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Gegen Diskriminierung hilft ein dickes Fell & andere Weisheiten

Autor:  TokyoMEWS
Eigentlich würde ich gerne schlafen. Und eigentlich würd ich am liebsten auch nicht weiter drüber nachdenken, aber das Hirn ist so ein Ding, das entscheidet selbst was es macht... Zumindest meins... Aber das entscheidet sich ja auch zu Arbeitszeiten spontan mit der Leber im Darm Angeln zu gehn und ist für mich nicht mehr erreichbar....

Wie einigen schon bekannt hatte ich im Februar ein Vorstellungsgespräch das ungefähr so endete: "Schön, dass Sie da waren, aber Sie sind eine Frau. Sie kriegen nächstes Jahr n Kind, sind weg und wir haben den Schlamassel mit der Stellenbesetzung von vorne..."
In dem Augenblick wurde ich von so vielen Autos überfahren, dass es allein auf Grund der Masse unmöglich war, sich das Kennzeichen zu merken...
Ungefähr einen Monat später war ich dann wieder soweit bei mir, dass ich mich an die Diskriminierungstelle des Bundes gewandt hab und von hier ab startet eine andere Geschichte als die, die ich erzählen will.

Gings mir nämlich noch seit Anfang Dezember 'diffus schlecht', war da für mich der Punkt gekommen, an dem ich erstmal auf den Brettern lag. Mir gings richtig schlecht.
Also hab ich mich Mitte Februar in der Tagesklinik gemeldet und hätte dann am Ende des Monats ein Info-Gespräch haben sollen. Sollen... Bis dahin waren nämlich alle Ärzte der Station krank und der Termin abgeblasen.
Bis hier hin ist es nicht weiter dramatisch, aber ich bleib beim chronologischen Ablauf.
Tatsächlich hatte ich mein Info-Gespräch dann gut 6 Wochen später. Wir erinnern uns, nach ungefähr 4 Wochen war ich wieder in der Lage mich um Dinge zu kümmern. Vielleicht nicht um alle, aber es fing wieder an zu laufen...

Ich bin jetzt genau eine Woche in der Tagesklinik und irgendwie hab ich die Nase voll. Die 'Gegenseite' möglicherweise auch...

Ich hatte ein Aufnahmegespräch in dem ich angesprochen habe, dass mich die Diskriminierungserfahrung doch ziemlich mitgenommen hatte. Das war damals das erste Mal, dass mir jemand sowas [blödes] offen ins Gesicht gesagt hat und das noch ohne mich zu kennen oder kennen lernen zu wollen...
Ich bins gewöhnt mit fast ausschließlich Männern zusammen zu arbeiten. Ich bins gewöhnt, dass es dabei nicht immer besonders frauenfreundlich oder höflich zu geht. Ich bin auch schon schief angeschaut worden, als ob ich den Beruf Programmierer mit 'Tipse' verwechselt hätte. Egal, das hält mich nicht davon ab, mein Ding zu machen.
Aber gesagt bekommen, dass ich die Stelle nicht kriege nur weil ich nun mal, ohne es mir selbst ausgesucht oder sonstigen Einfluss darauf zu haben, das 'falsche' Geschlecht hab. Der nöchste bekommt die Stelle wahrscheinlich nicht, weil er rote Haare hat und der dritte Bewerber wird abgelehnt weil die Ohren nicht symmetrisch sind...
Ja, so hab ich mich gefühlt...

Ich erzähle also in dem Aufnahmegespräch dem Arzt von diesem Vorfall und seinen Auswirkungen auf mich.
Was bekomm ich als Antwort? "Brauchen Sie vielleicht nur ein dickeres Fell....?"
Haa-llooho...?
Ich erzähle aus meinem Seelenleben, von Dingen, die mich belasten, betrüben und verunsichern und was bekomm ich als Antwort...?
Noch weniger emphatisch wäre nur "Das haben Sie sich alles nur eingebildet..." gewesen m(
Ich hab nicht mal von allem erzählt und das absolut Letzte was ich jetzt brauche, ist ein Psychiater, der meine Erlebnisse erstmal verniedlicht.
Ich habe 2 Tage(!) darüber nachgedacht, ob ich das mit dem Frau sein nicht einfach lasse und statt dessen den Rest meines Lebens, von solchen Erfahrungen verschont, als Mann verbringe...
Ich bin echt aus dem Gleichgewicht, aber das ist anscheinend egal, das ist ja nicht das Problem, das Problem ist ja nur meine (vermeintliche) Dünnhäutigkeit...

Ich hatte heute wieder ein Gespräch mit dem Arzt.
Ich hab gesagt, dass ich seine Reaktion beim letzten Mal nicht in Ordnung fand. Dass ein dickeres Fell allein das Problem nicht löst.
Klar, den Rest der Welt schlagartig ändern kann niemand.
Das Gespräch ging weiter.
Ich würde mich zu wenig einbringen bla bla bla.
Ich also erklärt, dass ich eher schüchtern und introvertiert bin und bisher mir eben die Situation angeschaut hab, versucht hab zu analysieren, mir Gedanken gemacht hab wie ich mich wo mit dem was ich kann und weiss einbringen kann. Meine Güte, die anderen Theapeuten haben davon erzählt, dass es völlig normal ist, wenn man sich erst nach 3 Wochen als 'angekommen' empfindet.
Für jemanden wie mich, der Änderung ungefähr so gerne hat wie einen Heuschreckenschwarm, empfinde ich mein Verhalten als normal.
Bla bla, ja warum? Was fehlt mir oder fühle ich mich hier auch diskriminiert?
Das einzige, was ich sagen konnte war: "Ich find das nicht lustig."
Das führte zu allgemeine Gesichtsentgleisung im Raum.

Ich find das aus zwei Gründen nicht lustig:
1) Tatsächeliche Diskriminierung und Diskriminierungsvorwürfe sind nichts mit dem ich leichtfertig um gehn. Wir erinnern uns, ich hatte mich an die ADS gewendet, eben auch um von deren Seite quasi eine zweite Meinung zu haben, ob das jetzt tatsächlich so hart war, wie ich es empfunden hatte.
2) In dem Moment hatte ich das Gefühl, dass mir 'sich diskriminiert fühlen' als eine Art paranoider Wahn untergeschoben wurde. Nein, ist es nicht. Zum einen, abgesehn von anfangs erwähntem Vorfall, hatte ich dieses Jahr bisher nicht den Eindruck, dass ich auf Grund von was-weiss-ich-was unfair behandelt worden wäre. Zum andern: Wenn ich Symptome habe, die als paranoid aufgefasst werden können, dann sind das eindeutig andere. Übrigens auch anders als durch 'Paranoia' erklärbare. (Und das ist nicht nur so, weil ich das sage... ehrlich)

Sowieso hab ich den Eindruckt, dass auf Station alles vorgefertigten Abläufen folgt.
Ich habe in der Gruppentherapie darüber gesprochen, was mich - völlig abseits der Diskriminierungsgeschichte - bewegt, an mir stört, womit ich nicht klar komm. Dass ich mir vorkomme, als würd ich aus zwei Teilen besten. Einen bewussten, den ich kontrolieren kann, und einen unbewussten, der, egal was ich will, doch meistens macht was er will und meint, ich hätte damit klar zu kommen. Dass ich morgens gerne besser aus dem Bett kommen würde, aber, siehe oben. Ich geb den Befehl zum Aufstehn, zum Bewegen, aber der Rest von mir macht wieder was er will und ich hab dann damit zu leben. Mein ewiger, täglicher Kampf gegen mich selbst.
Wie gings weiter...? Wir haben dann über 'sich nicht immer unter Kontrolle haben müssen' gesprochen, über 'Emotionen zu lassen', über 'Schwächen akzeptieren'. So weit, so wenig hilfreich. Wenn das funktionieren würde, dann hätte ich mich seit mindesten 10 Jahren unter Kontrolle was so Sachen wie aufstehn oder plötzlich irgendwo hinlaufen, weil man da was gesehn hat, ohne drauf zu achten ob man sich zB gerade in einem Gespräch befindet und damit die Unterhaltung kaputt macht.

So ein bischen hatte ich ja auch den Eindruck, alls wolle man mir sagen, man könne mich nur therapieren, wenn ich ein anderer Mensch wäre.
Naja... vielleicht sollte ich mir weniger schwere Probleme ausdenken...? Ich bin nie über meinen Ex hinweg gekommen, meine Eltern haben mich nicht geliebt, irgend so ein Geschwafel...?
Wen interessiert schon die Wahrheit... Viel zu aufwändig, sich darauf einzulassen.
Ich pass also am Besten in irgendeine Schublade, von der man genau weiss, nach welchem Schema man vorzugehen hat.
Wilkommen in der Roboter-Psychiatrie....
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Datum: 24.04.2013 15:51
Das Schlimmste ist es, dass man schwer diese Äußerungen nachweisen kann. Das Einzige, was da hilft, ist vorher schon mal die schlimmsten Fragen durch zu spielen und andere vor derartigen Firmen warnen. Ein Trost bleibt, zumindest hat die Firma gleich zu Beginn ihr wahres Gesicht gezeigt.
Und wenn die Leute dich in der Tagesklinik nicht ernst nehmen, hilft nur Wechseln.

Ich wünsche dir eine gute Besserung
> > > DIE ZUKUNFT BRINGT KEINE HOFFNUNG, sagte Tod.
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> > > MICH


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