His Destiny was Foreordained von mystique (♣ "Sein Schicksal war vorherbestimmt" RenxHorohoro) ================================================================================ Kapitel 6: Verletzt ------------------- 6. Kapitel: Verletzt Liebe sei auch, den Schmerz des anderen zu spüren, nicht immer nur den eigenen. Ren hatte die Hände zu Fäusten geballt und den Blick gesenkt. Hao verschränkte die Arme und lachte gehässig. „Meinen Glückwunsch. Du hast heute Abend nicht nur Opacho geschlagen", er deutete auf den Jungen, der am Feuer saß und stumm hineinblickte, „du bist von nun an auch vollwertiges Mitglied meines Schamanenkönigreichs." Ren spürte Haos Hand auf seiner Schulter, schwer wie Eisen und knurrend schlug er sie beiseite. „Fass mich nicht an!" Hao lachte abfällig. „Du scheinst gereizt. Woran mag das nur liegen? Kann es sein, dass es daran liegt, dass du soeben jeden deiner Freunde verraten hast?“ Ren starrte ihn hasserfüllt an, bevor er auf dem Absatz kehrt machte und zwischen den Bäumen auf der anderen Seite der Lichtung zwischen den Bäumen verschwand, das grausame Lachen Haos noch lange in den Ohren. Seine Schritte wurden schneller und länger, bis er schließlich rannte. Minuten, Stunden schienen zu verstreichen, bis er schwer atmend stehen blieb. Seine Lungen brannten, ein Stechen zog sich durch seine Seiten. „Verdammt!" Seine Knie gaben nach und er sank auf den Waldboden. „Verdammt!“, wiederholte er und schlug mit den Fäusten auf den kalten Boden, empfing den Schmerz, der seine Arme hinauf schoss, mit Zufriedenheit. Er verfluchte seinen Ausbruch, verfluchte seinen Kontrollverlust und alles auf dieser Welt. Als Erbe der Taos hatte man ihn gelehrt, dass Kontrollverlust gleichbedeutend mit einer Niederlage war. Beides war unverzeihlich. Kontrollverlust bedeutete, dass er Gefühle zuließ. Trauer und Wut waren Gefühle, die er beherrschen musste. Gefühle bedeuteten Schwäche. Schwäche bedeutete Vernichtung. ‚Zerstöre oder du wirst zerstört!' Rens Augen weiteten sich, als er sich an die Worte erinnerte, die seine Erziehung maßgeblich beeinflusst hatten. ‚Zerstöre oder du wirst zerstört!' Er schüttelte den Kopf. Krallte die Hände in seine Haare, wollte vergessen. ‚Zerstöre oder du wirst zerstört!' „Sei still!“ Die Geister seiner Vergangenheit drohten ihn heimzusuchen, er schloss die Augen, wollte die Schmerzen, die Trauer, den Verrat vergessen. Die Todestafel von Bason rutschte aus seiner Tasche, fiel auf den Boden und begann zu glühen. „Sei still ... lass mich einfach in Ruhe!“ /Meister./ Das Glühen wurde stärker, Ren nahm es nicht wahr. /Meister Ren./ Das Leuchten erfüllte die Umgebung. Bason zögerte, widersetzte sich dann jedoch dem Befehl Rens und verließ die Tafel von sich aus. Betroffen viel sein Blick auf das, was von seinem einst so stolzen Meister übrig geblieben war. Traurigkeit spiegelte sich in Basons Gesicht wider. Erst Jen und nun Hao – in Rens Leben würde es immer jemanden geben, der ihn seines Willens berauben würde. Zögernd näherte er sich Ren. /Meister. Es ist alles gut./ Ren zuckte zusammen. „Bason?“, flüsterte er und sah auf. Der Krieger zwang sich zu einem beruhigenden Lächeln, obgleich ihm momentan nichts ferner lag, als zu lächeln. /Du bist nicht alleine./ Es bereitete ihm Schmerzen, Ren so zu sehen. In seinem Blick lag Hoffnungslosigkeit und Angst. „Bason“, es schien ihn Überwindung zu kosten, seinem Schutzgeist in die Augen zu sehen, „Bason, ich hab doch richtig gehandelt, oder? Sag mir, dass ich das Richtige getan habe.“ /Ja Meister. Du hast das Richtige getan/, versuchte Bason ihn zu beruhigen. /Das war sehr selbstlos von dir./ „Sie werden mich hassen." /Nein./ „Doch, werden sie. Ich habe sie verraten. Aber vielleicht ist es richtig so. Sie müssen mich hassen. Vielleicht ist es mir, dem Oberhaupt der Taos, nicht gestattet ein normales Leben zu führen.“ Ren schluckte, „Ich will nicht, dass Jun mich hasst. Horohoro hat mich ohnehin nie wirklich gemocht, darum trifft es ihn nicht so schwer, aber nicht auch noch Jun." /Meister Ren./ Ren lehnte sich an einen Baum, zog die Beine an sich, schlang die Arme um sie und bettete seinen Kopf auf seine Knie. „Vielleicht ist es ja gut so. Ich werde mich nicht unterkriegen lassen. Ich muss einfach stark bleiben." oOo Betroffenes Schweigen erfüllte den Raum, niemand sprach ein Wort. Jun hatte das Gesicht in den Händen vergraben, Li Pyron hatte ihr tröstend von hinten die Hände auf die Schultern gelegt. Die anderen saßen stumm um den runden Tisch. Pirica nahm ihren Blick keine Sekunde von ihrem Bruder. Es schien nicht mehr er selbst zu sein. Horohoro war von Faust nach ihrer Ankunft versorgt worden. Nun wurde ein Großteil seiner Haut von Verbänden und Pflastern verdeckt und man hatte ihm eine Decke um die Schultern gelegt. Krampfhaft umklammerte Horohoro die Tasse Tee in seinen Händen und starrte mit ausdruckslosem Blick auf die heiße Flüssigkeit. Seine Gedanken drehten sich im Kreis, kamen nicht über die Frage des Warums hinaus und er wurde zunehmend unruhiger. „Das darf doch nicht wahr sein!" Er knallte die Tasse auf den Tisch, sodass ein großer Teil ihres Inhalts überschwappte. Ruckartig erhob er sich, ignorierte die verwunderten Blicke der anderen und verließ den Raum. „So ein verdammter Idiot!", hörten man ihn fluchen, dann folgten seine Schritte auf der Treppe, bevor sie schließlich verklangen. „Horohoro!", rief Pirica ihm hinterher und wollte ihm folgen, doch Yoh hielt sie fest. Er schüttelte den Kopf und gebot ihr, sich wieder zu setzen. „Du solltest ihn lassen. Er braucht Zeit für sich.“ „Würdet ihr de Freundlichkeit besitzen, uns eine Erklärung zu geben genau im Wald passiert ist?", fragte Anna schließlich. Yoh seufzte. Von Jun erklang ein unterdrücktes Schluchzen. Geschlagen ließ Horohoro sich auf sein Futon fallen und vergrub sein Gesicht fest im Kissen. Viel länger hätte er es dort unten auf keinen Fall ausgehalten! „Ren, du bescheuerter, dämlicher ... dummer Dummkopf!", nuschelte er in das Kissen und fluchte erneut. Seine Hand wanderte zu dem Pflaster an seinem Hals. Dort hatte Ren ihm mit seinem Schwert in die Haut geritzt. Er hob den Kopf. Seine Augen brannten fürchterlich. Er konnte damit leben, dass Ren ihn verletzt hatte, doch es war der Blick, der ihn erschüttert hatte. Ren hatte ihn schon auf viele Arten angesehen, doch nie derart voller Hass. Warum sah Ren ihn so an? Er spürte eine sanfte Bewegung neben sich. „Kororo?" Sein Schutzgeist erschien vor ihm auf dem Kissen, das Ikupasi noch immer in den kleinen Händchen. Sie schwebte näher und legte es sachte vor ihm auf das Kissen, bevor sie sich daneben setzte und ihn aus verständnisvollen Augen anblickte. Das Brennen in seinen Augen nahm zu du Horohoro knurrte. Er wollte nicht heulen - nicht wegen Ren. Er wollte nicht, dass es so wehtat, an vorhin zu denken. Erneut presste er sein Gesicht in das Kissen, doch dieses Mal um den wütenden Aufschrei zu dämpfen, der sich seinen Weg aus seiner Kehle suchte. ‚Geh!’ Dieses Wort, das Ren ihm entgegen geschrieen hatte, hallte in seinem Kopf noch immer nach. Fest presste er die Augen zusammen, sah den verachtenden, hassenden Blick trotz allem weiterhin vor seinem inneren Auge. ‚Danke - dafür, dass wir Freunde sind.' Er fuhrt hoch, als die Erinnerung ohne Vorwarnung zurückkehrte. Diese Worte hatte Ren einmal zu ihm gesagt. Doch warum dachte er ausgerechnet jetzt an den tag vor mehreren Monaten zurück. Vielleicht, weil er zu dem Zeitpunkt noch unter der Illusion gelebt hatte, Ren und er würden sich verstehen? Möglich. ~ Zwei Monate Vorher ~ „Ich will nicht." „Komm schon, das macht Spaß." „Nein." „Du hast gestern aber ganz anders geklungen." „Da stand ich neben mir, weil du mich unter dir begraben hattest.“ „Fällt dir nichts Besseres ein?" „Sollte es?" „Ist doch egal, du kommst jetzt mit. Und wenn ich dich dahin schleifen muss. Du lernst das heute!" „Ich will aber nicht!" „Pech gehabt!" „Nerviger Schneemann.“ „Jetzt sei doch mal etwas lockerer!" „Tut mir leid, dass ich ein bisschen verspannt bin, wenn ich kurz davor bin, mein Gleichgewicht zu verlieren!", fauchte Ren gereizt und krallte sich unbewusst an Horohoro Jacke fest. Dieser schüttelte nur den Kopf. „So wird das nie was. Streng dich doch mal ein bisschen mehr an." „Ich wollte das hier eigentlich gar nicht." „Fang nicht wieder an rumzumaulen!" „Du hast mir gar nichts zu sagen, Schneemann!" „Jetzt geht das wieder los ..." „Wie war das? Sag das noch mal, du - ah!" Er hatte den Kampf um das Gleichgewicht verloren und fiel nach hinten in den Schnee. Horohoro blickte ihn einen Moment lang perplex, brach dann jedoch in haltloses Gelächter aus. Ren verzog missbilligend das Gesicht. „Wunderbar." Prustend deutete Horohoro auf ihn. "Du ... ich glaub’s ja nicht - zum Schießen! Ich bräuchte einen Fotoapparat!" „Idiot", murmelte Ren und wandte den Blick ab. „Hilf mir lieber auf." Noch immer kichernd griff Horohoro nach Rens Arm und zog ihn hoch. Schwankend stand der Chinese wieder auf den Beinen. „Und du bist sicher, dass das Snowboard nicht einfach defekt ist?" „Gib dem Snowboard nicht die Schuld. Es kann nichts dafür, dass du dich so ungeschickt anstellst, Ren.“ „Also ist es auch auf deine Unfähigkeit zurückzuführen, dass du gestern gestürzt bist?“ Horohoro überging diese Worte. „Vielleicht hast du genug Theorie und braucht mal ein bisschen Praxis?" „Praxis? Du willst -? Nein. Oh nein! Ohne mich. Du schubst mich nicht von diesem Hügel!" „Ach komm schon." „Nein." „Dir passiert schon nichts." „Nein!" „Nur ein Mal." „Nein!" „Ich fang dich auch im Notfall auf." „Nei -", Ren stockte. "Was?!" Horohoro grinste schief und fasste sich an den Hinterkopf. „Na ja, ich fang dich auf, wenn du fallen solltest." Ren schwieg. Schließlich seufzte er. „Du lässt mir vorher ohnehin keine Ruhe. Wenigstens habe ich so eine kleine Absicherung.“ „Klasse, das wird super." „Übertreib es nicht, Blauschopf." „Tze.“ „Jetzt sei nicht gleich beleidigt." „Pah!" „Ach Schneemann.“ „Ach Spitzkopf.“ „Mach mich nicht nach.“ „Mach ich doch gar nicht!" „Wir driften vom Thema ab." „Mir doch egal!" „Dann brauch ich also nicht zu fahren?" „Oh doch!" "..." „Gut, soweit verstanden, Ren? Du fährst vor, ich bin direkt hinter dir. Nur für den Fall der Fälle." Ren nickte und warf einen Blick den Abhang hinab. Er schluckte. Dann gab Horohoro ihm unvermittelt einen Stoß und zu seinem Entsetzen bemerkte er, wie der Abhang immer näher kam. Er gewann zunehmend an Geschwindigkeit und versuchte sich, an Horohoros Worte zu erinnern. ‚Mach dir keinen Kopf, wie du es machst, sondern tu es einfach.' Er schaffte es tatsächlich, sein Gleichgewicht zu halten - „Gut so Ren." Horohoro fuhr dicht neben ihm und grinste. Ren machte den Fehler, sich von ihm ablenken zu lassen. Es gab nur eine mögliche und eintreffende Folge: Gleichgewichtsverlust. Er fing bedrohlich an zu schlingern, wirbelte Schnee auf und schwankte immer stärker. „Ren!" Horohoro handelte geistesgegenwärtig, bevor Ren fiel und packte ihn an der Jacke. Dadurch verlor er jedoch ebenfalls das Gleichgewicht und zusammen kippten sie zur Seite, fielen in den Schnee und schlitterten noch ein paar Meter weiter den Abhang hinab, direkt in eine Schneewehe. Sekundenlang war es still, bis Horohoro nach Luft schnappend den Kopf aus der überraschend hohen Schneewehe steckte. Er blickte sich um. „Ren?" Keine Reaktion. War der Chinese wohlmöglich noch irgendwo in dieser Schneewehe? Was wenn er durch den Sturz ohnmächtig geworden war und nicht mitbekam, wie er erstickte? Horohoro spürte Panik in ihm aufwallen. Mit einer Hand tastete er blind im Schnee herum, bevor er ein Stuck Stoff zu fassen bekam und geistesgegenwärtig zog. Im nächsten Moment wünschte er sich, er hätte es nicht getan. Das Stück Stoff konnte er nun eindeutig als Rens Jackenkragen identifizieren. Allerdings ließ sich der Blick, mit dem Ran ihn nun bedachte, nicht als freundlich bezeichnet werden. Hastig ließ Horohoro den Kragen los und fasste sich verlegen lachend an den Hinterkopf. „Oh, hallo Ren. Du hast dir hoffentlich nichts getan?" Die Augenbrauen des Chinesen zogen sich bedrohlich zusammen. „Nein, habe ich nicht", knurrte er. „Das freut mich!", versuchte Horohoro übertrieben fröhlich den Chinese zu beruhigen, was jedoch eher ins Gegenteil umschlug. "Horohoro." Der Angesprochen erstarrte. „Ja?", fragte er vorsichtig. Ren hob eine Hand. „Wunder dich nicht, wenn ich mich jetzt ein wenig merkwürdig verhalte. Das ist wahrscheinlich nur eine 'Schockreaktion', als Folge dieses Unfalls, für den schon wieder du verantwortlich bist." Und mit diesen Worten legte er Horohoro die Hand an den Hinterkopf und drückte ihn mit dem Kopf voran in den Schnee. „Das ist dafür, dass ich deinetwegen schon wieder im Schnee gelandet bin!" Prustend kam Horohoro wieder hoch, das Gesicht voller Schnee. Er funkelte Ren angriffslustig an. „Ach ja? Meine Schuld? Wer hat denn angefangen zu Schwanken, wie ein Betrunkener?!" „Ich hätte mich schon wieder gefangen!" „Träum weiter!“ Ren wandte den Blick ab. „Ich habe nicht damit gerechnet, dass du mich im Notfall wirklich auffangen würdest. Deshalb war ich etwas überrascht, als du nach meiner Jacke gegriffen hast." Zuerst war Horohoro über die Ehrlichkeit seiner Worte überrascht, dann grinste er. „Ich hab doch gesagt, dass ich im Fall der Fälle da bin. Hast du mir etwa nicht geglaubt?" Ren schüttelte leicht den Kopf, woraufhin Horohoro die Augen verdrehte. „Ach ja, ich vergaß. Dem Erben der Taos hilft man ja nie. Deshalb ist er es nicht gewohnt. Ren, weißt du was? Wenn ich irgendwann in nächster Zeit mal wieder was von eurem Erbe-der-Tao-Dynastie-was-soviel-bedeutet-wie-Ren-darf-keine-Gefühle-zeigen-und-sich-somit-in-einen-Eisklotz-verwandeln-der-noch-kälter-ist-als-sämtliches-Eis-auf-Hokkaido-Mist höre, dann, ich schwöre es dir, werde ich eigenhändig nach China fahren und denen mal was erzählen, von wegen keine Hilfe annehmen oder Gefühle zeigen!" Gegen seinen Willen musste Ren lächeln. „Das Angebot klingt verlockend. Ich würde nur allzu gerne sehen, wie du versuchst überhaupt erst nach China zu kommen. Willst du etwa schwimmen?" „Ich könnte ja dafür sorgen, dass sich das Wasser teilt." „Sei nicht albern." „Ich meine es ernst!" „Natürlich.“ „Aber offensichtlich nimmst du mich nicht ernst." Ren verschränkte die Arme. „Angesichts der Tatsache, dass wir hier in einer Schneewehe sitzen, meine Kleidung wieder nass wird und du mich mit einem Schneemangesicht, dem nur noch eine Möhre fehlt, ansiehst, fällt es mir schwer, dich ernst zu nehmen, ja." „Das ist dein Pech, Ren." „Nein, eher deins. Aber das willst du offensichtlich nicht verstehen.“ Er zuckte die Schultern. „Wenigstens kann ich dich jetzt zu Recht Schneemann nennen." Horohoro verzog das Gesicht. „Es macht dir Spaß, mich zu ärgern, kann das sein?" Ren hob eine Augenbraue. „Und da bist du von ganz alleine drauf gekommen, Schneemann?" „Pass auf, gleich wird der Schneemann sauer und fällt dich an." „Das will ich sehen." "..." "..." „Ren, zitterst du?" „Nein." „Aber ich sehe es doch ganz deutlich." „Du hast wahrscheinlich wieder nur Wahnvorstellungen." „Was heißt hier wieder?!" „Lass mich doch in Ruhe." „Wenn du alleine weiterzittern willst, bitte." „Ich zittere nicht!" „Denkst du, ich lach dich aus?" "..." „Ah, mir geht ein Licht auf. Zittern bedeutet Schwäche. Und was sagt deine Familie zu Schwäche? Richtig, Schwäche ist schlimm. Re~n, erinnerst du dich noch, was ich gerade über eure Familienansichten gesagt habe? Willst du, dass ich nach China gehe?" Ren schnaubte abfällig. „Jetzt mach aber mal halblang. Ja ich friere, weil meine Sachen bis auf die Haut durchnässt sind, was ganz zufälligerweise deine Schuld ist!" „Na bitte, geht doch. Du kannst es dir also doch eingestehen." „Horohoro?" „Re?“ „Wenn ich deinetwegen krank werde, dreh ich dir den Hals um." „Unsinn, Ren. Du wirst doch nicht krank." „Nur eine leichte Grippe, nichts weiter. In ein paar Tagen ist er wieder ganz der Alte.“ „Gut, danke." Anna führte den Arzt bis zur Tür. Der Mann lächelte, bevor er dem Mädchen ein Fläschchen mit Tabletten gab. „Die muss er zweimal am Tag nehmen, ansonsten verordne ich Bettruhe. Training sollte er in den nächsten Tagen ohnehin vermeiden." Anna nickte. „Dafür werden wir sorgen. Vielen Dank." „Keine Ursache." Sie schloss die Tür hinter dem Mann. Seufzend drehte sie sich um und ging zurück zu dem Zimmer, aus dem sie ursprünglich gekommen war. Als sie die Tür aufschob musste sie unwillkürlich schmunzeln. Der Anblick, der sich ihr bot, war einmalig. „Ach komm schon." „Nein." „Hab dich nicht so." „Nein!" „Es tut mir Leid!" „Das bringt mir nicht viel." „Ach Ren, jetzt sei doch nicht so nachtragend." „Nachtragend?! Das ist ja wohl das mindeste!" Ren schniefte, was nur an dem Schnupfen lag, der sich zu seiner Grippe gesellt hatte. Horohoro kniete neben seinem Futon und blickte schuldbewusst auf den Chinesen hinab. Rens Gesicht war gerötet vom Fieber und seine Augen waren glasig, funkelten Horohoro jedoch nach wie vor nachtragend an. „Also - Ren, weißt du ..." Ren verdrehte die Augen. „Was denn noch? Und warum stotterst du so?" Horohoro kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Na ja“, er holte etwas hinter seinem Rücken hervor und hielt es Ren hin, während er peinlich berührt zur Seite sah, "der ist ... für dich." „Bitte?“ Mühsam richtete Ren sich auf und nahm das Objekt in die Hände. Er musterte es. „Horohoro ... was ist das?" „Das ist ein ... Kranich. Der soll Glück bringen." „Glück?" „Na, du weißt schon. So ein Brauch eben. Wenn jemand krank ist, setzten sich die Freunde zusammen und basteln tausend Kraniche, damit die Person schnell wieder Gesund wird.“ „Tausend Kraniche?", wiederholte Ren überrascht. „Gut, für tausend hat es nicht so gereicht ... aber wart nur ab, du bekommst bestimmt noch einen von Yoh und Manta. Und wenn du Glück hast vielleicht auch von Anna. Und ich glaube Tamao wollte dir auch einen basteln, aber sie hat vorhin den Versuch aufgegeben. Der sah aber auch nicht so gut -" „Danke." „Was?" „Danke." Ren hob den Blick und sah Horohoro in die Augen. „Für den Kranich. Und auch danke ... dafür, dass wir Freunde sind." Beide Schwiegen, bevor Ren trocken hinzufügte: „Aber die Papierfigur sieht nicht wie ein Kranich aus. Eher wie ein Huhn." „Ren, das ist unverschämt! Wärst du nicht krank, würde ich dich -" „Was würdest du mich dann, Schneemann?" Kopfschüttelnd schob Anna die Tür wieder zu. ‚Danke - dafür, dass wir Freunde sind.' Warum dann das ganze?, fragte Horohoro sich in der Gegenwart. Hatte Ren ihnen etwa die ganze Zeit etwas vorgespielt? War alles nur ein Schauspiel gewesen, um sich am Ende gegen sie zu stellen. „Unmöglich", flüsterte Horohoro leise. Das konnte nicht sein. Es war einfach nicht möglich, dass nichts von all dem echt war. Aber warum hatte Ren sie dann verraten? Es gab keinen nachvollziehbaren, keinen gerechtfertigten Grund für sein Handeln! Dennoch musste einen Grund geben, der Ren dazu gebracht hatte, so zu handeln. Irgendetwas war geschehen. Was sollte er denn noch glauben? Rechtfertigte der Grund, den Ren hatte, dessen Handeln? Gab es überhaupt eine Rechtfertigung? So viele Fragen. Und doch nur eine Antwort. Er kommt nicht mehr zurück. oOo /Meister Ren?/ Mit besorgtem Ausdruck schwebte Bason um Ren herum, der sich seit der letzten Stunde nicht bewegt hatte, die Arme noch immer um die Knie geschlungen, den Kopf weiterhin auf den Knien abgestützt. Der Gefühlsausbruch Rens hatte tatsächlich nur wenige Minuten gedauert, bis er sich wieder unter Kontrolle hatte. Den Rest der Zeit hatte er nachgedacht. Hatte versucht, die erdrückende Leere, die in seinem Inneren herrschte zu verdrängen. /Meister Ren/, Bason rang nach den richtigen Worten, /ich ... ich bleibe bei dir./ Ren hob den Kopf. Die Unsicherheit war aus seinem Blick gewichen, der Schatten der Angst war verschwunden. /Meister?/ „Bason." /Ja?/ Ren erhob sich und drehte sich um. „Lass uns gehen." Bason folgte ihm. Der Schutzgeist haderte mit sich selbst, ein Gewissen nagte an ihm. /Ren?/ Der Chinese blieb stehen und sah ihn an. „Was ist?“ Bason schwebte unruhig auf einer Stelle auf und ab. Er musste es jetzt sagen. Wenn nicht jetzt, wann dann? /Meister, ich - ich muss -/ Er brach ab, als er an Rens angsterfüllten Blick zurückdachte. Nein, er konnte es nicht. Er brachte es nicht übers Herz. /Es tut mir leid, Meister Ren. Alles./ Ren blinzelte irritiert, dann schüttelte er den Kopf. „Du kannst doch nichts dafür, Bason. Dir muss überhaupt nichts Leid tun." /Doch Meister/, sagte Bason bedrückt, beließ es jedoch bei diesen Worten. Sie gingen stumm weiter. Nach unbestimmter Zeit schimmerte das Licht von der Lichtung durch die Blätter vor ihnen.. Kurz bevor sie das Dickicht verließen blieb der Chinese stehen. „Bason?" /Meister Ren?/ Ren sah ihn an. „Danke." Der Schutzgeist stutzte. /Wofür?/ Ein Lächeln zeichnete sich auf Rens Lippen ab. „Dafür, dass du bei mir geblieben bist, obwohl ich ein Verräter bin." Bason spürte, wie sich bei den Worten Unbehagen in ihm ausbreitete. Ren sollte sich nicht bei ihm bedanken. Nicht dafür. /Das ist selbstverständlich. Ich bin dein Schutzgeist. Ich werde immer bei dir bleiben./ „Und Bason." /Ja?/ „Bitte tu mir einen Gefallen." /Welchen?/ „Falls ich mich gleich nicht beherrschen kann und Hao angreifen will – bitte halte mich auf.“ /Natürlich./ Ein letztes Mal straffte der Schwarzhaarige die Schultern, bevor er auf die Lichtung hinaustrat, Bason dicht hinter ihm schwebend. Lange ruhten die Blicke der anderen Schamanen auf ihm, bevor sie sich wieder ihren eigentlichen Tätigkeiten widmeten. Ein kurzer Blick verriet Ren, dass Hao mit Luchist und Opacho am Lagerfeuer saß und sich mit ihnen unterhielt. Langsam näherte Ren sich dem Feuer, erstarrte jedoch auf halbem Weg. Sein Blick haftete starr auf dem Objekt, welches vor ihm auf dem Boden lag. Bason schwebte näher. /Ist das nicht -?!/ Langsam bückte Ren sich und griff nach dem beinahe vollkommen zerfetzten Stück Stoff. Das Blau schimmerte durch die Schicht Staub und wenigen Tropfen Blut zu ihm hinauf. „Horohoro." Das Wort kam so leise über Rens Lippen, dass selbst Bason, der dicht neben Ren schwebte, es kaum verstand. /Ren?/ Seine Faust schloss sich fest um das einstige Stirnbad von Horohoro, das dieser bei dem Kampf gegen Hao hatte einbüßen müssen. Hao lächelte spöttisch, als er Ren erblickte. „Ren, möchtest du dich nicht zu uns setzen? Wir sind doch von nun an eine große, glückliche Familie, findest du nicht?“ Der Chinese verengte die Augen und verzog den Mund. Dennoch richtete er sich auf und ging zum Lagerfeuer, wo die anderen ihn bereits erwarteten. Der Griff um das Stirnband wurde noch eine Spur fester. Ich schwöre dir Hao, eines Tages werde ich dich für alles büßen lassen! 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