sagen, so sah ich das Ganze, und war lange zornig wegen dieses Verrates, doch meine Eltern wussten es besser und erklärten es mir nach einigen Wochen.

Familie Nussbaum war nicht so wortlos verschwunden, weil meine Eltern einmal rot geglaubt hatten.

Sie hatten das Dorf verlassen, weil sie Juden waren.
 

Ich habe Wilhelm nie wieder gesehen.

Harte Reise

Harte Reise

oder

Kafkaesker Versuch einer Parabel
 

Ein Mann ging durch die altvertrauten Straßen seiner Heimatstadt; enge Gassen, kurze Wege, klare Zeichen begegneten ihm. Die Sonne stand in ihrem Zenit, ihr gelbes Licht wärmte seine Haut und seine Fueße fanden ihren Weg in großen, ruhigen Schritten von alleine. Die Kirchturmuhr schlug im immer gleichen Rhythmus. Es war früh für diesen Besuch. Plötzlich aber brachen die hohen Haeuser um ihn herum zusammen und gaben den Blick auf ungeahnte Weiten frei; der Mann wich zurück. Er verlor den Überblick. Er verlor die Orientierung. Er verlor den Weg. Seine Schritte wurden schneller, größer, er lief die Straßen entlang, die nun keine Straßen mehr waren, sondern einem unendlichen Schlachtfeld ähnelten. Die Kirchenglocken läuteten; er war spät. Außer Atem versuchte er, die altbekannten Wege zu finden, doch sie waren unter dem Schutt der Hausruinen begraben.

‘Ich kenne den Weg’, sagte er sich, und blickte zum Himmel, auf der Suche nach einem Zeichen, das ihn leiten würde.

‘Ich folgte ihm so oft, ich kenne den Weg’.

Für eine Weile glaubte er, den Weg wieder zuerkennen, doch als er den Blick wieder senkte, wusste er nicht, wo er war’ und die Dornen der Pflanzen hatten seine Sohlen durchbohrt. Die Sonne sank unter den Horizont; es wurde dunkel.

Der Mann ging schneller, immer schneller, sah die Sterne und wollte sich an ihnen orientieren, sein Atem flog und seine Beine schmerzten. Er stoppte seinen Lauf.

‘Ich weiß, wo der Weg ist, ich habe ihn so oft gesehen, mein Herz kennt ihn!’

Er folgte den Zeichen, und als er den Blick wieder senkte, stand er in weichem, hellen Sand. Er fühlte sich geborgen, wohl; doch dann begann der Sand ihn in die Tiefe zu ziehen. Er lief weiter, immer weiter, die Glocken schwiegen schon lange in der Dunkelheit, bis seine Fuesse auf felsigem Grund den Halt verloren und er fiel.

Schluchzend sah er hinauf zum Sternenzelt, doch das Licht war verschwunden; er konnte nichts mehr sehen.

‘Wieso kann ich den Weg nicht finden? Ich kenne ihn!’

Weinend krümmte er sich auf dem nackten Felsen in der Dunkelheit.

“Ich kenne ihn…’

Plötzlich weckte ihn die Stimme des Vaters:

“Wenn es stimmt, was du sagst, warum richtest du deinen Blick dann zum Himmel?”



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Kommentare zu dieser Fanfic (13)
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Von: abgemeldet
2009-07-16T12:24:59+00:00 16.07.2009 14:24
Es ist alles ein wenig verwirrend, da es keiner wirklich Auflösung gibt, sodass man aber sehr viel hineininterpretieren kann – Mysterie halt.

An der Sturktur gibt es nicht zu meckern. Du gibst etwas von der Person Preis, indem du die Beschreibungen der Umgebng verwendest – aber auch nur Stück für Stück.
Auch die Wortwahl ist treffend, da wenige Wiederholungen auftretten – für mich zumidnest – und deswegen der Eindruck einer einmaligen Nacht entsteht, was ja auch der Fall ist.

So … was mir aber nicht gefällt ist, dass es keine klare Auflösung des Ganzen gibt. Es ist zwar bei Mysterie so, dass diese nicht unbedingt nötig ist, aber ein paar kleine deutlichere Hinweise wäre schon gut gewesen. (Oder hab ich sie nicht entdeckt?)
Deswegen hier meine Interpreatation:
Die Frau – ich gehe mal davon aus, dass es eine ist – ist tot oder halbtot (Vampir oder Zombie?), sie lebtaber auf eine gewisse Art und Weise weiter, vielleicht sogar auch nur als Geist? Die Theorie mit dem Geist finde ich treffender. Ich würde sagen, dass die Polizei Leichen findet – die der Frau auf alle Fälle. Die Frau wurde von dem Freund umgebracht und lebt als Geist weiter … Das scheint mir aber nicht wirklich zu stimmen, denke ich. Es wäre auch möglich, dass die Frau ihren Freund umgebracht hat – aus Eifersucht? – und ihm bei sich „lagert“, um nicht allein zu sein … schwer zu sagen.
Aber was auch immer dahintersteckt, es ist wirklich gut verschlüssel .. oder es ist so deutlich, dass man es nicht versteht, weil man zu viel und weit denkt ^^

mfg
Black-Water
~ a present for you ~
Von: abgemeldet
2009-07-16T12:24:11+00:00 16.07.2009 14:24
Es ist das altbekannte Thema des Versteckens der eigenen Persönlichkeit, das du hier beschreibst. Aber dennoch ist es interessant den Text zu lesen, weil er in die Zukunft reicht. Du lässt den Leser nicht im Unklaren, sondern zeigst, dass sich Menschen ändern und zu sich selbst stehen, wenn die Zeit reif ist.
Sicher dauert dies, aber auch dies zeigst du, indem du ihren Alltag beschreibst, aber auch das, was sie tief in ihrem Inneren sieht und fühlt.

Der Text ist gut ausgebaut – er fängt mit den Allemeinen an, geht dann ins Deatils und gibt eine Perspektive.
Und es macht wesentlich mehr Spaß diesen Text zu lesen, als wenn einfach nur die Tatsachen aufgezählt werden – ohne Emotionen und Gedanken.
Ich für meinen Teil kann mich sogar damit identifizieren, weil ich – wie wohl jeder andere auch – Phasen hatte, wo man sich selbst betrügt, auch wenn es gar nicht nötig ist, da es immer Menschen gibt, die einen so nehmen, wie man ist. Und dadurch geht der Text einen näher als man es vielleicht möchte, weil man selbst Erfahrungen mit diesem Thema hat/hatte.

mfg
Black-Water
~ a present for you ~
Von: abgemeldet
2009-07-16T12:23:32+00:00 16.07.2009 14:23
Auch wenn es recht kurz ist, erinnert es doch stark an „Im Westen nichts Neues“ – kann aber auch daran liegen, weil ich nur wenige Bücher, über den Krieg gelesen habe. Jedenfalls finde ich die Figur, des unfreiwilligen Soldaten gut gewählt, weil dies den Krieg nicht verschönert, sondern zu einer ernsten Sache macht.
Sicher gibt es viele Menschen, die in dem Krieg etwas Gutes sehen, aber das spielt hier eher eine indirekte Rolle.

Es zeigt, dass im Krieg jeder auf sich selbst gestellt ist und man eigentlich niemanden trauen kann. Aber dennoch will man Nähe zu anderen Menschen haben, die einen verstehen und dasselbe denken. So entstehen Freundschaften – oder zumindest Bündnisse – sehr schnell und die Angst, wieder allein in diesen unruhigen Zeiten zu sein, ist größer als das Misstrauen, das vielleicht noch vorhanden ist.

Dass du schreibst, dass Gedichte besser für dieses Thema geeignet sind, gefällt mir, weil schon stimmt – sie sind vielseitig interpretierbar. Aber dann frag ich mich auch, wieso du kein Gedicht gewählt hast? ^^ Damit zeigst du, dass es nicht immer Gedicht sein müssen, um über den Krieg zu reden. Vielleicht wolltest du ja sogar damit sagen, dass klare, direkte Worte mehr wert sind, als schwammige Ausdrücke, in die jeder alles erkennen kann.

mfg
Black-Water
~ a present for you ~
Von: abgemeldet
2009-07-16T12:23:05+00:00 16.07.2009 14:23
Es tut immer wieder weg, so etwas zu lesen – egal, ob es real oder fiktiv ist. Das 3. Reich war einfach nur grausam, sodass man einfach nur verstehen kann, wie dies geschehen konnte.
Aber das gehört nicht hierher.

Der indirekte Prozess der Gehirnwäsche, den du andeutest, ist dir gut gelungen, denn dadurch lässt sich die Zeit einordnen und man sieht, welchen Einfluss die Eltern damals auf ihre Kinder hatten – von Lehrern kam ja scheinbar nichts.

Das mit den Roten hab ich nicht ganz verstanden, weil mein Interesse für die Politik zu wünschen übrig lässt. Aber dennoch war erkennbar, dass das alte Prinzip gilt : Der Feind meiner Feindes ist unter Umständen mein Freund. (Ich finde, das trifft es auf den Punkt)

Die Hauptperson weiß nicht, was in Deutschland passiert, was ja damals eine Ausnahme war, wenn jemanden nicht mitgezogen hatte. Aber auf diese Art und Weise und die kurze Beschreibung der Eltern – da wäre vielleicht mehr doch besser gewesen – ersteht ein gewisser Grad an Neutralität – Neutralität aus den Augen eines kleinen, naiven Kindes.

mfg
Black-Water
~ a present for you ~
Von:  Naschi
2007-01-23T15:35:58+00:00 23.01.2007 16:35
Mensch, wieder ein klasse Thema, aber wieder zu kurz.
Die Tragweite der Judenverfolgung wirkt hier nicht, aber die sprachliche Eben fand ich toll. Es klingt ebenso kindlich wie der Erzähler wohl sein soll. Das fand ich echt klasse.

Sciu

[FFZ]
Von:  Naschi
2007-01-23T15:30:52+00:00 23.01.2007 16:30
Hmm, diese Geschichte fand ich ein wenig zu kurz. Man liest fast beteilungslos die Zeilen.
Den Krieg hättest du ruhig etwas mehr beschreiben können. Ich selbst konnte mit den Soldaten nicht mitfühlen. Er hatte Angst, aber die musst du noch richtig rüberbringen. Ebenso die Verletzung von Kurt.

Sciu

[FFZ]
Von:  Naschi
2007-01-23T15:26:52+00:00 23.01.2007 16:26
Wieder eine schöne Themenwahl.
Ein Mädchen das in der Realität perfekt ist, aber insgeheimt träumt anders zu sein.
Bei mir verhält es sich genau anders herum. Ich wäre gern so wie Linda in der Realität.
Die Umsetzung finde ich gut, nur solltest du unbedingt auf Rechtschreibfehler achten.

Sciu

[FFZ]
Von:  Naschi
2007-01-23T15:19:45+00:00 23.01.2007 16:19
Auch wieder eine Geschichte von dir, die zum Nachdenken anregt.
Du hast ein wichtiges Thema aufgegriffen, das viele als Tabuthema ansehen.
Ich vermute mal, es geht ein ganz klein wenig um Ausländerfeindlichkeit. Und der Chef merkt nicht einmal etwas von seinen Vorurteilen.
Ich finde du hast es gut umgesetzt, auch wenn das Ende mich etwas überrascht hat.

Sciu

[FFZ]
Von:  Naschi
2007-01-23T15:06:41+00:00 23.01.2007 16:06
Puh, nicht schlecht. Auch wenn meine Gedanken von der Geschichte selbst noch konfus sind, meine ich erkannt zu haben, was in der Geschichte vorkam.
Die Sprache ist wunderbar gewählt, es passt zu der Geschichte. Auch das die in O-ton geschrieben ist, versetzt den Leser näher an das Geschehen.
Ein paar Rechtschreibfehler waren drinnen, aber das haben die anderen schon angemerkt.
Weiter so.

Sciu

[FFZ]
Von:  Drachenwind
2007-01-17T11:52:10+00:00 17.01.2007 12:52
Hm, weiß glaube ich schon, was du sagen wolltest, aber die Geschichte erscheint mir für sich ungewohnt ... plump.
Ich meine, es hört sich an wie ein Vorurteil, bzw. zu einseitig. Ihm fehlen irgendwie die geschliffenen Kleinigkeiten, die das Ganze greifbarer machen und näher bringen. Sowohl die Empörung als auch das nagendes Misstrauen des Chefs erscheinen mir zu fade, selbst seine Ablehnung.
Ich denke deswegen fehlt der Geschichte ein wenig der Kontrapunkt. Ich meine, die Person des Chefs ist zu farblos. Damit liegt zwar die Sympathie auf der anderen Seite, aber es hat keinen rechten Aufrütteleffekt mehr.


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