Einen Schritt zur Offenheit
Ich lese gerade den Quartalsbericht der Kaiba Corporation. Warum? Weiß ich selbst nicht genau. Seit Anfang des Jahres bin ich kein CEO mehr. Habe auch nichts mehr mit dem Tagesgeschäft zu tun. Offiziell bin ich der Leiter der Forschung und Entwicklung der Firma. Wobei das nicht ganz stimmt: Ich hab die bestehende Abteilung nicht übernommen. Sie existiert weiterhin und die Leute dort machen ihr Ding. Ich arbeite unabhängig von ihnen und mache mein Ding. Warum ich als 'Leiter' gelabelt werde, weiß ich nicht. Titel sind doch eh nur Schall und Rauch!
Im Augenwinkel seh ich Katsuya im Türrahmen des Badezimmers stehen. Dass er sich nicht regt veranlasst mich schließlich dazu meinen Blick zu heben. Er steht nur mit einer Boxershorts bekleidet zwischen Badezimmer und unserem Schlafzimmer. Mir fällt zum ersten Mal wirklich bewusst auf, wie gut gebaut Katsuya ist. Durch unser Training hat er sogar ein paar Bauchmuskeln im Ansatz entwickelt. Er lehnt sich seitlich an den Türrahmen und grinst mich an.
Das reicht damit ich den Quartalsbericht auf den Nachttisch lege und ihm meine ganze Aufmerksamkeit schenke. Dabei schleicht sich ein Lächeln auf mein Gesicht. Auf einmal kommt mein blonder Streuner mit wenigen Schritten zum Bett gehüpft und springt auf die Liegefläche, so dass er kniend neben mir zur Ruhe kommt. Er hat mich keinen Moment aus den Augen gelassen und grinst immer noch stolz. Worauf ist er wohl so stolz?
Dann richtet er seine sanfte Stimme an mich und meint, er habe es endlich. Kurz bin ich irritiert und frage mich, was er endlich hat. Dann fällt mir wieder ein, worüber er den ganzen Tag nachgedacht hat. Ist er wirklich drauf gekommen, wo er Mokubas und mein Geburtsnamen schon mal gesehen hat? Oder versucht er mich in die Irre zu führen, um von mir die Antwort zu erschleichen? Nein! So etwas würde Katsuya nicht tun. Jedenfalls nicht bei mir. Was soll ich jetzt tun? Mich dumm stellen? Nein, das wäre respektlos und würde seine Intelligenz beleidigen.
Katsuyas Grinsen wird noch breiter. Noch ehe ich nachhaken muss, platzt es regelrecht aus ihm heraus: Er hat unseren Familiennamen in meinem alten Büro im Herrenhaus gesehen. Auf meinem Schreibtisch. Rot umkreist. In Zusammenhang mit einer Stiftung.
Ich kann nicht verhindern, dass jetzt mein Lächeln breiter wird. Wieder einmal hat mein Streuner bewiesen, dass er nicht so dumm ist, wie er immer alle glauben machen möchte. Das mehrt meinen Stolz auf ihn ungemein. Bestätigt meinen Eindruck von ihm, den ich schon seit langem habe. Sanft leg ich meinen Arm um ihn und küss ihn sanft auf seine Lippen.
Nach dem Kuss lehnt er sich an meine Seite und fragt mich, wie er sich diesen Kuss verdient hat. Wieso verdienen? So einen Kuss muss er sich nicht verdienen. Wieder schenkt er mir ein umwerfendes Lächeln und fragt mich dann, ob er sich richtig erinnert hat. Ich atme tief ein und nicke dann. Danach kuschelt er sich in meinen Arm.
Ruhig fragt mein blonder Streuner nach, ob ich diese Stiftung für den Austausch von Staatsanwälten gegründet habe. Wieder nicke ich. Erzähle ihm von Detectiv Nagasatos Dilemma, als sie versuchte eine Anklage gegen Kogoro durchzusetzen. Ich hab meine Idee von meinen Juristen prüfen lassen und dann anonym die Stiftung mit meinem Privatvermögen ins Leben gerufen.
Mit großen Augen blickt mich Katsuya an. Er wiederholt das Wort 'Privatvermögen' mit einem fragenden Unterton und ich nicke erneut. Verwirrung legte sich auf seine Züge. Fragt mich, wie viel von meinem Privatvermögen ich in die Stiftung gesteckt habe. Ich schaue ihm in die Augen und antworte ihm schließlich: 95 Prozent. So gut wie alles. Geschockt blickt mich mein Streuner an. Fragt nach, ob das mein Ernst sei. Wieder schenke ich ihm ein Nicken.
Warum sieht er nur so besorgt aus? Macht er sich vielleicht Gedanken, dass ich pleite sein könnte? Wie kann ich ihm diese Sorge nehmen? Ah, ich weiß schon: Ich versichere ihm, dass ich noch genug Geld für drei Leben besitze. Doch statt Entspannung legt sich auf einmal Ärger auf sein Gesicht. Er setzt sich auf und dreht sich zu mir. Dann fragt er mich scharf, seit wann ich glaube, dass es ihm ums Geld ginge.
Da hab ich wohl unbeabsichtigt seine Angst wieder wachgerüttelt, die ich zu Jahresbeginn so mühsam abgebaut habe. Also setz ich mich jetzt auch etwas mehr auf. Entschuldige mich für das Missverständnis. Mein blonder Streuner wendet sich kurz ab. Ich kann sehen, wie er tief ein- und ausatmet. Drei... nein vier Mal. Erst dann schaut er mich wieder an. Erklärt mir, dass ihm mein Geld völlig egal ist. Das weiß ich doch. Katsuya war der erste, bei dem ich aktiv mitbekommen habe, wie er Hayashis großzügiges Angebot abgelehnt hat.
Dann ringt er sich zu einem Lächeln durch und nickt. Entschuldigt sich für seine heftige Reaktion. Ich sag ihm, dass er sich nicht entschuldigen braucht. Wenn einer von uns sich entschuldigen sollte, dann bin ich das für meinen dummen Spruch. Erkläre, dass ich mich nur gewundert habe, warum er so besorgt wirkte, als ich ihm das mit der Finanzierung der Stiftung offenbart habe.
Auf einmal lacht mein blonder Streuner. Nicht boshaft. Eher amüsiert. Jetzt bin ich vollends verwirrt und beobachte einfach nur sein erleichtertes Lachen. Als er sich schließlich fängt, erklärt er mir, dass er gar nicht besorgt war. Eher beeindruckt. Er war davon beeindruckt, dass ich fast all mein Geld in diese Stiftung gesteckt habe, um endlich diese Monstren ihrer gerechten Strafe zuführen zu können. Nie hätte er erwartet, dass ich so weit gehen würde.
Jetzt muss ich auch schmunzeln. Bei Geschäftstreffen konnte ich meine Gegenüber immer sicher einschätzen und wusste, was denen durch den Kopf ging. Ihre Hintergedanken. Gelüste. Die Doppeldeutigkeiten. Jedes Mal konnte ich das zu meinem Vorteil nutzen und ihre Position damit schwächen, um das Beste für meine Firma auszuhandeln.
Aber im privaten Bereich... fällt es mir immer noch oft schwer, Mimik, Stimmlage und was wirklich gemeint ist sicher zu erkennen. Daher bin ich froh, dass mein Katsuya einfach so viel Geduld hat mich bei Missverständnissen aufzuklären, wenn ich mich mit meiner Einschätzung wieder völlig verrannt habe.
Völlig unerwartet schwingt Katsuya plötzlich ein Bein über meine und setzt sich auf meinen Schoss. Die Tatsache, dass er nur eine Shorts trägt und in dieser Pose auf mir sitzt lässt mich sofort hart und erregt werden. Er beugt sich zu mir und legt seine Lippen auf die meinen. Dann küsst er mich sanft und liebevoll, bevor er fordernder wird. Ich schätze, ich werde heute Nacht nicht so viel Schlaf bekommen, aber es soll mich nicht stören. Denn ich genieße solche Momente mit meinem Streuner. Daher lasse ich meine Hände über seinen nackten Rücken wandern, während ich den Kuss genüsslich erwidere.
.
