Déjà Vu
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Unbändiger Zorn stieg in ihm hoch, als ihm bewusst wurde, was hätte geschehen können. Wenn es um die Sicherheit seiner zukünftigen Frau ging, kannte er weder Zurückhaltung noch Erbarmen. Er ballte seine Hände zu Fäusten. So fest, dass seine Knöchel weiß hervortraten. Die Zähne fest zusammenbeißend blickte er zu Boden. Sein Kiefermuskel zuckte.
Das würde er nie verzeihen. Niemals.
»Na warte; wenn ich dich in die Finger kriege …«, dachte er sich, ehe er besorgt zu seiner Verlobten sah. »Dir wird nichts zustoßen. Dafür werde ich sorgen - mit meinem Leben.« Diesen Schwur sprach er nicht laut aus, sondern gab sich ihn nur in Gedanken. Er nahm sich vor, Nachforschungen anzustellen, um hinter die Identität des offensichtlichen Feindes und dessen wahren Absichten zu kommen. Obwohl: Eigentlich war es egal, denn es war ja kein Geheimnis mehr, was er vorhatte. Es lag an ihm, diesen Schurken aufzuhalten – bei was auch immer.
Doch zuerst galt es, sein Schätzchen in Sicherheit zu wissen. Und vor allem: Sie zu beruhigen. Er streckte seine Hand nach ihr aus. »Komm; wir rufen jetzt die Polizei; die wird sich schon darum kümmern. Und ich bring dich jetzt erst einmal nach Hause.«
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KAPITEL 4:
DÉJÀ VU
»Traumatische Erinnerungen …«
Seit diesem schrecklichen Ereignis waren nun einige Tage ohne nennenswerte Vorkommnisse vergangen. Für Seiya jedoch war das kein Grund, um nachlässig zu werden. Usagis Sicherheit hatte bei ihm alleroberste Priorität, was diese auch deutlich zu spüren bekam, indem er sie kaum noch aus den Augen ließ.
Mit seinen Nachforschungen war er leider kein Stück weitergekommen, sodass seine Nervosität und Sorge um seine Geliebte immer weiter wuchs.
Inzwischen waren auch die anderen eingeweiht. Das lag aber nicht daran, weil Seiya sie alle ebenfalls in diese Sache hineinziehen wollte. Am liebsten hätte er sich alleine um diese Angelegenheit gekümmert, um niemanden zu belasten. Doch da die Wahrscheinlichkeit, dass der kranke Fahrer es auf Usagi abgesehen hatte, hoch war, musste er es einfach ihren Freunden erzählen, damit alle für ihren Schutz sorgen konnten. Ihm blieb gar keine andere Wahl.
Doch selbst mit der Hilfe des intellektuellsten Paares unter ihnen, Taiki und Ami, die zeitweise bei Seiya wohnten während ihres Besuches in den Semesterferien, konnten sie kaum Fortschritte machen, da einfach keinerlei Anhaltspunkt vorhanden war, dem sie hätten nachgehen können.
Der erste Tag der neuen Woche begann wie jeder andere. Seiya holte seine Verlobte von zu Hause ab und beide fuhren in die naheliegende Musikhochschule, die sie besuchten. Da sie hier wirklich alles lernte, was sie für ihren Beruf brauchte, machte es sogar der lernfaulen Blondine Spaß, zu pauken. Sie ging gerne in die Hochschule, und das hieß schon etwas. Dass Usagi Tsukino tatsächlich gerne lernte, grenzte schließlich an ein achtes Weltwunder. Doch das lag bestimmt auch nicht zuletzt daran, dass sie gemeinsam mit Seiya studierte. Mit ihm an ihrer Seite war kein einziger Tag langweilig; nicht einmal die langatmigsten Vorlesungen.
Doch niemals hatte sie damit gerechnet, dass dieser Tag noch ein so schreckliches Ende nehmen würde …
Hand in Hand brachte Seiya Usagi nach der letzten Vorlesung nach Hause. Da sie nicht weit von der Hochschule entfernt wohnte, begleitete er sie immer zu Fuß heim, bevor er mit seinem Auto selbst den Heimweg antrat.
Die Straßen waren fast leer, und doch hatte Seiya ein mulmiges Gefühl in der Magengegend. Das unangenehme Gefühl, dass sie beobachtet wurden. Und auf seine Intuition hatte er sich immer verlassen können. Ausnahmslos. Das hatte er in der Vergangenheit immer wieder feststellen dürfen und müssen.
Usagi merkte, dass etwas nicht stimmte. Diesbezüglich war sie durch den Vorfall vor vier Tagen ebenfalls sensibilisiert worden. »Was ist los?«, fragte sie etwas unsicher nach und drückte seine Hand.
Seiya blickte zu seiner Liebsten. Sein ernster Gesichtsausdruck verwandelte sich in ein sorgenfreies. Es brachte nichts, ihr Angst einzujagen, und bevor sie sich wieder lange Sorgen machte und womöglich mitten auf der Straße auffällig Panik schob, gab er lieber vor, dass alles in bester Ordnung war. »Nichts, was von Bedeutung wäre. Lass uns einfach schnell nach Hause gehen.« Nach dieser nicht ganz ehrlichen Antwort beschleunigte er kaum merklich sein Tempo. So schnell wie möglich wollte er Usagi in den eigenen vier Wänden in Sicherheit wissen.
Doch so weit sollte es gar nicht erst kommen.
Ein Schuss. Direkt hinter ihm. Blitzschnell fuhr er herum und erkannte sofort, dass ein schwarzer Strahl direkt auf Usagi zuschoss. Ohne lange nachzudenken schubste er sie zur Seite, weg aus der Gefahrenzone - und es kam, wie es kommen musste.
Ein spitzer Schrei einer Frau ging durch die Straßen Tokios. Ein Schrei, der durch Mark und Bein ging. Ein Schrei, den man nie vergessen konnte … Als würde die gesamte Welt stillstehen …
»SEIYA!«
Er spürte nur noch einen stechenden Schmerz durch seine Brust hindurch … Dann wurde seine Umgebung in vollkommene Finsternis getaucht.
Hart landete Usagi auf dem Boden und konnte nicht glauben, was sich gerade direkt vor ihr abgespielt hatte. Sie sah nur, wie Seiya von einem schwarzen Energiestrahl getroffen worden war und wie aus dem entstandenen Loch in seiner Brust Blut herausfloss, und das nicht wenig. Wie paralysiert bot sich vor ihrem inneren Auge eine Szene. Eine Szene, die sie schon einmal in ähnlicher Weise erlebt hatte.
»Frechheit! Deinetwegen wurde Seren bestraft. Und das wirst du mir jetzt büßen; das verspreche ich dir!« Sailor Red Claw war außer sich und dachte nicht daran, gleich wieder zu verschwinden. Sailor Moon würde dafür bezahlen, dass ihre beste Freundin gestorben war. Das war ganz allein ihre Schuld!
»Sailor Moon!«, rief Sailor Venus und stellte sich schützend vor sie, bevor auch Sailor Mars ihren Arm vor ihrer Prinzessin ausstreckte. »Überlass das lieber uns und verschwinde«, bestärkte sie ihre blonde Freundin.
Sailor Moon dachte jedoch nicht daran, ihre besten Freundinnen im Stich zu lassen. Niemals. »Nein, ich werde garantiert nicht weglaufen!«, sagte sie entschlossen und sah ernst zu ihrer rothaarigen Feindin. Leider bemerkte sie die andere Kriegerin, Sailor Tin Nyanko, nicht, die gerade dabei war, einen Anschlag auf sie auszuüben. »Es ist unsere Aufgabe, diesen Planeten zu beschützen!«, rief sie Sailor Red Claw energisch zu.
»Ihr seid unverschämt!«, erwiderte diese darauf uneinsichtig und verstärkte den Griff um ihre Peitsche.
Plötzlich überkam die zukünftige Prinzessin des »Weißen Mondes« doch ein ungutes Gefühl. Langsam drehte sie sich nach hinten. Irgendetwas war da doch? Und tatsächlich: Sie sah nur noch ein weißblaues Licht; es ging viel zu schnell. Wie erstarrt blickte sie in diese Attacke hinein und konnte sich vor Schreck nicht vom Fleck bewegen. In diesem dämmerartigen Zustand gefangen hörte sie bloß noch Seiyas Stimme, die laut ihren Namen rief und konnte nur noch zusehen, wie er mit voller Wucht von diesem Angriff getroffen wurde.
Fassungslos war sie nur noch dazu im Stande, ihn aufzufangen. Eine schreckliche Kälte breitete sich in ihr aus, als er reglos in ihren Armen lag. Er war doch nicht etwa …? Nein, das durfte nicht sein!
»Seiya; Seiya, sag doch was!«, flehte sie entsetzt.
Es war genau wie damals. Nur schlimmer. Viel schlimmer. Eine riesige Blutlache hatte sich unter ihm in Rekordgeschwindigkeit gebildet. Leblos lag er vor ihr.
Verzweifelt setzte sie sich auf und rannte auf ihn zu. »Nein, bitte lass das alles ein ganz schrecklicher Traum sein«, bettelte sie und fiel vor ihm in die Knie. Vorsichtig legte sie ihre Hände auf seine Schultern. »Seiya! Kannst du mich hören? Bitte, bitte mach deine Augen auf und sieh mich an!« Sie merkte kaum, wie die Tränen ihr gesamtes Gesicht überströmten.
Keine Regung. Kein Lebenszeichen. Nichts. »Bitte lass mich nicht allein …«, flüsterte sie mit brüchiger Stimme und starrte in sein Gesicht, welches leichenblass wurde. Seine Augen waren geschlossen und es sah fast so aus, als würde er friedlich schlafen. Ihr Ohr näherte sich der Stelle zwischen seinen Lippen und Nase.
Da ereilte er ihr: Der Schock ihres Lebens.
Es war kein einziger Hauch zu vernehmen.
Schmerzlich wurde ihr bewusst, dass sie hätte ahnen können, dass es früher oder später dazu gekommen wäre. Unwillkürlich dachte sie an sein Versprechen zurück, den er ihr beim Camping gegeben hatte vor inzwischen fast schon zwei Jahren.
Endlich ergriff sie seine Hand. Sofort zog er sie zu sich und drückte sie ganz dicht an sich. »Ich hab dir mit der Geschichte wohl eine riesigen Schrecken eingejagt, was?«, fragte er mit leiser Stimme und wirkte nachdenklich.
Usagi war verwundert. Warum ging er nicht auf ihre Unsicherheit ein? Hatte er sie etwa tatsächlich nicht bemerkt oder steckte etwas ganz Anderes dahinter?
»Ich beschütze dich. Egal was passiert.« Diese zwei kurzen Sätze sagte er mit so einer unglaublich sicheren Gewissheit, dass sie Usagi kurz zum Zusammenzucken brachte.
Unwillkürlich dachten beiden an die Momente, in denen Seiya sich ohne zu zögern immer schützend vor Usagi geworfen hatte. Vor allem der Anschlag von Sailor Tin Nyanko, bei dem er sich diese schwere Kopfwunde zugezogen hatte, hatte sich unwiderruflich in ihr Gedächtnis eingebrannt.
Diese schreckliche Erinnerung, vor allem der Anblick des bewusstlosen Seiyas vor ihrem geistigen Auge, trieb Usagi fast die Tränen in die Augen, die sie gerade noch unterdrücken konnte.
»Ich würde es immer wieder tun«, sagte er schlicht und sah sie mit einem ernsten Gesichtsausdruck an. Er wusste genau, an was sie gerade dachte, und irgendwie wunderte sie das nicht mehr. Es war ihr schon immer so vorgekommen, als ob er in ihre Seele blicken und ihre Gedanken lesen konnte.
»Bitte nicht. Bitte verlass mich nicht …« Ihre winselnde Stimme war kaum zu hören. Immer noch war sie viel zu geschockt, um zu begreifen, was gerade geschehen war. Als sie sich Minuten später des Ausmaßes bewusst wurde, fiel alles in ihr mit einem Mal zusammen wie ein betagtes Haus, das abgerissen wurde.
Seiya hatte sie wieder beschützt. Diesmal endgültig mit seinem Leben. Er wurde direkt am Herzen getroffen. Und sein Herz … schlug nicht mehr.
Verzweifelt hielt sie sich den Kopf. Das durfte nicht wahr sein. »NEIN!«, schrie sie ein weiteres Mal aus vollem Halse und ließ all ihren Schmerzen freien Lauf.
Haruka, die gerade eine Vase hielt, ließ sie mit einem Mal achtlos fallen. Die Vase schlug mit einem lauten Knall am Boden auf und zersprang in tausende Scherben. Geschockt starrte sie nach unten.
»Haruka, was ist los?«, eilte Michiru sofort besorgt zu ihrer Freundin und ergriff sanft ihr Handgelenk.
Haruka suchte verzweifelt nach den richtigen Worten.
Unerklärlicherweise machte sich die unbändige Panik in ihr breit. »I- Ich weiß es nicht, aber … es ist etwas Schlimmes passiert. Irgendetwas stimmt bei Seiya und Usagi nicht. Wir müssen sie suchen. Sofort, bevor es zu spät ist; wir haben nicht mehr viel Zeit!«