Forgotten Realins von abgemeldet (Die Kinder des Dunkelelfen) ================================================================================ Kapitel 5: Feinde und Verfolger ------------------------------- Tamalin konnte es einfach nicht glauben. Sie waren in Silbrigmond rein gekommen. Und das mit einem Goblin! Die Kopfgeldjäger hatten den armen Gnog eine Leine angelegt und Rumia zog ihn nun hinter sich her. Wie ein Haustier, knurrte der Silberäugige Elf innerlich. Es war wirklich absurd gewesen, wie sie an den Wachen vorbei gekommen waren. Als die berühmte Wache der Herrin Alustriel die außergewöhnliche Gruppe und ihr "Maskottchen" zu Gesicht bekommen hatten, hatten sie sich ihnen in den Weg gestellt. Der Hüne hatte den Wachen sehr überzeugend klar gemacht, dass es sich um Gnog nur um einen zahmen Goblin handelte. natürlich waren die Wachen noch etwas misstraurig gewesen, aber Gnog hatte sie verblüfft. Er hatte sich als sehr Klever herausgestellt. als er einen gehorsamen Diener gespielt hatte. Und nun wanderten sie durch die Straße von Silbrigmond. Es wurden ihnen viele neugierige Blicke zugeworfen, die den Elfen, der immer sehr auf Heimlichkeit bedacht war, sehr störten. Er warf einigen Gaffern böse Blicke zu, worauf sie sofort weg sahen. "Sagte ich nicht, dass wir rein kommen?" fragte der Hüne seine Gefährten. Der große Mann sah die andern überlegen grinsend an. "War nur Glück." meinte Tamalin mürrisch. Der Hüne klopfte dem kleineren Elfen auf die schmalen Schultern und ließ ihn dadurch sogar vortaumeln. Tamalin warf seinem barbarischen Anführer einen verächtlichen Blick zu. Der Mann ließ sich davon gar nicht erst aus der Ruhe bringen und ging einfach weiter. Rumia, die Gnog noch an der Leine führte, legte eine ihrer zarten Hände auf den Rücken des Elfen, der dennoch nicht den Blick von dem Hünen nahm. Gnog nahm sofort einen sicheren Abstand von dem Elfen, da der Goblin immer noch panische Angst vor dem Elfen hatte. "Wer hat ihn zu unserem Anführer gemacht?" knurrte der missgestimmte Elf. "Unser Auftraggeber." erinnerte Rumia geduldig den Elfen. Sie und Tamalin arbeiteten schon seit sieben Jahren zusammen und hatten schon viele Gauner eingefangen und ihr Kopfgeld eingezogen. Der Elf war mindestens schon über zweihundert Jahre alt, hatte aber nie sein wahres Alter heraus posaunt. Das hatte Rumia aber bisher nie gestört, da sie darauf vertraute, das Tamalin ihr eines Tages sein wahres Alter mitteilte. Schließlich waren beide Gefährten und vertrauten sich im Kampf... und im Gemach. Die beiden waren Geliebter und Geliebte, konnten sich aber ihre gegenseitige Zuneigung vor dem Hünen nie richtig zeigen, weil Tamalin dem gegenüber keine Schwäche, so sagte er ihr, zeigen wollte. Vor einem Jahr hatten die beiden von dem Kopfgeld für den Drow gehört und waren zur Oase Dallabad gereist, wo sie die Herrin der Oase, die seltsamer weise den Namen des Drow vergessen hatte, sie und drei andere, darunter der Hüne, angewiesen hatte, den Dunkelelfen zu finden und zu ihr zu bringen. Der Hüne wurde von ihr dann zum Anführer der Kopfgeldjägertruppe ernannt. Die beiden andern Mitglieder hatten eines Tages die Nase voll und waren einfach abgehauen, während die drei andern stur ihrem Ziel entgegen eilten. Tamalin seufzte bejahend. Die Antwort kannte er selber nur zu gut. "Los, komm." sagte Rumia leicht lächelnd. "Sonst ist er weg." "Wäre mir ungemein lieber." sagte der Elf schnaubend. Gnog, der immer noch weit ab von den beiden stand, sah zu ihnen rüber und fragte sich, worüber sie grade sprachen. Tamalin merkte dies und ging einfach weiter. Der Goblin kapierte nicht, was jetzt los war. Als Rumia leicht an der Leine zog, setzten sie ihren Weg fort und folgten ihm. Weit über die Kristallkugel gebeugt, saß Vergil in seinem Arbeitszimmer und beobachte die Gefährten, als sie auf der Straße nach Langsattel unterwegs waren. Es erstaunte den Nekromantenmagier den seltsam gekleideten Drow und den alten Mann zu sehen. Der Mann kam ihm von irgendwoher bekannt vor. Wahrscheinlich aus Silbrigmond, dachte Vergil. Aber der merkwürdige Drow interessierte ihn jetzt mehr. "Du kommst mir bekannt vor, mein dunkeler Freund." murmelte Vergil nachdenklich. Ja, dieser Dunkelelf kam ihm tatsächlich bekannt vor. Vor Jahren war ihm schon mal ein Drowelf in die Hände gefallen. Von diesem hatte er einiges aus dessen dunklen Heimat gehört. Wie hieß die Stadt noch mal? Menzoberranzan. In dieser Dunkelelfenstadt sollte es einen merkwürdigen Drow leben, der, für Drowmaßstäbe, exotisch gekleidet war und eine Söldnerbande anführen. Jarlaxle. Es konnte nur dieser Jarlaxle sein, der dort ging und sich mit dem jungen Barbaren unterhielt. Aber warum war er an der Oberfläche? Und warum war er mit den Kindern unterwegs? Sofort musste der Magier an sein Mietzimmer in Silbrigmong denken. Als der Magier in sein Zimmer zurückgekehrt war, war ihm sofort aufgefallen, dass irgendwer dort eingestiegen war. Vergil hatte schon immer einen Sinn für die Magie gehabt, weshalb ihm auch die magische Unregelmäßigkeit aufgefallen war. Vielleicht war es der Drow gewesen, überlegte Vergil. Aber der alte Mann war ihm ein Rätsel. Wer war das? Ein Agent von Jarlaxle oder ein Freund der Kinder? Eins war aber sicher. Er war ein Krieger, der zwei magische Waffen besaß, was wohlmöglich zu einem Ärgernis werden konnte. "Aber nur ein kleines." kicherte Vergil amüsiert. Es würde wohl doch noch spannend werden. Er musste wohl doch einige Vorkehrungen treffen. „Ich bediene keine stinkenden Goblins!“ knurrte Wakebug den großen Mann an. Der Hüne und seine Gefährten hatten die Gaststätte Innenwald aufgesucht, um dort, wie in vielen anderen zuvor, Informationen über den Drow zu erhalten. Der Zwergenwirt war ihnen direkt in den Weg gesprungen, als er Gnog erblickt hatte und nun ließ er sie nicht weiter rein. „Verschwindet, ihr Koboldknutscher!“ brüllte der aufgebrachte Zwerg. „Beruhigt euch, werter Zwerg.“ versuchte der Hüne mir ruhiger Stimme den Zwerg zu beruhigen. „Wir suchen nur nach jemanden.“ „Pah!“ schnaubte Wakebug und stemmte die Hände in die Hüften. „Dann sucht wo anders! Goblins haben in meinem Gasthaus keinen Zutritt!“ Der Hüne sah zu Gnog, der von Tamalin an der Leine geführt wurde und seufzte. Zwerge und Goblins waren erbitterte Feinde. Das war seit Jahrhunderten so und der Grund war längst in Vergessenheit geraten. Tamalin. Rumia.“ sagte der Hüne. Elf und Frau nickten und verließen, mit Gnog, den Schänkraum auf der Stelle. Der große Mann drehte sich wieder dem Zwerg zu. „Besser, Herr Wirt?“ „Ja.“ schnaubte Wakebug und kehrte hinter seine Theke zurück. „Also? Was wollt ihr wissen? Wenn sucht ihr?“ Der Hüne lächelte und kam herüber zur Theke. Dort beugte er sich zu dem Zwerg und flüsterte ihm zu: „Ich suche einen Drow.“ Jetzt gehörte ihm Wakebugs gesamte Aufmerksamkeit. „Ich würde ihm am liebsten den Hals umdrehen.“ Murrte Tamalin, als er, Rumia und Gnog vor dem Gasthaus standen. Der Elf sah den Goblin kalt an, der sofort glaubte, dass der Tamalin ihn meinte und kauerte sich ängstlich zusammen. Aber der Elf meinte nicht den Goblin, sondern den Barbaren. Rumia, die ruhig und gelassen an der Hauswand stand, warf ihrem Freund einen amüsierten Blick zu. „Reg dich nicht auf, Tama.“ sprach sie ihn mit seinem Spitznamen an, den nur sie verwenden durfte. „Er weis was er tut.“ Gnog sah die Frau verwirrt an. „Sie meint nicht dich, du Kröte!“ zischte der Elf den armen Goblin, der natürlich sofort wieder zusammen fuhr. „Lass den Kleinen doch in ruhe.“ Sagte die junge Frau zu dem Elfen, was in dessen Ohren wie eine Rüge klang. „Er kann nichts für deine schlechte Laune.“ Tamalin schnaubte und sah die junge Frau an, wie sie da stand und ihn verständnisvoll ansah. Sie hatte Recht. Natürlich hatte sie das! Die schlechte Laune hatte er ihrem geheimnisvollen Anführer zu verdanken, dessen Namen sie bis heute nicht einmal kannten. Seit dem beginn ihrer Such nach diesen Drow – solle er in den neun Höllen schmoren – war der Hüne dem sonst so gelassenen Elfen auf die Nerven gegangen Seine ruhige und ausgelassene Art hatte Tamalin anfangs fasziniert, denn der Elf kannte es nur von seines gleichen. Aber nach unzähligen irrsinnigen Aktionen und Abenteuern hatte der Elf langsam die Faxen dicke. Wenn Rumia nicht gewesen wäre, hätte Tamalin den Hünen längst zurück gelassen oder gar getötet. Die junge Frau stellte sich dicht vor den Elfen und lächelte ihn zuckersüß an. Tamalin brachte nur ein leichtes Lächeln zustande, denn er war immer noch stink sauer. „Versuch doch wieder etwas locker zu werden.“ meinte sie zu ihm. „Das wäre mir wesentlich lieber, als der Grummeltama.“ „Du hast wohl Recht.“ seufzte Tamalin und lächelte etwas mehr. Dennoch sah er sie überrascht an, als sie ihm den Spitznamen Grummeltama gab. „Schon besser.“ schmunzelte Rumia und strich Tamalin sanft über die Wange. Gnog sah den beiden irritiert zu und konnte mit ihrem Getue nichts anfangen. Zufrieden, das man ihn keine Beachtung schenkte, schob der Goblin einen Zeigefinger in die Nase und ging seiner Lieblingsbeschäftigung nach. „Glaubst du, dass wir eine Nacht hier bleiben?“ fragte Rumia und warf Tamalin einen verführerischen Blick zu. Tamalin erwiderte den Blick, der süße Freuden verhieß, und nickte. „Ich denke schon.“ sagte er. „So schnell werden wir keinen finden, der etwas über den Drow weis. Warum fragst du?“ „Wir sind in Silbrigmond, der Stadt des Glanzes.“ meinte die junge Frau. An ihrem Blick konnte der Elf kennen, dass sie anfing zu Träumen. „Eine Schöne Stadt. Außerdem müssen wir uns ausruhen.“ Rumia ließ einen Finger über die Lederharnisch des Elfen kreisen. Sie senkte den Blick, beobachte ihren kreisenden Finger und biss sich auf die Unterlippe. Tamalin, der zu genau wusste, was Rumia damit bezweckte, legte ein Lächeln auf. Er legte ihr eine Hand an das zierliche Kinn und hob ihr Gesicht an, so dass sich ihre Blicke wieder trafen. Lange musterte der Elf das Gesicht seiner Geliebten, bevor er sie sanft auf die Lippen küsste. Wie lange hatte Rumia drauf gewartet, das die beiden sich wieder küssen konnten. Zu lange. Sie legte die Arme um Tamalins Nacken und erwiderte den Kuss voller Liebe und Lust. „Wir brauchen unbedingt etwas Zeit für uns.“ Hauchte Tamalin gegen Rumias Lippen und zwinkerte ihr viel sagend zu, was sie kichern ließ. „Ja.“ stimmte sie ihm aus ganzen Herzen zu. Denn sie hatte in den letzten Monaten einfach zu selten die Gelegenheit gehabt, mit ihm alleine zu sein. „Unbedingt.“ Die Tür des Innenwald schwang auf und der Hüne kam, mit breiten Grinsen, heraus und störrte nun die romantische Stimmung, die zwischen Tamalin und Rumia entstanden war. Neugierig sah er sie an, weil Rumai und Tamalin so dicht beieinander standen und die junge Frau den Elfen umarmt hatte. Er grinste, als er erkannte, was hier grade geschehen war. Tamalin, den es jedes Mal störte, wenn der große Mann sie so zusammen sah, löste sich von Rumia und verschränkte die Arme vor der Brust. Er sah ihn kalt an. „Wir können weiter.“ verkündete der Hüne, der nicht einmal auf den Elfen achtete. „Ich weis, wo der Drow hin will.“ Tamalin und Rumia sahen ihn erstaunt an. Das ging aber schnell, ging es den beiden durch den Kopf. Aus den Augenwinkeln warfen sich die beide entteuchte Blicke zu, denn beide waren nicht ganz so begeistert davon, schon wieder los zuziehen. Der Barbar ging einfach an den ihnen vorbei und angelte sich dabei Gnogs Leine. „Wo will der Drow hin?“ fragte Rumia ihn beim vorbeigehen. „Luskan.“ berichtete der große Mann. „Hat ich einem Händler angeschlossen. Ist vor einer guten Woche aufgebrochen. Wir müssen uns beeilen, wenn wir ihn noch einholen wollen.“ „Die Händler nehmen die Straßen Richtung Tiefwasser.“ erinnerte Tamalin ihn. „Wir können den Weg über Die Zwergenmine Mithril-Halle nehmen.“ „Genau den Weg schlagen wir auch ein.“ Meinte der Hüne, sah aber seine Gefährten fragend an, als sie sich nicht in Bewegung gesetzt hatten. „Worauf wartet ihr noch?“ „Wir sollten einen Tag hier rasten.“ sagte Tamalin mürrisch. „Wir brauchen außerdem neue Vorräte.“ „Dann besorgen wir die halt.“ meinte der Hüne trocken. „Aber ich will keinen weiteren Tag verlieren.“ „Wir sind schon seit Tagen auf den Beinen.“ knurrte der Elf dann, der schon langsam die Geduld verlor. „Und wir wollen noch etwas erledigen.“ „Dann erledigt es“, sagte der Hüne, „aber beeilt euch dabei.“ Dem Elf wäre der Hut hoch gegangen, wenn er einen getragen hätte. Wie konnte man nur so beschränkt sein? Seine Hände ballten sich zu Fäusten, die er unbedingt diesem verblödeten Menschen ins Gesicht hämmern wollte. Aber Rumia hinderte ihn daran. „Wir sind nicht so ausdauernd, wie du.“ sagte sie mit müder Stimme. „Wir wollen für den Weg richtig ausgeruht sein. Auch Gnog braucht ruhe. Der Kleine ist schon zu viele Meilen gelaufen, als er ertragen konnte. Lass uns bis morgen ausruhen.“ Der Hüne musterte das Gesicht der jungen Frau nachdenklich und rie dabei sein Kinn, wie er es immer zu pflegen tat. „Na gut.“ gab er sich geschlagen. „Aber wir brechen morgen früh auf.“ Rumia lächelte breit und nickte. „Einverstanden.“ Endlich konnten sie und Tamalin etwas Zeit für sich haben. Es war auch zulange her gewesen. Das erste Mal, seit Jahrzehnten, war Vergil wirklich überrascht. Er war von vier dunklen Gestallten umzingelt worden und wurde nun von ihnen bedroht. Er und die kleine Bande stand in einem Wäldchen nahe Luskan. Diese vier sahen gefährlich aus, wie sie ihn so ansahen und ihre Waffen drohend vor sich hielten. Aber Vergil konnte darüber nur grinsen. Wie erbärmlich, dachte der Hexer amüsiert. Diese heruntergekommenen Menschen wollten ihm gefährlich werden? Das war wohl nur Wunschdenken. „Rück dein Geld raus.“ zischte einer von ihnen und wedelte mit seinem Dolch vor Vergils Nase herum. Warum wollten sie immer nur sein Geld? Wenn sie seine ganzen magischen Artefakte verlangen würden, würden sie davon reich werden oder gar an Macht gewinnen. Arme kleine Wesen. „Wird’s bald?“ „Was wollt ihr denn damit?“ spielte Vergil den unwissenden und naiven Mann. Er wollte sie etwas reizen, um sein Vergnügen zu steigern. „Halts Maul!“ brüllte der Schurke zur Linken. „Ruhe.“ knurrte der scheinbare Anführer, der den Nekromanten gegenüber stand. Er wand sich wieder Vergil zu. „Geld oder Leben, Mistkerl.“ „Oh.“ sagte Vergil mit gespielter Überraschung. Dann setzte er eine verängstigte Miene auf und fing an zu klagen. „Bitte tut mir nichts, edle Herren.“ „Der verarscht uns, Krane!“ beschwerte sich wieder einer der andern, diesmal der, der sich hinter Vergil befand und ein Kurzschwert schwang. Ihr Anführer knurrte bedrohlich und drückte Vergil seinen Dolch an die Kehle. „Schnauze, du Mistkerl. Sonst schneide ich dir die Kehle durch und werfe dich den Ratten zum Essen vor.“ Der Nekromant grinste wieder abfällig. Das ganze machte ihm unheimlichen Spaß. Diese Tölpel waren so leicht zu reizen. Dummes Bauernvolk. War nur als Lebensspender nützlich, fügte er hinzu. Aber die Sache mit dem Dolch ging ihm nun doch etwas zu weit. Sein Grinsen wurde zu einer gefährlich starrenden Miene, die den Schurken erschrocken zurück weichen lies. Der Magier zog einen seiner vielen Zauberstäbe aus seiner Robe und wedelte ein- zweimal damit herum. „Der Spaß ist hier vorbei.“ sagte Vergil mit kalter Stimme, die den vieren einen kalten Schauer durch den Leib jagte. „E-er ist ein Zauberer!“ jammerte der hintere panisch. „Nicht mehr lange!“ brüllte der Linke. Er hob sein Schwert hoch und stürmte auf den Nekromanten zu, der sich keineswegs vom Fleck bewegte. Laut schreiend lies der Schurke sein Schwert niedersausen. Vergil hob seine Hand und fing die klinge ab, bevor sie ihn erreichte. Entsetzt sahen alle vier Straßendiebe ihn an. Vergil grinste wieder und fing an zu singen. „Weg hier!“ rief der Linke panisch und lies sein Schwert eiligst los und rannte davon. „Er zaubert!“ schrie der Rechte und machte es dem Linken gleich. Der Hintere war schon längst unterwegs, als Vergil die letzte Silbe seines Zaubers sang. Er wirbelte herum und lies einen Feuerball auf den rechten Flüchtling los. Ein entsetzlicher Schrei zerriss die nächtliche Stille, als der heruntergekommene Mann in Flammen aufging. Vergil lachte auf und wirbelte zu seinem nächsten Opfer herum. Wieder sang er sein Lied, wobei er seinen Zauberstab vorstreckte und auf den Mann zielte. Ein Blitz schoss aus der Spitze des Stabes heraus und traf den Gauner frontal. Blitze zuckten um seinen Körper und nur in wenigen Augenblicken war er ein Häufchen Asche. Da waren es nur noch zwei, kicherte der Nekromant innerlich. Er hatte eine perverse Freude am Töten, die nur noch von seiner Erregung übertroffen werden konnte, wenn er die Lebenskraft eines Wesens in sich aufsaugte. Aber Vergil war dennoch sehr überrascht, als er sah, dass der Anführer dieser kleinen Band noch vor ihm stand. Der Mann zitterte ängstlich am ganzen Leib, wie der Nekromant sehen konnte. Er musste lachen, als er sah, wie sich der Schurke vor Angst in die Hose machte. Widerliches Bauernvolk, läst sich einfach so gehen, dachte er teils angewidert, teils amüsiert. „Verschone mich.“ jammerte der klägliche Mann mit leiser Stimme und sank auf die Knie. „Bitte.“ „Ich soll dich verschonen?“ fragte Vergil und wedelte mit seinem Zauberstab vor dem Gesicht des verängstigten Mannes herum. „Nachdem du mich beleidigt hast und drohtest mich zu töten?“ „Ich habe nur meinem Herren gehorcht!“ weinte der Mann und kroch im Dreck vor dem Magier. „Deinem Herren?“ fragte der Magier neugierig. Er kniete sich zu dem Mann runter und zog ihm den Kopf grob an den Haaren hoch, bis sich ihre Blicke trafen. „Dein Herr muss ziemlich mutig sein, wenn er es wagt mich anzugreifen. Führe mich zu ihm.“ „Das geht nicht!“ sagte der Straßenräuber hastig. Vergil drückte mit seinem Zauberstab die Nase des Mannes platt und grinste. „Doch, du kannst.“ hauchte er ihm seinen Atem ins Gesicht. Der Schurke merkte sofort, dass dieser Mann hier kein Nein dulden würde. Er nickte deshalb. „Braver Junge.“ grinste Vergil ihn herablassend an und tätschelte den fettigen Kopf des Mannes. Ein Schatten umhüllte Dalli. Sie schrie, aber Beon konnte nichts tun, obwohl er aus Leibeskräften rannte. Er rannte, aber er bewegte sich nicht vom Fleck. Dann war Dalli weg, verschlungen vom Schatten. Beon war entsetzt. Der Schatten bewegte sich nun auf Zak zu, der mächtige Zauber auf seinen Gegner warf. Neben ihm Colson, die Pfeil um Pfeil auf den Schatten abschoss. Nein! Hörte er sich schreien, aber der Barbar war zum Nichtstun verdammt. Der Schatten erreichte bald Zak und Colson. Zak wich mehrere Schritte zurück. Colson griff an. Ein Blitz zuckte vor und traf Colson frontal in die Brust. Beon war entsetzt. Seine geliebte Schwester sank zu Boden und blieb regungslos liegen. Sie war tot. Dann war auch sie weg. Der junge Barbar schrie vor Wut und Schmerz über den Verlust seiner Schwester, aber er hörte sich nicht schreien. Nur seine Freunde hörte er. Zak, wie er vor Schmerz schrie, weinte und Zauber sang. Brom, wie er den Schatten für seine Missetaten verfluchte. Nur Harkin und Jaram blieben ruhig. Im Halbschatten verborgen, beobachten die beiden das ganze Geschehen eher interessiert als entsetzt. Der Schatten warf sich auf Zak. Der Halbdrow versuchte sich verzweifelt zu wehren, aber es half nichts. Der Schatten verschlang ihn, wie Dalli zuvor und er war verschwunden. Brom brüllte noch lauter, als zuvor, griff mit wirbelnder Axt an und verfluchte den Schatten umso mehr. Der Schatten lachte nur, ein überraschend menschliches Lachen, und warf eine Wolke. Brom rannte einfach weiter. Verfaulte Hände schossen aus der Wolke hervor, packten den wütenden Zwerg. Ein riesiges Maul kam aus der Wolke, erwartete gierig Brom, der von den Händen heran gezogen wurde. Der Schatten lachte wieder. Er genoss es, Beon leiden zu sehen. Blut spritzte in unvorstellbaren Mengen und bedeckte den ganzen Körper Beons. Beon schrie. Immer wieder, aber niemand hörte ihn. Musik erklang. Lustige, zu der eine Feengestallt tanzte und lachte. Beon lauschte nicht lange der Musik, denn er flehte nun Harkin und Jaram an, ihm zu helfen, aber keiner der beiden reagierte auf ihn. Sie beobachten nur… und weinten. Ihre helle Seite weinte um die verlorenen Freunde, während die dunkle bloß grinste. Ein abscheuliches Grinsen. Dann kam der Schatten auf ihn zu. Beon schrie auf. Er sah das böse Grinsen auf den wabernden Zügen des Schattens. Belustigt und gierend nach Blut. Schweißgebadet schreckte Beon aus dem Schlaf auf. Er sah sich nach dem unheimlichen Schatten um, der ihn eben noch töten wollte, aber da war nichts. Nur seinen ruhig schlafenden Freunde. “Nur ein böser Traum.“ keuchte Beon und legte sich wieder hin. Nur ein Traum. Aber was für einer. So etwas hatte er noch nie geträumt! Beon sah zum Himmel und fragte in Gedanken Tempus, seinen Kriegsgott, was das zu bedeuten hatte. Vielleicht einen Vorahnung auf einen ganz besonders schweren Kampf? Oder war es wirklich bloß ein böser Traum, der durch das überaus fettige Essen Broms verursacht worden war. Was auch immer der Grund gewesen war, jetzt war der Traum vorbei und Beon konnte wieder schlafen. Denn morgen würden sie nach Langsattel kommen, wo sie sich mit den Harpells auseinander setzen würden. Es würde sicher anstrengend werden. „Herr!“ Eine laute Stimme riss den schwarzhaarigen Mann aus seinen Träumen. Müde öffnete er die Augen, erblickte über sich die bemalte Zimmerdecke, auf der das Bild eines schwarzen Drachen mit einem gewaltigen Schatz abgebildet war, und sah darauf zur reich verzierten Tür, von der die laute Stimme kam. „Mein Herr!“ drang die aufgeregte Stimme ihm wieder an die Ohren. „Was ist?“ knurrte der Geweckte mürrisch und rieb sich den Schlaf aus den Augen. „Leutnant Krane ist zurück!“ berichtete Brunius, der persönliche Diener des eben geweckten Mannes. „Schon?“ fragte dieser überrascht, während er sich aus der Umarmung der beiden Frauen befreite, die ihm die letzte Nacht versüßt hatten, kletterte über eine hinüber und stieg aus dem großen Himmelsbett, das von Halblingen gemacht worden war. Ein durchtrainierter Körper, mit einer auffälligen X-förmigen Narbe auf seiner Brust, kam zum Vorschein. Die Haut war leicht gebräunt und an einigen Stellen von kleinen Narben bedeckt. Die linke Schulter des Mannes war von einer pechschwarzen Tattoowierung verziert, die eines der Schattenwesen des Unterreiches darstellte. Das schwarze Haar war kurz geschnitten, während er einige Strähnen über das gut aussehende Gesicht fielen, um ihm ein verwegenes Aussehen zu geben. Ein Paar exotischer Mandelaugen, die von seiner fernöstlichen Herkunft zeugten, so wie eine Narbe, die seine Lippen senkrecht entlang führte, schmückten sein Gesicht. Er war der Schatten von Luskan, Meister der Diebesgilde von Luskan. „Krane dürfte nicht vor morgen zurück sein.“ meinte der Schatten nachdenklich zu seinem Diener Brunius, der hinter der verschlossenen Tür stand. „Ja, Herr!“ stimmte dieser seinem Meister zu, der dessen Gesicht zwar nicht sehen konnte, aber war dafür in der Lage, es sich lebhaft vorzustellen, wie es einen verwirrten Ausdruck angenommen hatte. „Warum?“ kam die prompte Frage. „Das hat sicher etwas mit dem Gast zutun, den Krane mitgebracht hat!“ erzählte Brunius aufgeregt. Ein Gast, fragte sich der Schatten. Krane, dieser Idiot, fügte er aufgebracht hinzu. Schnell begann er sich anzukleiden, schwarze Kleider, die von grauen Stickereien verziert waren, ein Paar schwarzer Stiefel und Handschuhe und Tuch, mit dem er sich immer verschleierte, um Fremden nicht sein ganzes Gesicht zu zeigen. Daraufhin legte er sich seinen reich verzierten Waffengurt an, dessen Schnalle von einem großen Rubin geschmückt war. In ihm trug er zwölf Wurfmesser und zwei lange Dolche, die schon vielen zum Verhängnis geworden waren. „Don?“ hörte der Schatten von Luskan hinter sich die Stimme einer der Frauen. Cliff Don Gallion, so war sein Name. Er war der Meister der Gilde von Luskan, der Stadt der Hochsegel. Vor zehn Jahren war er in der Stadt aufgetaucht und hatte innerhalb weniger Monate, vieler Bestechungsgelder und einiger gut geplanter Aktionen – Morde, Überfälle, Entführungen, usw. – die Macht über die Unterwelt Luskans erworben. Zudem war er wohl der reichste Mann der ganzen Stadt, denn seine Arbeit brachte auch die angemessene Vergütung mit sich. Jeder Mann hatte vor ihm Angst. Don Gallion wand sich der Frau zu, die zusammen mit der anderen, ihn verschlafen ansah. Er kam zu ihnen ans Bett und küsste beide auf die Stirn. „Schlaft weiter.“ sagte er zu ihnen. „Ich muss nur eine Angelegenheit mit Krane klären.“ Beide sahen ihn einen Moment an, bevor sie sich zu ihm beugten und gleichzeitig auf die Wangen küssten. Wie gesagt, jeder hatte vor ihm Angst, bis auf seine zehn Frauen, die in seinem Versteck lebten und ihn umschmeichelten und verwöhnten, wo sie nur konnten. „Beeil dich.“ hauchte die Frau, die ihn zuvor angesprochen hatte, ins Ohr und legte sich wieder hin zum Schlafen. Der Schatten nickte eher geistesabwesend, weil ihn die Rückkehr von Krane, einem seiner drei Offiziere, beschäftigte. Als er die Tür öffnete, erwarte Brunius, der alte Glatzkopf, ihn sehnsüchtigst. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, gingen sie den langen Gang entlang, der sie zu einem wahrhaften Labyrinth mit Gängen und Türen führte. Nur wenige, außer dem Schatten und seiner Vertrauten, konnten den Weg hindurch finden, ohne sich zu verirren und irgendwann vor Hunger und Durst zu sterben, wenn keiner sie fand. Don Gallion suchte sich seinen Weg durch das Labyrinth und stand bald vor der Tür seines Empfangzimmers. Keuchend trat Brunius an seine Seite und sah seinen Herren erwartungsvoll an. Schwungvoll öffnete sich die Tür. Krane erschrak dabei, während Vergil, mit ruhiger Miene, sich Don Gallion zu wand. Die Blicke der beiden Männer trafen sich. Vergils kalte, tote Augen musterten den Schatten von Luskan, während dessen braune Mangelaugen den Hexer genau unter die Lupe nahmen. Lange standen sie da, sahen sich an und schwiegen sich an. Der Schatten löste als erster den Blick, als er Kranes leises Jammern vernahm. Er starrte seinen Leutnant einen kurzen Augenblick an, bevor er zu dem großen Tisch ging und sich am Kopfende hinsetzte. Er deutete Krane und Vergil, sich ebenfalls zu setzen. Krane schluckte schwer, wagte sich auch nicht Platz zu nehmen. Vergil amüsierte das ganze sehr. Er setzte sich nah zu Don Gallion an den Tisch, denn der Nekromant hatte keine Angst vor dem maskierten Mann, so wie vor keinem anderen auch. Aber Krane hatte Angst, schreckliche Angst. Vergil war neugierig, was nun kam. Menschen waren ja so unterhaltsam, dachte der Hexer. „Nun dann.“ sagte der Schatten mit ruhiger Stimme zu seinem Offizier. „Warum bringst du Fremde unangemeldet mit?“ „E-er hat mich da-dazu gezwungen.“ stotterte der verängstigte Krane. „Dich? Gezwungen?“ fragte Don Gallion immer noch ruhig. Sein Blick viel auf Vergil, der bloß in sich hinein lächelte. Wieder sah er Krane an, der verzweifelt hin und her blickte. „Wie hat er es geschafft? Und wer ist er?“ „E-er…“ stotterte der armselige Leutnant, bevor Vergil ihn unterbrach. „Mein Name ist Vergil.“ stellte sich der Nekromant vor. Dann sang er. Alle, bis auf Don Gallion, der bloß zwei seiner Messer aus dem Gürtel zog, sprangen vor Schreck auf, denn sie erkannten, dass ihr Gast ein Magier war. Brunius rannte panisch hinaus auf den Gang, aus dem er und sein Herr zuvor gekommen waren, während Krane durch die Tür flüchten wollte, durch die er und Vergil zuvor in das Zimmer gekommen waren. Doch dort erwarteten ihn bereits zwei magische Schwerter, die zum Takt von Vergils Zeigefinger bedrohlich in der Luft tanzten. Der Gauner schrie panisch auf, aber dann vor Schmerz, als ein Schwert niederfuhr und ihm einen Arm abtrennte. Vergil lies den zweiten Zeigefinger sinken und die andere magische Klinge folgte seinem Befehl prompt. Das Schwert schlug zu. Der zweite Arm fiel zu Boden, gefolgt von Kranes Oberkörper und später von dessen Unterkörper. Die Schwerter verschwanden nach ihrem grausigen Dienst und Vergil grinste den Schatten von Luskan an. „Ihr hattet sicher das gleiche vor.“ sagte der Hexer leicht her, als ob es keine große Tat gewesen wäre zwei magische Schwerter zu beherrschen und einen Menschen damit zu töten. „Ja.“ sagte Don Gallion trocken, wobei es ihm schwer fiel, den Blick von der Leiche seines ehemaligen Offiziers zu nehmen. „Aber ich hatte es weniger blutig vorgehabt.“ „Das bisschen Blut.“ lachte der Nekromant. „Das kann man einfach mit Seife und Wasser entfernen.“ Don Gallion sah den Hexer ungerührt an, obwohl er einen sehr makaberen Sinn für Humor hatte. „Obwohl ihr mir einen guten Dienst erwiesen habt, kann ich nicht darüber hinweg sehen, das ihr einen meiner Offiziere getötet habt.“ sagte der Schatten von Luskan, mit einem Hauch von Sarkasmus in der Stimme. „Und ich glaube, dass ihr nicht ohne Grund hier seid.“ „Wie war.“ kicherte Vergil und drückte die Fingerspitzen gegeneinander. „Ich benötige eure Dienste, Schatten von Luskan.“ Don Gallion sah ihn überrascht an, obwohl ihn schon viele mit seinem Titel kannten. „Überrascht? Das müsst ihr nicht sein. Euer Offizier war so gütig, mir von euch zu erzählen. Aber er hat sich stur geweigert euren Namen preis zu geben.“ Don Gallion lehnte sich gemütlich zurück und musterte den Hexer erneut. „Und wie kann meine Gilde euch dienlich sein, Meister Vergil?“ fragte der Gildenmeister. Vergil grinste erfreut. Ich mag ihn jetzt schon nicht, dachte Don Gallion. „Es handelt sich um einen simplen Auftrag.“ „Und der wäre?“ „Ihr sollt für mich drei Personen entführen.“ erklärte der Nekromant. „Sollen wir?“ fragte Don Gallion, wobei er sich keine Mühe machte, gastfreundlich oder respektvoll zu klingen. „Glaubt ihr wirklich, dass ich nach all dem, was hier eben geschehen ist, euch irgendwie helfen würde?“ Der Schatten stand von seinem Stuhl auf und wanderte hinüber zu Vergil, hinter dessen Stuhl er sich stellte und die Hände auf die Rückenlehne legte. „Wie Naiv seit ihr eigentlich?“ „Nein. Ich bin weder Naiv, noch dumm.“ sagte der amüsierte Hexer. Er griff in eine der unzähligen Taschen seiner Robe und brachte einen kleinen Beute zum Vorschein. Don Gallion beugte sich etwas vor, um den Beutel besser sehen zu können. Seine Neugier war geweckt. „Aber ich glaube, ihr würdet es für eine angemessene Bezahlung tun.“ „Das würde ich wohl.“ meinte der Gildenmeister grinsend. Er nahm den Beutel an sich und entleerte einen Teil der Goldmünzen auf seiner Hand aus. Ihm gefiel, was er da sah. „Und wenn sollen wir für euch schnappen?“ Wer Geld hat, hat die Macht, dachte Vergil amüsiert, als er das Funkeln in den Augen des Schattens von Luskan sah. Menschen waren ja so berechenbar. „Drei Drow.“ sagte Vergil sofort. Don Gallion sah in ungläubig an, das wusste der Nekromant sofort. Wer würde das denn nicht, wenn es um Drow ging? „Drow?“ fragte Don Gallion noch einmal nach, worauf Vergil nickte. „Das ist nicht euer Ernst.“ „Doch, das ist es.“ sagte Vergil grinsend, lachte sich dabei sogar ins Fäustchen. Es gefiel ihm sehr, wie er erkannte, den Schatten zu überraschen und in Wut zu versetzen. „Aber seit unbesorgt. Zwei der Drow sind nur Halbblüter und haben keinerlei Erfahrung mit der Drowmagie, aber einer von ihnen ist ein Magier und der andere, der übrigens eine Frau ist, ist eine Kriegerin. Der richtige Drow trägt seltsame Kleider, sieht aus wie ein Paradiesvogel. Dazu werden sie von einem blondbärtigen Zwerg, einer jungen Frau, die recht schön ist, einem jungen Barbaren und einem alten Mann, der wohl ein Krieger ist.“ „Das kommt mir irgendwoher bekannt vor.“ sagte Don Gallion nachdenklich. Er hatte schon einmal die Geschichte über einen Drow gehört, der in einer ganz ähnlichen Gemeinschaft durchs Land gezogen war. Aber das konnte nur ein Zufall sein, dachte er. Es gab doch sicher nicht so viele Drow, die von heute auf Morgen gut wurden. „Wenn ich diesen Auftrag übernehmen sollte, dann müsstet ihr mir mehr bezahlen, denn das bisschen Gold hier reicht grade mal für einen der Gefährten.“ Vergil sah diesen gierigen Mann ungläubig an. „Ihr wollt mehr?“ fragte der Magier. „Ja.“ sagte der Schatten. „Sonst könnt ihr euch selbst an ihnen versuchen.“ „Ihr seit zu gierig, Schatten.“ knurrte Vergil nun. Ihm passte es nicht, dass er für eine Entführung mehr bezahlen sollte. Das war absurd. „Vielleicht.“ meinte Don Gallion, während er sich wieder auf seinen Platz setzte. „Aber ich muss ja was dabei verdienen oder? Es kann ja gut sein, dass einer oder zwei meiner Männer getötet werden dabei. Und die Kosten für eine Bestattung sind ja so hoch.“ Als ob du deine Männer bestatten läst, dachte Vergil abschätzend. „Na gut.“ gab sich der Nekromant dann geschlagen. „Ihr werdet für jeden Drow fünfhundert Gold bekommen.“ „Gut.“ sagte der Schatten zustimmend. „Und was soll ich mit ihren Gefährten machen?“ Vergil grinste. „Was ihr auch immer wollt.“ sagte er bloß. Für ihn zählten nur die drei Drow, die sein leben um einige Jahre bereichern würden, wenn er sie sich einverleibte, oder eher gesagt ihre Lebensenergie. Sein leben war ihm das wichtigste. Als der Magier gegangen war, saß Don Gallion immer noch am Tisch und dachte nach. Vielleicht war das ein Fehler, die Drow zu fangen. Aber viel mehr beunruhigte ihn dieser seltsame Vergil. Er war sehr komisch. Er hatte keine Angst vor ihm gehabt, was nur selten vorkam, wenn man es mit ihm zutun hatte. Dieser Mann war sich sogar zu selbstsicher gewesen. Das war noch viel beunruhigender, als das er keine Angst gehabt hatte. Cliff Don Gallion, der Schatten von Luskan und Gildenmeister von Luskan, machte sich Sorgen wegen einem einzelnen Mannes! Das war seit seiner Jugend nicht mehr vorgekommen. Aber das war wieder was anderes damals gewesen, da er da noch ein halbes Kind gewesen war. Nachdenklich stand Don Gallion von seinem Stuhl auf und schritt zu der Blutlache, die von Kranes schnellem Ende zeugte. Einige Diener, unter ihnen Brunius, der sein Frühstück nicht innehalten konnte, hatten die Leiche entfernt und nun musste man nur noch das viele Blut entfernen. Selbst Krane, dieser Vollidiot und Verräter an der Gilde, hatte ein solches Ende nicht verdient. Der Schatten blickte auf das Blut und überlegte. Sein Blick fiel nun auf die Kristallkugel, die Vergil ihm da gelassen hatte. Mit ihr sollte er den Hexer problemlos erreichen können, sagte dieser. Wieder ging er zu dem Tisch und nahm die Kristallkugel in die Hand. Er betrachtete sie eine Weile, bevor er ein Glöckchen aus seiner Tasche zog und damit bimmelte. Ein magisch verstärktes Bimmeln erklang. Nur wenig später hörte er hastige Schritte. Ein schlaksiger junger Mann, mit blondem, wirren Haar und in die Robe eines Magiers gehüllt, trat ein und verbeugte sich übertrieben oft vor seinem Herren. „Ihr habt geläutet?“ fragte der Magier. „Ja, Cole.“ sagte der Schatten und warf dem Magier die Kristallkugel zu. Cole fing sie hastig auf und drückte sie dicht an seinen dürren Körper. Er sah seinen Herrn und Meister fragend, wie verwirrt an. „Und was soll ich damit machen?“ fragte der Magier. „Verwahre sie gut.“ wies Don Gallion ihn an. „Sie ist wichtig für unseren neuen Auftrag. Zerbrich sie und ich werde dich bestrafen müssen. Vielleicht werde ich dich dann von einem Riesen verspeisen lassen.“ Cole schluckte schwer und lies die Kugel behutsam in einer Tasche seiner Robe gleiten. „Werde ich. Werde ich.“ versicherte er mehr als einmal, was den Schatten verächtlich schnauben lies. „Geh, bevor ich die Nerven verliere!“ knurrte der Gildenmeister den schlaksigen Mann an, der aufschreckte und wieder eiligst verschwand. „Ich hätte ihn damals nicht aufnehmen dürfen.“ brummte Don Gallion leise vor sich her, als er sich seufzend in seinen Stuhl setzte. Er hörte Schritte an der Tür und blickte auf. Die zwei Frauen standen, leicht bekleidet, da und sahen ihn an. Ein Lächeln wanderte über sein verschleiertes Gesicht, als er sich daran erinnerte, dass die beiden ihn zurück erwartet hatten. Er stand langsam auf und ging zu den beiden, die sich sofort an ihm festhielten und ihn eiligst zurück ins Schlafzimmer schafften. Tamalin saß aufrecht im Bett, Rumia an seine Brust mit dem Rücken gelehnt und von ihrem Liebsten umarmt. Seit sie das Zimmer, in der Gaststätte Zum Eichenhaus, bezogen hatten, waren sie die ganze Zeit über mit sich selber beschäftigt gewesen. Daher war es auch kein Wunder, das sie nichts mehr am Leibe trugen. Nur die Decke hatten sie noch und die verdeckte nur ihre Beine. Während Rumias schlanke Finger über einen der Arme des Elfen wanderten, dachte dieser nach. Schon zu lange waren sie auf der Suche nach diesem verdammten Drow gewesen, der ihnen bisher immer einen Schritt voraus gewesen war. Eigentlich hätten sie ihn schon längst erwischt haben müssen. Rumia bemerkte Tamalins Abwesenheit und blickte zu ihm hoch, in das fein geschnittene Gesicht. Sie lies eine ihrer Hände über seine Wange streicheln und erhielt so die Aufmerksamkeit Tamalins wieder. „An was denkst du, Tama?“ fragte die Frau ihn. „Ach an gar nichts.“ meinte der Elf abwehrend. Er sah ihren nicht sehr überzeugten Blick und seufzte. „Ich frage mich bloß, wie lange wir diesem verdammten Drow noch nachlaufen müssen.“ „Wir werden ihn sicher bald haben.“ sagte Rumia zuversichtlich, so wie sie es eigentlich immer war, wenn sie und Tamalin mal Zeit für sich hatten. Da war Tamalin aber nicht grade überzeugt drüber. „Er schafft es immer wieder, uns zu entkommen.“ meinet der Elf daher schnaubend. „Ich glaube langsam, das er jeden unsere Schritte voraus sehen kann.“ „Vielleicht.“ meinte die Kopfgeldjägerin Schulter zuckend. „Aber wenn es so wäre, dann hätte er sich sicher längst irgendwohin verzogen, wo wir nicht mehr an ihn heran kommen würden.“ Da hatte Rumia Recht, gab Tamalin bereitwillig zu. Dieser Drow – wie auch immer er hieß! – wäre sicher schon lange zurück ins Unterreich geflohen, wenn er von ihnen gewusst hätte. Denn dorthin wäre ihm der Elf keineswegs freiwillig gefolgt. Zu gefährlich waren die finsteren Tunnel. Monster aller Art lauerten dort unten und dazu hausten dort noch die üblen Duergar, die grauen Zwerg, und die verdorbenen Drow. Ihre kleine Gruppe würde sicher nicht lange genug dort unten überleben, um den Drow je zu finden oder gar seinen Namen zu erfahren. Der Elf sah seine Liebste wieder an, die ihm ein sanftes Lächeln schenkte. Rumia hockte sich nun vor ihn und küsste ihn einmal sanft auf die Lippen. „Ich bringe dich besser auf andere Gedanken.“ sagte sie frech grinsend und mit einem verführerischen Augenzwinkern. Tamalin erwiderte das Grinsen, kam aber nicht mehr dazu etwas zutun, denn Rumia warf sich ihm an den Hals, küsste ihn leidenschaftlich und fiel mit ihm zurück in die Kissen. Sie liebten sich die ganze Nacht hinweg. Sie erwachten erst, als der Hüne an ihre Tür hämmerte und rief, sie sollen sich beeilen, weil sie weiter wollten. Erst eine halbe Stunde später, nachdem sie sich erneut geliebt hatten und sich angekleidet hatten, hamen sie aus ihrem Zimmer. Die Kopfgeldjäger brachen sofort auf, aber sie nahmen nicht die Route über Mithril-Halle, sondern folgten der Gemeinschaft des Drow auf der Straße nach Tiefwasser. Sie wollten kein Risiko eingehen, die Spur des Drows wieder zu verlieren, denn er könnte auch in einem der vielen Dörfer eine Zuflucht gefunden haben. „Beim Barte meiner Großmutter!“ beschwerte sich Brom. „Ich kann ja gar nichts sehen!“ Der Grund dafür war, das Büsche, die genau so groß waren, wie der Zwerg, seine Sicht behinderten und ihm keinen Blick auf die Stadt der Hochsegel werfen lassen ließ. Die anderen amüsierten sich über die missliche Lage des Zwerges und konnten ein Schmunzeln nicht unterdrücken. Darüber regte der Zwerg sich natürlich umso mehr auf und er unterdrückte garantiert keinen seiner Flüche. „Soll ich dich auf den Arm nehmen, damit du was sehen kannst?“ fragte Beon mit einem Grinsen. „Bleib bloß weg, du verbockter Orkmist eines Menschen!“ knurrte der Zwerg gefährlich. Seit der Wurfaktion mit der Orkbande, war Brom dem jungen Barbaren oft aus dem Weg gegangen, wenn der ihm seine Hilfe angeboten hatte. Das war ihm einfach zu gefährlich gewesen. Nicht das Beon ihm noch mal einen Freiflug gab. Die anderen mussten lachen und sogar Harkin konnte ein leises Lachen nicht unterdrücken. „Verrückte Bande.“ schnaubte der Zwerg und murrte leise vor sich her. In Langsattel hatten die Freunde eine eintägige Rast eingelegt. Seltsamerweise war Jaram den ganzen Tag über verschwunden gewesen. Nirgends war der Drow zu sehen gewesen. Eigentlich kein Wunder, wenn man an die Harpells dachte. Aber es war an diesem Tag nichts im Efeuherrenhaus vorgefallen und die anderen hatten einen recht entspannenden Tag verlebt. Natürlich war Colson wieder misstraurig gewesen. Sie vertraute Jaram und Harkin immer noch kein bisschen. Erstens weil sie ihr immer noch ein Rätsel waren und weil sie sehr wenig von sich selber erzählten, außer von ihren Abenteurern. Sie war natürlich an dem tag und den folgenden damit beschäftigt, mehr über sie zu erfahren, hatte aber keinen Erfolg dabei. Nach dem die Gemeinschaft und die Händler Langsattel vor fünf Tagen verlassen hatten, waren sie fast pausenlos unterwegs gewesen. Sie mussten sogar sich durch einen Sturm kämpfen, der über sie hinweg gefegt war. Aber denn hatten sie gut überstanden. Niemand wurde verletzt dabei. Und nun standen sie auf einem Hügel, der in der nähe von Luskan war und einen guten Blick auf die Stadt gewährte. Jeder hatte ein anderes Gefühl bei dem Anblick der Stadt. Die jungen Abenteurer sahen einen Ort, wo sie neue Erfahrungen machen würden, in Harkin (alias Artemis Entreri) stiegen alte Erinnerungen auf, Jaram (alias Jarlaxle) dachte bloß an ein paar kleine Abenteuer mit dem weiblichen Geschlecht und Brom? Der sah nur den Busch vor sich und nörgelte herum. „Und wann wollen wir da mal endlich runter?“ fragte Harkin die anderen trocken, als sie immer noch da standen und die Stadt ansahen. „Oh.“ sagte Zak, der sich voll und ganz auf die Karte konzentriert hatte, die ihm Vergil gegeben hatte. Er sah auf und blickte in das missbilligende Gesicht des älteren Mannes. Harkin war schon überrascht zu sehen, wie trotzig ihn Zak ansah. „Lasst uns weiter gehen, bevor die Tore geschlossen werden.“ sagte Zak dann etwas mürrisch. Zak schritt voran, während die andern ihm fragend nachsahen. So einen Blick hatte noch keiner seiner Freunde bei dem jungen Halbdrow gesehen. „Was hat der denn?“ fragte Brom einmal in die Runde, ohne den Blick von Zak zu lassen. Dann folgten er, Beon und die Händler dem Magier hinunter. Jaram kam erst nach, als er seinen Partner und die Frauen Schulter zuckend angesehen hatte. „Das war wirklich komisch.“ sagte Dalli zu Colson, die zustimmend nickte. „So hab ich ihn ja noch nie erlebt.“ „Kann es sein, das die Reise zu viel für ihn ist?“ fragte Harkin unverblümt. Colson sah ihn empört an. „Was erlaubst du dir?“ fuhr sie ihn an. „Du kennst ihn doch nicht mal richtig!“ „Beruhig dich.“ warf sich Dalli hastig ein. „Harkin hat es ja nicht böse gemeint.“ Sie sah den Mann an, der bloß nickte, aber eher abwesend, als zustimmend. Colson war das zu wenig und sie folgte den anderen, nachdem sie Harkin einen bösen Blick zugeworfen hatte. Dalli seufzte und sah Harkin an. „Verzeih ihr das.“ bat sie den Mann. „Schon inordnung.“ sagte der bloß und zuckte mit ungerührt mit den Schultern. „Das ist euer erstes Abenteuer und der Sturm war nervend aufreibend. Das ist vollkommen normal, das sie so gereizt ist.“ „Aha.“ meinte Dalli leise und sah den anderen nach, bevor sie ihn wieder ansah. „Wir sollten ihnen folgen. Sonst müssen wir heute Nacht draußen vor den Toren schlafen.“ Harkin grinste etwas und nickte. Zusammen folgten sie denn andern. Sie konnten aber nicht ahnen, das sie in die Höhle des Löwen, oder des Schatten von Luskan, rannten, der begierig auf ihre Ankunft wartete. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)