Zum Inhalt der Seite

Kurzgeschichten

Was werden sie sagen, meine Darling?
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Harte Reise

Harte Reise

oder

Kafkaesker Versuch einer Parabel
 

Ein Mann ging durch die altvertrauten Straßen seiner Heimatstadt; enge Gassen, kurze Wege, klare Zeichen begegneten ihm. Die Sonne stand in ihrem Zenit, ihr gelbes Licht wärmte seine Haut und seine Fueße fanden ihren Weg in großen, ruhigen Schritten von alleine. Die Kirchturmuhr schlug im immer gleichen Rhythmus. Es war früh für diesen Besuch. Plötzlich aber brachen die hohen Haeuser um ihn herum zusammen und gaben den Blick auf ungeahnte Weiten frei; der Mann wich zurück. Er verlor den Überblick. Er verlor die Orientierung. Er verlor den Weg. Seine Schritte wurden schneller, größer, er lief die Straßen entlang, die nun keine Straßen mehr waren, sondern einem unendlichen Schlachtfeld ähnelten. Die Kirchenglocken läuteten; er war spät. Außer Atem versuchte er, die altbekannten Wege zu finden, doch sie waren unter dem Schutt der Hausruinen begraben.

‘Ich kenne den Weg’, sagte er sich, und blickte zum Himmel, auf der Suche nach einem Zeichen, das ihn leiten würde.

‘Ich folgte ihm so oft, ich kenne den Weg’.

Für eine Weile glaubte er, den Weg wieder zuerkennen, doch als er den Blick wieder senkte, wusste er nicht, wo er war’ und die Dornen der Pflanzen hatten seine Sohlen durchbohrt. Die Sonne sank unter den Horizont; es wurde dunkel.

Der Mann ging schneller, immer schneller, sah die Sterne und wollte sich an ihnen orientieren, sein Atem flog und seine Beine schmerzten. Er stoppte seinen Lauf.

‘Ich weiß, wo der Weg ist, ich habe ihn so oft gesehen, mein Herz kennt ihn!’

Er folgte den Zeichen, und als er den Blick wieder senkte, stand er in weichem, hellen Sand. Er fühlte sich geborgen, wohl; doch dann begann der Sand ihn in die Tiefe zu ziehen. Er lief weiter, immer weiter, die Glocken schwiegen schon lange in der Dunkelheit, bis seine Fuesse auf felsigem Grund den Halt verloren und er fiel.

Schluchzend sah er hinauf zum Sternenzelt, doch das Licht war verschwunden; er konnte nichts mehr sehen.

‘Wieso kann ich den Weg nicht finden? Ich kenne ihn!’

Weinend krümmte er sich auf dem nackten Felsen in der Dunkelheit.

“Ich kenne ihn…’

Plötzlich weckte ihn die Stimme des Vaters:

“Wenn es stimmt, was du sagst, warum richtest du deinen Blick dann zum Himmel?”



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück