Immer wieder freitags von sterekura ================================================================================ Kapitel 2: An Tagen wie diesen ------------------------------ [Genre]: Romance, Shounen-Ai, Drama, Darkic [Rating]: PG-16 [Songtext]: Fettes Brot mit Finkenhauer - An Tagen wie diesen [Disclaimer]: Alles meins und wer klaut bekommt was hinter die Ohren [Comment]: Entschuldigung, dass dieses Kapitel so lange hat auf sich warten lassen *verbeug* Aber das war in den letzten Wochen echt stressig für mich... Und außerdem hat mir noch dieses "Gewisse Etwas" gefehlt - ich hab es leider nicht gefunden und das Kapitel jetzt einfach hochgeladen *seufz* Tut mir Leid ;__; Ach ja, der ein oder andere Rechtschreibfehler dürfte noch drin sein *bestimmt welche übersehen hab* [Dedicated to]: Allen Lesern und fleißigen Kommischreibern *mich für alle Kommentare bedanke* Kapitel II: An Tagen wie diesen -o@-@o- Das Herz hat seine Gründe, die die Vernunft nicht kennt. -o@-@o- Moin, moin, was geht? Alles klar bei dir, wie spät? Gleich neun, okay. Will mal eben los, Frühstück holen gehen. Der junge Luke Parker sah sich mit fasziniertem Blick um. Bunte, schillernde Farben sowie beißender Rauch stachen ihm beinahe schmerzhaft in seine neugierigen braunen Augen, aber er wollte sie nicht schließen, um ihnen einen kurzen Augenblick an Ruhe zu gönnen. Nein, Luke wollte jede einzelne Sekunde mitbekommen und in sich aufnehmen. Denn er war sich sicher, dass er diesen Ort wohl nie wieder zu Gesicht bekommen würde. Besser gesagt, er wollte auch niemals wieder hierher kommen. Der einzige Lichtblick an diesem gottverlassenen Ort war Daniel Bennington, der mit raschen Handbewegungen unzählige Gläser mit den verschiedensten Getränken füllte. Offenbar verstand er sein Handwerk und machte das schon lange, denn Luke konnte nicht erkennen, dass Dayle auch nur eine Sekunde lang Unsicherheit zeigte. Mit einem Lächeln auf den Lippen tadelte Luke sich selbst. Als ob sich Dayle schon jemals zuvor damit schwer getan hätte irgendwo in unglaublicher Schnelle seine Anpassungsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Fast neidisch musste der Schwarzhaarige sich eingestehen, dass Daniel einfach alles irgendwie leichter fiel. Selbst die Arbeit in dieser Bar... "Hast du Snowball noch immer?", unterbrach der hochgewachsene Schüler den vor sich hin träumenden Jungen und beugte sich dabei über die Theke, um die Worte genau in Lukes Ohr zu sprechen, damit er die laute Musik - die die Bar erfüllte - übertönen konnte. Luke nickte traurig lächelnd. Er hatte niemals im Leben angenommen, dass Daniel von sich aus das Haustier ansprach... Der Kleinere dachte immer, dass dieses Thema seit damals so etwas wie Sperrgebiet war. "Wie alt ist sie denn noch mal?", wandte sich der Ältere erneut mit diesem Thema seinem Klassenkameraden zu und dieser zuckte im selben Augenblick erschrocken zusammen, als ein angetrunkener Mann neben ihm gegen die Theke prallte und lallend von Daniel verlangte, dass dieser ihm zuerst ein Bier einschenken und dann endlich einen Kuss geben sollte. Mit abschätzendem Blick und in aller Ruhe ließ Daniel ein Bier in das lange, durchsichtige Glas fließen und schob es kalt lächelnd über die Theke zu dem Gast. Der wartete tatsächlich, dass Dayle ihm nun auch den zweiten Wunsch erfüllte. Luke starrte den Mann neben sich ungläubig an. Für ihn brach in diesem Augenblick eine riesige Illusion zusammen - die ihn die letzten sechs Jahre mehr oder weniger am Leben erhalten hatte. Wäre er seinem alten Freund doch nur nicht in das Scruffys gefolgt. Wenn er gewusst hätte, was ihn hier erwartete... Es schmerzte Luke mit ansehen zu müssen, welches Leben Dayle momentan führen musste. Gut, besonders viel von dessen Leben konnte er nicht sehen, aber das Bisschen, was er hier geboten bekam, reichte ihm für das ganze nächste Jahrhundert. Eine Schwulenbar... sagte das denn irgendwie nicht schon alles? Nicht, dass er etwas gegen Homosexuelle hätte - er war der Letzte, der ein schlechtes Wort an diese Menschen richten durfte - aber... zu Daniel Bennington passte diese Umgebung überhaupt nicht. Dass Dayle sich in der Hinsicht nicht geändert hatte konnte man ihm schon an der Nasenspitze ansehen. Schalt den Walkman an, zieh die Haustür ran, lauf die Strasse entlang, bis zum Kaufmannsladen. Denn da gibt's die allerbesten Brötchen weit und breit, kann am Tresen kurz mal lesen was die Zeitung schreibt. Noch vor sechs Jahren hatte Dayle Homosexuelle übelst beschimpft, sie für nicht gleichwertig gehalten und sich streng von ihnen ferngehalten. Luke musterte mit traurigen Augen seinen ehemals besten Freund und senkte dann den Blick. Die letzten Jahre mussten Daniels Leben gehörig auf den Kopf gestellt haben, wenn er sich jetzt mehr oder weniger freiwillig dieses Milieu antat. Und Luke war sich sicher, dass diese drastische Veränderung nichts Positives war. Im Gegenteil, Daniels Denken gegenüber Homosexuellen hatte sich durch diesen Job bestimmt nur noch verschlechtert. Dass er überhaupt noch ein Wort mit Luke wechselte verwunderte diesen schon zutiefst. "Du hast meinen Kuss vergessen, Danny", erinnerte der Gast Dayle an seine noch zu erfüllende Pflicht, aber der dachte nicht mal im Traum daran dieser Bitte nachzukommen. "Du weißt, dass ich für so was nicht zu haben bin und jetzt verzieh dich wieder, Ralph", antwortete Daniel gelassen und machte eine Handbewegung, die deutlich zu verstehen gab, dass er nun wieder alleine sein wollte. "Aber nächstes Mal dann, ja? Du kannst mich nicht jedes Mal abweisen, Danny." Luke konnte einfach nicht anders als diesen aufdringlichen Mann mit großen Augen und - vor Entsetzen - leicht geöffnetem Mund anzustarren. Dayle tippte sich mit einem distanzierten Lächeln an die Stirn und der Mann namens Ralph trollte sich wieder in irgendeine dunkle Ecke. Als Daniel Lukes entsetzte Gesichtszüge sah verschwand die Kälte aus seinem Gesicht und er lachte, zum ersten Mal seit einiger Zeit, wieder sein einzigartiges Lachen, das Lukes Herz schon früher immer erwärmt hatte. Eben dieses unerwartete Geräusch riss den Schwarzhaarigen aus seiner Trance und er zog misstrauisch seine Augenbrauen hoch. "Danny?", war alles, was seine Lippen ausspucken konnten, bevor sie sich wieder automatisch schlossen. Daniel zuckte desinteressiert mit den Schultern und verschränkte die Arme vor der Brust. "Du glaubst doch nicht etwa ernsthaft, dass ich denen hier meinen richtigen Rufnamen oder Spitznamen verrate. Du müsstest eigentlich wissen, wie ich ticke." Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen drehte er sich abrupt um und stützte sich auf dem Spirituosenregal ab. Er hatte nicht einmal Zeit dazu über diesen Satz - der ihm rein aus Gewohnheit, von der er dachte, dass er sie schon längst abgelegt hatte, herausgerutscht war - nachzudenken, als er Lukes leise Stimme hörte. "Ich habe überhaupt keine Ahnung davon, wie es mittlerweile in dir aussieht. Du hast mir ja nicht die Chance dazu gegeben das die letzten sechs Jahre zu beobachten." Zorn wallte in Daniel auf und mit geballten Fäusten drehte er sich wieder zu dem Kleineren um. Beim Anblick der traurigen Miene hätte er fast vergessen, was er sagen wollte, aber wie gesagt: eben nur fast. Die Zeiten, dass Luke ihn mit seinen braunen, hundegleichen Augen vollständig aus der Fassung bringen konnte waren schon lange vorbei. "Und jetzt rate mal, wem du diesen Umstand zu verdanken hast!" Irgendwas von einem Großangriff, unzählige Bomben auf eine kleine Stadt. Viele Menschen ums Leben gekommen und dem Erdboden gleich gemacht in nur einer Nacht. Luke erwiderte daraufhin lange nichts. Ja verdammt, es war seine eigene Schuld, dass die Beiden sich so unsanft aus den Augen verloren hatten, aber konnte Dayle das nach sechs langen Jahren nicht langsam mal vergessen? Musste er denn immerzu auf dieser Sache herumreiten, die Luke so unendlich leid tat? Er wusste nicht, wie oft er Dayle schon gesagt hatte, wie Leid es ihm tat, aber wenn dieser es noch einmal hören wollte, dann würde Luke der stillen Bitte gerne nachkommen - solange sie nur dazu beitrug, dass die scheinbar unüberbrückbare Mauer zwischen ihnen endlich zerbröckelte. "Ich weiß, dass ich einen großen Fehler gemacht habe und du musst mir glauben, wenn ich sage, dass mir das alles so unendlich Leid tut, Daniel..." "Sag das bloß nie wieder, hast du verstanden?", blaffte Dayle sein Gegenüber sofort lautstark an und übertönte dabei sogar die Musik, die im Hintergrund lief und das Gebrummel der Gäste. Luke hob abwehrend seine blassen Hände vor die Brust und beteuerte nur seine guten Absichten. "Aber ich meine das ernst, es tut mir wirklich leid." Dayle kümmerte sich zuerst um zwei neue Kunden, die Nachschub an Alkohol wollten, bevor er sich wieder Luke zuwandte. "Nicht der Mist mit der Entschuldigung, du Trottel. Nenn mich nie wieder Daniel und schon gar nicht hier." Der Schwarzhaarige zog einen Schmollmund und nippte dann beleidigt an seiner Cola. "Dayle nennen dich aber nur enge Freunde und zu denen gehöre ich ja wohl nicht... mehr." Es lag keine Entrüstung oder ein Vorwurf in Lukes Stimme und doch wurde Daniel das Gefühl nicht los, dass genau diese Emotionen die geheime Botschaft hinter dem Satz waren. "Jordan nennt mich auch Dayle und er zählt bestimmt nicht zu meinen Freunden", kam es aufmunternd aus Daniels Richtung und Lukes Unterlippe nahm wieder ihren rechtmäßigen Platz ein. -o@-@o- "Wie geht es dem alten Säufer eigentlich?", wollte Luke wissen und stützte sein Kinn auf den Handflächen ab. Auf der anderen Seite der Theke machte Daniel es seinem Jugendfreund nach. Dass beiden Jungen in diesem Moment derselbe Gedanke - Gerade jetzt ist es wieder, wie in alten Zeiten - durch den Kopf schoss war ihnen irgendwo in ihrem Inneren bewusst, aber vor dem Anderen sowie auch vor sich selbst hätten sie das niemals zugegeben. "Noch lebt die versoffene Ratte." Luke seufzte melodramatisch und sah Daniel mit großen Augen an. "Und ich hatte geglaubt, dass sein einziger Freund - der liebe Alkohol - ihn endlich um die Ecke gebracht hat." Dayle sog scharf die verrauchte Luft ein und blinzelte übertrieben oft mit den Augen, um aufsteigende Tränen vorzutäuschen. "Nein. Der Alkohol killt die Leber nicht, der Tabak lässt die Lunge heil und der alte Fettsack schafft es noch nicht einmal sich selbst beim Baden in der Wanne zu ertränken." Luke lachte laut auf und auch Daniel konnte sich ein zufriedenes Grinsen nicht verkneifen. Den schmächtigen Jungen so herzhaft lachen zu hören hatte ihn noch nie kalt gelassen und wie er halb amüsiert, halb irritiert feststellen musste schien sich an dieser Tatsache selbst über die Jahre hinweg nichts geändert zu haben. "Du liebst ihn genauso sehr wie eh und je, nicht wahr?", gluckste Luke und versuchte sich selbst wieder zu beruhigen, indem er etwas trank, aber sein anhaltender Lachanfall sorgte dafür, dass er sich gehörig verschluckte und seinen Mundinhalt über der Theke verstreute. Dayles dunkle Augenbrauen wanderten langsam in die Höhe und unter dem entschuldigenden und entwappnenden Lächeln Lukes wischte er sich die Cola aus dem Gesicht, die ihren Weg nicht auf die Theke gefunden hatte. Ich zahle und verlasse den Bäcker, hör noch den Nachrichtensprecher: "Lage wieder mal dramatisch verschlechtert, heute fantastisches Wetter." Dayle schmiss dem Kleineren grinsend einen Lappen ins Gesicht, um diesem so anzudeuten, dass der gefälligst die Schweinerei selber wegmachen sollte. Beide hatte mittlerweile vergessen, dass sie noch immer im Scruffys waren und eigentlich auf Kriegsfuß miteinander standen. Es war, als hätten sie das Rad der Zeit um sechs Jahre zurückgedreht, um an einem Punkt anzugelangen, den sie beide insgeheim stark vermisst hatten. Ihnen fehlte die Zeit, in der sie nichts hatte trennen oder verletzten können. Die Zeit ihrer Kindheit, die ihnen leider niemand mehr zurückgeben konnte... Luke wischte langsam und bedächtig mit dem grünen Lappen über die dunkle Holztheke und schob Dayle - nach beendeter Arbeit - den Lumpen zu. "Du bist mir noch eine Antwort schuldig, Tagträumer", grinste Daniel und verstaute das grüne, mit Cola getränkte Etwas irgendwo hinter der Theke. Als er wieder hinter dem großen Holzbau auftauchte sah er in Lukes peinlich berührtes Gesicht. Verwundert zog Dayle die Augenbrauen hoch. "Ist was?" Luke schüttelte augenblicklich den Kopf, senkte aber beschämt den Blick. Das sah ja wohl jeder Blinde mit Krückstock, dass etwas mit dem Jungen nicht mehr stimmte. Langsam... ja, ganz langsam schien es in Dayles Kopf Klick zu machen. Luke schien das Thema Haustier seit damals wohl näher zu gehen als ihm selbst. Vielleicht war es - wenn auch nur für heute Nacht - an der Zeit dem unsicheren Jungen zu sagen, wie Dayle mittlerweile dachte. Und womöglich war der Zeitpunkt gekommen seinen alten Kinderfreund so zu nennen, wie er es verdient hatte, nämlich mit seinem Namen. Dayle atmete tief ein. Es war ja nicht für immer - er würde das nur jetzt und bestimmt auch nur ein einziges Mal sagen - einfach, um den Schmerz aus dem schönen Gesicht des Jüngeren zu vertreiben. Er wollte es sagen, es lag ihm auf der Zunge. Luke... es macht mir nichts aus über Snowball zu reden. Diese Sache mit Jin ist doch jetzt schon sechs Jahre her und wahrlich nicht das Schlimmste, was damals alles passiert ist. Ja, er wollte es gerade sagen, als... Plötzlich gibt's 'n Knall, tausend Scherben überall, die Nachbarskatze hat's erwischt bei 'nem Verkehrsunfall. Der Anblick kann einem echt die Laune verderben, was fällt diesem Mistvieh ein hier genau vor meinen Augen zu sterben? Sie hatten den Songtext beide gehört und Luke wünschte sich nichts sehnlicher, als dass es nur ein verdammt schlechter Traum war. Wer auch immer dieses Lied erfunden hatte, er konnte nicht gerade das gesungen haben... Bilder aus der Vergangenheit zogen an seinem inneren Auge vorbei und er wollte sie so schnell wie nur möglich verdrängen, aber es ging nicht. Niemals könnte er vergessen, wie Jin damals aufgeheult hatte und blutend am Boden lag. All das viele Blut auf der Straße und dem Auto - aber vor allem auf dem weinenden und schreienden Dayle. Luke traute sich kaum in die eisblauen Augen seines Gegenübers zu blicken - er wusste, was ihn dort erwarten würde. Dabei hatte Dayle doch gerade etwas sagen wollen, das vollkommen im Gegensatz dazu stand, was nun aus ihm drang. Wie er es sich gedacht hatte war in Daniels Augen tiefe Abscheu zu sehen und Luke senkte den Kopf so sehr, dass ihm die schwarzen Haare vor sein Gesicht fielen und so einen zerbrechlichen und - für Dayle - leicht überwindbaren Schutzschild bildeten. Luke hatte genau gewusst, dass das Thema Haustier nicht gut enden würde. "Geh jetzt." Zwei simple Worte und doch waren sie eisiger als Schnee, der einem in Sekundenschnelle auf der nackten Haut eine Gänsehaut bescherte, die so schnell nicht wieder abklang. Luke wagte es kaum zu atmen, aber genauso wenig traute er sich seinen Körper auch nur einen Millimeter zu bewegen. Er hatte Angst seine Beine würden einfach so ihren Dienst versagen und ihn zum Gespött der Menschen machen. Außerdem wollte er nicht gehen... sie konnten sich doch nicht erneut im Streit und Ungewissen trennen. Es war zuerst ein zögerndes Kopfschütteln, das aber bald stärker und auch bestimmter wurde, bis Luke es schließlich schaffte zu sprechen. "Nein, ich möchte bleiben..." Er wusste, dass es harsch klang und fügte ein geflüstertes Bitte hinzu, um Dayle zu besänftigen. Absolute Wahnsinnsshow, im Fernsehen und im Radio, die Sonne lacht so schadenfroh - an Tagen wie diesen. Luke konnte beim besten Willen nicht sagen, was passiert wäre, wenn nicht in dem Moment Daniels Chef gekommen wäre, um dessen Schicht zu beenden. Er wollte gerade sein Geld aus der Hosentasche holen, als Dayle abwinkte. "Lass stecken, das geht auf mich." Eigentlich ein Grund sich zu freuen, aber die kalte Stimme seines Klassenkameraden ließ jegliche fröhlichen Gefühle sofort erfrieren. Nicht zum ersten Mal an diesem Abend spürte Luke Schuldgefühle ins ich aufsteigen und sie schienen ihn unter sich begraben zu wollen. Wäre er doch heute Morgen einfach nicht aufgestanden. Wie viel Schmerz ihm dann erspart geblieben wäre... "Steh endlich auf, ich kann dich Schönling hier ja nicht alleine lassen." Luke spürte, wie er grob am Ellenbogen gepackt und aus der Bar herausgezerrt wurde. Die kühle Nachtluft schlug ihm hart in das Gesicht und er brauchte ein paar Sekunden, um die beklemmende Enge seiner Lungen loszuwerden. Neben ihm stand Dayle, gehüllt in Dunkelheit und Luke wäre niemals aufgefallen, dass dieser zitterte, hätte Daniel nicht krampfhaft versucht sich eine Zigarette anzuzünden. Als ihm das Feuerzeug zum dritten Mal aus den Händen glitt gab er schnaufend auf und steckte die Packung wieder in seinen Mantel. "Du rauchst?" Dayle bückte sich nach seinem Feuerzeug und trat aus dem Schatten heraus. "Nur, wenn so eine Scheiße passiert." Luke musste gegen seinen Willen lächeln. "Was also heißen soll, dass du eigentlich gar nicht rauchst. Ich wette, dass das nicht einmal deine Packung ist." Dayle zog es vor nicht zu antworten und ging an Luke vorbei, um sich auf den Weg nach Hause zu machen. Niemand der mir sagt wieso, beim Frühstück oder Abendbrot, die Fragen bohren so gnadenlos - an Tagen wie diesen. Als Luke hinter Dayle hinterher sah und hinter sich gleichzeitig den Refrain eben jenes Liedes hörte, das diese Misere über sie gebracht hatte, wurde ihm bewusst, dass diese Situation nicht mehr so weitergehen konnte. Er wollte Dayle wieder in seinem Leben haben - das war ihm spätestens heute Abend wieder so richtig bewusst geworden. Und so musste er seine Fragen endlich loswerden. Wer wusste schon, ob Dayle sie nicht vielleicht beantwortete. "Dayle, warte doch auf mich", schrie Luke dem schwarzen Schatten zweihundert Meter vor ihm hinterher und machte sich auf den Weg ihm zu folgen. "Ich warte nicht auf Trantüten, das weißt du doch." Luke atmete heftig ein und aus - er war in Rekordzeit hierher gerannt, da Dayle nicht einmal nur daran gedacht hatte stehen zu bleiben. Dafür verlangsamte der aber sein Schritttempo, als er merkte, dass Luke wieder zurückfiel. "Begleitest du mich nach Hause?", flüsterte Luke heiser - er wusste selbst nicht, warum seine Stimme plötzlich versagte - und wartete gebannt auf die Antwort, die lange auf sich warten ließ. Sie überquerten schweigend die Straße, bogen um unzählige Ecken und blieben schließlich vor einem Haus stehen, das Luke überrascht als seines erkannte. "Mache ich doch gerne. Also, der Prinz ist nun wohlbehalten im Schloss angekommen und der Diener wird sich nun aufmachen, um in seine Notunterkunft zu humpeln. Ich wünsche eine angenehme Nacht." Luke hätte gelacht, wenn es witzig gewesen wäre - war es aber nicht. Dayle hatte jedes Wort genauso gesagt, wie er es auch meinte. Mit einer ausschweifenden Verbeugung drehte Daniel sich um und wollte gerade wieder aufbrechen, als Luke ihn aufhielt, indem er sich schnell vor den Größeren stellte. So einfach würde er ihn nicht gehen lassen. "Was ist dein Problem?" Der Schwarzhaarige wusste, dass Dayle die Geduld verlor - er hatte eigentlich noch nie viel davon besessen - und dass er sich beeilen musste. Also, dann würde er eben direkt sagen, was ihn bedrückte. "Mein Problem? Das fragst du noch? Bei jedem Hund, den ich seit sechs Jahren sehe, bekomme ich Schuldgefühle und muss an dich denken und an dein Gesicht, als..." Seine Stimme schwankte zwischen Wut und Trauer, bis sie schließlich ganz erstarb und nur die absolute Stille der Nacht die beiden Gestalten umhüllte. Dayle fuhr sich lachend durch seine Haare und steckte dann die Hände in seine Manteltaschen. "Bitte, ist das etwa schon alles?", zerriss die kalte Stimme die Dunkelheit und versetzte Luke einen schmerzhaften Stich in die Brust. Er antwortete nicht, obwohl ihm so viel mehr auf der Seele lag. "Hör mal, dass Jin gerade damals gestorben ist, ist purer Zufall und verdammt scheiße gelaufen. Aber ich habe dir doch schon gesagt, dass das allein meine Schuld war. Ich habe vergessen ihn anzuleinen und nur deswegen wurde er von dem Auto überfahren." Luke schüttelte den Kopf und - einem plötzlichen Impuls folgend - ergriff er Dayles Arme, um diesen davon abzuhalten einfach die Flucht zu ergreifen. Er war noch nicht fertig. "Aber du hast das doch nur vergessen, weil ich dich..." Na toll, er schaffte es ja noch nicht einmal den Satz zu beenden, so sehr fürchtete er die Reaktion des Anderen. Doch eines Tages würde er das Kind beim Namen nennen müssen, warum fehlte ihm dazu dann der Mut, wenn es nötig war? "Hör auf in der Vergangenheit zu leben. Was passiert ist kann nicht mehr rückgängig gemacht werden, also versuche es erst gar nicht. Das ist das Beste, was du tun kannst." Dayles Worte hämmerten sich gnadenlos in Lukes Kopf, aber sie wollten seinen Verstand nicht erreichen. Die Vergangenheit ruhen lassen hieß Dayle aufzugeben und das wollte Luke auf keinen Fall. "Bevor du gehst, beantworte mir bitte noch folgende Frage." Dayle nickte und wartete, bis Luke den Mut gefunden hatte sie auch zu stellen. Doch er glaubte schon zu wissen, was der Jüngere fragen wollte. Und es passte ihm überhaupt nicht. Dieser beschissene Abend war beinahe noch schlimmer als jeder andere Freitag zuvor. Nicht nur, dass sein Chef dachte er hätte ein Date mit Luke und deswegen seine Schicht frühzeitig beendete - wo er das Geld doch so verdammt dringend brauchte - nein, jetzt fragte Luke bestimmt, ob ihre Freundschaft noch zu retten sei. Und wenn Daniel ehrlich mit sich selbst war und über die provisorische Nein-Antwort hinwegsah, dann wusste er nicht, was er auf diese Frage erwidern sollte. Alles, was er definitiv wusste war, dass ihm Lukes klammernder Griff um die Arme langsam unangenehm wurde und er ihn am liebsten von sich stoßen würde. Aber das hätte den Anderen zu sehr verletzt und seltsamerweise wollte Dayle das nicht - nicht auf so eine Art und Weise jedenfalls. "Dayle?" Angesprochener brummte kurz als Antwort und verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Ihm war kalt, er wollte nach Hause in sein warmes Bett, vielleicht noch duschen, um den Gestank der Bar loszuwerden und dieser Feigling hielt ihn hier unnötig auf. "Können wir reden?", kam es schließlich von unten herauf und Dayle glaubte sich verhört zu haben. "Was tun wir denn die ganze Zeit?" Er verstand die Frage wirklich nicht und Luke hob den Kopf, um den Größeren wissend anzulächeln. "Nein, ich meine richtig reden - im Sinne von Aussprechen." Daniel gab keine direkte Antwort, sondern stellte nur eine Gegenfrage. "Was erhoffst du dir davon?" Luke löste langsam den Griff um Dayles Arme und schlang sie sich um den Oberkörper. "Dass... Na ja, dass... wir vielleicht wieder... normal oder so wie früher miteinander umgehen können." Dayle drehte sich zu dem riesigen Haus hinter sich um und schloss kurz die Augen. Als er sie wieder öffnete hatte er das Gefühl, dass diese Beinahe-Villa ihn in ihre Schatten ziehen wollte. Die Tatsache, dass nun ein eiskalter Wind aufkam, der die Äste der Bäume, die rings um das Anwesen standen, geisterhaft in seine Richtung wehen ließ, besserte Dayles Laune kein Stück. Was war das heute nur für ein Tag? Welcher Teufel hatte heute beschlossen ihn auf erniedrigende Weise zu quälen? Wer hatte den Freitag noch einmal zum Tag der Verfluchten gemacht? Ach ja richtig, das Übel stand genau hinter ihm und wartete noch auf eine Antwort. Nun gut, die sollte er haben. "Ich komme mit rein - das ist es doch, was du willst - aber ich will kein Wort zu viel über die Vergangenheit hören, damit das klar ist." Luke lächelte freudig und hüpfte förmlich vor seinem nächtlichen Besucher her, um diesem die Tür zu öffnen. Kopfschüttelnd folgte er dem Kleineren und spürte, wie sich plötzlich etwas veränderte. Seine aufgestaute Wut auf seinen Kinderfreund schien sich in Luft aufzulösen, sobald er über die Türschwelle trat. Frustriert seufzend besah er sich noch einmal den sichelförmigen Mond, der hoch am Himmel stand. Diese Nacht würde lang und unerträglich werden. Worauf hatte er sich da bloß eingelassen? Er konnte noch abhauen, wenn er es jetzt tat. Na gut, jetzt... Okay, jetzt war die letzte Gelegenheit. "Mach doch bitte die Tür zu, sonst dringt die ganze Kälte hierein." Tja, jetzt war es zu spät. Bevor Dayle die Tür hinter sich schloss blickte er Luke noch einmal tief in die Augen und hob drohend - aber dennoch leicht grinsend - die geballte Faust. "Wenn du mich heute Nacht auch nur ein einziges Mal anfasst oder sonst was mit mir machen willst, dann Gnade dir Gott." Luke nickte ernst und fasste sich unwillkürlich an den Hinterkopf. "Glaub mir, ich kann mich noch sehr genau daran erinnern, wie schmerzhaft das letzte Mal für mich war. Ich verspreche dir, dass ich mich von dir fernhalte." Leise und sanft fiel die Tür ins Schloss und raubte den ungleichen Jungen das letzte natürliche Licht. Zwei dunkle Gestalten schlichen sich die lange Treppe hinauf und verschwanden schließlich in der Dunkelheit, die alles verschluckte. © Kura P.S.: An alle die denken, sie wüssten jetzt, was damals passiert ist: Nein, das mag vielleicht teilweise stimmen, aber da ist mehr passiert. Wegen einem Kuss und einem Unfall meidet niemand eine andere Person 6 Jahre lang (oder noch lönger, wenn er gekonnt hätte) ^^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)