Zeit des verlorenen Glücks von abgemeldet (epilog on) ================================================================================ Epilog: Telefonate ------------------ Ein zaghaftes Klopfen drang an Shinichis und Shinjis Ohren. Der Vater wandte den Blick vom Buch zur Zimmertür, sein Sohn blinzelte schließlich zweimal, holte die Munterkeit in sein Gesicht zurück, blieb jedoch gähnend, mit dem Kopf auf dem Bauch seines Vaters gebettet und den rechten Arm um diesen geschlungen, liegen. Obwohl der Detektiv spannend vorlesen konnte, hatte die Müdigkeit über den Willen gesiegt und der 15-Jährige hatte zuletzt Mühe gehabt die Augen offen zu halten. Doch vielmehr lag es an der Geborgenheit, die die ruhige Stimme eines geliebten Menschen in einem hervorrufen konnte. Sie beruhigte, hinterließ das Gefühl nicht allein zu sein, oder allein einzuschlafen. Es war schon irgendwie ein Wunder. „Komm doch rein, Mama.“ Leise forderte der Schüler seine Mutter dazu auf. Vorsichtig steckte Ran den Kopf durch die Tür. Sie lächelte augenblicklich, als sie erkannte das Shinichi dem Jüngsten im Raum aus einem Kriminalroman vorgelesen hatte. „Du ließt ihm vor...“ wieder lächelte sie, diesmal jedoch verlegen. „Auch wenn ich damals nicht oft das Vergnügen hatte, doch genossen hab ich es jedes Mal.“ „Aber scheinbar ist es nicht spannend genug, unserem Shinji fallen gleich die Augen zu.“ „Ich bin…halt müde…“ wieder gähnte der Jüngste und die Eltern lächelten ihrem Sohn sorgsam zu. „Du solltest langsam schlafen, schließlich ist es schon gleich Mitternacht.“ Sprach Ran und unterdrückte ihrerseits ein Gähnen. Denn auch sie kämpfte mit der Müdigkeit, da die letzte Nacht bedeutend kurz gewesen war. „Ich werde jetzt zu Bett gehen. Gehst du mit?“ Wieder wurde sie leicht verlegen als sie Shinichi mit der Frage anschaute. Der allerdings zog sie nur in einer raschen Bewegung zu sich herunter und drückte ihr einen Kuss als Antwort auf Shinjis müden Augen weiteten sich schlagartig. Noch immer sprachlos sah er zu wie sich sein Vater vom Bett erhob und nach einem ‚Gute Nacht’ und einem Grinsen die Zimmertür hinter sich und Ran zuzog. „Also doch…“ er lächelte Glücklich. Sie hatten wieder zu einander gefunden und das schneller als er je angenommen hätte. Zufrieden streckte er sich ein letztes Mal auf seinem Bett bevor er sich auf die Seite drehte und mit einem Lächeln auf den Gesicht einschlief. „Shinichi?“ fragend legte Ran den Kopf schief als sie zum Angesprochenen herauf sah. Besagter schloss sie jedoch in die Arme und drückte sie an sich. „Es ist besser dass er es mit Sicherheit weiß.“ Sachte schob sie ihn auf Armeslänge von sich. „Wahrscheinlich hast du recht.“ Nachdenklich senkte sie ihre Lider, dann schaute sie erneut zu ihm empor, fuhr mit ihrem Blick sein Gesicht nach. Zärtlich hauchte sie ihm einen Kuss auf die Wange, während sie mit ihren Händen seine großen umfasste. Er schloss nur die Augen, genoss das sanfte Gefühl der Geborgenheit und der Liebe, ließ sich förmlich in ihren Bann ziehen, als ihre Lippen seinen Mund berührten. Dieses Gefühl wurde jedoch für einen Moment unterbrochen, als sie sich auf ihre Fersen sinken ließ, damit den Kuss löste und ihn an der Hand hinter sich herzog. Sie lächelte dabei verlegen, schaute die meiste Zeit über ihre Schulter zu ihm herauf und umklammerte weiterhin fest seine Hand, gewillt diese nie mehr loszulassen. Leise betraten die Beiden ihr Schlafzimmer, schlossen die Tür ohne die Verbindung ihrer Blicke aufzugeben, bis sie schließlich durch einen Kuss dazu gezwungen wurden. Eine längere intensivere Berührung. Warme Blicke. Pochende Herzen. Die Nacht wurde ganz anders als die zuvor. Sie war ruhiger, fühlender, intensiver…Sie roch sein Haar als sie ihm über den Kopf strich ebenso wie er den samtigen Duft von ihrer Haut schmeckte als er sie küsste. Er spürte jeden ihrer Muskel unter sich zittern als sie zur Ekstase vordrang, während sie ihn nur mehr noch an sich presste um sich ihm hinzugeben. Als die Hitze zwischen ihnen vergangen war, sie nebeneinander liegend, schwer atmend zur Decke starrten, konnten sie das stetige Grinsen nicht mehr aus ihren Gesichtern vertreiben. Erschöpft beugte sie sich zu ihm rüber wobei ihr langes Haar ihn an Hals und Wange berührte. Sie tat nichts weiter als ihm in die Augen zusehen, die so tief und warmherzig dreinblickten, dass diese ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen und sie den Kuss vergaß den sie ihm zuvor hatte geben wollen. Sachte strich er ihr die braunen Strähnen hinter das zarte Ohr, wanderte mit der Hand unter ihrem Arm hinweg ihren Rücken entlang, drehte sich mit leichter Erhebung und bettete sie sorgsam unter sich ohne nur ein mal die Verbindung zu unterbrechen. Nun umspielte ihr dunkles langes Haar ihr Gesicht, welches einen hoffenden Ausdruck zeigte, denn ihre feinen Brauen zog sie sanft nach oben gen Stirn wo sich eine leichte Falte gebildet hatte. Ihr Mund lächelte zwar doch er verriet auch den Klos, der ihr im Hals steckte, sie kämpfte mit ihren Gefühlen, die sie mal wieder zu überwältigen schienen. Er wusste nicht, was er ihr sagen sollte, als er sie so sah. Die Zuneigung zu ihr wuchs von Augenblick zu Augenblick, doch die bekannten drei Worte gingen ihm noch nicht über die Lippen. Liebe. Richtige Liebe empfinden das konnte man noch nicht nach drei Tagen, das wusste er. Sie wusste es auch. Und doch waren sie verliebt. Verliebt, das Wort das den leichten Zustand beschreibt, das Herz zum Pochen bringt sowie man nur für einen Moment dem Blick des geliebten Menschen begegnet. Dieses oberflächliche Gefühl was uns zuerst zum Himmel schickt und uns dann meist schmerzhaft wieder landen lässt. Das alles nur weil dieses Wort zerplatzen kann wie eine Seifenblase... „Ich will nicht…dass…“ Shinichi hielt inne versuchte seinen Gedanken runter zu schlucken. „Was willst du nicht?“ Ran flüsterte, suchte seinen Blick. „Ich will nicht, dass das hier…“ Leicht ließ er seinen Kopf auf ihren sinken und berührte ihre Stirn mit seiner. „Ich will nicht, dass unser Traum zerplatz…“ „Haben wir denselben Traum?“ Ran streichelte ihm sanft durchs Haar. Lange sah er ihr in die blauen Augen, überlegte wie er ihr erklären sollte, was in ihm vorging „Ich möchte mehr für dich empfinden… versteh doch, ich möchte die Chance auf ein Leben mit dir und meinem Sohn.“ „Shinichi“ gerührt und überrasch sah sie ihn an, dann wurden ihre Züge weicher. „Ich will das doch auch…“ hauchte sie und verschluckte sich an den aufkommenden Tränen. Mit zittriger Hand fuhr sie an seinem starken Arm hoch, erfühlte die Erhebungen jedes weiteren gut trainierten Muskels auf dem Weg über die verbundene Schulter zu seinem Hals. Dort streichelte sie ihn, fuhr mit dem Daumen hoch zu seiner Wange und seinem Ohr. „Ich weiß, es hat dich viel Überwindung gekostet hier her nach New York zu kommen…“ Leise und langsam sprach sie weiter trotz der Tränen, die über ihre Wangen rollten. „Ich weiß jetzt welch ein Unrecht ich dir angetan habe, welch Glück ich dir verwehrt habe, indem ich dir nie von Shinji erzählte…Nur weiß ich nicht ob es ein Glück ist mit mir zusammen zu sein…“ Ihre Atmung ging schneller und viele Tränen kullerten unaufhörlich ihre Wangen hinab. Unter ihren Japsern konnte sie kaum mehr Luft holen, geschweige denn ganze Sätze formulieren. „Und Gott… ich wünschte ich könnte das alles… von damals…ungeschehen machen…“ Sie schluckte, drängte ihren Körper Trost suchend an ihn und er ließ sie gewähren, schlang einen Arm um sie und legte seinen Kopf an ihre bebende Wange. „…Ich bin dir so unglaublich…dankbar. Dankbar dafür, dass du mir noch in die Augen siehst…und uns nicht allein lässt…“ „Ran…“ Shinichi wusste nicht was er darauf antworten sollte, drückte sie stattdessen nur noch länger an sich, streichelte ihr durchs Haar und wartete geduldig bis sie sich beruhigt hatte. Mehrere Minuten lagen sie schweigend da, einzig und allein durch die Berührung ihrer Haut wurden sie gewärmt, die Zudecke lag derweil neben dem Bett. Ihr linkes Bein ruhte über seinem linken und ihr zarter Körper schmiegte sich an seine Seite, sie schloss mit dem gleichen Arm um seinen Bauch und ihr Kopf lehnte auf seine Schulter. „Bleib hier…“ leise kamen die Worte über ihre Lippen. „Was?“ er fragte zögerlich. „Bleib hier in New York, bei mir, geh nicht wieder nach Tokyo…“ „Ran, das wird nicht gehen und das weißt du…“ zärtlich drückte er ihr einen Kuss auf die Stirn. „Zu dem, meinst du nicht es ist zu spät in der Nacht um von ‚Zusammenziehen’ zu reden?“ Sie hingegen schwieg, denn auf einmal bestand eine Kälte zwischen ihnen und ihrer beider Körperwärme reichte nicht mehr aus. „Ich will bei euch sein, ohne Frage, doch ich kann und will hier in den USA nicht wieder neu anfangen.“ Er schluckte suchte nach Worten und starrte empor zur Zimmerdecke. „Was ich damit sagen will ist, dass Japan meine Heimat ist und dass es auch eure sein sollte. Zumindest würde ich es mir für euch wünschen.“ „Ich verstehe…“ sie schwieg einen Moment. „Das heißt wohl, dass du für eine gemeinsame Zukunft mit uns nicht deine Heimat opfern willst…“ „Ja, so egoistisch das klingt…“ Shinichi seufzte niedergeschlagen und zog Ran im nächsten Moment an sich. Sie erwiderte zögerlich dir Umarmung, sah ihm in die Augen. „Was muss ich tun damit du mich an erster Stelle stellst?“ ihre Stimme klang etwas traurig dabei. „Kommt mit mir nach Tokyo…“ Seine Antwort kam entschlossen zurück. „…“ Sie wollte etwas entgegenbringen, doch spürte sie seine Lippen auf ihren ehe ein Laut hervorkam. „Denk bitte darüber nach, Ran. Es soll allein deine Entscheidung sein, aber überstürze sie nicht.“ „Du machst es mir nicht leicht…“ Sie sehnte sich nach seiner Wärme, obwohl sie halb auf ihm lag, sie verzehrte sich nach seinen Küssen und Liebkosungen, die sie vor kurzem noch auf ihrer Haut gespürt hatte. Doch sie wollte mehr von ihm. Seelenruhig schlummerte Shinichi in den weichen Kissen, den Kopf leicht zur Seite gelegt, lag er auf dem Rücken umfasste kaum merklich den samtigen Körper neben sich. Rans Augen waren geschlossen, sie genoss den ruhigen Herzschlag dicht neben ihrem Ohr, da sie wie am Abend zuvor mit der Wange auf seiner Brust lehnte. Sorgsam hielten ihre linken Finger eine lange Strähne ihres dunklen Haares, spielten kaum merklich damit. Plötzlich musste sie lächeln, denn sein Arm unter ihrem Körper regte sich, umschloss sie mit einem Mal intensiver als zuvor, dabei rückte auch sein Kopf etwas mehr in ihre Richtung. Obwohl er schlief suchte er scheinbar ihre Nähe und es erfüllte sie mit Glück und Vertrauen ihm gegenüber. Aber als sich der Herzschlag an ihrem Ohr veränderte, schneller gegen seine Brust hämmerte, ahnte sie, dass in ihm etwas anderes vorging. Er träumte von etwas furchtbarem, das war gewiss und der plötzlich auftretende kalte Schweiß auf seiner Stirn unterstrich ihre Feststellung. Sachte strich sie ihm über seine Wange und durchs Haar, küsste ihn nachdem er leise mit den Lippen ihren Namen geformt hatte. „Ich bin hier…“ flüsterte sie beruhigend, streichelte erneut über seine Schläfe und die Wange hinab. Erschrocken öffnete er seine Augen und fuhr leicht zusammen, blickte dann für einen Moment alarmiert in ihr besorgtes Gesicht, ehe sich sein Herzschlag und seine Atmung verlangsamten und er sich beruhigte. Entschuldigend schlang er beide Arme fest um sie. Der Detektiv drückte sie an sich ohne ein Wort zu sagen, während er ihre Stirn mit einem Kuss besetzte. Nach einer Weile jedoch ließ er sie von sich und lächelte bestürzt. „Ich werde mal ins Bad verschwinden.“ Seine Augen erzählten ihr aber etwas anderes und sie lächelte ebenfalls. „Du brauchst kein schlechtes Gewissen haben, du hast mich nicht geweckt.“ „Das ist gut.“ Erleichtert durch ihre Fröhlichkeit gab er ihr einen weiteren Kuss auf den Mund, schlug die Decke zurück und schlüpfte in seine Boxershorts um seinen Gang zur Toilette anzutreten. Sie sah ihm nur nach, befangen von einem komischen Gefühl. Beängstigt dachte sie an seine Bitte von letzter Nacht. Denn wenn sie sich für ihn entschiede, dann müsste sie New York lebe wohl sagen, zumindest für eine längere Zeit. Zwar wollte sie nicht mehr ohne ihn leben, doch würde nicht auch sie ihre neue Heimat und Job aufgeben müssen, ebenso wie das nicht abbezahlte Haus? Aber diese Dinge, waren sie gleichzusetzen mit einem Leben das sie sich schon immer gewünscht hatte? War New York wirklich zu ihrer Heimat geworden? Verkrampft schloss sie die Decke in ihre Fäuste und zog sie über sich. Es wäre ein Neubeginn mit vielen Hürden. Das Arrangement einer Beziehung müsste den neuen Gegebenheiten standhalten und Platz für neue Pläne bieten. Welche Pläne? Heirat, Heim, Familie, Kinder, Glückseligkeit, etwa? Sicher war es zu früh von solchen Zielen zu sprechen aber, der Wunsch den er zuvor geäußert hatte, für sie mehr empfinden zu wollen, war doch erwähnenswert, oder nicht? Würde er sein Versprechen wahr machen und sie an erster Stelle setzen, wenn sie mit ihm ging, oder würde sie nur immer bis spät in die Nacht darauf warten, dass er von einem Fall nach Hause kam… Zaghaft erhob sie sich, streifte sich sein Hemd über, nach ihrer Unterwäsche, und roch seinen angenehm männlichen Geruch. Danach verließ sie das Zimmer und vernahm das Rauschen der Dusche als sie vor der Badezimmertür stehen blieb. Dennoch trat sie ein, mit einem Lächeln das ihre Sorgen verschleiern sollte. Shinichi stellte das Wasser ab als er fertig war schob den Vorhang zur Seite und stieg aus der Duschwanne, schlang sich ein Handtuch um die Hüften, um sie schließlich mit einem besorgten Ausdruck anzusehen. „Du denkst darüber nach, mmh?“ Sein strubbeliges Haar tropfte in sein Gesicht, ein Tropfen lief ihm über die Wange ein anderer bahnte sich an der Nasenspitze einen Weg. Sie nickte nur und fragte. „Wie kann ich wissen, dass du uns nicht vernachlässigen wirst?“ „Wissen? Gar nicht...“ Er lächelte „Vertrau mir…“ Sie schmunzelte leicht und sah ihm bittend in die strahlenden Blauen. „Hilfst du mir?“ Nun lachte er herzlich, zog die verwunderte Frau zu sich in die Arme. „Warum bist du nur der Meinung, dass du allein mit allem klar kommen musst? Eine Beziehung bedeutet doch gemeinsam das Leben zu meistern…“ Sie hielt inne und verspürte wieder diese Wärme. „Ich weiß die Unterhaltung letzte Nacht hat dich kalt erwischt, ich wünschte ich hätte es besser ausgedrückt…nur ich bin Realist…naive Hoffnungen liegen mir nicht.“ „Und was ist mit unserem Traum, ist dieser auch eine naive Hoffnung?“ Sie war aus seinen gestrigen Worten nicht ganz schlau geworden. Warum nur war auch er nicht bereit für diesen Traum seine Heimat zu opfern? Verlangte sie damit zu viel von ihm… „Nein, das ist er nicht. Wenn ich von einem Traum spreche, dann meine ich ein Ziel, das man durch Anstrengung erreichen kann. Eine naive Hoffnung allerdings liegt abseits aller Möglichkeiten, ist mehr schmerzliche Heuchelei als Logik und Realismus.“ „Ist das der Grund, warum du deinen Umzug nach New York gar nicht in Betracht ziehst?“ „Auch, ja…“ er seufzte. „Ich mag die USA, aber Japan ist meine Heimat und mir als diese unersetzbar. Das Opfer, welches ich mit einem solchen Umzug bringen würde, ist wissendlich zu groß für mich. Die Hoffnung hier mit euch glücklich zu werden, ist eben nur diese. Eine naive Hoffnung.“ Er hielt sie auf Armeslänge von sich. „Zudem glaube ich nicht, dass du Japan hinter dir gelassen hast.“ Sie wandte unsicher ihren Blick ab. „…Deshalb bittest du mich um das Opfer…“ „Nicht nur.“ Er hauchte nur die nächsten Worte. „Ich möchte wissen, wie ernst es dir ist, ob du bereit bist New York für lange Zeit ‚adieu’ zu sagen, um mit mir dein Leben zu verbringen.“ „Ein Vertrauensbeweis?“ zwei gespalten betrachtete sie ihn. Dachte er etwa ihre Verliebtheit könnte zu Gleichgültigkeit umschlagen, wenn er sie vor so eine Frage stellte? „Ich weiß nicht ob es so etwas ist, doch es bedeutet mir viel...“ Seine Lider waren gesenkt und nur schwach kamen die Silben über seine Lippen. „Ich will nur klare Verhältnisse…“ „Meinst du denn, es ist einfach für mich in Japan einen guten Job zu finden? Du kannst dir denken, dass das Haus erst zur Hälfte abbezahlt ist und wenn ich meinen Job kündige, bekommt die Bank kalte Füße…“ missmutig wandte sich Ran ab, lief ein paar Schritte im Badezimmer umher. „Ich weiß davon. Aber wir werden, wenn wir uns bemühen, schon eine Lösung dafür finden.“ „Und wenn nicht?“ etwas verzweifelt streckte sie ihre Arme von sich. „Wenn wir es jedoch hinbekommen, ich meine unser Leben ins Gleichgewicht bringen können und unsern Traum erfüllen, dann werden wir nie wieder allein und von einander getrennt sein.“ Er lächelte liebevoll, fasste sie bei den Schultern. „Und das ist doch ein ermutigender Gedanke?!“ Erschrocken sah sie ihn an. „Shinichi…“ Die Bedeutung seiner Worte stand ihm ins Gesicht geschrieben. Er stellte sie vor die Wahl: entweder die Aufgabe ihres Jobs und ihrer Wahlheimat oder der Anfang vom Ende einer dann chancenlosen Beziehung in New York. Doch sie verharrte noch immer in ihrer Entscheidung. Warum nur fiel es ihr so schwer? Sicher war es ihre Natur als Anwältin alles genau zu durchdenken und zu planen, doch auch ihr Bauchgefühl schien zu schweigen. Er sah sie an, las die Unsicherheit in ihren Augen und seufzte. „Ran…“ weich sprach er ihren Namen mit so liebevoller Betonung, das sie eine Gänsehaut bekam. Als sie aufsah, zu ihm wusste sie wie sie sich entscheiden musste. Shinichi trat durch die automatische Glastür, die Ankunftshalle von Gepäckhalle trennte. Er hatte geschlagene 12 Stunden Flug hinter sich, die er teilweise schlafend überdauert hatte, gähnte jedoch herzhaft während er den Gepäckwagen vor sich her schob. Nachdem er bei der Flughafensonderzollzentrale seine Dienstwaffe bei den dafür zuständigen Kollegen „verzollt“ hatte, organisierte er sich ein schnelles Frühstück in einem der zahlreichen Bistros. Das europäisch gehaltene Bistro, das er auswählte, war eines im oberen Stockwerk, nach hinten durch eine Glasfront geschlossen, durch die man auf den Flugplatz schauen konnte, wenn man an einem der anliegenden Tische platz nahm. Zügig bestellte er am Tresen einen Mokka Grande, dazu ein mit Salat, Gurken, Tomaten und Schinken belegtes Baguette. Während er an seinem Kaffee nippte, angelte er sein Mobiltelefon aus der Tasche, tippte etwas darauf herum, bis das Gerät wieder den heimatlichen Empfang suchte. Ein zufrieden stellendes Piepen drang an sein Ohr kurz darauf der E-mail- Ton. Mit einem Lächeln las er die wenigen Worte, die kurz nach seinem Abflug bereits versand worden waren. „Wir vermissen dich jetzt schon!“ Eigenartig schwer wurde ihn ums Herz, als ihm bewusst wurde, dass zu Hause niemand auf ihn warten würde. Dann lachte er leise. Doch Rai würde schon sehnsüchtig auf ihn warten. Tja der Hund der für sein Junggesellenleben stand, würde sich erstmal an den familiären Neujahrsstress gewöhnen müssen. Sehnsüchtig sah er aus dem Fenster, beobachtete die aufgehende Sonne über dem Meer in der Ferne. Der 24. Dezember war angebrochen. Ein Tag an dem ihm noch viele Mordfälle begegnen würden. Gedankenverloren verließ er nach einer halben Stunde den Flughafen. Es dauerte einen Moment bis er ein freies Taxi ergattert hatte und sich auf den Weg zu seiner Villa machen konnte. Die munter werdende Stadt zischte an dem Detekteichef vorbei, er lugte kurz nach draußen, ehe er sich seinem Telefon widmete. Immer wieder fuhr der Fahrer über die verschiedensten Hochstraßen und Brücken und ließ endlich den südlichen Teil der Stadt hinter sich. Nun würde es noch eine viertel Stunde dauern. Shinichi sah wieder zu seinem Handy. In New York war es nicht halb sechs morgens sondern noch halb neun abends am Vortag. Sicher konnte er noch anrufen, hatte Ran doch ausdrücklich darum gebeten, dass er sich melden sollte, wenn er gelandet sei. Schnell waren die wenigen Tasten gedrückt und in New York klingelte das Telefon. Ran schaute, während sie den großen Abwasch erledigte, auf die Küchenuhr. Gerade als sie dachte, das ein gewisser Japaner sich dazu hinreißen könne ein Lebenszeichen von sich zu geben, drang der Klingelton an ihre Ohren. Hastig trocknete sie ihre Hände ab und griff zum Hörer. „Shinichi, bist du es?“ Der Detektiv grinste am anderen Ende der Welt. „Wer sonst?!“ Die New Yorkerin lachte erleichtert. „Wie war dein Flug?“ beruhigt seine Stimme zu hören setzte sie sich auf einen Küchenstuhl, spielte mit einer Kordel ihrer Schürze. „Ich habe viel geschlafen, du kennst mich ja…“ Er musste durch den Gedanken gähnen und hielt derweil das Gerät etwas abseits. „Dem vielen Kaffee zum Trotz, bin ich immer noch müde.“ „Arbeite nicht so viel heute, wenn du derart kaputt bist, versprichst du mir das?“ Sorge klang in ihrer Stimmer mit. „Du weißt dass ich eine Menge aufzuholen habe…“ er verdrehte kurz die Augen, verfiel aber in einen liebevollen Blick. „Shinichi…“ sie seufzte. „…Pass auf dich auf…“ Er lächelte wieder. „Das mache ich…“ Eine Pause entstand, in der sie still ihre Sehnsucht ausdrückten. Dann brach die Anwältin die Ruhe. „Hast du unsere Nachricht bekommen?“ „Ja.“ Knapp kam seine Antwort zurück, was sie ungewollt enttäuschte. Doch durch einen weiteren Satz schickte er sich an, das Telefonat zu beenden. „Wir telefonieren morgen wieder, in Ordnung?“ „Ich würde mich freuen wenn du dich meldest.“ Leise erhob sie sich von dem Stuhl wollte ihm noch einen schönen Tag wünschen bevor er auflegte. „Ran?“ Stattdessen hörte sie seine Stimme noch mal. „Ja?“ Neugierig antwortete sie „Ich vermisse euch auch…“ er lächelte. „Das solltest du noch wissen…“ Darauf schmunzelte sie vor Freude hielt den Hörer fest in ihrer Hand. Er wusste, dass er einen glücklichen Ausdruck auf ihr Gesicht gezaubert hatte. „Sag, Shinichi wie sieht Tokyo aus?“ Der angesprochene sah aus dem Fenster. Die Frage von Ran war schwer zu verstehen gewesen. Natürlich wollte sie nicht wissen ob die Stadt groß war oder schneeweiß. Eher fragte sie nach dem Gefühl der Heimat und der Detektiv wusste das. „Tokyo ist… so vertraut und geheimnisvoll wie eh und je, sanft und stürmisch zugleich…“ Melancholisch lächelnd beobachtete er die ersten Sarariman, welche die Straßen bald zu Tausenden überfüllen würden, auf dem alltäglichen Weg zu ihrer Arbeit. Die ersten Schulkinder würden bald folgen. Ebenso wie die Rentner, die aus ihren viel zu abseits gelegenen und zu kleinen Wohnungen in die Gemeindehäuser fahren würden, um dort mit rüstigen Gleichaltrigen eine Partie Shogi zu spielen. „Die Stadt wacht auf, zieht dich hinein in ihre Welt, lässt dich die gewohnte Atmosphäre einatmen, und macht dich zu einem Teil des ganzen lebhaften, zielstrebigen Lebens, das sie verkörpert.“ „Genau wie früher, also?“ sie sah verträumt ihrerseits aus dem Küchenfenster hinaus erblickte eine ganz andere Gegend. „Nicht ganz wie früher…“ entgegnete er mit einem leidvollen Hauch in der Stimme. „Seit unserer Schulzeit hat sich so manches verändert…“ „Wir sind älter geworden, das meinst du doch?“ zaghaft kam ihre Stimme aus dem Gerät. „Ja auch…“ Er blieb ihr eine genauere Antwort schuldig, denn soeben fuhr der Wagen in seine Straße ein. „Das Taxi ist da, ich melde mich…“ sprach er verabschiedend ins Telefon „Träume süß, schlaf’ gut, und umarme Shinji von mir.“ „Mache ich. Denk an uns, aber nicht zu viel…“ Sie lachte. „Denk lieber an deine Arbeit das ist sicherer für dich.“ Auch er lachte am anderen Ende, sie jedoch schwieg nach einer Weile und er verstummte ebenfalls, saß regungslos im Taxi. „Du bedeutest mir viel, Krimispinner, vergiss das nicht.“ „Tu ich nicht. Halte du dir nur die aufdringlichen Amerikaner vom Leib, solange ich das nicht übernehmen kann… Karatefurie.“ Sie griente und er legte zufrieden auf. Schwermütig sah er durch das Wagenfenster auf die verschneite Straße, hinauf zu den bedeckten Dachpfannen seines Hauses, welches hinter verschneiten zu großen Hecken verborgen lag, dann bezahlte er das Taxi und stieg aus. Frierend schloss er das Gatter zu seinem Anwesen auf, wartete mit dem Koffer an seinem Auto vorbei durch den Schnee, um die paar Treppen zur Haustür hinauf zu schreiten und einzutreten. Eine seltsame Leere umgab das Haus und irgendwie war ihm, als ob er die Familie vermissen würde, welche sich erst in naher Zukunft zum ersten Mal gründen würde. Das Gemäuer wirkte kühl, zwar stand die Heizung nur auf mindest Temperatur, obgleich kam die Kälte nicht von der Grandzahl. Schnell war der Koffer ausgepackt, die Heizung aufgedreht, der Hund vom Professor abgeholt, doch das Gefühl blieb. Er schüttelte den Kopf dachte etwas wie ‚Shinichi, du wirst alt und sentimental’ und betrat das Bad um ausgiebig zu duschen und sich zu rasieren. Er wusste genau, dass er heute Abend erst tief in der Nacht von der Arbeit nach Hause kommen würde, und das Fehlen einer Familie zu diesem Zeitpunkt kaum mehr von Belang sein würde. Er behielt Recht. Denn tatsächlich war er um halb zwei Uhr morgens so erschöpft, dass er schlurfend ins Bett fiel und von Bauchschmerzen geplagt erst später einschlafen konnte. Der viele Kaffee gepaart mit zu weniger fester Nahrung, hatte seine Verdauung gekillt. Er bereute mit seinem letzten Gedanken, vor dem erlösenden Schlafe, nicht noch einmal in New York angerufen zu haben. Er hoffte nur das Ran nicht enttäuscht deswegen war. Der folgende Tag verlief ähnlich im Ablauf. Nach einem Ausgiebigen Frühstück, der Magen hatte sich nach dem dritten Toilettengang wieder beruhigt, joggte der 34-Jährige eine kleine Runde durch die Nachbarschaft, wobei er den eher genervten Hund mitschleppte. Rai mochte keine Kälte ebenso wenig den frühen Morgen, lediglich der dünne Schnee an manchen ungeräumten Straßenecken verleitete den Rüden zum Spielen und Schnüffeln. Eine Dusche folgte vor der Arbeit, welche ebenfalls durch Außeneinsätze und Konferenzen in die Länge gezogen wurde. Später am Abend blickte der Detektiv gerädert auf den Aktenstapel vor ihm, der ebenso wie die rot umrahmten Interaktionen und Aufträge der Keisatsucho in dem Aktenkoffer neben ihm unmerklich weniger wurde. Natürlich handelte es sich nicht um Papierakten sondern um verschlüsselte Daten-CDs, doch diese Tatsache machte es nicht gerade erträglicher. Seine gesamten Einheiten arbeiteten an den Fällen, jede an dem Fall, der am Besten auf das Spezialgebiet der jeweiligen Einheit passte. Die Moral der Mitarbeiter sank durch die Überstunden, obwohl sie besser bezahlt wurden als normale Arbeitsstunden und über dem durchschnittlichen Prozentsatz für Zuschläge lagen. Denn nicht nur das Privatleben des Bosses litt darunter. Das Gespräch am nächsten Tag mit dem Finanzberater würde zeigen, ob die Rendite ausreichen würde um für jeden einen Neujahrszuschlag abteilen zu können. Doch ein Blick auf die großen schwarzen Zahlen des letzten Quartals ließ ihn zuversichtlich denken. Das versprochene Melden in New York jedoch, vergaß er über dem Schreibtisch und wie am Vortag landete er erschöpfter als am Vortag in seinem Bett. Das er vor zwei Tagen noch in New York bei seiner, nun neuen und alten Liebschaft und seinem Sohn gelebt hatte, erschien ihm jetzt wie ein Traum, so unwirklich und unvorstellbar, weil die Einsamkeit ihn jeden Morgen übermannte. Nur zu sehr wollte er ihre Stimme hören, ihr Lächeln sehen und ihr volles Haar zwischen seinen Fingern halten, ihr in die Augen sehen. Ebenso wollte er sein Kind in dir Arme schließen, ihm die Welt erklären, ihm mit Rat und Tat zur Seite stehen und dessen Geschichten lauschen. Oh, wie die Verliebtheit in peinliche Sehnsucht umgeschlagen war, so hatte sich auch sein Eifer in Müdigkeit verwandelt. Hoffentlich ging es ihnen beiden gut. Was sein Sohn wohl machte? In New York war es gerade früher Mittag, zuhause würde er niemanden erreichen, dachte er und legte sein Handy zurück auf den Nachttisch. Am nächsten Morgen würde er sich melden, das nahm er sich strengstens vor. Das Telefon klingelte gedämpft, doch schrill durch das Haus Kudo. Verschlafen kroch Shinichi aus dem Bett, griff nach seinem Handy um das Gespräch entgegenzunehmen, merkte jedoch, dass dieses nicht den nervtötenden Ton von sich gab. Er brummte etwas leidig vor sich hin, weil Rai keine Anstalten machte aufzuwachen. ‚Dieser Hund’ dachte er und schlurfte durch den Flur zur Kommode, wo das Gerät läutete. „Ja, hier Kudo…“ „Shinichi ich bin’s…“ „Mutter?“ entsetzt schaute er auf die Uhr. „Bei euch ist es mitten in der Nacht, warum rufst du an?“ „Weil du für Neujahr noch einiges einkaufen musst und unser Flug erst gegen Abend an Sylvester ankommt. Ich brauche soviel Zeit in der Küche wie möglich, da wäre es das Beste wenn du zumindest die Besorgungen erledigen könntest.“ „Deshalb rufst du mitten in der Nacht an?“ „Na hör mal, hätte ich dich erst mittags auf deinem Handy angerufen, hättest du keine Zeit gehabt und mir obendrein eh nicht richtig zugehört!“ „Mama…“ „Ich kenne dich Shinichi Kudo. Also ich schicke dir die Einkaufsliste per E-Mail.“ Sie seufzte am anderen Ende „Aber vergiss es nicht.“ „Nein.“ „Noch etwas, bevor du auflegst…Ran und du, ihr habt wieder zu einander gefunden, nicht war?“ Yukiko klang sanfter und nicht mehr energisch wie zuvor. Shinichi lächelte milde. „Ja, wir sind verliebt und gehen davon aus, dass sehr viel mehr daraus wird.“ Yukiko schmunzelte und sprach „Davon gehe ich auch aus. Doch in Sachen Liebe…mmh.“ Sie überlegte eine Weile. „Wird sie wirklich nach Japan zurückkommen, ganz allein deinetwegen?“ „So sehr ich es mir wünsche, doch das liegt nicht in meiner Hand…“ „Irrtum mein Lieber, das kannst DU am meisten beeinflussen. Komisch, das du das nach deinen ganzen Affären immer noch nicht begriffen hast.“ Yukikos Stimme klang vorwurfsvoll. Shinichi stockte nur in seiner Antwort „Ruf sie an, gib ihr das Gefühl das du es ernst meinst, immer und immer wieder. Wenn du sie jetzt vernachlässigst, bekommt sie den Eindruck, dass du es auch in Japan tun wirst. Du darfst ihr Vertrauen nicht enttäuschen.“ Er seufzte resigniert. Seine Mutter hatte Recht, mal wieder. „Ich weiß schon. Ich schalte in Liebes- Angelegenheiten scheinbar wie ein Nashorn.“ „Nein. Du denkst wie alle Männer, dass es reicht einer Frau konkret ein Geständnis zu machen ihr etwas verbal mitzuteilen. Ihr seid zu pragmatisch veranlagt. Gesten und Verhaltensweisen werden von Frauen mehr interpretiert und stärker gewichtet.“ Shinichi lächelte. „Danke dir. Du solltest ein Buch schreiben.“ „Lieber nicht, dein Vater kann Konkurrenz nicht leiden.“ Shinichi lachte und verabschiedete sich von seiner Mutter, die das Gefühl hatte Ran geholfen zu haben. „Bis in ein paar Tagen dann.“ „Du weißt ja, wir landen gegen 18 Uhr Ortszeit an Silvester.“ „Ja, ich werde euch abholen.“ Entgegnete Shinichi lächelnd, doch klang unterschwellig ein genervter Ton mit. Seine Mutter war nun mal eine Klatschtante und am Telefon nur äußerst schwer abzuwimmeln. „Ach ja, wann kommen denn Ran und mein Enkel an?“ Die Großmutter hätte dies fast vergessen, aber eben nur fast. Sie tat somit alles um das Gespräch in die Länge zu ziehen. „Eine halbe Stunde vorher.“ Seufzte Shinichi und sah auf die Uhr. Bald würde es sich nicht mehr lohnen, sich noch einmal ins Bett zu legen bis der Wecker klingelte. „Ich freue mich riesig. Dein Vater übrigens auch. Obgleich er es sich nicht anmerken lässt, doch auch er hat sich immer einen Enkel gewünscht.“ „Wirklich?“ der erwachsene Sohn am anderen Ende zog die Augenbrauen hoch. „Stell dich nicht dümmer als du bist…“ Die Frau seufzte. „…Er liebt dich und will wie jeder Vater, sowie auch du es nun willst, dass sein Sohn glücklich wird.“ Eine Stille herrschte plötzlich und er erkannte erst durch die Worte seiner Mutter, dass er seinem Vater das eine oder andere Mal Unrecht getan hatte. Vielleicht war der frisch gebackene Großvater innen drin genauso herzlich und von Stolz für seinen Sohn erfüllt wie früher, vielleicht war er es die ganze Zeit gewesen, hatte nur als er und vor allem sein Sohn älter wurde aufgehört es zu zeigen… Vielleicht. „Ist gut, Mama. Schon wieder behältst du recht.“ Die Frau lachte am anderen Ende triumphierend. „Schon komisch….“ Shinichi brach ab als es ihm bewusst wurde. „Was denn?“ „Seit dem Tag an dem ich erfahren habe, dass Shinji mein Sohn ist, hat sich in mir was verändert. Als ich dann die Woche später angeschossen wurde, hab ich erst durch seine Reaktion darauf begriffen, was es heißt Vater zu sein…“ „Shinichi…“ „Ich werde mir das nächste Mal dreimal überlegen ob ich hinter einem Mörder herlaufe. Jetzt wo er seinen Vater endlich gefunden hat, muss er ihn auch behalten solange er möchte, unter einer Ausnahme…“ „Was meinst du?“ „Schon gut, ich bin noch zu müde…Bis in drei Tagen dann…“ „In Ordnung, heben wir uns dein Rätsel für später auf.“ „Schlaf gut Mama, und grüß’ den verschlafenen Kriminalautor von mir, der vermutlich gerade hinter der Wohnzimmertür steht und dem Telefonat lauscht, welches du der Bequemlichkeit halber auf Lautsprecherfunktion gestellt hast.“ Ein komisches plumpes Geräusch war zu hören, dann ein schrilles Lachen von Yukiko. „Woher wusstest du nur?“ quiekte sie in den Hörer. „Dein Vater hat sich gerade tierisch den Kopf gestoßen und erst das ertappte Gesicht solltest du sehen!“ Dann gelang auch das leise Lachen Yusakus an Shinichis Ohren und der Detektiv musste in den Hörer grinsen. „Es war zwar geraten, aber die Chancen standen nicht gerade ungünstig.“ „Du hast deinen eigenen Vater also verpfiffen…“ Yusaku benutzte eine gespielt beleidigte Stimme. „Mein Sohn…“ Doch der Ton wurde heiterer, es klang etwas Stolz mit nur um schließlich eine nachdenkliche Pause zu hinterlassen. „Deine Mutter hatte Recht, ich freue mich wirklich auf Neujahr und auf meinen Enkel. Jedoch klang er vorhin so, als hättest du ihren Worten nicht ganz geglaubt.“ „Ich war mir deiner Meinung nicht ganz sicher. Das ist alles.“ Erwiderte der 34-Jährige und enttäuschte den Kriminalautor mit der Antwort. „Wir müssten mal reden…“ Beide Männer wussten, dass sie sich in Japan dringend aussprechen mussten. Shinichi bemerkte das seinem Vater etwas auf dem Herzen lag und auch er wollte sich seit den letzten paar Jahren wieder mit ihm versöhnen. „Du hast Recht, das sollten wir tun.“ „Ich möchte nicht, dass du eine falsche Vorstellung von mir bekommst, wenn du dir meiner Meinung nicht mal mehr sicher bist…“ „Ich verstehe…“ Shinichi seufzte. „Wir sehen uns in ein paar Tagen.“ Nach einem „Bis Dann“ seiner Eltern legte er auf, doch ein bitterer Nachgeschmack blieb. Es war seltsam doch seine Mutter hatte eine Sache angesprochen, die ihm nicht ganz über die Lippen wollte, die dennoch legal und wirklich war. Er war Vater und als solcher, und so verhielt es sich mit vielen Vätern, liebte er sein Kind bedingungslos. Er würde wohl alles tun, damit es ihm gut ergeht und noch etwas mehr. „Yusaku, was meinte er wohl, als er sagte er würde alles abgesehen einer Sache tun um für seinen Sohn am Leben zu bleiben?“ Yukiko setzte sich zu ihrem Mann auf das Sofa, strich nachdenklich mit ihren Fingern durch ihr Haar. „Mmh“ Dieser verschränkte die Arme hinter seinem Kopf. „…Weiß du noch als Shinichi zur Welt kam?“ „Blöde Frage…Das war der schönste Moment meines Lebens, als mir die Schwester den schreienden Shin-chan in den Arm gelegt hat.“ Die Schauspielerin klang etwas empört, dann jedoch schwelgte sie mit sanftem Gesichtsausdruck in Erinnerungen. „Alle vorherigen Schmerzen waren wie weggeblasen…alles wurde neben unserem Baby bedeutungslos.“ Yusaku erhob sich, streckte seine Glieder. „Siehst du. Genau das meinte er.“ Abwinkend spazierte er in die Küche um sich ein Glas Wasser zu holen, Yukiko jedoch folgte ihm irritiert. „Diese eine Sache…in wie weit hängt sie damit zusammen?“ „Wenn alles neben dem Leben deines Kindes bedeutungslos wird, was ist dann mit deinem eigenen Leben?“ „Du meinst doch nicht etwa…“ „Doch. Wenn er sein Kind retten könnte indem er sein eigenes Leben opferte…Glaub mir, dann würde sich Shinichi zufrieden lächelnd selbst in Brand stecken…“ Die Stimme des Großvaters war gedämpft, hallte jedoch in dem kalten Raum wider. Ihr Blick nahm traurige Züge an. „Ich weiß jetzt, was du meinst.“ Sie lächelte niedergeschlagen. „Es gab eine Zeit, in der auch ich es getan hätte…“ Yusaku nickte. „Mmh. Mir geht es da genauso.“ Dann nahm er seine Frau in den Arm. „Ich kann dir nur nicht mit Gewissheit sagen, ob diese Zeit wirklich schon vorbei ist“ Die Woche verging schnell. Shinichi hatte immense Mühe den Aufträgen hinterher zu kommen und verbrachte sogar die eine oder andere Nacht im Büro bei Ermittlungsarbeiten oder in verrauchten Bars um sich mit Informanten zu treffen. Der neue Schwerpunkt der Ermittlungen, die Aufdeckung von einer großen Reihe an illegalen Geld- und Waffenveruntreuungen, lief lediglich über die Keisatsucho und den damit verbundenen Stab an Beamten, von denen Shinichi unter der Hand ein hochrangiger war. Wie sich herausgestellt hatte und nun seine Quellen bestätigt hatten, steckte die Yakuza in der Sache mit drin. Eine Tatsache, die es schwierig machte zu operieren. Das japanische FBI hielt es sogar für gefährlich und dumm gegen die heimische Mafia vorzugehen, was Shinichi bestätigen konnte als er an deren Splittergruppe „Die Schwarze Organisation“ dachte. Doch wusste er, dass hinter den Gründen der Keisatsucho auch ein anderer mitspielte. Es war anzunehmen, dass die Yakuza nicht nur den einen oder anderen Politiker bestach oder erpresste, Politiker, die wiederum einen großen Einfluss auf die Geheimdienste hatten, unter anderem ahnte er, dass bereits Bosse der Geheimdienste selbst bedroht wurden. Der Detektiv wusste genau woran er dachte, denn bei ihm hatte es die Yakuza ebenfalls versucht, was allerdings schon Jahre her war. Sie hatten ihn damals verfolgt, einmal durch eine Schlägertruppe windelweich prügeln lassen, seine Straße und sein Haus beobachtet, sie hatten sogar sein Handy geortet um ihn besser jagen zu können. Alles nur um ihn zu bedrängen und ihn in einen Handel zu zwingen. ‚Schweigen über ihre „Projekte“ gegen vorläufige Sicherheit’, hatten sie es genannt. Zu jener Zeit hatte er angefangen Judo zu trainieren, weil Fußbälle im Nahkampf keine gute Waffe abgaben, doch nachgegeben hatte er nicht. Er wurde auf Inspektor Megures Rat hin, was die Korruptionen im Land anging, zwar stiller und brachte nichts mehr an die Öffentlichkeit, doch forschte er im Dunkeln weiter um hier und da ein paar Pläne der Yakuza zu durchkreuzen. Er wusste selbst, dass ihn, sollte der aktuelle Fall wirklich auf die Rechnung der Yakuza gehen, die Hände gebunden waren. Zwar hatte die Mafia aufgehört ihn zu jagen, doch wusste der Detektiv, dass sie nicht davor zurückschrecken würden die Jagd wieder aufzunehmen, ihn sogar zu töten, sollte er ihre Macht bedrohen. Er dachte an seine Familie, nun ja an die Familie, die sich hoffentlich bald gründen würde, dachte an Shinji und an das Versprechen, das er ihm gegeben hatte, nämlich auf sich aufzupassen und das eigene Leben nicht unnötig zu riskieren. Er würde es halten, selbst wenn das bedeutete seinen eigenen Moralvorstellungen zu widersprechen. Die Frage, womit er am besten leben konnte, war auf dem Gebiet einfach zu klären. Wenn er schwieg, würde ihm ein Leben mit schlechtem Gewissen blühen, wenn er die Mafia hochgehen ließ, dann würde er kein Leben mehr haben worüber er sich Gedanken machen könnte. An dem Vorabend vor Sylvester hatte Shinichi gerade einen Freund und Kollegen vom Geheimdienst namens Hamada Tsuyoshi in einer etwas herunter gekommenen Bar in Aoyama getroffen, als er auf dem Heimweg in ein Taxi stieg und Rans New Yorker Nummer wählte. Er bereute, dass er dem Rat seiner Mutter nicht all zu sehr Folge geleistet hatte. Schließlich hatte er in der vergangenen Woche nur zwei weitere Male angerufen. Das eine Mal davon, hatte er zudem auch nur mit Shinji telefoniert, weil Ran in der Kanzlei gewesen war. Hoffentlich war sie nicht unsicher geworden, was ihre Beziehung betraf. Hoffentlich vermisste sie ihn ebenfalls so sehr, wie er sie vermisste. Hoffentlich. Er seufzte, schaute für einen Moment aus dem Fenster des schwarzen Taxis, beobachtete die vielen Lichter, die an ihm vorbeirieselten. Er vergaß fast das tutende Handy an seinem Ohr, bis dann plötzlich ihre Stimme erklang. „Ran Mori…“ „Ich bin es…“ „Shinichi…“ ihre Stimme klang seltsam in seinem Ohr. Vielleicht sehnsüchtig, vielleicht etwas verbittert. Als er jedoch nicht antwortete, wurde ihr Ton sorglich. „Was ist mit dir?“ Ihre Stimme tat ihm gut. Die Vorstellung von ihr erfüllte ihn ebenfalls mit Wärme sowie es ihre Worte taten. Die Möglichkeit jedoch, dass sie vielleicht nicht zurück nach Tokio kommen würde, erfüllte ihn mit Angst. Angst, die ihm bis dato nicht bewusst geworden war. Er beschloss ehrlich zu sein. „Ich hätte öfters anrufen sollen.“ „Ja schon, doch…“ „Nein, du musst wissen, was du mir bedeutest. Ich vermisse dich nämlich und du sollst keinen falschen Eindruck bekommen.“ „Shinichi, sag, hast du Angst ich würde heute Abend nicht in das Flugzeug steigen?“ „Wenn du es so ausdrückst.“ Sie sagte nichts, versuchte sich in seine Lage zu versetzen. Sie erkannte das ihn das schlechte Gewissen plagte und er deshalb Angst bekommen hatte sie verprellt zu haben. „Du hast dich was das angeht nicht viel verändert…“ fing sie an. „Aber ich weiß es besser als damals.“ ‚Du arbeitest dich wahrscheinlich halb tot, um dir die Feiertage freinehmen zu können.’ Dachte sie, wissend dass sie Recht damit hatte. „Solange du nicht an den Feiertagen arbeitest, wenn wir da sind, halte ich es auch eine Woche ohne täglichen Zwischenbericht aus.“ Sie lachte leise ins Telefon zauberte ihm damit ein Lächeln auf die Lippen. „Danke Ran.“ Flüsterte er erleichtert. „Eine Sache noch, sag’ mir, was wünscht ihr euch eigentlich zu Neujahr?“ Wieder lächelte sie und atmete etwas lauter ins Telefon. „Ich glaube, dass wir beide uns einfach eine schöne Zeit in Tokio wünschen.“ „Das mein ich nicht…“ „Ich weiß was du meinst… Und würde ich Shinji danach fragen, entgegnete er bestimmt mit dem Wunsch nach neuen Fußballschuhen, einer E-Gitarre, und einem eigenen Fernseher. Doch dann würde er alles von seiner Wunschliste streichen und nur ein Wort oben stehen lassen.“ „Familie“ „Genau…“ Sie seufzte. „Ein bisschen wie in dem Film: „Das Wunder von Manhattan“, meinst du nicht?“ „Ja. Stimmt…“ Nun seufzte er. „Gibt es irgendwas was du dir vielleicht wünschst?“ „Ein ausgeschaltetes Handy wäre toll…“ Er grinste nur. „Da mach dir mal keine Sorgen.“ Dann fügte sie sehnsüchtig noch etwas an. „Und etwas Zeit für uns allein.“ „Ja…Die müssen wir haben…“ er lächelte, schaute sehnsüchtig wieder hinaus auf die Straße. „Und was ist mit dir?“ Ran antwortete zögerlich, schließlich hatte sie keine Zeit mehr etwas Materielles zu besorgen. „…Was wünscht du dir?“ „Was ich mir wünsche?“ Er hielt inne und überlegte. „Urlaub. Irgendeine Art von Ferien, ob wir in den Bergen mit Shinji Skilaufen gehen oder wir uns beispielsweise allein in Bangkok oder Rio de Janeiro ein zwei schöne romantische Wochen machen, bleibt dir überlassen.“ Er seufzte „Es muss nicht sofort sein, aber so etwas in der Richtung…“ „Ich weiß, was du meinst…“ „Wir denken darüber nach wenn ihr da seid.“ „Shinichi…?“ „Ja…“ „Ich will dich nicht mehr verlieren…“ „Ich werde auf mich aufpassen, versprochen“ Er seufzte lächelte jedoch einfühlsam. Dann legten sie auf. Sie hatte zuerst ohne zu überlegen etwas anderes antworten wollen, aber hätte sie diese Worte in dem Moment gesagt, hätte sie ihn damit überrumpelt. Aber in diesem Augenblick war ihr einfach das Gefühl gekommen es sagen zu müssen. Diese drei Worte…Wie er wohl reagiert hätte? Wo sie doch beide wussten, dass eigentlich ein solch intensives Gefühl erst nach langer Zeit wiederaufleben konnte. Lieben ist etwas anderes als verliebt sein, doch warum ging es bei ihnen so schnell? Weil sie bereits einander kannten, weil sie bereits einmal einander geliebt hatten? Wahrscheinlich, so dachte sie. Doch wusste sie es nicht mit Sicherheit. Das einzige, dass sie wusste war, dass sie es kaum noch erwarten konnte bei ihm zu sein und bei ihm zu bleiben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)