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Kurzgeschichten

Was werden sie sagen, meine Darling?
von

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Nacht im Schützengraben

Zusammen mit der Kälte zog auch die Feuchtigkeit aus der dunklen Erde zu mir hinauf. Kugeln flogen schon seit Stunden über meinen Kopf hinweg und würden dies wohl auch noch einige Zeit lang fortsetzen. Plötzlich aber verstummten die Gewehre und kein Mündungsfeuer erhellte mehr die nun tiefschwarze Nacht. Ein Unheil verkündendes Grollen begann, und die Erde bröckelte von den Wänden auf mich herab. Als die Kugeln aber weiterhin schwiegen, verließ mich ein Teil der lähmenden Angst und ich konnte mich nicht zurückhalten und warf einen vorsichtigen Blick über den Erdwall, um hinter das Geheimnis des Geräusches zu kommen.

Und beschloss prompt, mich so schnell wie möglich zurückzuziehen, denn ein Panzerregiment nahm unbeirrbar Kurs auf unsere Stellung.

Es war nicht mein Krieg; also wollte ich dort auch nicht sterben. Während ich mit schlotternden Knien davon kroch, hoffte ich, dass kein Schütze meine Flucht entdecken würde, und schaffte es tatsächlich in die wie ausgestorben scheinende Versorgungsstation, ein weiteres Loch im Erdboden. Es war erschreckend; dort, wo sonst stets eine grausige Emsigkeit herrschte, gab es nun nur Stille...

Fast nur Stille.

Ein dunkles Stöhnen lies mich herumfahren, und im selben Moment ertönte erneut der Klang der Mordmaschinerie. Ich schluckte schwer und erkannte im aufblitzenden Leuchtfeuer den Schatten eines jungen Mannes, der auf der Erde lag. Ich betrachtete ihn argwöhnisch, bis mein Blick an dem rotgefleckten Stoff hängen blieb. Der Krieg war einer harte Schule gewesen und nur diesem grausigen Lehrmeister war es zu verdanken, dass ich sofort verstand, was mit dem blutigen, leeren Verband an seiner linken Hand geschehen musste.

Vorsichtig kroch ich auf ihn zu, einfach wegzusehen schaffte mein Gewissen selbst nach so vielen Leichen nicht, und band den blutenden Unterarmstumpf sorgfältig ab. Eine Splitterbombe habe dem Fremden die Hand zerrissen und gleichzeitig sein linkes Bein verletzt, erzählte er mir heiser, doch das sei nicht so schlimm, wie er mir versicherte.

Er hieß Kurt, und wäre er nicht eingezogen worden, hätte er inzwischen wohl einen Roman über den Kampf herausgebracht. Nun würde er ihn nicht einmal beginnen; Gedichte, so erklärte er mir, könnten diesen Krieg viel treffender beschreiben. Seine Blutung war fast vollständig gestillt, doch die Schüsse über unseren Köpfen steigerten sich weiter, bis hin zu einem unbeschreiblichen Crescendo.

Es war eine lange Nacht, wahrscheinlich die längste, die ich je erlebt habe, doch nicht für eine Sekunde ließ ich seine unversehrte Hand los. Auch er dachte nicht daran.

Als gegen Morgen die Schreie und Schüsse immer seltener wurden, war ich trotz der durchwachten Nacht wacher als je zuvor, und mir wurde klar, dass nun die Zeit der Flucht gekommen war.

Ich warf Kurt einen Blick zu. Im fahlen Morgenlicht wirkte sein Gesicht aschgrau und eingefallen, gealtert durch diesen unmenschlichen Krieg. Sein Arm zitterte, blutete aber schon lange nicht mehr.

Es war die Zeit für die Flucht; doch Kurt konnte nicht fliehen, ohne zu sterben. Noch konnte ich entkommen, noch blieb Zeit – doch ich wartete. Ich wartete, bis gegen Mittag die Soldaten kamen und uns in Kriegsgefangenschaft nahmen.

Kurt und mich.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2009-07-16T12:23:32+00:00 16.07.2009 14:23
Auch wenn es recht kurz ist, erinnert es doch stark an „Im Westen nichts Neues“ – kann aber auch daran liegen, weil ich nur wenige Bücher, über den Krieg gelesen habe. Jedenfalls finde ich die Figur, des unfreiwilligen Soldaten gut gewählt, weil dies den Krieg nicht verschönert, sondern zu einer ernsten Sache macht.
Sicher gibt es viele Menschen, die in dem Krieg etwas Gutes sehen, aber das spielt hier eher eine indirekte Rolle.

Es zeigt, dass im Krieg jeder auf sich selbst gestellt ist und man eigentlich niemanden trauen kann. Aber dennoch will man Nähe zu anderen Menschen haben, die einen verstehen und dasselbe denken. So entstehen Freundschaften – oder zumindest Bündnisse – sehr schnell und die Angst, wieder allein in diesen unruhigen Zeiten zu sein, ist größer als das Misstrauen, das vielleicht noch vorhanden ist.

Dass du schreibst, dass Gedichte besser für dieses Thema geeignet sind, gefällt mir, weil schon stimmt – sie sind vielseitig interpretierbar. Aber dann frag ich mich auch, wieso du kein Gedicht gewählt hast? ^^ Damit zeigst du, dass es nicht immer Gedicht sein müssen, um über den Krieg zu reden. Vielleicht wolltest du ja sogar damit sagen, dass klare, direkte Worte mehr wert sind, als schwammige Ausdrücke, in die jeder alles erkennen kann.

mfg
Black-Water
~ a present for you ~
Von:  Naschi
2007-01-23T15:30:52+00:00 23.01.2007 16:30
Hmm, diese Geschichte fand ich ein wenig zu kurz. Man liest fast beteilungslos die Zeilen.
Den Krieg hättest du ruhig etwas mehr beschreiben können. Ich selbst konnte mit den Soldaten nicht mitfühlen. Er hatte Angst, aber die musst du noch richtig rüberbringen. Ebenso die Verletzung von Kurt.

Sciu

[FFZ]


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