His Destiny was Foreordained von mystique (♣ "Sein Schicksal war vorherbestimmt" RenxHorohoro) ================================================================================ Kapitel 9: Liebe ---------------- 9. Kapitel: Liebe Wen nie die Liebe leiden ließ, dem schenkt die Liebe niemals Glück. ,Der Sinn deines Lebens war von deiner Geburt an vorbestimmt!' ,Du kannst deine Herkunft nicht leugnen!' ,Run, ich hab Angst ...' „Ren ..." ,Akzeptier es, Ren!' ,Vater macht mir Angst.' „Ren." ,Du lügst doch!' ‚Netter Zeitvertreib. ..' „Ren!" ,Zerstöre oder du wirst zerstört!' „Ren!“ „Horohoro.“ Er riss die Augen auf. Keuchend versuchte er sich zu orientieren. Alles um ihn war verschwommen. Er blinzelte heftig und die Umgebung nahm allmählich wieder klare Konturen an. Die Schwärze am Rand seines Blickfeldes verschwand. Langsam setzte er sich auf und sah sich desorientiert um, spürte jedoch wenige Sekunden später zwei Hände an seine Schultern, die ihn mit sanfter Gewalt wieder nach hinten drückten. „Bleib liegen. Schon gut." Er blinzelte irritiert, sah in das Gesicht der Person über sich und blinzelte erneut. „Horohoro?", entwich ihm der vertraute Name einem Krächzen gleich. Der Ainu grinste schief. „Ja, ich. Überrascht?" Ren schwieg. Was war hier los? Wieso war Horohoro hier? Ren sah sich um und sein Hals war mit einem Mal unangenehm trocken. Das war doch - das konnte doch nicht sein! Er lag in ihrem Zimmer, im Haus der Asakuras. Was ging hier vor sich? Sein Blick suchte Horohoros, welcher die Augenbrauen hob. „Du stehst ja noch ziemlich neben dir. Aber ist ja auch kein Wunder, du hast wirklich gefiebert. Muss ein schlimmer Traum gewesen sein." Er musterte ihn besorgt. „Geht es denn jetzt wieder einigermaßen?" Wie betäubt nickte Ren. Ein Traum. Ein ... Traum. Nur ein Traum. Horohoro griff neben sich nach dem Lappen und hielt ihn in die Schüssel mit kaltem Wasser. Anschließend wrang er ihn aus und wollte ihn Ren gerade wieder auf die noch immer leicht erhitzte Stirn legen, als er merklich stutzte. Ren lächelte warm. „Ren, was ist los? Steigt dir das Fieber zu Kopf? Soll ich den Arzt rufen?" Doch Ren schüttelte nur, weiterhin lächelnd, den Kopf. Nur ein Traum. „Mit ist nur eben etwas klar geworden", sprach er leise. Er setzte sich auf und sah den Ainu durchdringend an. „Horohoro.“ Er beugte sich vor und registrierte mit einem warmen Gefühl, dass sein gegenüber nicht zurückwich, vielmehr seiner Bewegung entgegen kam. Ihre Gesichter näherten sich, Ren hob eine Hand und legte sie in Horohoros Nacken, ertastete die Haare des anderen. Er sah Horohoro aus halbgeschlossenen Augen das Lächeln erwidern, während ihre Lippen sich näherten. Ren spürte Horohoros Atem auf seinem Gesicht, konnte den Ainu riechen, ihn fühlen. Unvermittelt erstarrte er. Seine Augen, die bis eben noch geschlossen waren öffneten sich wieder. Irgendetwas stimmte hier nicht. Zu perfekt ... Plötzlich begann Horohoro sich vor seinen Augen aufzulösen, die restliche Umgebung mit ihm. Wie von einem jähen Windstoß erfasst, lösten sie sich in Federn auf, die auseinander stoben und Ren umhüllte. Er streckte eine Hand nach ihnen aus, ließ sie jedoch Augenblicke später wieder sinken. Sinnlos. Nur eine Illusion. Eine einzelne weiße Feder fiel in Zeitlupe direkt vor ihn auf den nun pechschwarzen Boden. Der Boden war schwarz wie alles um ihn herum. Nur diese Feder ... Einsam. Wie diese Feder. Er hob sie auf und betrachtete sie mit einem sehnsuchtsvollen Blick. Bloß eine Illusion. Er hörte Schritte hinter sich, die stetig näher kamen. Die Feder verschwand, wie schon die anderen vor ihr, im Nichts. Schnell richtete Ren sich auf und drehte sich um. Trotz der stetigen Dunkelheit konnte er die Person, die auf ihn zukam, zumindest schemenhaft wahrnehmen. Ihre Konturen hoben sich von der Restlichen Umgebung ab, ihre Gesichtszüge jedoch lagen im Schatten. Einzig die Augen der Person waren deutlich auszumachen. Sie stachen aus den dunklen Zügen des Gesichts hervor, wie die Feder eben noch von ihrer schwarzen Umgebung. Doch waren sie nicht weiß, sondern golden. Golden, wie das Licht der Sonne. „Es tut mir Leid, dass es nur eine Illusion war", sprach die Person und durchbrach die eiserne Stille. Ihre Stimme war weich und klar zugleich und Ren ordnete sie gedanklich einem jungen Mann zu. Eine deutliche Spur Bedauerung schwang in den gesprochenen Worten mit. „Ich wünschte, die ganze Sache wäre wirklich nur ein unbedeutender Traum, aber dem ist leider nicht so. Verzeih, dass ich dich getäuscht habe, doch ich wollte dir wenigstens einen Moment der Zufriedenheit geben, inmitten all des Leids, welches du durchleben musstest." „Wer bist du?", fragte Ren und Argwohn schwang in seiner Stimme mit. Kurz schwieg die andere Person, bevor sie schließlich weiter sprach. Ihre Stimme hallte in der stetigen Schwärze um sie herum nach, verlor sich jedoch nicht in ihr. „Ich bin der, den ihr den stärksten Schamanen nennt. Ich bin der, der das höchste spirituelle Wesen widerspiegelt und der die Macht hat, sich selbst Muter Natur zur willigen Dienerin zu machen. Ich bin der, der aus den guten Seelen aller lebenden und nicht lebenden Schamanen erschaffen wurde. Ich bin der Schamanenkönig." „Der Schamanenkönig?", wiederholte Ren und hob die Augenbrauen. „Seit wann hat der Schamanenkönig eine materielle Form, geschweige denn die eines Menschen?" „Ich halte es für sinnvoller, den Schamanen, mit denen ich Kontakt aufnehme, in einer Gestalt gegenüberzutreten, die ihnen vertraut ist." „Wieso?", fragte Ren abschätzend. „Erblassen sonst alle vor Ehrfurcht?" „Das wäre eine Art, es auszudrücken.“ „Bei mir brauchst du dir um etwas Derartiges keine Sorgen zu machen", entgegnete Ren spöttisch. "Ich würde nicht zitternd vor dir auf die Knie fallen." Von seinem Gegenüber erklang ein belustigter Laut. „Ich muss zugeben, es ist äußerst interessant, sich mit dir zu unterhalten, Tao Ren." „Ach ja?" „Ja." "Und warum willst du überhaupt mit mir reden", harkte Ren misstrauisch nach. „Warum das alles? Warum diese Illusion? Wo sind wir hier?" Die goldenen Augen sahen ihn lange und eindringlich an. Ren hielt dem Blick stand. „Ich will deine letzten beiden Fragen zuerst beantworten, bevor wir uns der ersten zuwenden", sagte der Schamanenkönig schließlich. „Diese Illusion habe ich entstehen lassen, um dir wenigstens eine kurze Zeit der Ruhe, in deiner vertrauten Welt zu geben. Obwohl ich zugeben muss, dass es wohlmöglich doch keine sehr gute Idee war. Ich hätte bedenken müssen, wie du dich wühlen wirst, wenn du erfährst, dass es nur eine einfache Illusion war." „Ich verkrafte das schon", entgegnete Ren schroffer als gewollt. Er wollte nicht mit Samthandschuhen behandelt werden, nur weil er vielleicht ein bisschen mehr als die anderen durchgemacht hatte. Die goldenen Augen nahmen einen weichen Ausdruck an. „Das weiß ich, aber du musstest schon soviel durchmachen." Ren wandte den Blick ab, um nicht mehr in diese Augen sehen zu müssen, die ihn mühelos zu durchschauen schienen. „Um deine letzte Frage zu beantworten", fuhr der Schamanenkönig fort, „wir sind hier in einer Zwischendimension, die ich kurzzeitig erschaffen habe." Ren hob den Blick wieder. „Zwischendimension also", sagte er nachdenklich. „Na ja, für dich dürfte das als Schamanenkönig nicht allzu schwierig sein." „Das stimmt. Ich habe einen Teil deines Bewusstseins hierher geholt, da ich der Meinung bin, dass der Zeitpunkt näher rückt, dass etwas unternommen werden muss." „Was muss unternommen werden?" „Das führt uns nun zu deiner ersten Frage. Nämlich der Beweggrund, der mich dazu brachte, mich dir zu offenbaren und mit dir reden zu wollen." „Und der wäre?" „Hao.“ Der Schamanenkönig sah, wie Rens Haltung sich bei dem Namen merklich versteifte und seine Augen sich gefährlich verengten. „Hao?", wiederholte der Chinese leise und deutlicher Hass schwang in seiner Stimme mit. Der Schamanenkönig seufzte. „Ich dachte mir, dass du so reagieren würdest." Rens Augen blitzten gefährlich, als er den anderen mit ihnen fixierte. „Wie sollte ich auch sonst reagieren?!", gab er ungehalten zurück. Es war ihm gleich, ob er mit dem Schamanenkönig, der höchsten Autorität überhaupt sprach, und dass sein Tonfall respektlos war. Sein Hass auf Hao war das Einzige, was er in diesem Augenblick spürte. Ein brennender Hass, der sich bis tief in seine Seele zu fressen schien. Die Person vor ihm wandte den Blick ab. „Nein, verzeih. Es ist nur gerechtfertigt, dass du so auf ihn reagierst." Ren stutzte, angesichts der Worte. „Ich verlange auch nicht, dass du ihm verzeihst, was er dir angetan hat", fuhr der Schamanenkönig fort, „aber ich habe dennoch eine Bitte an dich." „Und die wäre?", fragte Ren forschend. Er sah, wie der Schamanenkönig erneut den Blick abwandte und spürte, wie sich Unbehagen in ihm ausbreitete. „Sie wird mir nicht gefallen", stellte er sachlich fest. „Nein", stimmte der Schamanenkönig ihm zu. „Das wird sie nicht." Ren schluckte, versuchte aber trotzdem so gefasst wie möglich zu bleiben. „Sag schon", forderte er, darauf bedacht so ruhig zu klingen, wie angesichts dieser Umstände möglich war. „Was verlangst du von mir?" „Bitte befolge Haos zukünftige Befehle." oOo Horohoro schreckte auf und blickter sah nach rechts. „Kororo, hast du das auch gspürt?" /Huh!/ Sie nickte bestätigend. „Irgendetwas geht hier nicht mit rechten Dingen zu. Das spüre ich." Ren, er blickte in den Himmel über sich. In den letzten Tagen habe ich dauerhaft sein Bild vor Augen. Er fehlt mir, seine Gesellschaft fehlt mir. oOo Ren entglitten sämtliche Gesichtszüge. „W-was hast du da gesagt?!", fragte er schockiert und Entsetzten war ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. „Ich soll weiterhin -?! Ich dachte, du bist hier, um mir zu helfen!" „Ich", der Schamanenkönig schien mit sich selbst zu hadern, „kann dir momentan nicht helfen. Noch nicht." In all seiner Fassungslosigkeit spürte Ren Zorn und Verbitterung in sich aufsteigen. Sie breiteten sich in ihm aus, nahmen von ihm Besitz. Seine Hände begannen zu zittern und er ballte die Fäuste. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen. „Es war von Anfang an klar", sagte er leise und seine Stimme wankte merklich, Bitterkeit schwang in ihr mit. Der Schamanenkönig hob den Blick. „Was war klar?", fragte er verwundert. „Es war klar, dass du nicht wirklich hier sein konntest, um mir zu helfen. Warum auch?!" Er lachte kalt und emotionslos auf. „Warum sollte man mir auch helfen? Ich bin Tao Ren. Was habe ich denn erwartet? Dass man vielleicht auch mal etwas für mich tut? Nein, ich bin nur ein kleiner, unbedeutender Handlanger Haos. Ich bin einer von denen, die ich früher selbst bekämpft habe." Seine Stimme schwankte bedrohlich und seine Augen brannten. All das, was er in den letzten Stunden erlebt und erfahren hatte, drängte nun von allen Seiten auf ihn ein. Doch er sprach weiter. „Ich weiß, dass ich schwach bin. Ich weiß, dass ich bereits oft versagt habe. Ich weiß, dass ich nicht bekommen kann, was ich mir aufs sehnlichste wünsche -" All diese Frustration, dieser Hass auf sich selbst, diese Verbitterung ... Ren spürte, wie das Brennen zunahm. Die goldenen Augen seines Gegenübers weiteten sich, als vor dem Chinesen etwas auf den Boden tropfte. Rens Stimme drohte ihm nun zu versagen, doch er zwang sich weiterzureden, wurde noch etwas lauter als vorher. „Aber muss man mir das immer wieder klar machen?! Ich habe es doch begriffen! Ich habe begriffen, dass ich keine Freunde haben kann, dass ich sie verraten musste! Ich hab begriffen, dass meine Gefühle nicht richtig sein können!" Tränen rannen ihm über die Wangen, er schien sie nicht wahrzunehmen, seine Beine quittierten ihm vollends den Dienst und er sank in die Knie, stützte sich mit den Armen vom Boden ab. „Ich habe begriffen, dass ich so nicht fühlen darf, dass es falsch ist und ich ihn sowieso nur in Gefahr bringe! Ich habe verdammt noch mal begriffen, dass ich ihn nicht haben kann! Ich habe es doch begriffen! “ Er schrie diese Worte regelrecht. „Aber warum", er sah auf und sein Gegenüber stockte, als er den Schmerz und die tiefe Verzweiflung in den bernsteinfarbenen Augen des Schwarzhaarigen sah. Rens Stimme war nur noch ein schwaches Flüstern. „Warum tut es immer noch so weh? Warum?" Erneut tropften vor ihm etwas auf den pechschwarzen Boden. Der Schamanenkönig ging vor Ren auf die Knie. Er sah ihn warm an, hob die Hand und strich dem Schwarzhaarigen über die Wange, wischte die Tränen beiseite. „Weil du ihn liebst." *~* „Jun?" „Ja, Ren-chan?" „Was ist Liebe?" Jun hob Überrascht den Blick und sah den Jungen vor sich verwundert an. Er sah sie aus naiven bernsteinfarbenen Kinderaugen an und etwas Wissbegieriges lag in seinem Blick. „Liebe?", wiederholte Jun langsam, als sein sie nicht sicher, ob sie ihn richtig verstanden hatte. Zustimmend nickte Ren. „Ja, Liebe. Was ist das, Jun? Ich hab das Wort nur einmal gehört." Sie zog den vierjährigen Jungen zu sich und setzte ihn sich auf den Schoß. „Und wo hast du davon gehört?", fragte sie lächelnd und strich ihm liebevoll durch die schwarzen Haare. „Na ja", begann Ren zögernd, „in einem Märchen." „In einem Märchen?" Er nickte ohne sie anzusehen, während er mit einem Bändchen an seinem Chinesischen Oberteil spielte. „Ich weiß, Vater verbietet so etwas wie Märchen, aber ... Bason hat es mir erzählt." „Bason?", sagte Jun erstaunt und belustigt zugleich, während ein Bild von einem bärtigen Opa-Bason in einem Schaukelstuhl und mit großer Vorliebe zum Geschichtenerzählen in ihrem Kopf herumgeisterte und sie zum Schmunzeln brachte. „Ich habe so lange gebettelt, bis er es mir erzählt hat." „Und welches Märchen war es?", fragte Jun sanft lächelnd. „Ein Chinesisches?" „Nein", Ren schüttelte den Kopf. "Es war nicht von hier. Bason sagt, es kommt aus dem Westen. Von ganz weit weg!" „Ach ja?" „Ja. Er hat gesagt, er hätte es, als er noch gelebt hat von einem Reisenden gehört, der aus dem Westen kam. Er sagt, es hieße", der Junge überlegte kurz, schien offenbar nach dem Namen zu suchen, „Dornblume ... Dornröschen! Das hat er gesagt. Komischer Name, findest du nicht auch, Jun? Aber in dem Märchen wurde von Liebe gesprochen." „Und jetzt möchtest du von mir wissen, was Liebe ist?" „Ja!" „Verstehe", sie blickte kurz überlegend zur Seite. „Liebe lässt sich nicht so leicht beschreiben, Ren-chan. Die Liebe ist so allumfassend. Sie ist nur einen Hauch vom Hass entfernt, da Hass ein genauso starkes Gefühl ist, nur ins Gegenteil gewandelt. Aber wenn du mal jemanden von ganzem Herzen liebst, Ren-chan", sie strich ihm über die Wange, „dann musst du dafür sorgen, dass dieser Person nichts passiert. Beschütze das, was dir wichtig ist, mit jeder Faser deines Herzens." Fragend blickte der Kleine zu seiner Schwester auf. „Glaubst du, ich finde diese Person irgendwann?" „Davon bin ich überzeugt, Ren-chan." Ein Strahlen breitete sich auf dem Kindergesicht aus und seine Augen leuchteten glücklich. „Aber denk daran", Jun hob die Hand und wedelte Ren bedeutungsvoll mit dem Zeigefinger vor dem Gesicht hin und her. „Wen die Liebe nie leiden ließ, dem schenkt die Liebe auch kein Glück." Nachdenklich blickte Ren auf den Boden und hob dann den Blick. Seine Augen funkelten entschlossen. "Ich werde diese wichtige Person finden und beschützen, mit allem was ich habe!" Jun fuhr ihm lächelnd durch die Haare. „Davon bin ich fest überzeugt, Ren-chan." *~* Rens Augen weiteten sich, während er in die tiefgoldenen Augen seines Gegenübers starrte. „Weil ich ihn -" „- liebe", beendete der Schamanenkönig den Satz, behielt seine Hand an Rens Wange. „Und das weißt du auch." Ren erwiderte nichts, starrte nur weiterhin in die goldenen Augen. „Ren", sprach der Schamanenkönig nun eindringlicher. „Du weißt es doch." Stumm nickte der Schwarzhaarige. Es war, als würden ihm seine Gefühle zum ersten Mal vollends bewusst. Als realisierte er erst jetzt gänzlich, für wen sein Herz mittlerweile schlug. Für wen es sich entschieden hatte. Und es schmerzte, zu wissen, dass diese Gefühle aussichtslos waren. Ohne Hoffnung. Er war darauf vorbereitet, war sich seiner Gefühle bereits vor Wochen zum Teil klar gewesen, aber die komplette Erkenntnis war trotz allem nicht erträglicher. Und das trieb ihn in die Verzweiflung. Fraß ihn von innen auf. Sein Gegenüber erkannte dies und zog ihn in eine Trost spendende Umarmung. Und dieses eine Mal ließ Ren es zu. Er klammerte sich an den anderen, ließ seinen Gefühlen, wie vor kurzem in dem Wald, freien Lauf. Wenigstens dieses eine Mal noch. „Ich will doch nur glücklich sein", flüsterte er gebrochen. Mehr nicht. Glücklich und frei. „Ich weiß", sagte der Schamanenkönig und strich ihm über den Rücken. „Und ich mache dir keinen Vorwurf, Ren, dass du mich für dein Schicksal möglicherweise hasst. Es tut mir leid.“ oOo Was war Zeit? Eine subjektive Einschätzung, mehr nicht. Es war egal, wie lange er bereits hier saß und seiner Verzweiflung freien Lauf ließ. In diesem Moment durfte er schwach sein. Und man schenkte ihm den erhofften Trost, den ihm all die Jahre über verwehrt war. Nach weiteren Minuten - oder waren es Stunden? – erlangte er die Kontrolle über sich selbst zurück und die Umarmung löste sich. Ein letztes Mal ließ er all seine Gefühle auf sich einwirken, dann verdrängte er sein Selbstmitleid und sah auf. Ihm stockte der Atem, als sein Blick auf den Schamanenkönig fiel. War das möglich? Er schluckte und setzte zum sprechen an: „Du siehst aus, wie -" „Ich weiß, wie ich aussehe, Ren", unterbrach ihn der Schamanenkönig und Ren konnte das sanfte Lächeln auf seinen Zügen erkennen, da sein Gesicht nun nicht mehr im Schatten lag. Ren öffnete den Mund, schloss ihn und schluckte, bevor er ihn wieder öffnete und leise fragte: „Warum?" Eine Hand strich ihm durch die Haare, genauso, wie Jun es früher bei ihm getan hatte. „Du hast es dir gewünscht, ich habe dir diesen Wunsch erfüllt." Zaghaft hob Ren eine Hand, bewegte sie auf das Gesicht des anderen zu. „Horohoro." Nur wenige Zentimeter vom Gesicht entfernt hielt er inne. Er sah in die noch immer goldenen Augen seines Gegenübers. Langsam ließ er die Hand sinken, sein Blick glitt zur Seite, fixierte einen imaginären Punkt inmitten all der Schwärze um ihn herum und er schüttelte den Kopf. „Es wäre – es ist nicht dasselbe", sagte er leise. „Das dachte ich mir." „Wie meinst du das?" Verwirrt sah Ren wieder auf. „Ja, ich habe es mir schon gedacht", sagte der Goldäugige noch einmal und seine eben noch so vertraute Gestalt wechselte zurück in die schattenhafte Form, bei der einzig seine Augen erkennbar waren. „Siehst du Ren, das nennt man Liebe." „Das verstehe ich nicht." „Was verstehst du nicht?" „Warum ich?", fragte der Chinese rückte ein Stück von dem anderen weg und sah ihn hilflos an. „Warum verliebe ich mich?" „Warum solltest du es nicht?", stellte der Schamanenkönig die Gegenfrage. „Weil es falsch ist!", entgegnete Ren brüsk. „Wie könnte Liebe je falsch sein?", war die erneute Gegenfrage auf Rens Aussage. Ren ließ den Kopf sinken. „Ich würde ihm doch nur unnötig Schmerz zufügen." Er spürte, wie eine Hand sich unter sein Kinn legte und ihn zwang seinen Kopf anzuheben und wieder in diese allwissenden Augen zu sehen. „Der Einzige, den ich hier leiden sehe, bist du." „Ich habe es verdient." „Und warum?" „Weil ich ein Tao bin." „Und was ändert das?" „Alles." Der Schamanenkönig seufzte. „Ich sehe, ich muss dir noch viel erklären." „Ach ja?!" „Hör zu, Ren: Du magst ein Tao sein, aber was sagt das schon? Du hast ebenso ein Recht darauf, zu fühlen und zu handeln, wie jedes andere Lebewesen. Dieses Recht nennt ihr Menschen den freien Willen." „Den besitze ich nicht." „Warum besitzt du ihn nicht, Ren?" „Mein ganzes Leben lang wurde ich manipuliert. Erst von meinem Vater und letztendlich von Hao, der, wenn man es genau sieht, mein ganzes Leben verfälscht und gesteuert hat und zwar in die Richtung, die ihm persönlich am besten passte." „Dein ganzes Leben? Alles?" „Ja." „Hat er entschieden, dass du dich verliebst? Hat er entschieden, wen du liebst?“ Ren fuhr zusammen. Nein, das hatte Hao nicht entschieden. Das nicht. Es war ein Vorteil für ihn gewesen, aber er hatte es nicht entschieden. Das war er selbst gewesen. Er konnte förmlich sehen, wie der Schamanenkönig ihn wieder anlächelte. „Ich sehe an deinem Blick, dass du die Antwort bereits selbst erkannt hast. Nein, Hao konnte nicht bestimmen, dass du dich in den Jungen verliebst. Denn diese Entscheidung traf dein Herz und dein Herz wird immer einen freien Willen habe, ganz gleich, ob du das Gefühl hat, von außen manipuliert zu werden. Denn dein Herz hört auf keine Regeln. Es mag nicht wahr, und für deine Ohren vielleicht kitschig klingen, aber so und nicht anders ist es. Und du musst akzeptieren, wie es sich entscheidet. Nenn es Schicksal oder Zufall, aber es ändert nichts. Verzweifle nicht daran, Ren. Du darfst alles tun, bloß nicht verzweifeln. Denn dann wirst du automatisch verlieren und das ist es wahrlich nicht wert." „Willst du mir damit sagen, dass -" „Ich will dir gar nichts sagen. Es ist deine Entscheidung, ob du es so sehen willst, oder nicht." Stumm nickte der Schwanzhaarige. „Aber einen Rat möchte ich dir trotz alldem noch geben und ich schlage dir ernsthaft vor, ihn zu befolgen: Hör auf das, was deine Schwester dir damals über die Liebe gesagt hat." „Woher weißt du, was sie gesagt hat?" „Das bleibt mein Geheimnis." Mit diesen Worten erhob der Schamanenkönig sich in einer fließenden Bewegung. „Ich schätze, es ist an der Zeit, dass du zurückkehrst. Du bist schon lange genug weg." „Lange?", fragte Ren ungläubig. „Aber ich bin doch erst -" „In eurer Dimension sind bereits zwei Tage vergangen", erklärte der Schamanenkönig ruhig. „Zwei Tage? Wie konnte so schnell -?“ „Du warst ohnmächtig, Nachdem Hao kurzzeitig die Kontrolle über deinen Geist übernommen hat, bist du ohnmächtig zusammengebrochen. Diese Tatsache habe ich mich zum Nutzen gemacht, um dich hierhin zu holen. Meine Macht ist zwar überragend, aber bei weitem nicht stark genug um etwas so gewaltiges wie die Zeit zu beeinflussen. Ren", der Schamanenkönig sah auf den Chinesen hinab, „ich habe dich vorhin gebeten, Haos zukünftige Befehle zu befolgen. Ich möchte dies nur zu deinem Besten. Hao hat schon einmal die Kontrolle über dich übernommen, dies wird nicht noch einmal passieren, dafür sorge ich. Ich möchte nur, dass du seine Pläne widerstandslos ausführst, damit er in dem Glauben bleibt, er hätte weiterhin die Kontrolle über dich. Es ist sehr wichtig, dass er davon ausgeht." Ren nickte. „Ich werde seine Befehle befolgen." „Was immer er von dir verlangt", fuhr der Schamanenkönig eindringlich fort. „Hörst du, Ren?" Dieser zögerte. Was immer Hao von ihm verlangte? Was, wenn er den Befehl bekam -? „Versprich mir vorher bitte etwas", sagte Ren leise und sah auf. „Was soll ich dir versprechen?" Rens Augen hatten wieder ihren vollen Glanz angenommen und eine feste Entschlossenheit lag in ihnen. „Versprich mir, dass Horohoro nichts passiert. Beschütze ihn, wenn nötig, sogar vor mir selbst." „Ist das dein Wunsch?", fragte der Schamanenkönig, ließ sich seine Überraschung obgleich der Forderung jedoch nicht anmerken. „Mehr verlange ich nicht", sagte Ren und sah ihn durchdringend an. „Dann tue ich auch, was du von mir wünschst." Ein Nicken folgte auf seine Worte. „So sei es. Ich verspreche, den Ainu zu schützen. Im Ernstfall sogar vor dir." Er erwiderte Rens prüfenden Blick, bis dieser überzeugt war. „Ich werde Haos Befehle folge leisten." „Deine Entschlossenheit und dein Mut sind bewundernswert, Ren. Es ist sehr tapfer, dass du das alles auf dich nimmst." „Habe ich denn eine Wahl?“, gab Ren bitter zu bemerken. Der Schamanenkönig wandte sich ab, zeigte keine Reaktion auf Rens letzte Worte. „Dein Bewusstsein wird in Kürze in deinen Körper zurückkehren. Ren, sei gewiss, dass ich immer ein Auge auf dich haben werde." Der Schamanenkönig war im Begriff zu gehen, hatte soeben den ersten Schritt gemacht und war bereit, mit der Dunkelheit zu verschmelzen, als ihn etwas zurückhielt. Überrascht bleib er stehen, drehte den Kopf und sah auf seine Hand hinab. Ren saß noch immer auf dem Boden, hatte wieder den Blick gesenkt. Er hatte den Arm ausgestreckt und den Schamanenkönig an der Hand festgehalten. „Warte", kam es leise von Ren. „Eine Bitte noch." Noch immer hielt er den Blick gesenkt. „Was möchtest du?" „Diese Illusionen", kam es stockend und beinahe schon geflüstert von dem Chinesen. „Würdest du - ich meine, könntest du", er hob den Blick und etwas Flehendes lag in seinen Augen, „bitte." Und der andere verstand. „Wenn du es so wünscht." Er streckte seine freie Hand aus und berührte mit seinem Zeigefinger Rens Stirn. „Ich schenke dir eine weitere Illusion. Doch bedenke, du darfst dich nicht ihr verlieren." Ren nickte und spürte bereits im nächsten Moment, wie eine Welle der Müdigkeit ihn überrollte. Seine Augen wurden schwer und er kippte zur Seite. Der Schamanenkönig nickte und löste sich schließlich auf, vereinigte sich mit der Dunkelheit um ihn herum. Doch davon bekam Ren bereits nichts mehr mit, hatte ihn ein anderer Teil der Dunkelheit doch bereits in ihre Umarmung gezogen. *~* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)