Kapitel 40 - Der König kehrt zurück
Sesár hakte sich bei Rion ein und lief mit ihm wankend auf den Troll zu.
„Liebt Ihr meine Tochter?“, fragte er frei heraus und legte Tares die Hand auf die Schulter.
Dieser schaute auf.
„Ja“, gestand er nur kleinlaut.
Ganz sicher konnte es jetzt nicht noch schlimmer werden.
„Seit dem Tag, als ich sie das erste Mal gesehen habe, aber ich...“, fügte er noch hinzu, brach jedoch wieder ab.
Sesár lächelte wieder sehr gutmütig und sein Blick wanderte die Treppe hinauf.
„Wenn Ihr sie wirklich liebt, solltet Ihr ihr jetzt folgen.“
Tares bekam große Augen. Mit einer derartigen Einstellung dieses Königs hatte er nie im Leben gerechnet, doch nocheinmal wollte er sich diese Worte nicht sagen lassen. Er sprang von der Treppe auf und hastete nach oben. Rion war fassungslos, behielt sein Entsetzen jedoch zunächst für sich.
Als Tares hinaustrat, hing die zierliche Elfe nach wie vor weinend auf der Brüstung.
„Ich wollte nicht, dass du es auf diese Weise erfährst.“
Er kam näher und legte ihr die Hand an die Hüfte.
„Lass mich bloß in Ruhe!“, schnaubte sie sauer und mit tränennassen Augen.
Elyana wich einige Schritte nach der Seite von ihm zurück. Der Troll wusste jetzt nicht so recht was er sagen sollte.
„Ich wollte lediglich nicht, dass dir irgendetwas passiert. Was ist daran so falsch?“
Mit bitterbösem Blick starrte sie in an.
„Hast du mich also die ganze Zeit nur an der Nase herumgeführt? War das also der einzige Grund, überhaupt in meine Nähe zu kommen – eine Vereinbarung? Von wegen du würdest etwas für mich empfinden. Wie konntest du nur die ganze Zeit mit mir spielen!?“
Wiederum vergrub sie ihr Gesicht in den Händen.
„Das ist nicht wahr, Elya!“
Er rückte ihr nach und legte ihr die Hand an den Kopf, um sie zu streicheln. Doch auch jetzt fasste sie unsanft danach und befreite sich davon.
„Meine Gefühle dir gegenüber waren immer ehrlich! Niemals hätte ich auf diese unaufrichtige Art mit dir gespielt. Es tut mir so unsagbar weh, dass du mir nicht glaubst.“
Auch der Troll begann jetzt gut hörbar zu schniefen.
„Ich liebe dich Elyana ... aus ganzem Herzen.“
Die Elfe begann zu zittern. Was sagte er da? Seiner Verzweiflung nach zu urteilen waren diese Worte jetzt wirklich ernst gemeint.
„Seit ich dich in Oryeras das aller erste Mal gesehen habe, hast du mir bereits die Sinne geraubt. Deine roten Zöpfe ... dein süßes Lächeln ... Anfangs war es nur kindliches schwärmen aber ich ...“
Wiederum sprach er nicht weiter, weil ihr Blick den seinen erneut traf. Diesmal allerdings war er von unermesslicher Erleichterung erfüllt. Tares Herz begann zu rasen.
„Hattest du vor, es mir irgendwann zu erzählen?“
„Ich befürchtete, dass genau das passieren würde.“
Elya schaute schüchtern zu ihm auf. Hatte sie sich in diesem Mann also doch nicht geirrt? Er brachte sie jetzt so furchtbar durcheinander. Erneut ging er auf sie zu. Doch jetzt wich sie nicht vor ihm zurück. Elyana fuhr ihm mit der Hand vorsichtig über sein blutverschmiertes, verschmutztes Hemd, bis er sich schließlich davon trennte und es achtlos auf den Boden fallen ließ.
Liebevoll strich er ihr über den Kopf und sie lehnte sich bei Tares an. Mit einem Schluchzen krallte sie sich an ihm fest.
„Mein Vater wird es niemals erlauben. Du ... bist ein Troll ...“
Im selben Moment tauchte Sesár mit den anderen in der Tür auf. Sofort lies Elya den großen Kerl los und senkte den Blick. Aus diesem Grund konnte sie auch das Lächeln ihres Vaters nicht sehen.
„Eine viel zu lange Zeit habe ich hier festgesessen, ohne das ich irgendetwas dagegen unternehmen konnte“, begann der Elfenkönig.
„Mit einer Befreiung hatte ich schon seit einer ganzen Ewigkeit nicht mehr gerechnet. Ihr habt Euer Wort gehalten, Tares und jetzt lasse ich euch beide entscheiden, was ihr für das Richtige haltet.“
Die junge Elfe schaute überrascht zu ihrem Vater auf. War das wirklich sein Ernst? Sie wand ihren Blick dem großen Troll zu und schaute ihm tief in die Augen. Überglücklich fiel sie ihm erneut um den Hals, Tares hob sie an und drückte sie an sich.
Endlich brachte Rion doch den Mut auf, sein Wort doch noch zu erheben.
„Aber Majestät. Er ist keiner von uns!“, hatte Rion auszusetzen.
Sesár hob die Hand, um ihn zum Schweigen zu bewegen – jedoch erfolglos.
„Es steht mir nicht im geringsten zu, an Eueren Entscheidungen zu zweifeln aber diese kann unmöglich Euer Ernst sein!“
Sesár wand ihm einen verärgerten Blick, seiner Unverfrorenheit wegen, zu.
„Während meiner Gefangenschaft hier, hörte ich von Gerüchten, welche besagten, dass ein großer Teil der Einwohner Senos auf rätselhafte Weise verschwunden waren. Zum großen Teil musste es sich dabei um bewaffnete Männer gehandelt haben. Steckt Wahrheit in diesen Worten?“
Er warf Rion einen prüfenden Blick zu. Dieser antwortete jedoch nicht. Aus diesem Grund ließ Sesár den Blick umherschweifen und Elyana war es schließlich, die das Wort erhob.
„Ja Vater, das ist Wahr. Nach der Eroberung war ich gezwungen, im Dorf unterzutauchen. Ohne Tares wäre ich völlig schutzlos gewesen.“
Die Elfe warf Rion einen strafenden Blick zu.
„Ihr seid nicht ganz Herr Eurer Sinne, Majestät! Die viel zu lange Haft hier scheint Euren Verstand geschwächt zu haben.“
Sesár hatte so langsam genug.
„Derartige Unverschämtheiten werde ich nicht länger billigen!“
Er befreite sich vom stützenden Arm und ging näher an seine Tochter heran.
„Nach dem Tot ihrer Mutter – bei ihrer Geburt – ist sie das Einzige was mir noch geblieben ist. Aus diesem Grund will ich, dass sie glücklich ist! Tares hat bewiesen, dass er ein Mann von Ehre ist. Sollte es also Elyanas Wunsch sein, diesen an ihrer Seite zu haben, werde ich dem nichts entgegensetzen, ganz gleich welches Blut durch seine Adern fließt!“
Rion senkte mit einem Schniefen resignierend den Kopf. Er hatte so unsagbar mehr erwartet.
„Ich würde jetzt gern wieder zurück in unser Reich“, äußerte Sesár jetzt den Wunsch.
„Ich hoffe nur, es wurde nicht alles zerstört, was in all den Jahren so eifrig von allen aufgebaut wurde.“
Sein Blick wanderte zu Tares.
„Werdet Ihr uns begleiten?“
„Zu diesem Zeitpunkt wird mir das noch nicht möglich sein. Ich habe jetzt die Führung hier und werde mich erst einmal um Oryeras kümmern.“
Überglücklich schaute er jedoch auf Elya herab.
„Ich werde euch folgen sobald ich kann.“
Die ersten Soldaten waren bereits losgelaufen. Sie waren ziemlich erschöpft, dennoch wollten alle so schnell wie es nur ging wieder nach Hause. Rion warf dem großen Troll einen weiteren stinksaueren Blick zu.
„Das werde ich dir heimzahlen!“
Tares nahm dessen Worte nicht länger war.
„Sieh es endlich ein, Rion“, sagte er betonungslos.
Er wusste, dass Elyanas Herz nur ihm gehörte. Tares zog sein Brüderchen an sich heran und drückte ihn.
Als sich die Gruppe bereits ein ganzes Stück entfernt hatte, lief die Elfe erneut auf Tares zu. Sie stellte sich auf die Fußspitzen und gab ihm einen liebevollen Kuss aud die Lippen.
„Herzlich willkommen in unserer Familie.“
Mit diesen Worten folgte sie wiederum ihrem Vater.