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Desert Nights

von

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Der gestohlene Kuss

Ja, hier ist also das dritte Kapitel! Viel Spaß!^______^
 

Drittes Kapitel: Der gestohlene Kuss
 

Zwei Wochen waren vergangen, seit der 22jährige Joseph Wheeler, geboren in Britannien, Eigentum von Seto ab-del Kaiba geworden war, des Sultans von Marokko. Er war mittlerweile in die eingeschworene Gemeinschaft des Bronze- oder auch Dritten Ranges aufgenommen worden und selbst jene Männer, die ihn vorher mit Verachtung über die Schulter gemustert hatten, mussten ihm letztendlich Geist, Schlagfertigkeit und Witz zubilligen und nahmen ihn in ihre Zirkel auf. Seit seiner Geißelung hatte der Fürst ihm keinerlei Beachtung mehr geschenkt, offenbar ließ er sich von den Mitgliedern des Gold-Ranges trösten, nachdem der Blondschopf seinem Stolz einen Knick versetzt hatte. Der Singsang des mittäglichen Gebets zu Allah dröhnte dumpf zu den Fenstern des Harems und Joey döste in der sommerlichen Hitze träge vor sich hin, als Marko ihn antippte.

"Aufwachen, jetzt wird nicht geschlafen! Heute ist großer Badetag! Komm schon!"

"Badetag? Wir baden doch ohnehin jeden Abend!"

"Das meine ich auch nicht. Einmal im Monat versammeln sich alle Ränge im Hof der Blumen, um sich gemeinsam zu reinigen. Du weißt, normalerweise sind die Ränge streng voneinander geschieden! Bei der Gelegenheit kann ich dir ein paar Männer aus den oberen Etagen vorstellen! Los, beeil dich!"

Ohne Joeys Antwort abzuwarten, zog Marko ihn hinter sich her und führte ihn durch mehrere gewundene Gänge zum "Hof der Blumen". Dieser lag im verstecktesten und hintersten Teil des Serail-Komplexes und wurde offiziell als Siebter Innenhof bezeichnet. Dort fand der Prunk seine volle Entfaltung: Durch ein großes vergoldetes Tor mit schweren Riegeln und kunstvollen Gravuren gelangte man ins Allerheiligste, das eifersüchtig von zwei finsteren Eunuchen bewacht wurde, die unheimlichsten Kerle von allen, nach Ansicht des Briten. Weiße Marmortreppen leiteten in den eigentlichen Hof über, dessen genaue Ausmaße man mit den Augen kaum überschauen konnte. Beeindruckende, farbenprächtige Blumenrabatte säumten die unterschiedlichen Wege, auf denen man sich durch dieses Paradies bewegen konnte, Vögel sangen in den Zweigen der Bäume, die man gepflanzt hatte, um ein paar Schattenspender zu haben, das kristallklare Plätschern von Fontänen, die auf die glitzernden Wasseroberflächen von wunderschön verschnörkelten Brunnen mit Sagengestalten auftrafen, vermischte sich mit dem Summen der Insekten und dem Gelächter und Geplauder der Männer. Normalerweise war der "Hof der Blumen" dem Gold-Rang vorbehalten, aber dieser gemeinsame Badetag einmal pro Monat gestattete rangübergreifende Kontakte. Jedem Rang stand ein gewisses Maß an Bewegungsfreiheit zu, wie Joey inzwischen gelernt hatte. Während der Erste Innenhof noch zum Gebiet des Unteren Harems gehörte, was man auch anhand der eher mageren Ausschmückung erkennen konnte, zählte der Zweite Innenhof zum Bronze-Rang. Je höher der Status war, umso größer waren die Möglichkeiten an Spaziergängen, die sich boten, denn der Silber-Rang durfte sich ungezwungen vom Ersten bis zum Vierten Innenhof begeben, während der Gold-Rang selbstverständlich jeden der Höfe, von Eins bis Sieben, sein Eigen nennen konnte. Für die Angehörigen des niedrigsten Standes innerhalb des Oberen Harems war es also eine richtige Sehenswürdigkeit, wenn man ihnen erlaubte, bis in den Hof der Blumen vorzustoßen. Marko schob den Engländer um eine Kurve und dieser sah ein riesiges Schwimmbecken, in dem sicherlich an die fünfzig Personen hineingepasst hätten, ohne sich dabei in die Quere zu kommen. Keramiktöpfe mit Dattelpalmen waren in regelmäßigen Abständen am Beckenrand aufgestellt worden und darum herum erhoben sich, zu kleinen Grüppchen zusammen drapiert oder einzeln, einladende Liegen auf goldüberzogenen Gestellen und Überzügen aus Samt, in den verschiedensten Grün- und Blautönen.
 

Marko erläuterte: "Die Liegen in Grün sind für die Mitglieder des Bronze- und des Silber-Ranges. Die nicht in großer Mehrzahl vorhandenen blauen Liegen sind für den Gold-Rang, also setz dich ja nicht auf den falschen Platz, hast du kapiert?"

"Und was ist das da? Diese eine rote Liege?" erkundigte sich der Blonde und deutete auf einen weißen Marmorpavillon, der an der rechten Stirnseite des Schwimmbeckens stand. Über eine kleine Treppe gelangte man in die nach allen Seiten hin offene Halle, deren Dach nur von den mit Stuck verzierten Säulen getragen wurde. Er sah, dass wenige blaue Liegen darin untergebracht waren, auf einer extra Erhöhung aber erhob sich eine rote Liege.

"Das ist der Platz für den Sultan-baschi", erwiderte der Italiener mit verschwörerischem Zwinkern. "Er ist schon lange unbesetzt. Wer weiß, ob sich das nicht eines Tages ändert...."

"Du spielst doch nicht etwa auf mich an?"

"Wieso nicht? Der halbe Harem hat deiner Auspeitschung zugesehen und dein Stolz wie auch deine Unverschämtheit haben großen Eindruck hinterlassen. Wir haben sogar die Kratzer an der Schläfe Seiner Majestät gesehen. Noch nie zuvor hat jemand so etwas gewagt! Man spricht bereits im Obersten Rang respektvoll von dir!"

"Ach ja? Schon wieder dieses alberne Gerede!" seufzte der junge Mann verstimmt. Als wenn es sein Ziel wäre, Sultan-baschi zu werden! Sein Kamerad brachte ihn zu einem schattigen Plätzchen mit fünf Liegen, von denen drei schon belegt waren. Marko deutete eine Verbeugung an und sagte: "Ich möchte euch Joseph Jay Wheeler vorstellen, den Briten!"

Der dieser Art Eingeführte reichte jedem der drei Männer die Hand und prägte sich ihre individuellen Erscheinungen gut ein, um sie später wiedererkennen zu können: Derjenige links von ihm hatte dunkelrotes kurzes Haar und graue Augen und einen eleganten, feingliedrigen Körper, dem der dunkelblaue Stoff des Serailmantels sehr schmeichelte. Wie bei den anderen beiden war sein arabischer Rock schwarz, doch ihre Schärpen glänzten silbern, sie waren also höhergestellt als Joey und sein Begleiter. "Mein Name ist Allister und ich komme aus Irland. Freut mich, dich endlich kennen zu lernen."

"Endlich?"

"Na ja, du bist zum Tagesgespräch Nummer 1 avanciert, seit du dich dem Fürsten verweigert und sein Ego erschüttert hast."

"Hör auf, Allister! Ich glaube, ihm kommt das schon zu den Ohren raus!" unterbrach ihn ein Braunhaariger mit ebenso braunen Augen und einer eigenwilligen Frisur. Dennoch besass er einen makellosen, sportlichen Körper und sein Lächeln hatte etwas Anziehendes.
 

"Ich bin Tristan Taylor, der Sprecher des Silber-Ranges. Ich stamme aus Amerika, genau wie Varon." Damit zeigte er auf den Dritten in der Runde, dessen brünettes Haar vielleicht eine Spur dunkler war als Tristans. Seine blauen Augen verrieten Temperament und Direktheit.

"Stimmt genau, ich bin auch ein Kind der neuen Welt! Ich wollte dich bereits seit einiger Zeit treffen, aber immer wieder habe ich meine Chance verpasst! Hm....du bist wirklich eine Schönheit! Kein Wunder, dass der olle Odeon dich gekauft hat!"

"Sprich nicht so von ihm! Seine Eunuchen haben ihre Ohren überall!" mahnte Allister mit erhobenem Zeigefinger.

"Und wenn schon! Dann soll er von Mann zu Mann mit mir reden und sich nicht hinter seinen kastrierten Pudeln verstecken!"

"Varon!!!"

"Ist doch wahr...."

"Was auch immer du sagst, Varon!" witzelte Marko. "Ich wollte bei euch aber eigentlich zwei Plätze für Joey und mich reservieren! Ist das in Ordnung für euch?"

"Natürlich."

"Prima! Dann ist jetzt der Gold-Rang an der Reihe! Komm mit!"

Der Blondschopf wollte protestieren, aber der Blauhaarige ignorierte das und lenkte ihre Schritte Richtung Pavillon. Sie mussten erst ein aufgebautes Buffet mit den vielfältigsten Speisen umrunden, ehe sie auf ein paar blaue Liegen stießen. Wenn Joseph richtig zählte, gehörten dem Ersten Rang offensichtlich nur ca. zwanzig Männer an, von denen aber nicht einmal die Hälfte den Status eines Favoriten inne hatte, wie Marko ihm erklärend ins Ohr flüsterte. Die Favoriten durften im Pavillon Plätze belegen, anstatt wie die anderen nur davor, denn sie genossen innerhalb des Gold-Ranges noch ein paar Sonderrechte. Der Italiener verneigte sich ehrerbietig und der Engländer entschied sich, es ihm lieber gleichzutun. Er wiederholte das Ganze an den Treppenstufen des Pavillons und fragte höflich: "Würdet Ihr uns erlauben, hinaufzukommen? Ich möchte Euch mit Joseph Jay Wheeler bekannt machen."

Ein Mann mit wilden bunten Haaren, welche die Farben der Nacht, der Sonne und des Feuers in sich vereinten, winkte sie herauf und wieder versank man in einer respektvollen Reverenz. Der 22jährige registrierte, dass auch hier die obligatorischen dunkelblauen Haremsmäntel getragen wurden, doch die Hüftröcke leuchteten weiß und wiesen prachtvoll bestickte goldene Schärpen auf.

"Lass mich dich ansehen, schöner Brite", bat der Bunthaarige freundlich und Joey merkte, dass das jemand war, mit dem man reden konnte. So erhob er sich gehorsam und ließ es sich gefallen, dass sein Gegenüber ihn von Kopf bis Fuß genau musterte.
 

"Dein Name ist uns bereits bekannt, deshalb möchte ich dir zunächst meinen nennen: Ich bin Yami, einer der Favoriten. Ich stamme aus Japan." Er stand auf und beorderte dem Blonden mit einer vornehmen Geste, ihm zu folgen. "Dies ist Bakura, er kommt aus Russland." stellte er vor und deutete auf einen Mann mit wallendem weißen Haar und dunkelbraunen Augen, dessen Lächeln einen leicht boshaften Zug besass. "Das ist Duke Devlin, er wurde in einer der Kolonien der Neuen Welt geboren."

Smaragdgrüne Augen strahlten Joey herausfordernd und offen an, ohne dabei verschlagen zu sein und er fand den Amerikaner auf Anhieb sympathisch. Außerdem hatte er langes, betörend schwarzes Haar, gegen das ihm seine Blondheit fad und langweilig vorkam.

"Und hier der Letzte im Bunde, Marik Ishtar. Er ist Ägypter." Glänzende braune Haut, platinblondes Haar und unergründliche lilafarbene Augen, deren Blick erwartungsvoll und kameradschaftlich auf ihn gerichtet war. Irgendwie war er sehr erleichtert, denn er hatte sich die Favoriten hochnäsiger und arroganter vorgestellt, doch auch sie trugen wie alle Haremsherren schwere goldene Ohrringe, Ketten oder Stirnreifen. Warum hatte er eigentlich keinen Schmuck bekommen? Hatte er sich dieses Privileg verscherzt? Na, und wenn schon!!!

"Hast du noch ein paar Fragen, die das Leben hier im Serail betreffen?" verlangte Yami zu wissen und Joey nickte zögernd.

"Nun, so frage mich. Ich will dir gerne antworten, sofern ich es vermag."

"Woher habt Ihr all diese Schmuckstücke?"

"Das sind Geschenke des Sultans. Man erhält sie, sobald man zum ersten Mal seine....'Pflicht' als Haremsmitglied erfüllt hat."

"Verstehe." raunte der Brite trocken und rümpfte die Nase. "Na, in diesem Fall besteht wohl keine Gefahr, dass ich je so reich behängt werde."

"Sag das nicht. Die Favoriten und überhaupt alle, die zum Gold-Rang gehören, waren für Seine Majestät nur schwer zu erobern, aber es ist ihm dennoch geglückt - und in seinen Armen habe ich, wie ich zugeben muss, unerhörte Wollust genossen."

"Ihr scheint ja keinerlei Probleme damit zu haben, Euren Körper herzugeben!"

"Warum so erbost, Joey? Ach, verzeih, ich darf dich doch so nennen?"

"Ja."

"Vielen Dank. Nun, deine Einstellung ist durchaus nachvollziehbar. Aber in einem Harem zu leben kann auch schöne Seiten haben, wenn man seine Reize gewinnbringend einzusetzen versteht. Seto ab-del Kaiba kann sehr hart zu jemandem sein, wenn man es wagt, ihn herauszufordern oder sich ihm gar zu verweigern. Aber denkst du nicht, dass du dich damit einrichten könntest? Er ist ein schöner Mann und überaus begabt in der Kunst der Liebe. Er könnte dir erfüllte Stunden schenken, wenn du über deinen Schatten springen würdest. Du könntest sehr erfolgreich sein, wenn du es wirklich wolltest."

"Ich will es aber nicht!!"
 

"Du bist recht stur, aber darin ist dir der Fürst ziemlich ähnlich. Erzähle mir nicht, du wärest nur dann in der Lage, dich der Macht der Lust hinzugeben, wenn du ehrliche Gefühle hegst! Du bist ein sinnlicher und leidenschaftlicher Mann, Joey, lebenslustig und erfahren! Auch du schätzt gewiss die prickelnde Süße der körperlichen Vereinigung, selbst wenn sie nur auf reiner Begierde basiert. Wenn das Verlangen heiß genug ist, kann es wunderschön sein. Ich bin davon überzeugt, dass du das weißt."

Der Blonde dachte an den Tänzer Osman, der jene Wollust geweckt hatte, von der Yami sprach, und er nickte langsam. "Gut, ich gebe mich geschlagen, Ihr habt recht. Euren Augen scheint nicht das geringste zu entgehen und Ihr verfügt über einen klaren Verstand. Kein Wunder, dass Ihr zum Gold-Rang gehört."

Der Bunthaarige zeigte ein geschmeicheltes, charmantes Lächeln und fächelte sich mit einem hübsch bemalten Fächer etwas Kühlung zu. "Sind deine Wunden wieder gut verheilt?"

"Ihr meint die Peitschenhiebe? Ja. Man sieht zwar immer noch deutlich ihre Spuren und richtig auf den Rücken legen kann ich mich auch noch nicht, aber es ist viel besser geworden."

"Du warst fantastisch an jenem Tag. Trotz deiner Schmerzen hast du ihm Kontra geboten und bist ihm aufrecht entgegengetreten. Bewundernswert. Weißt du, dass ich mit angehört habe, wie Odeon davon sprach, dich zum Sklavenmarkt zurückzuschicken?"

"Ist das wahr?"

"Sicher. Aber Seine Majestät war nicht für diesen Vorschlag zu gewinnen. Er sagte: ,Dieser Mann bleibt hier. Ich will ihn haben....seinen Körper, sein Herz, seinen Geist, alles! Er muss mein werden....er muss einfach!!' Was ist? Du siehst so überrascht aus?"

"Das hat er tatsächlich gesagt? Habe ich denn noch nicht genug getan, damit er mich hasst?"

"Nein. Dein Widerstand hat lediglich eines bewirkt: Dass er dich rasend begehrt wie noch keinen zuvor. Und wenn er dich wirklich will....wird er dich auch kriegen!"

"NIEMALS!!"

Yami lachte melodisch angesichts dieses heftigen Ausbruches. "Sei nicht zu überzeugt davon. Ich versichere dir....es ist sehr schwer, dem Sultan zu widerstehen...."
 

Die Nacht breitete ihren schwarzen Schleier über Marokko aus. Joey dämmerte im Halbschlaf vor sich hin, während seine Zimmergenossen, erschöpft von Sonne und Schwimmen, tief und fest vor sich hin schlummerten. Er musste sich eingestehen, dass dieser Badetag doch ein recht schönes Ereignis gewesen war - gemeinsam in die kristallklaren Fluten tauchen, etwas Gutes essen oder trinken, sich zusammensetzen und über alle möglichen Themen philosophieren....in dieser geschäftigen Männerfamilie herrschte ein Gefühl von Vertrauen und Kameradschaft vor, mit dem er nie im Leben gerechnet hätte. Zweifellos war der Gedanke an die körperliche Unterwerfung, die er dem Sultan noch schuldete, die Ursache seiner heftigen Abwehr gegenüber dem Harem gewesen. Plötzlich klang eine Gitarre unter seinem Fenster auf. Überrascht lehnte sich der Engländer hinaus und bemühte sich, jemanden zu erkennen, doch die Schatten, welche die Palmen warfen, verbargen den Spieler. Dann begann der unsichtbare Musikant zu singen und der Blonde spürte, wie ein wohliger Schauer ihn durchlief, denn diese wunderbare, einschmeichelnd-männliche Stimme war ihm mittlerweile vertraut. Je sinnlicher und langgezogener die Töne wurden, je klarer und reiner, je gewaltiger sie den Innenhof ausfüllten, umso sicherer war er sich: Dies war und konnte nur einer sein - der "Magische Troubadour von Marokko"! Da er ohnehin nicht schlafen konnte, schlüpfte er in seinen Haremsmantel und eilte nach draußen. Der Mond warf ein schwaches Licht auf die Umgebung und markierte sanft die Silhouette des Sängers. Er trat langsam aus den Schatten hervor und verneigte sich höflich vor Joey. Sein Gesicht war mit einer samtenen schwarzen Maske verdeckt, sein Haar verschwand unter einem seidenen Turban. Ansonsten war er gekleidet wie ein Harlekin, in seinen gebräunten Händen hielt er sein Instrument.
 

"Wer seid Ihr und weshalb habt Ihr Euch in den Serail gewagt? Wisst Ihr nicht, dass das Euren Tod bedeuten kann?"

"Das ist wahr, doch da ich erfuhr, von welcher Schönheit der neueste Schatz des Fürsten ist, wollte ich ihn mit meinen eigenen Augen sehen. Und man hat nicht gelogen. Ihr seid viel zu schön, viel zu unabhängig, als dass Ihr Euch einem widerlichen Kerl wie dem Sultan hingeben könntet!"

"Pst, nicht so laut! Hier hat alles Ohren! Außerdem ist er nicht widerlich!"

"Ach nein? Ich habe gehört, Ihr hättet Euch ihm verweigert?"

"Das liegt daran, dass ich mich nicht zu diesem ,Dienst' zwingen lasse! Der Sultan ist ein schöner Mann, ich kann es nicht bestreiten....er und die Bezeichnung ,widerlich' sind himmelweit entfernt! Aber er ist nicht bereit, meinen Stolz zu akzeptieren....er verlangt von mir eine Unterwerfung, die ich ihm nicht darbieten kann! Nicht, solange er nicht wenigstens mein Vertrauen gewonnen hat!"

"Ihr seid in der Tat sehr stolz, junger Brite! Doch Euer Feuer ist nicht ohne Reiz! Im Gegenteil, es lässt Eure Augen erglühen wie Sterne, verleiht ihnen einen fremden, brennenden Glanz.... Wie recht ich doch tat, als ich hierherkam, in der Hoffnung, mein Gesang möge Euch herunter locken!"

"Eure galante Sprache und Eure leise Stimme, die sich zu solchen Höhen aufzuschwingen vermag, sind mir Beweis genug: Ihr seid der Magische Troubadour von Marokko, nicht wahr?"

"Der bin ich, mein Schönster."

"So singt weiter. Ich möchte Eurer Kunstfertigkeit lauschen."

"Wie Ihr wünscht."
 

Er präludierte eine Weile, stieß einen Seufzer aus und begann schließlich damit, ein Liebeslied zum Besten zu geben. Es war arabisch, aber Joey verstand die meisten der leidenschaftlichen Worte, um den Text entschlüsseln zu können. Er handelte von Sehnsucht und Begehren, und der Refrain wurde stets mit dem Wort "Liebe" eingeleitet. Der 22jährige genoss das Aufsteigen und Abflauen dieser makellosen Stimme, die ihn anrührte und bezauberte und lehnte sich gegen den Stamm einer Palme. Plötzlich verstummte der Troubadour, legte sein Instrument zur Seite und trat auf Joey zu. Behutsam bog er dessen Kinn nach oben und streichelte zärtlich über seine rechte Wange. Die Lippen des Sängers hefteten sich heiß und fordernd auf die des Engländers, der, noch betäubt von dem betörenden Gesang, kaum Widerstand zu leisten vermochte. In Joey entzündete sich ein lustvoller Funke und schleuderte ihn erbarmungslos in den weiten Abgrund eines herrischen, überschäumenden Verlangens, dem sich nichts in den Weg würde stellen können. Noch nie zuvor hatte er solche Lippen geschmeckt, sanft und drängend, gebieterisch und doch zärtlich, frisch und köstlich. Dem Blonden wurde bewusst, dass er sich in den Händen eines Meisters der Liebeskunst befand und er überließ sich der wundervollen Erregung, die sich seinem gesamten Wesen mitteilte. Endlich löste sich der Maskierte von ihm und er wich, seltsam verlegen, zurück.

"Verzeiht....Ihr müsst mich für recht albern halten, aber....ich ahnte nicht...."

"Was ahntet Ihr nicht, mein Schönster? Dass ein Kuss so süß sein kann?"

Joey nickte schweigend und betrachtete das verborgene Antlitz vor sich eingehend. Man konnte edle Züge hinter dem schwarzen Stoff vermuten und die Augen des Unbekannten....er stutzte. Sie waren von einem tiefen, bestechenden, verzehrenden Blau....Saphirblau. Ein schrecklicher Verdacht stieg in ihm auf und er stieß einen Schrei des Zorns aus.

"Oh, das ist zu viel!! Das geht entschieden zu weit!! Nehmt Eure Maske ab, Ab-del Kaiba!! Los, herunter damit!! Wie konntet Ihr es wagen!! Ich kratze Euch die Augen aus, ich erdrossele Euch, ich werde....!!"

Unter dem Samt schimmerten die weißen Zähne des Fürsten und sein Mund öffnete sich in einem schallenden Gelächter. Er näherte sich dem Blonden mit eleganten Schritten. Der andere war erschrocken, aber mehr noch empört.

"Ich erdrossele Euch!" wiederholte er mit zusammengebissenen Zähnen. Seto zeigte sich davon in keiner Weise beeindruckt, sondern lächelte nur aufreizend.

"Warum so erbost, Joseph?"

"Ihr habt unerhört und schamlos gelogen! Ihr habt mich glauben lassen, Ihr wäret der Magische Troubadour von Marokko!"
 

"Aber ich bin ja der Magische Troubadour von Marokko!" Und da der Brite ihn sprachlos anstarrte: "Was ist daran so ungewöhnlich? Ich hatte eine gewisse Begabung und habe sie genutzt. Ehrlich, Schönster, gefällt dir meine Stimme nicht?"

"Oh, das ist zu viel!" wiederholte Joey, doch nachdem seine Wut verraucht war, hatte er plötzlich das Bedürfnis zu lachen. Es war unglaublich! Da hatte der Sultan den Zynismus so weit getrieben, dass er ein Haremsmitglied ermunterte, ihn zu betrügen! Er musste der Teufel in Person sein!

"Was für eine üble Komödie, die Ihr mit mir gespielt habt! Ich hielt Euch bisher nur für brutal - und nun muss ich so etwas wie ein Herz in Euch entdecken! Ihr habt Euch nur über mich lustig gemacht, nicht wahr?"

"Nicht nur, und das weißt du sehr wohl."

Ohne ein weiteres Wort drehte der Blonde sich um und kehrte in sein Gemach zurück. Er hörte noch, wie Seto ihn mit sanfter Stimme anrief: "Joseph! Habe die Güte und sprich zu niemandem von diesem Ereignis! Wenn man herausfindet, dass ich mich verkleidete und maskierte, einzig, um einem Mann, der mich verabscheut, einen Kuss zu stehlen, wird man weidlich über mich spotten."

"Ihr seid unerträglich!" erklärte Joey und eilte leichtfüßig über die Treppe davon. In seinem Zimmer angekommen, schlüpfte er aus dem dunkelblauen Mantel, wobei er sich in seiner Nervosität in den langen Falten verhedderte, wälzte sich auf seinem Lager fiebernd von einer Seite zur anderen und konnte erneut keinen Schlaf finden. Immer wieder tauchten das maskierte, dann wieder das klare Gesicht vor ihm auf und das Leuchten dieser blauen Augen drang bis in jede Faser seines Körpers. Schließlich überwältigte ihn die Erinnerung an die Lust, die er in den Armen des Sultans empfunden hatte. Sehr spät versank er im Reich der Träume, verfolgt von dem heißen, leidenschaftlichen Blick Seto ab-del Kaibas....



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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Von:  jyorie
2013-07-19T23:16:29+00:00 20.07.2013 01:16
Hey ^_^

XD das war ein schöner Bade-Tag, auch die erklärungen mit den verschiedenen Vorhöfen in die die einzelnen Ränge dürfen, war schön :D
LOL ich habe es mir eigentlich gleich gedacht, das der Sultan selbst der geheimnisvoller Sänger ist ... *ggg* und mit welcher List er Joey einen Kuss gestohlen hat, das war toll, auch wie er Joey so sehr umgarnt hat, das er sich ihm hingegeben hätte :D sehr schön geschrieben ^^

CuCu Jyorie

Von:  Swaja
2007-02-05T14:16:03+00:00 05.02.2007 15:16
Ein Sänger, ein Sultan, ein Sieger.
Passt doch in die Reihe, oder? Ja, der Seto hat schon was. Wo ich aber aufschreien musste vor lachen: Seto ein Tenor? Eine hohe Frauenstimme? Nicht mal Joey hätte ich das zugemutet. Ich meine, ich weiß, dass die Männer mit den hohen Stimmen damals die besonders angesehenen waren und sie sich teilweise extra kastrieren ließen um noch höher zu kommen ( was wir mal bei Seto nicht hoffen wollen), aber SEto... ich hätte bei ihm eher auf einen schönen, vollen Bariton zum Bass hin getippt. Aber okay... ist dein Sänger. *zwinker*
Von: abgemeldet
2006-07-07T11:54:46+00:00 07.07.2006 13:54
Du kannst wirklich wunderschön beschreiben! ><
Mit jedem Kapitel gefällt mir dein fanfic mehr und die Art, wie die Charaktere sprechen, färbt langsam auf mich ab! XD
Ehrlich, man kann sich prima in das geschehen hineinversetzen und allein die Sache mit dem Kuss erfreut die fans! ^^
-BloodyFairy-
Von:  MAC01
2006-04-24T13:11:09+00:00 24.04.2006 15:11
Nun ich hatte schon die Vermutung das der Trubadur der Sultan selbst ist, denn welcher Eindringling würde bis in ein Sereil das so stark bewacht ist sonst vordringen können? Aber es war mal wieder wundervoll geschrieben, also starte ich sogleich zum nächsten Kapitel durch ^-^
Von:  LindenRathan
2006-03-31T22:16:40+00:00 01.04.2006 00:16
Super Kapitel.
Freue mich auf die Fortsetzung!!!!!!!!
Von:  Glimmer
2006-03-31T10:26:35+00:00 31.03.2006 12:26
^.~
das ist super^^tja tja bin ma gespannt wies weiter geht^^
sagts du mir wieder bescheid???
cu Ai


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