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Menschen, die auf Gras wandeln I+II+III

von

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Kapitel 17
 

Seth ging voraus und der Pharao folgte ihm mit nur einem Schritt Nähe.

Er beobachtete wie stolz der junge Priester seine Schultern hielt, sein fließender Gang, wie das Haar ihm leicht von der Abendluft angehoben wurde, wie schwingend das lange Gewand über seine Beine strich. Er war so wunderschön ...

Über seine kleine Träumerei bekam er kaum mit, wie sie die Halle bereits betreten hatten und es hier ganz anders war als am Tage. Dämmrig von den wenigen Feuerschalen beschienen, die Zeichnungen waren kaum noch zu erkennen ohne Tageslicht, es war sehr kühl hier drin und menschenleer. Von draußen hallte der Lärm des Festes nur silhouettenhaft bis hier her vor und es kam ihm vor, als würden sie die Welt wechseln. Als würde er einem Gott folgen, welcher ihn vom irdischen Reich fortholte, um ihn in seine eigene Welt einzuführen. Und der Pharao wollte nichts lieber tun als ihm überall hin zu folgen. Ob Erde, Götterreich oder die Unterwelt wäre ihm egal - solange er nur bei ihm bleiben durfte. Ganz nahe bei diesem göttergleichen Traum von Körper und Seele ...

Bis sein verbotener Traum plötzlich stehen blieb und er ihm ohne stoppen zu können in den breiten Rücken rannte und sich die Nase stieß.

„Huch!“ rief der überrascht und drehte sich jetzt erst um. „Majestät, was macht Ihr denn?“

„Wenn du einfach stehen bleibst?“ verteidigte er sich und schubste sich die Krone wieder dorthin zurück, wo sie hingehörte. „Tut mir leid, ich wollte dich nicht anrempeln.“ OH GOTT WIE PEINLICH!!!

„Ihr habt wohl geträumt“ lächelte er ihn belustigt an. „Ich wollte Euch eigentlich nur fragen, weshalb Ihr nicht neben mir geht. Ihr müsst doch nicht zurückbleiben. Oder ist es Euch unangenehm?“

„Nein! Nein, bestimmt nicht! Du hast Recht, ich habe nur einen Augenblick geträumt.“

„Das muss ja ein schöner Traum sein, der Euch so in seine Welt entführt“ sprach er, tat einen Schritt zurück und setzte sich dann wieder in Bewegung, damit sein Pharao neben ihm gehen und nicht hinter ihm zurückbleiben musste.

Und der war ganz glücklich, dass es hier so dämmrig war, denn sonst hätte Seth sicher gesehen, wie er vor Scham ganz rot wurde. Jetzt hatte er sich doch blamiert. Er war weggeträumt und ihm voll hinten reingelaufen. Sicher hielt Seth ihn jetzt für schrecklich ungeschickt und dumm. Herrje! Würde er nur ein wenig mehr auf Fatil hören, würde er sich mehr zusammenreißen.

Aber das nahm er sich jetzt fest vor, als er sich seine schmerzende Nase rieb. Von nun an würde er sich zusammenreißen, sich keine weiteren Peinlichkeiten mehr erlauben und sich wie ein König benehmen. Es ging doch nicht an, dass er sich so aus dem Konzept bringen ließ. Okay, er war nervös, weil er mit Seth alleine war, aber das war doch kein Grund dafür, sich so dermaßen zu blamieren! Er musste nur ganz einfach mehr darauf achten, dass er ...

„Majestät! Vorsicht!“

... nicht gegen die Wand lief.

Hätte Seth nicht rechtzeitig seinen Arm ausgestreckt, wäre er doch glatt gegen die Hallenmauer gerannt. Er hatte nur auf den Boden geschaut, versucht sich zusammenzureißen und vergessen, dass es manchmal ganz hilfreich war, wenn man zwischendurch auch mal aufblickte.

„Herrje“ stammelte er und musste seine Krone schon wieder auf den Kopf zurückschieben, um etwas sehen zu können ... und um etwas bedröppelt die Wand anzusehen, welche ihn aus nur wenigen Zentimetern Entfernung anlächelte.

„Ich weiß ja, dass der Pharao der Sohn der Götter ist, aber wenn Ihr nun durch Wände geht, bin ich wahrlich verblüfft“ scherzte Seth und blickte ihn mit lustig funkelnden Augen an.

„Ich bin im Moment wohl nicht ganz bei mir ... es war ein langer Tag“ versuchte er zu entschuldigen ... auch wenn ihm das eine eher schlechte Entschuldigung schien.

„Wenn Ihr müde seid, sollten wir vielleicht lieber ...“

„NEIN! Nicht zurückgehen!“ rief er sofort und schaute flehend an ihm auf. „Ich möchte sehen, was du mir zeigen willst. Ich bin jetzt wieder hellwach.“

„In Ordnung“ lachte Seth noch etwas heiter und ob er dieses Verhalten nun lustig oder peinlich fand, wussten auch sicher nur die Götter.

Und Atemu wurde abermals ziemlich heiß im Gesicht, an den Schultern ... es war ihm so peinlich. Niemand vermochte ihn so aus der Bahn zu werfen und ausgerechnet dann, wenn er einen guten Eindruck hinterlassen wollte, benahm er sich wie ein drittklassiger Bauerntölpel.

Er musste sich zusammenreißen. Auch wenn es schwer war, musste er jetzt einfach die Haltung bewahren.

„Wir sind da, mein Pharao.“ Er legte seine Hand an den Griff einer dunklen Holztür, welche sich ohne ein Knarren öffnen ließ.
 

Seth ging ein Stück vor und ließ sich auf dem Fuße folgen.

Und schon erblickte Atemu, was er ihm zeigen wollte.

Hier war eine Art Hof gebildet aus der Hallenrückwand und drei umstehenden, kleineren Gebäuden, welche in ihrer Mitte einen nicht besonders großen, aber etwas versteckten Platz schufen.

Am Rand dieses Hofes stand eigentlich nichts weiter, aber in der Mitte war etwas außergewöhnliches. Ein kleiner Platz, vielleicht etwa acht Schritte breit und lang und dort wuchs ... Gras.

Beschienen von ein paar Fackeln war es dunkel und wirkte ein wenig wie Stoff aus der Entfernung, aber das satte Grün war trotzdem zu erahnen. Es war kurz und eben nicht gerade viel ... aber es war ein kleiner Platz mit seltenem, grünen Gras, welches in der Wüste von selbst niemals gedeihen konnte.

„Ich weiß, es ist nicht viel und scheint Euch vielleicht kleinlich“ begann Seth, wurde aber sofort unterbrochen, als sein König mit wenigen, schnellen Schritten dieses kleine Stückchen Vegetation erreichte.

„Nein, es ist wunderschön“ lobte er, blieb vor der Graskante stehen und schaute ganz erfreut darauf herunter. Mit wie viel Liebe es geschnitten war, es ließen sich kaum trockene Stellen erkennen und die vier Holzpfosten am Rande waren sicher dazu da, um es bei Tage vor der hellen Sonne mit einem bespannten Tuch zu schützen, welches jetzt eher zusammengefaltet am Rande lag.

„Ich habe es in Erinnerung an Euch gezogen.“ Seth stellte sich neben ihm und teilte seinen Blick auf das satte, nachtdunkle Grün.

„An mich?“ Hatte er sich verhört? Als Erinnerung an ihn?

„Ja, an Euch“ flüsterte er und traf seinen Blick in der Mitte, als er selbst hinunter und sein König zu ihm aufsah. „Daran, wie Ihr mir zeigtet, dass auch ich noch Träume haben darf. Nun habe ich zwei schöne Erinnerungen, wenn ich meine Füße auf Gras setze. Die Erinnerung an meine Familie und an Euch, meinen König. Der mir das Leben rettete und es neu schuf. Jeden Tag, wenn ich herkomme, um es zu wässern und zu schneiden, denke ich an Euch. Wie es war, als Ihr so gut zu mir gewesen seid wie kein Mensch jemals zuvor.“

„Seth ... ich ...“ Was wollte er eigentlich sagen? Er hatte einen so dicken Kloß im Hals, dass es ihn schmerzte. Sein Kopf wie leergefegt und sein Herz schlug so ruhig als wäre gar nichts los ... als würde die Ruhe der Nacht ihn zudecken und sie beide vor der grausamen Welt verhüllen. „Diese Worte bedeuten mir ... sehr viel.“

Mit zwei kurzen Bewegungen war Seth aus seinen Sandalen geschlüpft und stieg daraus direkt auf das weiche Gras, drehte sich seinem König zu und schenkte ihm einen Blick aus seinen jetzt nachtblauen Augen, hinter welchen das Reich einer dankbaren, ergebenen Seele lag.

„Mein Pharao, erlaubt ... darf ich Euch die Schuhe ausziehen?“

„Seth ...“ Als wäre das eine ausreichende Antwort, ging der junge Priester vor ihm in auf die Knie, hob das lange, weiße Gewand nur ein kleines Stück an und löste die Lederriemen der wadengeschnürten Sandalen ab.

Atemu erzitterte bei dieser nur zarten Berührung. Wie warm Seths Fingerspitzen waren, wie kräftig seine Hände und die kleinen Erschütterungen bei jeder Bewegung spürte er am ganzen Körper aufsteigen.

Erst das rechte, dann das linke Bein wurden freigeschnürt und wenn die Knie des Pharaos schon nicht zitterten, so waren sie doch butterweich. Wir gerne hätte er seine Hände auf diese breiten Schultern gelegt, durch dieses volle Nackenhaar gestrichen, sich zu ihm gekniet, sein Kinn gehoben und ihn geküsst, bevor er ihm alles gestand, was in seinem Herzen war. Er würde ihn so gerne berühren, ihn spüren, seine Wärme, seine Zärtlichkeit. Und er würde es ihm sagen. Heute und hier würde er ihm gestehen, was er seit jener Nacht in sich trug. Dieses Gefühl, welches aus seinem Herzen quoll und ihn überschütten wollte mit Küssen, mit lieblichen Worten und allem, was ein Herz zu bieten hatte.

Er würde ihm alles sagen und dann ...

„Mein König.“ Seth erhob sich da vor ihm und reichte ihm die Hand.

Damals vor sieben Jahren hatte der König ihn auf den Grunde dieser kleinen, untypischen und doch kräftig lebendigen Welt geführt - nun hatte Seth seine eigene Welt und legte sie seinem König zu Füßen. Nicht halb so schillernd, groß und prunkvoll, aber es war seine Welt.

Sein Gras inmitten der Wüste.

Mit einem zitternden Einatmen griff Atemu nach seiner Hand, fühlte wie sich die feinen Glieder um ihn schlossen und atmete erst dann wieder aus, als seine beiden Füße mit nur einem Schritt auf den kühlweichen Boden traten.

Seths Gras war nicht anders als sein eigenes. Es war stark und gesund, voll und tragend. So wundervoll. Gemeinsam standen sie zu zweit auf diesem Grunde. Nur sie beide ganz alleine.

Dies hier war ihre Welt.

„Und?“ fragte Seth mit einer Mischung aus Bange und Erwartung in der samtenen Stimme. „Gefällt es Euch wohl?“

„Ja ... es ist ... wunderbar.“ Er hätte heulen können vor Glück, wenn er sich nicht vorgenommen hätte, sich zusammenzureißen. Das hier war doch nun wirklich kein Grund zum Weinen. Und doch ... sie beide standen ganz alleine hier auf dem Grunde ihrer eigenen, kleinen Welt. Eine Welt, in der sie beide weder Sklave noch König noch Priester waren. Ihre Füße auf dem weichen Gras trugen Menschen. Zwei Menschen, welche vom Schicksal zusammengeführt worden waren und auf ewig miteinander verbunden, wenn sie das weiche Kitzeln an ihren Sohlen spürten.

„Ich hatte fast befürchtet, Ihr würdet Euch beleidigt fühlen.“

„Was? Nein! Warum denn?“ Warum sollte er denn beleidigt sein?

„Nun ja“ lächelte er etwas zurückhaltend. „Ich habe versucht, es Eurem Palastgarten nachzuempfinden. Es ist mir eher schlecht als recht gelungen und ich wollte meinen Dank Euch gegenüber dadurch nicht schmälern.“

„Oh, Seth. Nichts schmälert sich dadurch. Glaube mir. Ich fühle mich ... so glücklich.“

„Das ist schön“ seufzte er etwas erleichtert. „Majestät, der Platz ist zu klein, um darauf zu laufen. Aber wir können uns gemütlich zu zweit setzen, wenn es Euch recht wäre.“

„Natürlich“ hauchte er ganz überwältigt und tat es ihm gleich als Seth sich langsam auf den Grasboden setzte, seine Beine etwas anwinkelte und dem König mehr als genug Raum schuf, sich neben ihm nieder zu lassen.

Ganz langsam kam er zu ihm herunter, fühlte den zarten Flaum des Rasens durch sein dünnes Gewand und machte sich auch keine Gedanken über eventuelle Grasflecken. Nichts war es wert, diesen Moment zu zerstören.
 

„Mein König, ist alles in Ordnung?“ Penu kam durch die Tür und fragte das frei heraus. Er wollte ja nur aufpassen und diese Szene war ja nun doch etwas eigen.

„Ja, es ist alles in Ordnung“ beschwichtigte der und hob etwas beruhigend seine Hände. „Danke, Penu. Bitte warte doch vor der Tür, ja?“

„Ich bin gleich hier. Wenn Ihr etwas braucht, ruft bitte, mein Pharao.“

„Ja, mache ich. Danke dir.“ Dass Penu jetzt hier auftauchte, wunderte ihn nicht, aber so gerne wie er seine bullige Maus auch mochte, so störend war sein Freund hier.

Er wollte mit Seth lieber ganz alleine sein ... nur diesen einen Moment, diese Nacht bis der Tag anbrach ... und danach ... am liebsten sein ganzes Leben.

Mit einem Nicken schloss Penu die Tür von der anderen Seite und ließ beide allein.
 

Und hinterließ damit einen Moment des Schweigens.

Der Pharao blickte sich um und sah eigentlich nichts weiter als die glatten Wände des großen Tempelbaus und der drei kleineren Gebäude. Der tiefrote Stein wirkte bei Nacht fast schwarz und nur die kleinen Flächen, welche von den Fackeln beschienen wurden, zeigten noch diese manchmal blutrote Farbe.

Auf dem Boden warfen sich keine Schatten und über ihnen war der ewig unveränderte Sternenhimmel. Myriaden von kleinen Lichtern lachten auf sie herab. Sie waren jede Nacht an einer anderen Stelle, wanderten unaufhörlich und doch blieben sie immer beisammen. Genau wie sein Herz bei Seth blieb. Sie beide wanderten durch diese Welt, waren immer an einem anderen Ort und doch blieben sie beide vereint ... wenn sie auf Gras saßen und in ihrer Welt menschlich waren.

„Wir oft habe ich wohl in meinem Schlossgarten gesessen, die Sterne beobachtet und an dich gedacht?“ fragte er nach einer schweigenden Weile hinauf in den klaren Nachthimmel.

„Mir ging es ähnlich“ gestand Seth und lehnte sich ein wenig auf seine Hände zurück, um ebenfalls den lichtbehangenen Himmel zu sehen. „Ich habe viel an Euch gedacht, wenn ich hier war. Häufig bin ich des nachts aufgestanden, kam hier her und schickte leise Gebete. Ich hoffte, mein Dank würde Euch auch über die Entfernung hinweg erreichen und Euch meine Treue zu Füßen legen.“

„Wer weiß?“ lächelte Atemu, sah ihn an und traf damit auch den ruhigen Blick seines verbotenen Göttertraumes. „Vielleicht saßen wir in manch einer Minute gemeinsam auf diesem seltenen Grün und dachten aneinander?“

„Ganz sicher“ lächelte er zurück und hielt die Spannung dieses wunderbar vertrauten Momentes genauso gern einen Augenblick aufrecht. „Ich bin überaus glücklich, dass Ihr heute hier gewesen seid“ fuhr er ruhig und leise fort. „Es muss Schicksal gewesen sein, denn mein Brief kann Euch doch noch gar nicht erreicht haben.“

„Doch, er hat mich erreicht. Über das Schicksal und das Wohlwollen der Götter“ antwortete er und kam aus dem herzklopfenden Lächeln nicht heraus. „Es ist wunderbar, dass wir nun einen so vertrauten Moment gemeinsam haben.“

„Ja ... ich bin froh, neben Euch weilen zu dürfen, Majestät“ antwortete er dankbar.

„Seth, würdest du mir einen großen Wunsch erfüllen?“

„Jeden, mein Pharao. Was immer es sei“ versprach er ohne auch nur einen kleinen Moment des Nachdenkens.

Und seine Bitte war ihm wirklich ein Herzenswunsch. „Jetzt, wo wir alleine sind ... kannst mich da nicht beim Namen nennen? So wie du es in deinen Briefen getan hast?“

„Ich wusste nie, ob es Euch recht war.“ Aber er war sichtlich erleichtert, dass es das sehr wohl war. „Habt tiefen Dank für diese Ehre ... Atemu.“

„Ja~a“ lächelte er mit zitternder, tränengefüllter Stimme. „Es tut so gut, dass zu hören. Zu hören, dass ich einen Namen habe.“

„Natürlich habt Ihr einen Namen. Einen Namen so heilig, dass er so unberührt bleibt wie die Wolken des Morgenrots, wenn der Amun von seiner nächtlichen Reise zurückkehrt und die verlorenen Seelen in Rahs Licht taucht. Genauso wie Eure Güte mir das Licht ins Herz zurücktrug.“

„Oh Seth ...“

„Ich wollte Euren Namen nur nie entweihen. Ich gebe zu, es ist merkwürdig ihn auszusprechen, da niemand es tut. Aus Respekt und Verehrung zu Euch. Es bedeutet ein unwürdiges Leben für jeden, der Euren Namen auf der Zunge trägt. Und doch ... ja, ich habe vielleicht weniger Skrupel davor. Als ich zu Euch kam, lag mein Leben in Euren Händen und das tut es noch immer. Wie kann ich also Furcht um etwas haben, was eh Euch gehört? Ich würde alles tun, was Euch Freude bereitet. Solange es Euch nicht schadet. Und was Euch schadet, könnt Ihr nur selbst wissen, denn Euer Leben gehört nur Euch allein. Und da mein Leben ebenfalls Euch gehört, fühle ich, dass es eins mit Eurem Willen ist ... also nenne nicht ich Euren Namen, sondern nur ihr selbst. Alles andere wäre von außen betrachtet ... ich aber, ich kann es von innen betrachten. Und nichts macht mich glücklicher, als dass ich nun ein Leben von Wert habe, welches ich Euch zu Füßen legen kann ohne Euch zu beleidigen.“

„Seth, dein Leben hat mich niemals beleidigt“ sprach er ganz ehrlich. „Das Leben eines jeden Menschen ist etwas wert. Wie die Sterne am Himmel. Wäre kein Stern etwas wert, so gäbe es sie nicht. Dann gäbe es keinen Nachthimmel. Aber es sind so viele Sterne, jeder für sich und jeder ist wichtig. Dein Leben ebenso wie das eines jeden anderen Menschen. Nur mit dem Unterschied, dass dein Leben für mich etwas besonderes ist. Wie der Nordstern, der am hellsten leuchtet.“

„Nein, Euer Leben ist etwas besonderes, Atemu“ lächelte er. „Selbst wenn ich ein Stern sein sollte, wofür ich Euch danke, so seid Ihr doch der Mond, der Horus. Ihr dominiert den Himmel und nennt ihn Euer eigen. Ihr regiert in den Momenten, wenn das Licht des Rah uns nur über Euch erreichen kann. Und ich verehre Euer Licht wie kein zweites. Die Ägypter wissen, was sie an Euch haben, wenn sie Euch den größten Pharao aller Zeiten nennen.“

„So? Tun sie das?“ fragte er geschmeichelt.

„Es wundert mich, dass Euer Ruhm über jedes Feld selbst den kleinsten Bauern erreicht und doch nicht an Euer Ohr drang.“

„Na ja, vielleicht bin ich auf dem Ohr ja ein wenig taub.“

„Sagt es nur und ich will die süßen Worte des Volkes zu Euch sprechen“ zwinkerte er. „Wenn Ihr mein Wort denn versteht?“

„Verstehen nicht, aber ich höre es lieber als jedes andere“ gab er ihm mit einem Augenzwinkern zurück. „Und du? Gefällt es dir hier im Tempel?“

„Ja, es ist wunderbar. Meine Zeit als Schüler war wie eine Neugeburt“ dankte er mit einem ergebenen Blick aus seinen sternenglänzenden Saphiren. „Als Ihr mich damals fortschicktet, hatte ich keinen Lebenswillen mehr, kein Ziel und es war mir auch egal, dass Ihr mich verstoßt.“

„Aber ich habe dich doch gar nicht verstoßen! Bitte, glaub das nicht!“

„Das habe ich dann mit der Zeit auch herausgefunden“ strahlte er. „Als mich Euer erster Brief erreichte, da wusste ich es. Ihr hattet mein Leben gerettet und ich konnte nicht sagen, weshalb. Ich kann es bis heute nicht sagen, aber danken kann ich es Euch nun, Atemu. Nur langsam konnte ich das Leben annehmen, welches Ihr mir geschenkt habt. Und heute werte ich es als gut. Ich fühle mich gut. Wirklich gut. Niemand kam jemals auf den Gedanken, ich könnte nur ein schmutziger Sklave sein, welcher an ein billiges Bordell verschenkt wird.“

„Das warst du niemals, Seth“ unterbrach er ihn überzeugt davon. „Deine Erinnerung, dass dein Vater Priester war, war doch echt. Also bist du kein Sklavenkind. Du kommst aus einer guten, blutreinen Familie.“

„Als Ihr mir auch das schriebt, fiel eine unglaubliche Last von mir ab“ sprach er weiter in diesem tief dankbaren Ton und blickte wieder hinauf in den funkelnden Sternenhimmel. „Ich habe lange hin und her überlegt. Wie kann es sein, dass der heilige Pharao seine eigenen Stände, seine eigenen Gesetze unterwandert und einen Lustsklaven zum Priesterschüler macht? Aber ich habe an Euer Wort geglaubt. Ihr sagtet, ich komme aus einer reinen Familie und mit diesem Glauben, konnte ich weitermachen ... nein, ich konnte endlich beginnen. Es hat lange gedauert bis ich die bösen Erinnerungen verarbeitet hatte, bis ich Freunde fand und das Bewusstsein, etwas wert zu sein. Und Eure liebevollen Briefe waren mir die größte Stütze. Die Versicherung, Euren Schutz zu genießen, eine Verbindung zu Euch zu haben, gab mir den Glauben an die gütigen Götter. Ihr gabt mir mehr als nur einen Namen. Ihr gabt mir eine Seele. Und wenn ich Euch das jemals zurückgeben kann, so will ich nichts lieber tun als das“ sagte er und schaute ihm direkt in die Augen, welche schon die ganze Zeit auf seinem Gesicht ruhten. „Wie kann ich Euch nur jemals für Eure Güte danken, Atemu?“

„Komm mit mir in den Palast“ schoss es aus ihm heraus, ohne dass er es wirklich wollte und erschrak sich im selben Moment über seine eigenen Worte. Sein Kopf kämpfte, hämmerte, rebellierte ... aber aus seinem Munde sprudelten die Worte seines vollen Herzens, welche er kaum zügeln konnte. „Komm mit mir zurück. Als mein Priester. Sei mein Priester, Seth. Mein Hohepriester ist schon alt und das Gerangel um seine Nachfolge steht bereits an. Ich kann dir den Vorzug geben ... ich ... bitte ... komm mit mir.“
 

Das musste Seth erst mal schlucken, denn das schien wohl das Letzte zu sein, was er erwartet hatte.

Er blickte seinen Pharao mit verwirrten Augen an und als der diese aufgerissenen Augen sah, wusste er, dass er es gerade ziemlich übertrieben hatte. Er kniete vor ihm, hielt seine Hände und sah aus wie ein Bittsteller, der Gnade nötig hatte. Wie ein Bettler, welcher um ein Stück Brot flehte. Ein König flehte doch keinen frischgeweihten Priester an, in den Palast zu kommen und versprach ihm den Posten des Hohepriesters. Hohepriester waren erfahrene, gestandene Männer mit Lebenserfahrung und unglaublicher Weisheit. Und Könige waren mächtig, über alles erhoben und baten niemals um etwas. Wenn sie etwas wollten, nahmen sie es sich. Niemals kniete ein Pharao vor einem gewöhnlichen Priester!!!
 

Der Pharao nahm sich ein wenig zurück, kam von den Knien und setzte sich zurück neben ihn, wobei er auch seine warmen Hände losließ, nach welchen er gekrallt hatte. Das hier war ein Ausrutscher. Ein sehr dummer Ausrutscher.

Was sollte Seth denn jetzt von ihm denken?

Er konnte doch gar nicht nein sagen, selbst wenn dieses Angebot so flehend vorgetragen wurde. So ein Angebot war selten, teuer und niemals zu wiederholen. Man DURFTE es gar nicht ablehnen!

Eine Ablehnung würde einer offenen Beleidigung des Königshauses gleichkommen!

„Ich ... es ...“ Er wusste gar nicht, was er zur Entschuldigung vorbringen sollte. Er würde ja doch nur wieder das falsche sagen.

„Majestät, Ihr habt wohl einen Wein zu viel getrunken“ lachte er dann aber und verwirrte den König damit noch mehr.

Seth lachte?

Weil er dachte, das hier wäre ein Witz?

Oder lachte er über das tollpatschige Gebärden des sonst so stolzen Herrschers?

„Ich ... ich ...“ Er bekam noch immer kein anständiges Wort heraus. Egal was er sagte, es würde immer falsch sein. Sein Kopf diktierte, aber sein Herz war auf Revolution aus. Es schwindelte in seinem Kopf und er konnte das Blut in den Ohren rauschen hören. Wie Schlieren verklärte sich alles vor seinen Augen und ihm wurde heiß in dieser kühlen Sternennacht.

Wie konnte er nur?

Fatil hatte Recht. Er hätte sich hierauf niemals einlassen dürfen.

„Das war ernst gemeint“ entbrachte er endlich etwas klarer, deutlicher - ruhiger.

„Ich glaube auch nicht, dass Ihr bei so etwas scherzt“ entgegnete Seth ihm ebenfalls in einer festen Ruhe. „Nur die Art muss wohl vom Wein beeinflusst sein.“

„Ja, ich habe wirklich etwas viel getrunken. Ich vertrage doch eigentlich gar nicht solche Mengen ... aber es schmeckt so gut bei euch.“

„Ich weiß. Der Wein ist sehr gehaltvoll. Kein Grund zur Sorge. Ich werde deshalb vor anderen nicht schlechter über Euch sprechen, Atemu.“

„Das meinte ich auch gar nicht ... aber ... Seth?“ Er wagte es wirklich und hob seinen Blick. Sein Kopf, der bis eben noch auf den angezogenen Knien ruhte, richtete sich ein wenig auf und er fing den Blick in klare, sternenleuchtende Saphire ein, welche trotz dieses Missgeschicks noch immer so ruhig waren wie der Nachthimmel über einem reinen See voll des teuren Wassers inmitten der Wüstenhitze. „Du musst nicht ... also ... ich ziehe mein Angebot nicht zurück ... aber du musst es nicht annehmen. Wenn du nicht willst, kannst du es ausschlagen ... ich meine ... du hast ja geschrieben, dass du ...“

„Atemu, verzeiht bitte, wenn ich Euch unterbreche“ erwiderte er ganz langsam und überaus höflich. „Ich weiß Euer Angebot durchaus hoch zu schätzen, so wie ich Euch auch als Person schätze. Ich kann mir aber vorstellen, dass Ihr große Probleme bekommt, sollte ich so früh Hohepriester werden. Man würde sich nach dem Warum fragen und letztlich würde man dahinterkommen, dass Ihr ...“

„Man hat aber für dich geworben. Ich könnte Chaba zur Rate ziehen und ... aber du musst ja nicht. Ich meine, nur wenn es dir genehm wäre. Wenn du andere Pläne hast, weit fern vom Palast, dann ... dann tu bitte nur, was dein Herz dir sagt. Ignoriere meine Worte ... hör nur auf dein Herz.“

Denn Menschen durften auf ihr Herz hören.

Könige durften das nicht.

Es war so schwer, da wieder rauszukommen. Jetzt hatte er es ausgesprochen und würde es am liebsten gleich wieder zurücknehmen. Er trieb Seth damit in die Enge und sich selbst auch. Vielleicht hätte er lieber gleich auf Fatil hören sollen!

„Mein Pharao, ich bin so jung. Ich könnte mich ohne Probleme auf das Amt des Hohepriesters erst in zwanzig Jahren bewerben, denn ich weiß selbst, dass ich nicht genug Erfahrung mitbringe. Ich könnte den Palast als zentralen Tempel nicht leiten und keine religiöse Linie für das ganze Reich vorgeben. Die Alten würden mir misstrauen, die Jungen mich nicht achten und ich mich selbst auch nicht. Ich kann Euch jetzt nicht das geben, was Ihr von mir erwartet. Wenn Ihr mich ein zweites Mal bittet, werde ich nicht nein sagen, aber ich ...“

„Oh Seth, du musst nichts tun. Bitte vergiss es einfach! Ich war ... ich bin nur betrunken.“ Auch wenn das Unsinn war. Er konnte sehr wohl noch klar denken und hatte auch kein Lallen auf der Zunge. Aber es war so eine gute Entschuldigung - nicht nur für sich selbst, sondern in vorderster Reihe auch für seinen Seth. Er durfte ihn nicht gefangen nehmen, ihn mitschleppen und mit sich einsperren.

Das hatte er nicht verdient.

„Ach, Majestät. Was soll ich Euch sagen? Erlaubt Ihr, dass ich ehrlich zu Euch bin?“

„Ja, natürlich!“ Natürlich! Seth war vielleicht der einzige Mensch im Reich, bei dem er das Gefühl hatte, dass er ehrlich zu ihm war ... weil er anders war als alle anderen.

„Ihr seid mir ein wichtiger Bestandteil meines Lebens“ eröffnete er und blickte ihn mit so zärtlichen Augen an, dass es dem König das Herz stoppte. „Euch verdanke ich mein Leben, teurer Atemu. Und meine Dankbarkeit zu Euch kennt keine Grenzen. Ich weiß, ich kann ehrlich zu Euch sein, da man vor Euch zwar Respekt, aber keine Furcht zu haben braucht. Und deshalb antworte ich Euch folgendes: Ich fühle mich noch nicht reif, um Hohepriester zu sein. Wenn Ihr mich ein zweites Mal bittet, werde ich nicht ablehnen, aber mir wäre unwohl dabei. Das ist eine Stellung im Reiche, welche der Eurigen am nächsten ist. Und ich fühle mich noch nicht Manns genug, sie auszufüllen. Ich muss noch lernen und an Erfahrung und Weisheit reifen.“

„Ich muss auch viele Reisen machen, auf die mein Hohepriester nicht mit kann. Und mein Wanderpriester ist vor kurzer Zeit verstorben. Wenn du noch keine Anstellung hast, wäre ich sehr glücklich, wenn du mich als Wanderer begleiten würdest“ sagte er, aber er dachte nur >Halt doch die Klappe, Atemu! Sei ruhig! Du reitest dich nur noch tiefer rein! Lass ihn los! Lass ihn ziehen! Tu das nicht!< Er war so im Zwiespalt, dass es ihm das Herz vom Kopf abtrennte und beide einen erbitterten Kampf fochten. Nur, dass sein Herz lauter zum Munde hinausschrie als sein Kopf es tun konnte. Sein Kopf ermahnte ihn, aber sein Herz setzte ihm zu und schickte ihm die wildesten Gefühle ins Blut. Gefühle, wie es wäre, ihn bei sich zu haben. Ihn zu küssen ... ihn zu lieben.

„Ein Wanderpriester an Eurer Seite?“ Diese Möglichkeit schien er ebenfalls nicht in Betracht gezogen zu haben, denn sonst wäre er nicht so überrascht. Wahrscheinlich hatte er es gar überhaupt nicht in Betracht gezogen, eines Tages zu seinem Pharao zurückzukehren - jetzt, wo er lange kein Sklave mehr war ... und doch letztlich immer der Sklave des Königs sein würde, der mit seinem Geheimnis auch sein Leben in festen Händen hielt.

„Du musst nicht ja sagen, nur um höflich zu sein ... ich sage nur ... ich ...“ >Ich liebe dich!< schrie sein Herz. „Eigentlich ist es mir gleich. Entscheide wie du willst“ log sein Kopf in weiser Voraussicht.

„Es ist Euch gleich? Warum fragt Ihr dann?“

„Weil ich so betrunken nicht mehr weiß, was ich reden soll.“ Er fasste sich an die Stirn und schluckte die aufkommenden Tränen herunter. Diese Situation war so schön und so schrecklich zugleich. Bittersüß. Es war so wunderbar, neben ihm zu sitzen, ihn anzusehen, mit ihm zu sprechen. Und es war so schrecklich, ihn nicht haben zu dürfen. Würde er Seth an sich binden, so nahm er ihm das, was er ihm gerade geschenkt hatte.

Seine Freiheit.

„Majestät, aber was ...? Ich glaube nicht, dass ihr so sturzbetrunken seid.“

Verdammt! Und intelligent war er auch. Viel mehr als dem König lieb war.

„Ich will nur sagen ...“ Er atmete tief ein, nahm all seine Beherrschung zusammen und konnte doch seinen Blick nur entschlossen auf den Boden richten. „Man sagte mir, du hättest großes Potential einst in der Religion ganz oben zu stehen und ich möchte dir das ermöglichen. Ich habe aber Angst, wenn ich dir zu viel anbiete, dass es dir unangenehm sein könnte. Ich will dich nicht unter Druck setzen und ich fürchte, dass genau diese meine Fürsorge auf dich erdrückend wirken kann. Ich will nicht, dass du meine Bitten und Angebote als Befehle oder Erpressung auffasst. Dein Wille soll dein Wille sein und nicht der meinige ... Seth.“ Verschlüsselt traf es endlich den Kern der Sache. Die Worte fielen schwer, aber so konnte er ihm vielleicht im Ansatz verständlich machen, wie er fühlte. Er wollte nur sein Bestes - aber es sollte nicht der beste aller Käfige sein.

„Ich weiß“ lächelte er und Atemu zuckte zusammen, als er fühlte, wie Seth vorsichtig nach seiner Hand griff und einen Kuss darauf hauchte. Das Gefühl seine Lippen zu spüren, war unglaublich. Sie waren so weich, so warm und sinnlich. Diese Lippen an seiner Hand waren so erhebend zu spüren ... wie gern würde er ihn an sich ziehen, seine Zunge schmecken und diese lieblichen Lippen am ganzen Körper fühlen!

Und doch fühlte er sich trotz dieses unbändigen Begehrens wie erstarrt.

Er starrte ihn an, als würde er zwischen der Realität und seinem Herzenswunsch fest hängen. Er wollte ihn umarmen, ihn fühlen und doch ... er durfte nicht. Wenn er Seth zu nahe kam, würde er mit ihm nur die selben Fesseln teilen.

„Atemu, ich habe mich verändert seit wir uns das letzte Mal sahen“ fuhr er ganz samtig weich fort, ließ seine Hand los und lächelte ihn doch mit aller Zugewandtheit rosig an. „Bitte habt keine Angst, Ihr könntet mich verschrecken. Durch Eure Güte habe ich gelernt, einen Willen zu haben. Und wenn ich etwas nicht will, dann sage ich es - auch vor Euch. Denn vor Euch habe ich keine Furcht. Euer Schutz hat mich zu dem gemacht, was ich jetzt bin. Zu dem, was ich sein will. Und wenn Ihr wollt, was ich will, bin ich der seligste Mensch, der jemals gelebt hat. Denn ich glaube, das Schicksal hat mir etwas unbezahlbares geschenkt. Das Schicksal gab mir eine tiefe Freundschaft zu meinem Pharao. Wenn Ihr meine Freundschaft wollt.“

>Freundschaft.< Warum nur klang dieses Wort so bitter, wenn sein Herz es wiederholte? Ein Freund war einem ans Herz gegeben, treu durch alle Zeiten. Freundschaft war oft beständiger und unabhängiger als alles andere. Ein Freund, ein echter, wahrer, loyaler Freund war mehr wert als ein Schatz von Gold, Silber und Edelsteinen. Und doch ... der Gedanke daran, dass Seth zwischen ihnen Freundschaft sah ... es war etwas Schönes und doch ... warum klang dieses Wort so klein, ungenügend ... unbefriedigend?

„Ja, wir sind Freunde“ lächelte er doch tapfer.

Vielleicht konnten sich Herz und Kopf darauf einigen.

Ein Kompromiss mit dem Schicksal.

Seth zum Freund zu haben, war tausend Mal besser als ihn gar nicht zu haben. Es war der beste Weg, das weiteste Ziel ... es musste einfach genügen.

„Es macht mich sehr glücklich, dass Ihr das sagt“ strahlte er und zeigte ein wenig seine schönen Zähne als er lächelte. „Nichts auf der Welt könnte mir wichtiger sein als unsere Freundschaft, Atemu. Danke.“

„Nein, ich danke dir, Seth.“ Nickte er wohlwollend. „Und um unserer Freundschaft willen ... bitte ... bitte vergiss meine Ungeschicklichkeit heute Abend. Es ist wohl nicht nur der Wein, sondern auch die Freude darüber, dich zu wohlauf zu sehen. Mein Angebot zur Wanderpriesterschaft an meiner Seite steht. Ob du es annimmst oder nicht, bleibt dir überlassen. Es ist ganz frei deine Wahl. Denn du bist mein Freund und auch wenn deine Ehrlichkeit mich vielleicht schmerzt, so ist das nichts gegen den Schmerz, den ich fühlen würde, hätte ich das Gefühl, dich zu etwas zu zwingen.“

„Ich danke Euch dafür, mein Pharao.“ Und es machte ihn wirklich froh, auch wenn er jetzt zu überlegen schien. „Und was Euer Angebot angeht, so ...“

„Vielleicht solltest du erst ein wenig Entspannung finden nach deiner harten Lehrzeit. Dir ein wenig Ruhe gönnen“ unterbrach er ihn. „Du bist doch sicher jetzt sehr erschöpft und willst erst ein wenig deine Freude am Erreichten haben. Ich werde in der nächsten Zeit noch viel mehr reisen müssen, denn es stehen wichtige Verhandlungen an in nächster Zeit. Ich muss sicher noch mal in unsere Nachbarländer, um dort zu schlichten und einen Krieg zu verhindern. Ich will dich nicht gleich am Anfang so hetzen oder überfordern. Nicht, dass ich nicht glaube, du könntest das nicht, aber ich ... ich will nur ...“

„Ich weiß schon“ lächelte er beruhigend. „Dass der Palast zurzeit Krisen mit unseren Nachbarländern auszustehen hat, ist nicht schön und belastet Euch sicher sehr. König Sarh von Tschad ist wirklich ein Tyrann in seinem Land und er wird immer tyrannischer - auch gegenüber den angrenzenden Ländern. Ich verstehe, dass Ihr Euch im Augenblick eigentlich ganz anderen Dingen widmen müsst als hier mit mir zu sitzen.“

„Nein! So war das nicht gemeint! Ich ...“

„Jetzt lasst mich doch mal aussprechen!“ lachte er ihn herzlich an und ließ den Pharao sofort überrascht verstummen. Das hier war wohl das erste Mal in seinem Leben, dass er unterbrochen wurde. Man unterbrach den König nicht einfach, sondern man lauschte, bis er geendet hatte. Aber Seth? Seth war nicht wie die anderen. „Entschuldigt, ich möchte nur nicht, dass Ihr mich wieder falsch versteht und der Fehler bei mir liegt. Ich wollte sagen, dass ich durchaus verstehe, wenn Ihr wichtige Dinge im Kopf habt. Und wenn ich kann, so möchte ich Euch hilfreich sein, wo ich kann, um Euch zu entlasten. Ob nun als Freund oder als Priester.“

„Heißt das ... du willst?“ Das wäre doch zu schön! Wenn Seth mit ihm kommen würde. Wenn sie gemeinsam auf Reisen waren. Lange, beschwerliche Reisen durch die heiße Wüste und jeden Abend mit ihm am Lagerfeuer sitzen, nachts seinem Atem lauschen, ihn die ganze Zeit an seiner Seite zu haben. Vielleicht mit ihm gemeinsam zu baden, reiten, lachen und singen! Wenn Seth sein Wanderpriester werden würde ... dann wäre der Pharao niemals mehr einsam.

„Ich weiß es nicht“ antwortete er aber auf die Vorfreude des Königs etwas ausweichend. „Das kommt sehr überraschend für mich. Ich fände es schön, es wäre mir die größte Ehre und ein Vergnügen an Eurer Seite zu sein und Euch zu unterstützen. Jedoch ... bitte versteht dies nicht als Beleidigung, aber ich möchte gerne eine Weile darüber nachdenken.“

„Aber warum denn?“ Warum machte er jetzt einen Rückzieher? „Hast du denn schon andere Pläne? Hat man dir ein anderes Angebot gemacht? Also, wie gesagt musst du ja nicht, aber ... hattest du vielleicht etwas anderes vor, nach Abschluss deiner Lehrzeit?“

„Nun ja, nichts Konkretes.“ Er wurde ein wenig rot und das erkannte man sogar im dämmrigen Schein der Fackeln. Er kratzte sich verlegen am Hinterkopf und schaute aus ertappten, aber glänzenden Augen schüchtern zu ihm herüber. „Mein Pharao, ich bin verlobt seit drei Tagen.“

Und brach damit das Herz seines Königs.

„Verlobt.“ Er wiederholte es fragend ... ungläubig ... geschockt ... ängstlich.

„Chaba hat mich mit Shinasa, seiner Tochter verlobt. Vor drei Tagen.“

„Shinasa.“ Dieser Name, dieses Mädchen ohne Gesicht ... das hatte er vergessen.

Seth war verliebt in die Tochter des Hohepriesters, seit Jahren schon war er mit ihr ein Paar und nun machte er Hochzeitspläne. Sicher dachte er auch schon an Kinder und ein Leben als Familienvater und treuer Ehemann ... an ein Leben ohne den Pharao.

Atemu hatte in seiner Lebensplanung keinen Platz.

Shinasa hatte er sein Herz geschenkt.

„Ja, ich hab sie sehr lieb“ schmunzelte er und hätte wohl gegrinst, wenn er sich nicht besser als der König zusammenreißen könnte. „Hätte ich gewusst, dass ich Euch heute treffe, so hätte ich vielleicht früher mit ihr sprechen können.“

„Du ... du ... du willst sie heiraten?“ Sein Herz weinte laute Qualen heraus und doch konnte nicht eine Träne durch seine Augen dringen. So musste es sich anfühlen, wenn eine Welt zusammenbrach, die es niemals gegeben hatte.

Und es ging plötzlich so schnell, dass all seine Träume in sich zusammenfielen.

Und den König Atemu unter ihren Trümmern begruben.

„Wir wissen noch nicht wann. Ob nun noch in diesem oder im nächsten Jahr“ erklärte er und seufzte. „Aber sie ist wirklich eine wundervolle Person, ein tolles Mädchen. Ich musste bei Chaba gar nicht lange um sie werben, damit ich um ihre Hand anhalten konnte. Wie gesagt, es ist noch nicht lange her, seit ich sie gefragt habe. Ich habe noch nicht einmal mit Chaba über ihre Mitgift sprechen können, aber ... sicher ist, dass ich sie zur Frau haben will.“

„Dann ... dann hast du um sie angehalten und ... willst du das wirklich?“

„Ja, das ist mein Wille ... bisher.“ Und doch machte er auch hier wieder Einschnitte, welche die Gefühle seines Pharaos völlig über den Haufen warfen. „Aber Euer Angebot könnte es schwierig machen. Als Wanderpriester an Eurer Seite kann ich sie nicht mitnehmen. Außerdem ist sie hier im Tempel noch an ihre Pflichten gebunden und kann nicht so überstürzt etwas Neues anfangen, ich bezweifle auch, dass sie das möchte. Atemu, ich will Euer Angebot nicht sofort ausschlagen, aber ich erbitte mir doch etwas Bedenkzeit. Wisst Ihr, wie lange Ihr hier bleiben werdet?“

„Ich ... ähm ... nein.“ In diesem Moment wusste er gar nichts mehr.

War es Tag oder Nacht?

War er König oder Bettler?

Lebendig oder tot?

Er wusste nichts mehr.
 

Er wusste nur, dass er weinen wollte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  -Fynnian
2008-08-07T15:29:40+00:00 07.08.2008 17:29
Der Ärmste!
Es war ja klar, dass das kommen muss, aber dass es in so einem Moment kommt...
Das ist so gemein.
Ich kann richtig mit ihm fühlen.
Man möchte am liebsten auch gleich anfangen zu heulen.
Du schreibst so toll!
Von:  -Miaka-
2006-07-30T19:59:32+00:00 30.07.2006 21:59
Mein Gott, die Fic is so der Hammer! Die ganze Beschreibung der Atmosphäre, diese Symbolik, diese absolut passenden Momente und Worte, diese genialen Wortspiele (nicht im Sinne v. Wortspielen, sondern eher dieser Einsatz der Worte)! T_T Ich habe nur sehr selten eine Fic gelesen, die mich dermaßen berührt! Die ganze Zeit kleb ich am Monitor, einmal freut man sich wie ein kleines Kind mit Ati (beim dem Tanz hab ich so dermaßen rumgegrinst) und im nächsten Moment könnt ich ehrlich heulen. Wie habe ich wirklich einen Moment lang gedacht: Es ist ein Gotteswerk. Kann sein, dass du meine ganze Schwärmerei für übertrieben sieht, aber diese Fic is echt der Wahnsinn! Ich weiß gar nicht, wie ich das ausdrücken soll! Bin mehr als gespannt auf die/den nächsten Teil/e!

Ganz liebe Grüße
Miau
Von:  Dragon1
2006-07-20T09:51:29+00:00 20.07.2006 11:51
Wie Immer ein paar herzergreifende Kapitel. Ich hab keine Ahnung, wie du es immer wieder hinbekommst mich gleichermaßen zum weinen uns lachen zu bringen.

Mein armer Atemu... ich freue mich zwar für Seth, dass er jetzt ein neues und glückliches Leben beginne will und kann und wahrscheinlich auch tut, aber es wäre zu schön, wenn die Zwei gemeinsam es vollenden könnten... ein glückliches Leben!

Ich weiß ja, dass du auch gerne mal Kritik hörst, denn daraus lernt man mehr als aus Lob (das ist ja bekanntlich nur Motivation *g*) Aber ich wüsste jetz einfach nciht, was ich negatives sagen sollte: Wirklich- keine Ahnung.
Höchstens, dass du mich und alle anderen Leser wieder so hinziehst udn man bei dir ja nie weiß, ob es ein Happy End gibt... tja.. aber sonst wäre es ja langweilig, oder?
So... lange rede, kurzer Sinn, kein Inhalt...

Wieder eine wunderbare Fortsetzung und ich freue mcih schon wenn es weitergeht...
HDL

Ganz Liebe Grüße von mir!

Salü Vicky
Von: abgemeldet
2006-07-20T07:10:55+00:00 20.07.2006 09:10
die neuen kapitel sind echt erste sahne! nur schade, dass sich seth im moment für ein mädchen entschieden hat....
aber die story ist ja noch nicht zuende. bin gespannt wie es weitergeht^^
Möhre


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