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In nachtschwarzen Gewässern

von
Koautor:  Aphrodi

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One-Shot

Die moskauer Straßen waren gefüllt, mehr noch als sonst zu dieser warmen Jahreszeit. Es war einer dieser Abende, an denen es selbst nach Sonnenuntergang noch warm war und man das Gefühl hatte, es würde die ganze Nacht nicht kälter werden. Wie geschaffen war es dafür, draußen zu bleiben und ausgelassen ihren Unabhängigkeitstag zu feiern, der von viel Musik, viel Alkohol und einem bunten Bühnenprogramm begleitet wurde. Vor allem die Tanzeinlagen der Folkloregruppen rissen Viktor mit – unklar, ob es am Alkohol lag oder daran, dass ihn die Musik und der Tanz wirklich begeisterten. Er selbst klatschte im Takt und bewegte sich zu den wilden Klängen, als gäbe es keinen Morgen. In seinem Kopf gab es den allerdings auch die nächsten Stunden noch lange nicht.

Yuris entgeistertes Gesicht wurde einfach von Viktor überstrahlt, immerhin sahen Georgi, der mit ein paar Mädels am Flirten war, und Mila, die ausgelassen mit Viktor feierte, ebenso zufrieden aus wie er. Überhaupt waren sie wahrscheinlich der Blickfang in der Menge, was hauptsächlich daran lag, dass er Viktor Nikiforov war, eine Ikone, und Mila bildhübsch und sexy dazu.

 

Er selbst bemerkte die Blicke gar nicht mehr, denn er war viel zu sehr damit beschäftigt, einfach eine gute Zeit zu haben. Manchmal trafen sich allerdings seine Augen mit denen einer hübschen Dame, die dann einen Schwächeanfall zu erleiden schien. Er machte sich darum gar keine Sorgen mehr, so oft, wie das schon vorgekommen war.

Als sich Viktors Blick jedoch mit dem einer schönen, jungen Dame traf, erhielt er nicht die übliche Reaktion. Er geriet ins Stocken und blickte sie erneut an, nachdem sein Blick schon weiter schweifen wollte. Sie hatte langes, volles Haar, das in Form von blonden, wilden Locken ihrem Gesicht schmeichelte. Viktor wusste nicht, warum er so an diesem Gesicht hängen blieb. Vielleicht waren es die wohlgeformten Lippen um den süßen, kleinen Mund, vielleicht waren es aber auch die leuchtenden, ausdrucksvollen Augen. Er wusste es nicht, aber es war ihm egal. Viktor reichte es, um ihr zuzuzwinkern, woraufhin sie erst milde lächelte, dann durch die Menge zu ihm herüber trat.

 

„Hi!“, sagte er lässig mit all seinem Charme und hörte tatsächlich auf zu tanzen, als sie so nah bei ihm war, auch wenn der Rhythmus der Musik ihn weiter dazu verleitete. „Willst du tanzen?“

Sie nickte und Viktor war höchst zufrieden, griff hemmungslos ihre Hände und zog sie mehr an sich ran. Gemeinsam tanzten sie. Und wie sie tanzten. Viktor war sowieso nicht mehr zu halten, aber wenn er getrunken hatte, erst recht nicht und die unbekannte Schönheit hätte, so viel Rhythmus, wie sie im Blut hatte, eine Latina sein können, obwohl sie aussah, wie eine blasse Russin.

 

„Wie heißt du?“, fragte Viktor sie schließlich, ein wenig außer Atem, aber immer noch nicht aufhören wollend.

 

„Nadjeschda“, war ihre knappe Antwort und Viktor war ganz verzückt.

 

„Ein sehr schöner Name“, merkte er an, während er weiter mit ihr tanzte. Im Hintergrund verzog Yuri entsetzt das Gesicht, ihm war das offensichtlich zu viel des Guten.

„Viktoooor. Es wird Zeit nach Hause zu gehen.“

Besagter Viktor spürte eine zerrende Hand an seinem Shirt, blieb aber völlig unbeeindruckt.

„Aber die Nacht ist noch jung. Geh mit Georgi und Mila mit, die bringen dich nach Hause. Ich tanz noch ein bisschen mit Nadjeschda.“

 

„...Du bist betrunken! Morgen früh ist Training, denk daran.“

 

„Ich weiß, ich weiß~ Ich werde da sein, du musst dir keine Sorgen um mich machen. Im Gegensatz zu dir bin ich schon groß, weißt du?“

 

Im nächsten Moment hatte Viktor eine Faust in seiner Seite, die ihn aber kaum kümmerte. Es war höchstens ein leichtes Kitzeln, mehr nicht.

„Ich bin noch im Wachstum!“, knurrte ihm Yuri zu, dann schnaufte er wütend. „Mach halt, was du willst“, waren die letzten Worte, die er noch an Viktor gerichtet hatte, den Blick noch einmal schnaufend auf Nadjeschda heftend, bevor er sich Mila und Georgi anschloss und den Platz verließ.

 

Viktor war überhaupt nicht beeindruckt von Yuris Worten, genau so wenig hatte er Angst vor dem Training morgen früh. Er würde schon da sein und seine Leistung bringen, selbst, wenn er jetzt noch länger machte und noch mehr trank. Es war noch lange nicht genug!

Nadjeschda schien das immerhin so zu sehen, wie er, denn sie blieb bei ihm, tanzte und trank mit ihm – natürlich hatte er ihr etwas ausgegeben. Es sah alles ganz so aus, als würden sie diese Nacht zusammen verbringen, jedenfalls für Viktor, was nicht das erste Mal wäre, dass er sich auf so etwas einließ. Ehrlich gesagt sogar hatte er es schon recht oft getan, immer wieder auf der Suche nach Liebe, die nie lange gehalten hatte, manchmal sogar nur eine Nacht.

 

„Kommst du mit?“, fragte Nadjeschda ihn und Viktor entlockte es ein aufgesetztes, heiteres Strahlen, das eigentlich nur verbarg, was in seinem Inneren vor sich ging. Wenn er mitging, würde es wieder nur eine kurze Liaison werden – ein One-Night-Stand?

 

„Klar!“, antwortete er schließlich, immer noch mit diesem Strahlen und so folgte er ihr, während sie seine Hand mit ihrer umschloss und ihn durch die Menge mitzog. Noch nachdem sie längst die große Menschenmasse verlassen hatten und beinahe alleine durch die Straßen gingen, hielt er sie noch immer fest, als könnte sie weglaufen, wenn er sie losließe. Nadjeschda hatte damit offenbar kein Problem. Sie sah sogar richtig glücklich aus – und irgendwie aufregend.

„Wo gehen wir hin?“, fragte Viktor schließlich, als sie weit ab von Häuserreihen am Ufer des Moskwa angekommen waren.

 

„Baden“, antwortete sie kichernd und begann, ihre Bluse aufzuknöpfen. Viktor war sofort Feuer und Flamme und riss sich die Klamotten förmlich vom Leib. Beim Ausziehen seiner Hose legte er sich beinahe noch auf die Nase, als er nach Gleichgewicht suchend auf einem Bein herum hopste. Er scheiterte kläglich und landete den kleinen Abhang herunter rollend in einem Gebüsch.

„Nichts passiert“, gab er Entwarnung und lachte dabei. Er war einfach viel zu angeheitert, vermutlich wäre er aber auch sonst absolut nicht wehleidig gewesen von dem kleinen Unfall. Als er aufsah, bemerkte er zu seinem Glück noch, wie Nadjeschda langsam ihren BH abstreifte. Begeistert und voller Tatendrang – weit hatte er es jetzt ja nicht mehr – überbrückte er die letzten Schritte ins Wasser des Sees, der sich am Rande von Moskau als Teil des Moskwa gebildet hatte. Sie folgte ihm, den Blick dabei fest auf Viktor gerichtet, dessen zufriedenes Grinsen immer breiter wurde. Er hatte einfach viel zu viel Freude daran, nachts nackt mit einer Schönheit im See baden zu gehen.

 

Das Wasser war angenehm zu dieser Jahreszeit – nicht wirklich warm, aber was ein echter Russe war, der würde vermutlich auch noch ins Eiswasser springen. Viktor war ziemlich schnell bis zu den Schultern drin und wartete darauf, dass sich Nadjeschda zu ihm gesellte, was sie schließlich auch tat. Langsam watete sie in den See, der ziemlich schnell allerdings tiefer wurde, sodass man nach wenigen Schritten schon den Boden unter den Füßen verlor. Rückwärts schwamm er weiter Richtung Seemitte, sie folgte ihm kichernd. Allzu bald hatte Nadjeschda ihn erreicht, griff im Wasser seinen Oberarm und strich diesen herauf bis über seine Schulter. Innig sah sie ihn an dabei, doch plötzlich veränderte sich etwas in ihrem Ausdruck. Erotische Verspieltheit wich ernstem Wahn, als ihre Augen sich weiteten, ihn geradezu anstierten.

„Heirate mich!“, forderte sie in einer lägst nicht mehr lieblichen Stimme, ließ Viktor irritiert und leise lachen. Es mochte am Alkohol liegen, dass sich die Gestalt der jungen Frau verändert hatte und er sie nun – statt mit langer blonder Mähne – mit grünen Haaren sah. Vielleicht lag es aber auch an den intensiv im Dunkeln grün leuchtenden Augen.

Es ging alles so schnell, noch weiteten sich seine Augen unter dem Bild, das er vor sich sah, dann spürte er schon den festen Druck zweier Hände an seine Schultern.

„Heirate mich! Oder du musst sterben!“

 

„Tut mir Leid... Ich kann dich nicht heiraten“, begann Viktor, irgendwo zwischen mitfühlend und überfordert. „Ich bin Russlands Eiskunstlauf-Ikone und du bist ein Monster. Glaub mir, ich bin absolut nicht oberflächlich, aber... ich gehöre auf das Eis und du darunter. Wie soll das funktionieren?“

Etwas hilflos zuckte er mit den Schultern, um seine Ratlosigkeit zu unterstreichen. Sein charmantes, aber gleichzeitig entschuldigendes Lächeln verfehlte seine Wirkung. Auch jetzt noch war sie immun dagegen.

 

„Dann musst du sterben!“, zischte Nadjeschda ihm zu, stieß sich mit ihrer Flosse ein Stück weit hoch, um sich dann mit ihm unter die Wasseroberfläche zu stürzen. Es scheiterte, Viktor bewegte sich keinen Zentimeter. Einen Moment sah sie genauso perplex aus wie Viktor, doch schnell begannen ihre wutentbrannten Augen ein immer giftigeres Grün anzunehmen.

Selbst überrascht von seinem Glück griff sich Viktor in die Haare und stutzte. Da war etwas, was dort nicht hingehörte – etwas struppiges. Mit den Fingerspitzen fühlte er die Pflanzenblätter.

„Ist das...Farn?“, rätselte Viktor mit sich selbst, es war immerhin die einzig sinnvolle Erklärung, denn Farn hindert einen Rusalka daran, ihr Opfer unter Wasser zu drücken und damit zu ertränken, so viel wusste er. Auch wenn er immer dachte, das sei nur ein Hirngespinst – ein Märchen eben.

Selbstzufrieden grinste er.

„Amazing!“

 

Die Rusalka wurde zornig, hätte ihn sicherlich gerne in ihrer berserkerhaften Wut ertränkt, doch konnte es nicht. Irgendwie bekam Viktor glatt ein wenig Mitleid mit ihr. Wo er sich dank des Schutzes in seinem Haar nicht gegen sie wehren musste, griff er mit einer Hand an ihre Wange, strich zärtlich darüber.

„Zu schade. Ich hätte es gerne gehabt, hätten du und ich gegenseitig unsere Einsamkeit beendet“, sagte er ruhig, während er sich mit seinem Gesicht ihrem näherte und ihr anschließend einen sanften Kuss auf die Wange hauchte. Als er die Augen wieder öffnete und sich ein Stück weit zurückzog, hatte die Rusalka wieder die Gestalt der jungen Frau angenommen. Ihre Haare waren nicht mehr grün, sahen stattdessen grau aus so im Dunkeln. Auch ihre Augen leuchteten nicht mehr, in ihren Tränen spiegelte sich lediglich das Mondlicht.

 

„Lass uns irgendwann nochmal zusammen Nacktbaden gehen, ja?“, fragte er sie lächelnd, irgendwo zwischen liebevoll und begeistert zugleich. Sie nickte, lächelte zurück unter ihren glänzend nassen Wangen, dann ließ sie ihn los und verschwand unter der nachtschwarzen Wasseroberfläche.

 

Getroffen hatte er sie von da an nie mehr. Viktor glaubte allerdings, dass sie ihren Ehemann gefunden hatte – ob Mensch oder Wodjanoi. Er war sicher, dass sie glücklich geworden ist.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: Arcturus
2017-02-12T01:14:19+00:00 12.02.2017 02:14
Vicky reißt doch eh alles an sich, was nicht niet- und nagelfest ist. *hust*
 
Danke jedenfalls für diese Geschichte. :)
Ich fühlte mich gut unterhalten und ja ... das ist alles irgendwie typisch Viktor. Inklusive dem unverschämten Glück, das er hat.
Bei der Ertränk-Szene hätte ich es toll gefunden, wenn du etwas mehr darauf eingegangen wärst, ob er jetzt irritiert ist oder (aufgrund des Suffs?) eben nicht.
Das Ende finde ich Klasse. Ich drücke Nadjeschda jedenfalls auch die Daumen. Sie kann ja nichts für Viktors Ego. xD
 
lG
NIX


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