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Mittsommer

von

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Ich erinnere mich an den Abend, als ich dich traf.

Ich nippte, vertieft in ein gedankenloses Gespräch, an meinem Drink, als du plötzlich neben mir an der Bar standest.

Ich erinnerte mich, dass ich dein Gesicht schon einmal gesehen hatte, aber ich wusste nicht mehr wo. Es spielte keine Rolle mehr, denn du warst da.

Wir kamen ins Gespräch.

Das dein Nachbar und meine beste Freundin dabei waren, war mir egal, denn meine Aufmerksamkeit galt nur dir.

Wir redeten über Gott und die Welt und ich war fasziniert.

Deine Gesten, deine Worte, deine Hände und das Glitzern deiner Augen, wenn du mich lachend angesehen hast, es schlug mich in deinen Bann.

An jenem Abend vergaß ich durch dich die langen Schatten und den Schmerz meiner Vergangenheit.

Durch dich konnte ich lachen und fröhlich sein, mir einbilden, ich wäre etwas ganz Besonderes.
 

Später, wir waren beinahe die letzten Gäste und die Wirtsleute räumten schon die Stühle und Tische zusammen, da fuhren wir euch nach Hause. Es war kalt und es regnete in Strömen, dennoch war es für mich, als könne ich ewig so weiter durch die Nacht fahren.

Wir lachten und dein trockner Humor sprach mich genauso an, wie deine unkomplizierte Art.

Viel zu kurz war die Fahrt.

Hast du es auch gespürt?

Als wir vor deinem Haus parkten, hast du uns noch auf einen Kaffee eingeladen. Mir war, als wolltest du genauso wenig wie ich, dass dieser Abend endet. Ich habe meine Freundin angesehen und wir blieben gern.

Sie kennt mich wie kaum ein anderer Mensch und sie wusste sofort, dass du für mich etwas ganz Besonderes warst.
 

Du zeigtest uns dein Haus und ich sah mich um, während du den Kaffee gekocht hast. Eigentlich war dir ja nach etwas Stärkerem, aber du hattest nichts da und ich musste ja noch Auto fahren.

Dein Haus gefiel mir. Alles wirkte so freundlich, hell und überall war deine Persönlichkeit zu spüren.

Ich habe mich wohl gefühlt.

Auch später, als wir zu viert im Wohnzimmer saßen und unseren Kaffee getrunken haben, fühlte ich mich, als würden wir uns schon ewig kennen.
 

Wir haben abgemacht, das es beim nächsten Mal du sein würdest, der bei mir Kaffee trinkt und ich verspürte ein erwartungsvolles Kribbeln in meinem Bauch.
 

Aber auch der schönste Abend musste einmal zu Ende sein. Für uns wurde es Zeit, nach Hause zu fahren.

Der Abschied verlief so völlig unspektakulär. Wir haben uns die Hand gegeben und dann sind wir gegangen. Du hast die Lichter gelöscht und wir sind gefahren, durch den Regen und die Nacht, nach Hause, weg von dir.
 

Eine lange Zeit des Wartens begann.

Ich habe so gehofft, aber du hast dich nie gemeldet. Ich habe deine Telefonnummer herausgefunden, hatte jedoch nie den Mut, dich anzurufen. Meine Freunde drängten mich, aber ich hätte nicht gewusst, was ich dir sagen sollte.

„Hallo, ich bin’s.“, erschien mir so nichtssagend.

Also habe ich weiter gewartet.

Die Wochen vergingen und von dir kam Nichts. Du hast keine Ahnung, wie oft ich das Telefon genommen und gewählt habe. Nur um dann schnell wieder aufzulegen, weil der Mut mich verließ.
 

Es wurde Weihnachten und ich habe dir, in einem letzten Versuch, eine Weihnachtskarte geschrieben. Morgens, als alles noch schlief, habe ich mich angeschlichen wie jemand, der etwas zu verbergen hat.

Ich habe den Brief bei dir eingeworfen und bin weggelaufen, als dein Hoflicht anging. Der Sensor hatte mich wohl doch erfasst.

Wieder begann eine Zeit des Wartens.

Ich hatte absichtlich keine Telefonnummer auf die Karte geschrieben. Irgendwie war ich der Überzeugung, dass du mich auch so finden würdest.
 

Aber ich wartete vergeblich.
 

Heute stehe ich nun hier.

Es ist Mittsommer oder auch Beltane, ein uralter Brauch. Er besagt, das zwei Liebende gemeinsam durch das Feuer springen und sich dann in höchstem Glück vereinigen werden.
 

Ich stehe etwas Abseits, die entfernte Wärme der Flammen ist kaum auf meiner Haut zu spüren, dennoch ist sie da.

Ganz in weiß gekleidet, stehe ich am Rand und beobachte dich.

Warum ich hier bin weiß ich nicht.

Wenn ich mich umsehe, dann sehe ich entfernte Beltane Feuer in der Nacht leuchten, überall feiern die Menschen den alten Brauch, auch wenn er seine einstige Bedeutung verloren hat.

Ich hätte überall hingehen können, aber ich bin hier.

Ich stehe da und beobachte, wie du dich im Kreis deiner Freunde unterhältst, wie du lachst und einfach du selbst bist.

Und wieder ziehst du mich in deinen Bann. Ich musste dich einfach noch einmal sehen, auch wenn es nur von Weitem ist, denn ich konnte dich nie vergessen.

Warum?

Warum gehst du nicht aus meinem Kopf?

So viele Monate sind vergangen. Warum kann ich dich einfach nicht vergessen?

Dabei ist doch klar, dass nur ich so empfunden habe, in jener Nacht vor vielen Monaten.

Warum?
 

Als hättest du meine Gedanken gehört, drehst du auf einmal den Kopf in meine Richtung.

Meine Hände verkrampfen sich ineinander, als du deinen Blick suchend über die Menschen wandern lässt.

Es ist zu dunkel, du kannst mich nicht sehen. Oder doch?

Ich beobachte, wie du etwas zu deinen Freunden sagst, ohne deine Augen abzuwenden.

Dann stehst du auf und kommst langsam auf mich zu.
 

Ich will weglaufen, aber meine Füße sind wie am Boden fest gewachsen.

Ein Kribbeln breitet sich über meine Haut aus und ich fühle, wie ich anfange zu zittern. Ist es Erwartung oder Unsicherheit? Oder beides?

Du bleibst vor mir stehen und ich spüre deinen Blick, auch wenn ich längst meine Augen gesenkt habe. Ich wage nicht, dich anzusehen, weil ich nicht weiß, was ich in deinen Augen lesen werde.

Langsam hebst du mit deiner Hand mein Kinn, so dass ich dir ins Gesicht sehen muss.

Dein Blick, er ist so liebevoll, deine Augen leuchten und dein Mund lächelt auf mich herunter.

Ich wage nicht, den Gedanken zu Ende zu denken. Sollte das etwa bedeuten?

„Ich hatte gehofft, dass du kommen wirst. Ich habe so gewartet.“ Deine leise Stimme fährt mir durch Mark und Bein.

Ich kann es nicht glauben.

Aber dann legst du deine Arme um mich und mir ist, als würde ich nach Hause kommen.



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