See with your heart von Melora ================================================================================ Kapitel 4: Shadows passing by ----------------------------- Hat mal wieder lange gedauert, ich weiß ^^ Wird mal wieder Zeit XD Aber ich war fleißig, hehehehe ^-^ Ich bin selbst gespannt wie’n Flitzebogen ^-^ Ich mag den Teil total gerne, besonders den total NETTEN Schluss... *muahahahahaha* Es ist ein ganz hundsgemeiner Teil, den man langsam und vorsichtig „genießen“ sollte >.< Also dann, viel Spaß beim Lesen XD Mata ne ^^ Nach Tatsujis Verschwinden schwiegen beide sich erst einmal an, so dass das Unvermeidliche geschah, sie ergriffen beide zugleich das Wort. „Ich...“ „Du wolltest...?“ Riina ergriff fest die Bettdecke, starrte auf diese und presste die Lippen fest aufeinander, es sah dem 27-jährigen nicht so aus, als wolle sie bald etwas sagen. „Was wolltest du mir denn jetzt so Wichtiges sagen?“ Er blickte sie fragend an und sprach sie in ruhiger Stimmlage an, er war anders als vorhin, irgendwie besorgter. „Was machst du überhaupt hier? Was ist denn passiert?!“ Die Rothaarige suchte nach einem Anfang und versuchte ihm jetzt in die Augen zu sehen, was ihr immens schwer fiel, wenn es um so ein Thema ging. „Mein Bruder ist ermordet worden, der Schock war zu groß, deswegen bin ich hier.“ Sie zitterte, ebenso wie ihre Stimme, und die Tatsache, dass nicht nur ihr Bruder gegangen war, sondern auch ein anderes menschliches Wesen brachte schließlich die Tränen hervor, sie standen nun in ihren Augen, bereit über ihr blasses Gesicht zu fließen. Kazuki stand von seinem Stuhl auf, welchen er zum Sitzen benutzt hatte, er wollte sich lieber zu ihr aufs Bett gesellen und saß wenig später dort auch. Der 27-jährige hatte sich so hingesetzt, dass er ihr fast genau gegenüber saß. „Tut mir Leid, auch dass ich den jungen Mann von eben so angefaucht habe. Dein Bruder war bei der Polizei, nicht wahr?“ „Mhm“, meinte sie nur, deswegen drückte ihr Freund sie wenig später an sich. Sie schmiegte sich gegen seine Schulter und schluchzte auf. „Mir wird immer mehr klar, wie wenig ich über dich weiß...“ Es war zwar nicht das, was sie ihm hätte sagen sollen, aber sie konnte es nicht. Sie musste es ihm ja nicht mehr sagen, dass sie schwanger gewesen war. Das würde ihn doch nur deprimieren, wenn er es wusste. „Ich frage mich, wer einfach so einen Polizisten umbringt“, Kazuki wirkte apathisch, sie sah, dass er solche Taten verabscheute, er konnte unmöglich auch ein Mitglied der Organisation sein, das ging einfach nicht, Tatsuji musste sich irren... „Schlechte Menschen, Leute, die die Polizei als was Schlechtes ansehen, weil sie die Bösen jagen??“ Riina fragte es, dabei war es eine Aussage, genau so war es doch immer. Die Bösen verachteten, oder sogar hassten die Guten und versuchten sie zu ärgern. „Wahrscheinlich hast du Recht, er muss ein sehr guter Mensch gewesen sein.“ Obwohl er lächelte, machte er einen traurigen Eindruck. „Und der Mörder ein total schlechter Mensch.“ „Das wird wohl zutreffen, mein Bruder hat sich nie nach Hass gerichtet, alles, was er tat, war gerecht, leider will das jemand, der sich auch mein Vater nennt, nicht einsehen. Seiner Meinung nach hat er ihn verraten. Mein Vater ist nämlich das genaue Gegenteil meines Bruders.“ Kazuki holte kurz Luft und drückte sie etwas fester an sich. „Du denkst, dein Vater war es, nicht wahr?“ Irgendwie konnte er das gut verstehen. Seine Familie war auch mit jemandem gesegnet, dem er alles zutrauen würde. ALLES! Dass sie einen Verbrecher zu mögen schien und was sie früher getan hatte, reichte ihm dafür schon. „Ich habe eine 6 Jahre ältere Schwester“, brach es plötzlich aus ihm hervor. „Sie ist das, was ich schlechter Mensch nennen würde. Ich kann dich also gut verstehen.“ Er würde ihr ein bisschen von seiner missratenen Schwester erzählen, auch wenn alles wohl etwas zu viel für sie sein würde. „Kannst du das? Was hat sie denn Schlimmes verbrochen?“ „Sie schreckt vor nichts zurück und ich denke, sie hat auch schon einmal jemanden umgebracht. Außerdem ist sie eine eingebildete Ziege, die denkt, sie kann sich alles einfach nehmen, wenn sie Lust darauf hat, auch ihren eigenen, kleinen Bruder mit 15.“ Selbst wenn diese Geschichte Scham in ihm auslöste, er wollte es endlich mal jemandem erzählen können, er hatte das Gefühl, ihr so etwas erzählen zu können. Etwas, was andere widerlich gefunden hätten. „Sie scheint mich zu hassen, Riina.“ Die Rothaarige dachte nicht richtig zu hören, aber das tat sie wohl. „Hattest du etwas mit deiner Schwester?“ Das meinte er doch, oder? Sie wollte trotzdem, um Missverständnisse auszuräumen, mal nachfragen. Ein Seufzen entfuhr dem Braunhaarigen. „Sie hat mit einem Freund darum gewettet, dass sie es schafft, jeden zu verführen, auch mich. Alle haben sich über mich lustig gemacht, das vergesse ich bestimmt nicht.“ „Richtig nett, deswegen kann ich übermäßig arrogante Leute auch nicht leiden. Hast du dann eigentlich noch Kontakt zu ihr?“ „Nur, wenn es sein muss.“ Das kam leider für seinen Geschmack durch Pinot noch zu oft vor, er wünschte sich, beide würden tödlich verunglücken, danach würde es ihm bestimmt um ein Vielfaches besser gehen. „Und dann ist da ja noch meine Cousine, die eng mit ihr befreundet ist, sie ist Psychiaterin, man sollte der Frau schnell die Lizenz entziehen. Sie hilft den Menschen nicht, eher das Gegenteil. Sie sieht die Psyche ihrer Patienten als eine Art Spielzeug an. Ich kenne schon einige kranke Leute, es wundert mich nur, dass es keiner bemerkt, wie krank die sind.“ „Psychologen und Psychiater habe ich gefressen, Kazu-chan, ich werde nie mehr zu so jemandem gehen, nie mehr.“ Sie war leicht rot im Gesicht vor Zorn. „Sie sind nicht die guten Menschen, für welche sie sich halten...“ Kazuki nickte vor sich hinstarrend, das traf es jawohl sehr gut – seiner Meinung nach. „Wenn man bedenkt, dass die Psychiaterin, die ich meine, sich dazu hinreißen ließ, mit mir zu spielen, kann man wohl kaum sagen, sie sei so ein guter Mensch.“ Er schloss die Augen. Eigentlich hatte jede seiner Jugendfreundinnen eine Verbindung zu seiner Schwester gehabt. Sobald sie erfahren hatte, dass er in jemanden verliebt war, hatte sie diese Leute doch mit ihrem Taschengeld, wovon sie immer sehr viel gehabt hatte, bestochen. Und das ein weiteres Mal, wenn sie ihn verlassen sollten, was immer geklappt hatte, bis er seine Frau getroffen hatte. Sie war von seiner Schwester allerdings dann terrorisiert worden, weil sie sich nicht hatte bestechen lassen. „So jemand sollte sich wirklich nicht Helfer nennen“, sie wollte ihn jetzt knuffen, das hatte er wirklich nicht verdient. Aber die meisten, denen man so etwas antat, hatten das nicht, Riina war das nun wirklich schon vermehrt aufgefallen. Bestes Beispiel waren Ryos und Shinas Cousinen, die sich hatten zusammentun müssen, um die arme Shina zu ärgern, wobei Ärgern noch das harmloseste Wort dafür war. „Tut sie aber und jeder scheint sie zu mögen. Wenn man auch nur ein falsches Wort über sie verliert, ist man gleich unten durch. Na ja, ich will dich jetzt auch nicht mit meinen Horrorgeschichten langweilen.“ „Hey, ich wollte etwas über dich wissen, dann muss ich jetzt damit leben.“ Bis auf Takuya schienen alle ihre Freunde arm dran gewesen zu sein, vielleicht zog es sie zu solchen Männern irgendwie hin, sie wusste es nicht. Es war schon etwas dunkel geworden und man könnte meinen, für eine Frau alleine war es bereits zu dunkel, dann hielt sich die Braunhaarige auch noch in einem Viertel auf, in dem es von Verbrechern nur so wimmelte, doch all das war Absicht. „Hey, SÜßE, was treibt dich denn alleine in diese Gegend, hast du heute keinen Aufpasser bei dir? Kein Helios? Kein Cognac? Und keine Cencibel, he?“ Wie eine Hyäne blickte die Rotblonde die Braunhaarige an, die gerade erst hier aufgetaucht war. „Wozu soll ich das brauchen? Damit du mich nicht windelweich prügelst?“ Ein Lächeln, das ihre Frechheit in Sachen Worte noch überstieg, spiegelte sich auf den Lippen der 28-jährigen wieder. „Bedaure.“ „Du bist heute wirklich selten frech.“ Wie konnte dieses süße Ding es wagen, so mit ihr zu sprechen? Sie war mal wieder fällig, fand die 31-jährige, doch dann kam schon die nächste Frechheit, die sie in ihrer Handlung inne halten ließ. Valpolicella hatte ihre Waffe ziehen wollen, wurde dann aber frech angegrinst und bekam zu hören, was sie sich nicht hätte träumen lassen, dass es die Moderatorin mal wagen würde. „Was ich dir schon immer mal sagen wollte, Val-Prinzesschen“, das war schon zu viel des Guten, veralbert werden war eines der Dinge, welche die Ältere mit am meisten hasste, aber der Gipfel aller Frechheiten kam dann erst wenig später. „Carpano konnte dich nie leiden, du hast ihn angewidert, deine ganze Art und auch dein billiges Parfüm, das so penetrant riecht, dass er abends stundenlang hätte duschen gehen können.“ „Bitte?“ Valpolicella glaubte tatsächlich, sie hätte das nur hören wollen, um Kir wehtun zu dürfen. Das konnte dieses unschuldige Ding doch wohl kaum gesagt haben, oder? Das würde niemand wagen und DIE schon gar nicht! Ihre Augen verzogen sich vor Zorn zu Schlitzen und sie schnaufte laut, wie ein Büffel kurz vorm Angriff. Das hatte die Handlangerin, was sie für Valpolicella eben nur war, nicht umsonst gesagt, sie spürte es förmlich, wie die Wut in ihr hochkroch. Sie sollte gefälligst mit Jami so reden, mit ihr jedenfalls nicht. Sie würde sich von kleinen Handlangern doch nicht auf der Nase herumtanzen lassen. Die Frau mit den hellen Haaren holte weit aus und versenkte ihre Hand einschließlich ihrer Fingernägel in Kirs Gesicht, so dass regelrechte Abdrücke auf der Wange zurückblieben. Die Jüngere zuckte kurz, als sie die spitzen Fingernägel dieser Schönheit im Gesicht spürte, was kurz schmerzhaft zog, wich aber nicht vor ihr zurück. Was zurückblieb war ein spöttischer Blick, dann begann Kir zu lachen. „Was ist? Tut die Wahrheit weh?“ Sie lächelte fast schon ironisch niedlich. „Weil du nicht gegen mich ankommst, schlägst du mich? Du kommst doch nur mit Gewalt klar.“ „Eine andere Sprache scheinst du nicht zu verstehen. Wer hat dir so ein Verhalten deinen Vorgesetzten gegenüber beigebracht? Wer war das? Vermouth vielleicht? Dann werde ich ihr was husten!“ Ja, genau an diese Frau erinnerte Kir sie gerade, sie nahm sich beinahe genauso viel aus, dabei hatte sie dazu nicht das Recht. „Ach, lass doch Vermouth aus dem Spiel, darüber hinaus darfst du ihr nichts husten, dann hustet dir nämlich DEIN BOSS etwas, Süße, nur nicht vergessen.“ Der Spruch hatte jetzt ohnehin sein müssen, sie brachte Valpolicella nämlich absichtlich so in Rage. „Gut, lassen wir sie aus dem Spiel, selbst sie würde nie so einen Ton an den Tag legen, sie weiß, was sich gehört, das liegt wohl daran, dass du aus einfachem Hause kommst, was, du Püppchen?“ Nun war es Valpolicella, die leise lachen musste. „Ich frage mich, wie ausgerechnet du zu deinem Wissen gekommen sein sollst. Gerade du willst jemanden wie Carpano durchschauen? Dass ich nicht lache! Wer hier billig ist, bist du. Du bist ihm doch wie ein läufiges Hündchen nachgelaufen. Vielleicht trauerst du ja und möchtest deswegen schon sterben, mhm?“ „Ich glaube, eure Hoheit verwechselt da etwas. Ich war es nicht, die um Carpano rumscharwenzelt ist und im Parfüm geduscht hat, um ihn zu betören, das war eure Wenigkeit, Valpolicella.“ Sie sprach nur so mit ihr, um sich über sie lustig zu machen. „Und dann habt Ihr auch noch euren Carpano an eine einfache Frau verloren, so was muss unheimlich wehtun, oder?“ Sie war so was von fällig, egal, ob es jetzt Trauer bei Kir war, Valpolicella durstete förmlich danach sie umzubringen, alleine dafür, dass sie gesagt hatte, sie hätte verloren. Das Gegenteil beweisen konnte schließlich keiner. Es war die Wut darauf von einer so einfachen Frau, wie sie noch zugegeben hatte, so verspottet und gedemütigt zu werden. Doch, noch ehe sie ihre Waffe auf ihre Rivalin hatte richten können, war eine blonde Frau mit gewellten Haaren erschienen und hatte ihre Waffe gezogen, um Valpolicella von hinten zu bedrohen. „Lass es! Kir ist etwas verrückt geworden! Wenn du ihr etwas tust, bereust du das!“ Eine Drohung von einer Frau, die ihrer Meinung nach auch unter ihr stand, jedoch war es etwas total anderes bei ihr. Sie war dem Boss wichtig, aber am meisten war es die Tatsache, dass Cencibel genauso gut war, wie sie selbst, das ließ sie die Waffe sinken. Sie konnte ja immer noch, wenn Cencibel nicht hier war, auf Kir losgehen, jetzt sah es eher so aus, als würde sie die andere verletzen, wenn sie es wagte, auf ihre Freundin loszugehen. Am Ende brachte Cencibel sie noch um, dazu fähig wäre sie – so sehr sie es selbst bedauerte, dass sie ihr zuviel beigebracht hatte. Sie hätte der Blondine am liebsten den Hals umgedreht, leider konnte sie sie nicht so schnell umbringen, wie so manche andere. Währenddessen hatten die zwei Leute, die mehr oder weniger bei diesem Auftrag dabei gewesen waren, sie einfach alleine zurückgelassen. Okay, sie war oft abgehoben und war froh, wenn sie alleine agieren konnte, aber mit so etwas hatte die Frau mit den hellblonden Haaren überhaupt nicht gerechnet. Cencibel war wegen Kir gegangen, das war ihr nur Recht bei dem, was sich die Moderatorin in den Kopf gesetzt hatte. Zwar hätte die andere Blondine nicht von der Seite der Schauspielerin weichen sollen, was hieß, dass sie die Regeln gebrochen hatte, aber Vermouth hatte auch gar nicht damit gerechnet, solche Probleme zu bekommen, weshalb sie die Lage total falsch eingeschätzt hatte und gemeint hatte, es würde bestimmt nicht rauskommen. Aber in dem Fall... Es hieß nur ganz schnell weg von hier, bevor noch etwas Schlimmeres passierte, als dass sie körperliche Blessuren davontrug, was schon geschehen war, da er einfach dazu neigte, sie so zu treffen, dass Fliehen immer recht schwer wurde, doch bisher hatte sie es immer geschafft, ihm abzuhauen, meistens ohne auch nur einen Schuss abgegeben zu haben. Sie hatte es wirklich versucht auf ihn zu schießen, aber sie war total unfähig, ihn zu treffen, sie schoss immer vorbei, als würde ihre Hand von etwas Unsichtbarem gelenkt werden. Sie hätte es gerne für Cencibel getan, die Frau hatte es ja nicht absichtlich getan – sie alleine zu lassen – es ging um Kir, die war um ein Vielfaches wichtiger, es war einfach so. Sie selbst war nur dem Boss wichtig, was zwar traurig, aber nicht zu ändern war. Der Mann, welcher hier gewesen war, war vor Shuichi natürlich geflüchtet, weil er Heidenangst hatte, ihm zu begegnen, so ein Schisser. Cognac hätte so etwas niemals getan. War er denn wirklich der Einzige, der den Mut dazu verspürte, ihr zu helfen? Nicht mal der Boss war hier anwesend, er versteckte sich ja immer nur und gab Befehle, er war keinesfalls besser als dieser verdammte Torino, dem Cognac eh misstraute. Heute war sie wirklich bedient. Erst brach dieses verdammte Dach ein und sie krachte in dieses hinein, dann rutschte sie auf dem glatten Boden auch noch aus und schlug sich das Knie auf, welches sowieso schon verletzt gewesen war, weil Shuichi neuerdings wohl gerne ins Bein schoss... Mal ganz davon abgesehen, dass sie wieder Blut verlor. Dem Boss das zu verschweigen, würde wirklich schwer werden. Das etwas Freizügigere, was er sich manchmal so wünschte, würde die Sache enthüllen, sich von ihm absichtlich fernhalten, war aber auch oft nicht drin, das war erstrecht auffällig. Dann noch ein besorgter Sêiichî, das konnte sie nicht brauchen, er war doch nun wirklich immer besorgt um sie. Im Moment war sie es selbst. Allerdings erst, als sie bemerkte, dass nicht nur Shuichi Akai hinter ihr her war, sondern noch jemand ganz anderes, der sie wohl gefressen hatte. Ihre Atmung ging schnell, ihr Herz klopfte schmerzhaft, die Wunden taten weh, aber darauf konnte sie nun keine Rücksicht nehmen. Bei ihm war es etwas anderes, auf ihn nahm ihre Hand keine Rücksicht. Kaum hatte sie ihn gesichtet, war ihre Waffe schon auf ihn gerichtet, im selben Moment auch abgedrückt worden. Doch das Schlimmste an diesem Tag war nicht, dass sie schon wieder einmal gegen ihren Exfreund verloren hatte, nein, das Schlimmste war, dass er wieder ihr Gesicht getroffen hatte und sie dem anderen nun ihr wahres Gesicht zeigen musste. Ihre Karriere konnte sie dann wohl knicken, er würde es öffentlich machen, wenn sie ihn nicht auf der Stelle umbrachte. Das war ihm zuzutrauen, er hasste Stars und würde es genießen, ihren Ruf zu ruinieren. Von Polizeifahndungen ganz zu schweigen, zu dieser hatte er ja direkten Kontakt. Wieso also nicht gleich alles ruinieren? Sie würde sich verstecken müssen, was der Boss dann ausnutzte, um sie bei sich zu behalten, sie würde Sêiichî nicht mehr sehen dürfen, alles würde den Bach runtergehen. Es sei denn, er starb. Sie musste sich ganz schnell entscheiden. Den Typen umbringen, egal, wie Sêiichî das am Ende fand, oder ihn verschonen und darauf hoffen, dass nicht alles öffentlich wurde, was nun wirklich ein großes Risiko war. Eines stand jedoch fest, Sêiichî Iwamoto und Chris Vineyard würde es so wie bisher nicht mehr geben, egal, wofür sie sich auch entschied. Brachte sie einen Polizisten um, würde er ihr niemals verzeihen, aber andererseits würde er sie auch nicht mehr sehen dürfen. Wie hatte die Sache nur so ihren Händen entgleiten können? Und das nur wegen Akai! Am Ende war es ein abgekartetes Spiel, um sie in eine Falle zu locken, ein Spiel zwischen dem FBI-Agenten und diesem Polizisten. Shuichi war nun aus ihrem Blickfeld verschwunden, als sie sich nach hinten umdrehte. Ach, wollte er sie jetzt der Polizei überlassen, oder wie? Was war er bloß für ein Egoist? Um weiter ungestraft in Japan ermitteln zu können, hatte er sich verzogen. Wenn sie sehen würden, was er so an Waffen bei sich hatte, würden sie ihn erst einmal für einen Assassin halten, der mit ihr unter einer Decke steckte. Das würde aber auch heißen, dass die Polizei nicht weit war. Er musste sie gerufen haben, Shuichi war es ganz sicher nicht gewesen, er jagte seine Exfreundin doch viel lieber alleine. Aus der Entfernung - es waren bestimmt nicht mehr als 50 Meter - konnte der Ermittler das Gesicht dieser Frau erkennen, nicht zu glauben, was man ihm da präsentierte. Es war eine Überraschung, ja, das musste er zugeben, aber das erleichterte es seinem Gewissen, einer Frau Böses anzutun. Alles, was mit Stars zu tun hatte, war ihm ohnehin zuwider. Vermouth war für ihn ohnehin immer nur ein verdammt gerissenes Miststück gewesen, aber wie gerissen, das wusste er erst heute. Da er jetzt wusste, wer sie war, würde sie ihn ganz bestimmt um jeden Preis töten wollen. Er dachte, ihre Prioritäten einschätzen zu können. Und was hatte mehr Priorität für sie, außer dass ihr Geheimnis auch geheim blieb? Hinter sich sah er nichts, nur vor sich, dieses Bild von der schönen Schauspielerin in seinem Gedächtnis. Erst, als man ihm etwas in den Rücken drückte, wusste er, dass da jemand war. Wer das war, konnte sich der Kriminalist gut vorstellen. Verloren, er hatte verloren, oder nicht? „Keine Bewegung, Hiroya, ansonsten sehe ich mich gezwungen, dich zu töten!“ Es war eine recht dunkle Stimme, dunkler, als er sie für gewöhnlich kannte. „Cognac, was für eine Überraschung“, natürlich erkannte Tokorozawa sein Lieblingsopfer. „Na, hast du Freude daran?“ Natürlich hatte er Freude daran, seinen Feind in Schach zu halten. „Lass Vermouth in Ruhe! Nur dann lass ich dich leben.“ Das war also Cognacs Priorität? Das war alles? Und was war mit der Organisation? „Ich verstehe nicht, Cognac, was soll dir das bringen, außer vielleicht den baldigen Tod?” Was wohl? Ihr Vertrauen, ihre Treue, ihre Liebe? Ja, so einfach gestrickt war er, für Hiroya wohl schwer zu verstehen. „Jetzt verrätst du nicht nur deine ach so geliebte Polizei, sondern auch den Clan, für den du arbeitest, das ist mir wirklich suspekt!“ Hiroya lachte über den dummen Cognac, allerdings, dumm, das war er, so etwas für eine Frau zu tun. „Auf wessen Seite stehst du denn?“ „Das weißt du noch immer nicht?“ Nun war es Cognac, der lachte. „Ich kann es mir nur denken. Egal, was sie auch tut, was?“ „Vielleicht.“ Wenn Hiroya ihn so einschätzen wollte, dann sollte er doch. Für ihn waren sie doch sowieso alle böse, wieso also Antworten geben? „Na dann, hau ab mit deiner Geliebten, aber glaub mir, eines Tages büßt ihr mir!“ „Ach, wirst du mit deinen Kollegen von der Polizei bereden, was du herausgefunden hast? Hiroya Tokorozawa, das würdest du nur bereuen, in dem Fall würde ich ganz gnadenlos sein. Das weißt du doch.“ „Toller Polizist bist du. Willst töten, um weiter zu töten. Vielleicht verschone ich deine Liebste, doch nicht dich. Nicht einen, der die Polizei linkt, das kann ich nicht.“ „Na dann, viel Spaß. Mehr will ich doch gar nicht. Dann geh wie ein kleines Kind petzen, aber halte sie da raus.“ „Tze, du bist ein Spinner. Pass nur auf, dass du es nicht mal bitter bereust, dass du das für sie getan hast. Und jetzt schnapp dir deine Süße und verschwindet, bevor meine Kollegen kommen. Du willst doch nicht mit ihr zusammen gesehen werden, ihr beide, wo ihr doch bewaffnet seid, mhm?“ Ob das wohl ein Trick war und er ihn dann von hinten angriff? Vermouth beobachtete beide aus der Entfernung, sie hätte doch nur zu gerne gewusst, womit Cognac ihm drohte. Sie sah, wie er sie zu sich winkte. Nur sehr zögerlich schritt sie auf ihn zu, auf ihn und diese kleine Gasse neben ihm. In diese Gasse sollte sie sicher gleich verschwinden, um sich zu verziehen. Noch immer bedrohte ihr Freund den Polizisten. Wenigstens brachte er ihn nicht um, aber wie wollte er ihn zur Vernunft bringen? So etwas wie Gnade kannte Hiroya Tokorozawa doch noch weniger als Shuichi Akai, oder nicht? Direkt vor Hiroya blieb sie stehen, blickte dem Grünäugigen in die Augen. „Was ist, Vermouth? Der Fluchtweg ist rechts.“ Hiroya grinste schäbig, nie im Leben würde er schweigen. „Erst will ich wissen, was du nun tust, da du mein Geheimnis kennst.“ „Warum fragst du, statt abzudrücken? Du weißt, was ich tun werde, oder nicht?“ Er spürte Cognacs Waffe fest in seinem Rücken, dieses Bedrohende in seiner Handlung. „Ich ermittle nicht gegen euch mit der Polizei, ich ermittle ausschließlich alleine gegen euch, zufrieden?“ Dann war er der Einzige, der davon erfahren würde? Was hatte den denn geritten? Verblüfft blickte sie Sêiichî an. Konnte man ihm echt glauben? Sie stellte die Frage mit dem Blick. Ein Nicken war von Sêiichî zu sehen. Gott, das würde sie noch mal bereuen, nämlich dann, wenn Hiroya alles doch öffentlich machte, sie fürchtete sich davor, aber konnte schlecht den Typen vor Cognac einfach erschießen. „Ich seh das als Versprechen, solltest du es brechen, kannst du was erleben.“ „Wie vernünftig ihr sein könnt, ist ja richtig putzig“, machte sich Hiroya lustig, der einen kräftigen Schubs bekam und auf dem genässten Boden landete. Sêiichî hatte sich das wegen seines Lachens nicht mehr verkneifen können. Noch ehe Hiroya sich aufgerappelt und gezielt hatte, war Sêiichî zusammen mit ihr in die Dunkelheit der Nacht verschwunden. ‚Was ist das bloß für ein Tag? Nicht mal ermordet haben die jemanden, oder ist mir was entgangen?’ Er fragte sich das ernsthaft. Was hatte diese Organisation heute wieder abgezogen? Und wo war der Rest von denen? „Und du glaubst, er hält sich daran? Wenn ja, bist du naiv! Sag mir einen Grund, weshalb ich ihm nicht das Licht ausblasen sollte? So ein arrogantes Schwein.“ Sêiichî holte tief Luft. „Ich werde dafür sorgen, dass ihn jemand ausspioniert, mach dir mal keine Sorgen. Aber ich denke nicht, dass er das tun wird. Schon alleine nicht, um diese Leute nicht zu gefährden, das ist zwar sehr dumm von ihm, aber ich bin ja auch dumm, was das angeht, nicht?“ Sie saßen im Auto, der Motor gab nur ganz leise ein Geräusch von sich. „Du denkst wirklich, er will dich strafen, versteh ich nicht. Wieso sollte er denn?“ „Es muss wie ein Geschenk für ihn sein, zu wissen, dass ich Schauspielerin bin. Weißt du eigentlich, was da auf uns zukommt? Meine Aufpasserin hat mich alleine gelassen, dann passiert so was, sag mir, wie soll ich dem Boss gegenübertreten? Dafür kriege ich lebenslangen Hausarrest, wie ein kleines Kind, du wirst sehen, das ist das letzte Mal heute, dass wir uns sehen. Wenn Tokorozawa dann noch irgendwem etwas davon sagt, was eine gewisse Schauspielerin so nebenher treibt, kann ich mich von der Schauspielerei verabschieden. Und wenn das der Fall ist, hat er einen Grund mehr, mich bei sich zu behalten.“ Sie schaute nachdenklich aus dem Fenster. „So schlimm wird es schon nicht werden. Was habt ihr da überhaupt gemacht?“ „Uns ist ein Kind ausgebüxt, deswegen war auch Cencibel bei mir. Ich habe die Mutter gespielt, weil dieses Wunderkind sonst nie freiwillig zurückgekommen wäre.“ „Ich bin froh, dass Yuichi das nicht mitbekommt, Gott wird mich dafür bestrafen, dass so etwas meinen Mund verlassen hat.“ Seufzend kamen die Worte über ihn, während er die Straße im Auge behielt. „Hat er doch schon, oder denkst du, es gibt noch etwas Gutes in deinem Leben, etwas Schönes? In Zukunft wirst du nur noch morden, hast du es nicht gehört, was Hiroya da gesagt hat? Er wird den Mund aufmachen, deinen Job bist du dann los.“ „Tja“, mehr sagte er nicht dazu, wieso auch? Sie hatte doch perfekt ausgedrückt, was geschehen würde. Dann würde er sich wohl einen anderen Job suchen müssen. Vielleicht würde Hiroya auch nichts Dergleichen tun, doch die Chance dafür war mehr als nur gering, er war ein rachsüchtiger Mistkerl, ganz sicher würde er. Man konnte nur darauf hoffen, dass ihm den Unsinn niemand abkaufen würde. „Das einzig Gute an dieser Situation ist wohl die Tatsache, dass ich versagt habe. Wenn irgendjemand offiziell davon Wind kriegt, wer ich wirklich bin, dann hat er keine Verwendung mehr für Vermouth. Ist, als wär ich schon tot.“ Irgendwie fühlte es sich so an. Sie hatte ihn ja leben lassen. Der Boss würde das als Verrat verstehen und sie ganz bestimmt nicht mehr für die Organisation arbeiten lassen. Wenn er ihr überhaupt etwas lassen würde. „Bisher war es so, dass ich immer unerkannt bleiben konnte. Das FBI hatte ja nicht so die große Lust mir aus der Distanz Ärger zu machen. Ausgerechnet heute hatten wir bestimmt das Glück, dass irgendjemand gesehen hat, wie wir ihn verschont haben. Ich hoffe für dich, dass das nicht so ist. Du hättest ihn doch erschießen sollen, dann wären wir beide keine Versager und würden nicht bald zum Müll zählen. Toll gemacht!“ So ein Absturz konnte schnell kommen, wohl wahr, aber wieso dachte sie denn auf Teufel komm raus, dass es so enden würde? „Ich konnte niemanden sehen. Dass wir jemanden verschont haben, wird wohl kaum jemand mitbekommen haben, außer Akai, der war schließlich hier, nicht wahr?“ Er warf ihr nebenbei einen kurzen Blick zu. „Ich fahr dich erst mal zu mir, verarzte dich und kümmer mich um dich, wenn’s recht ist.“ „Ach neee“, machte sie sich lustig. „Und was soll ich bitte dem Boss sagen, wo ich gesteckt habe?“ „In einem Hotel, du hast dich versteckt, ganz einfach.“ „So einfach ist das nicht.“ „Hey, dann stehst du doch noch gut da, bist mal wieder entkommen. Und solange du zurückkehrst und nicht bei der Polizei landest, ist doch alles gut, nicht?“ „Ach herrje, unterschätze ihn nicht, er kriegt so einiges raus, auch gerne mal Unwahrheiten.“ Sie warf ihm einen bösen Blick zu. „Ich hasse dich, Cognac, warum musstest du eingreifen? Das wird nur Ärger geben, wenn uns jemand gesehen hat. Am besten noch der Falsche!“ So jemand wie Korn, oder Chianti, das hätte ihnen noch gefehlt. „Du bist echt paranoid.“ Sêiichî seufzte und hielt dann den Wagen an. „So, wir sind da.“ „Weiß ich, du musst es nicht so ankündigen.“ Sie hatte wirklich schlechte Laune, irgendwie musste man sie ja etwas aufheitern können... Der Schwarzhaarige stieg aus dem Auto aus, wollte ihr auch aussteigen helfen, aber sie schob ihn von sich. Es war kühl, fand sie, trotzdem schwitzte sie, Schweißperlen rannen über ihr Gesicht. „Mir ist übel“, sie murmelte es nur, er legte den Arm um sie und ging mit ihr zur Tür, die er aufschloss und dann mit ihr drinnen verschwand. Ein Auto hielt um die Ecke an, der Fahrer grinste. „Aha, das ist also euer Geheimnis, sehr interessant.“ Er musste irgendwie lachen, selbst nicht wissend, weshalb es so war. Er würde etwas gemein sein und den Leuten Bericht erstatten, die das sicher interessieren würde, das war ja schließlich sein Job als loyaler Mitarbeiter, oder? Die Vorhänge wehten sanft im Wind, da das Fenster gekippt gewesen war, damit frische Luft hinein kam. Sie war noch total verschlafen, kroch aus dem Bett hervor, legte die Decke über ihn, der noch seelenruhig schlummerte und tappste dann barfuß durch die Wohnung in die Küche, um sich einen Kaffee zu kochen. Über die Nacht hatte sie sich etwas von den Strapazen erholt, doch waren leichte Schmerzen noch vorhanden und sie fühlte sich ein wenig ausgelaugt. Ein Wunder war, dass der nervige Boss sie nicht nachts aus den Federn geworfen hatte, er musste sie doch bereits wieder vermissen. Wahrscheinlich machte sie sich wirklich viel zu viele Gedanken und er dachte, sie sei entkommen und musste sich erst einmal verstecken. Mit Kaffee beladen ging sie dann zurück ins Schlafzimmer, das Tablett in den Händen haltend schlich sie hinein, öffnete noch die um einen Spalt geschlossene Tür und wollte Sêiichî gerade ansprechen, als sie bemerkte, dass sie nicht alleine waren. Mit einem Krachen fiel das Tablett aus ihren Händen und landete am Boden. „Guten Morgen, gut geschlafen?“ wurde die Blondine gefragt, ihr stand der Schock ins Gesicht geschrieben. „Du hast mich erschreckt! Was machst du hier am frühen Morgen?“ Sie fragte es total ruhig, was die Tatsache, dass sie einen Schock erlitten hatte und ihr das Tablett runtergefallen war, nur umso ulkiger für ihn machte. Dachte sie tatsächlich, dass sie ihn so leicht für dumm verkaufen konnte? Anscheinend war dem so. „Ich wollte mir mal ansehen, was hier läuft.“ Das war genau die Antwort, welche sie nicht hören wollte. Die Blondine seufzte. „Was soll schon laufen? Ich habe hier geschlafen.“ „Ich kenne dich! Und lüg mir bloß nicht ins Gesicht!“ Zorn loderte in seinen Augen auf, er wurde auch lauter als zuvor. Vermouth versuchte wieder das Unschuldsengelchen zu spielen, er konnte es nicht fassen, nach all den Jahren kannte er seine Leute und sie würde doch niemals mit einem gut aussehenden Mann nur im Bett liegen. „Was denn? Sehe ich aus, als wäre ich zu so was in der Lage gewesen?“ „Du bist zu einigem in der Lage.“ Verdammt, es war nichts gelaufen, was ausnahmsweise mal die Wahrheit war. „Er hat sich wie ein Gentleman verhalten, nachdem er mich verarztet hatte, was ich, wie du vielleicht siehst“, sie hob das T-Shirt an, welches er ihr angezogen hatte, „bitter nötig hatte.“ Der Mann mit dem extravaganten Schnurbart, der sich ein wenig kräuselte, schüttelte den Kopf. „Du missverstehst mich anscheinend, hier geht es nicht um ihn, ich wollte dich bloß abholen, ich konnte ja nicht mit so was rechnen.“ „Er hat überhaupt nichts getan.“ „Wenn das so wäre, würde ich nicht die Panik in deinen Augen glänzen sehen.“ Sie wollte zu ihm rüber gehen, spürte aber Arme, die sie zurückzogen. „Schön hier geblieben, der Boss hat hier etwas Wichtiges zu erledigen.“ Die amüsierte Stimmlage, die der ältere Mann inne hatte, ließ ihren Körper kurz erzittern. Sie hatten hier etwas vor, was sie wohl beide amüsieren würde. Und ihre Vorlieben waren: Erdrosseln, Niederstechen, Zerstückeln... „Alvarello, was habt ihr hier vor?“ „Jemand hat euch beobachtet gestern Nacht, laut ihm hat Cognac sich wirklich rührend um dich gekümmert, Vermouth, ZU RÜHREND, er ist ja so ein niedliches Kerlchen, schade um ihn, mhm?“ „Wer? Der fantasiert sich was zusammen.“ Sie klang total unbeeindruckt, was hatte dieser Vollidiot, wer auch immer er war, bitte erzählt, was gewesen sein sollte? „Das Risiko möchte ich diesmal nicht eingehen, Teuerste.“ Der Schwarzhaarige packte den schlafenden Cognac. „Wird Zeit, dass du aufwachst, kleiner Verräter!“ Samt der Bettdecke schnappte er sich den Typen und beförderte ihn vor das Bett, wo er mit einem Krachen aufkam und aufstöhnte. „Hey, Chris, hab’ ich geschnarcht?“ Total verwirrt hielt sich Sêiichî den Kopf, es hatte wirklich wehgetan – so knallhart war er noch nie aufgewacht und er wusste auch noch nicht wirklich, was gespielt wurde. Das war die Höhe, jetzt wagte dieser Jungspund auch noch ihren Vornamen zu benutzen?? „Guten Morgen, Cognac, gut aufgekommen?“ Er trat ihm in die Rippen, die Wut überkam ihn. Der Schwarzhaarige spürte einen Tritt, der leichte Schmerzen in ihm hervorrief, er hörte die Stimme vom Boss und sprang auf. „Guten Morgen“, etwas nervös war er jetzt schon, noch ehe er wirklich richtigen Boden unter den Füßen hatte, spürte er Schmerzen in der Schulter und wurde erneut vom Boden hochgezogen und fand sich wenig später an der Wand wieder. Man hatte ihn an den Haaren hochgezerrt, zwei weitere Männer hielten ihn fest. „Wer nicht hören will, muss fühlen, nicht wahr? Habe ich euch das nicht gleich zu Anfang beigebracht?“ „Ich wollte nicht hören?!“ Man hielt ihn fest, die Blicke der beiden Männer trafen sich. „Du hast Vermouth gerettet, dafür möchte ich dir erst mal herzlichst danken. Und ich werde nicht fragen, weshalb du meine Frau gerettet hast. Ich weiß es ohnehin schon. Ich verzeihe dir noch einmal, mein treuer, kleiner Cognac. Allerdings muss ich dich auch schon wieder alleine lassen. Ich werde mich um deinen Freund Tokorozawa kümmern müssen, weil du ihn hast am Leben lassen. C’est la vie, was?!“ Egal, wie sehr er wollte, er konnte sich gegen die beiden Männer, die ihn festhielten, nicht behaupten. Und Alvarello, der mehr als einen Meter und fünfundachtzig groß und gut gebaut war, war sehr gut in der Lage mit Vermouth klarzukommen, die rein gar nichts dagegen machen konnte, dass man Cognac erst einmal verprügelte und ihn dann dazu zwang ein Mittel einzunehmen. „Wir sehen uns in der Hölle wieder“, flüsterte ihm der Boss zu und holte eine Packung Schlaftabletten aus der Tasche, er sorgte mit den beiden Männern dafür, dass er auch diese brav schluckte, er drückte ihn am Hals mit einer Hand gegen die Wand, wobei seine Beine vom Boden abhoben. „Verbrecher tot in seiner Wohnung aufgefunden – er kam mit seinen Lebensumständen nicht mehr klar und begang Suizid.“ Der große Mann stieß Cognac zu Boden, wo dieser sich unter Krämpfen zu winden begann. „Tut doch gut, so ein Mittelchen, oder?“ Nachdem er noch einmal nach seinem Rivalen getreten hatte, welcher mit müden Augen zu den drei Personen aufschaute, wandte er sich um, packte Vermouths Schultern und drehte sie etwas zur Seite, bevor er ihre Lippen mit seinen verschloss. Wozu diese Show diente, war Cognac sehrwohl klar, das war eine Demonstration in seinen letzten qualvollen Sekunden sollte er wohl noch mal sehen, wohin sie gehörte. Er lachte auf, es war ein sadistisches Lachen. „Sieh dich vor, Boss, sonst wirst du eines Tages durch deine eigene Besessenheit verrecken!“ „Man sagt immer so schön: Beiß nicht die Hand, die dich füttert, denn das hat Konsequenzen! Das weiß sie, anders als du. Mir hast du viel zu verdanken, Kleiner.“ Oh ja, vor allem seinen Tod, oder nicht? Der blonden Frau war schlecht, sie sah nicht hin, es war schlimm genug, wie es war, da musste sie nicht auch noch hinsehen, um sich sein Leid zu geben, woran sie schuld war. Sie war an allem ganz alleine schuld. „Sie – liebt – aber – nicht – dich“, das hatte er schon immer mal sagen wollen, auch wenn er zwischen jedem Wort um Luft rang und das Gefühl hatte, sein Herz würde jeden Moment in tausend Stücke zerbersten. Es schmerzte und jeder Herzschlag tat irgendwie doppelt so weh. Der Boss drehte sich noch einmal zum jämmerlich aussehenden Cognac herum. „Ach, wen dann? Etwa dich jämmerlichen Killer, der so einfach stirbt? Das wohl kaum. Sie steht weder auf Memmen, noch auf Leute, die weniger Geld vorzuweisen haben, als sie selbst. Sie ist Schauspielerin, vergiss das nur nicht, du bist für sie wie ein armer Schlucker.“ Sie verspürte den unbändigen Drang ihm das Gesicht zu verkratzen, als er sie so hinstellte, aber sie hatte die Hoffnung nicht aufgegeben, schließlich wusste sie, was man ihm gegeben hatte. Es war nämlich nicht nur Schlafmittel gewesen, das musste immerhin erst einmal wirken, ganz anders als das andere Zeug. Wenn es einen Gott gab, dann sollte er – um Himmels Willen – jemanden vorbei schicken, der Sêiichî rechtzeitig fand... Er atmete schwerfällig und blickte ihnen nach. Wahrscheinlich hatte sie Recht gehabt, von wegen paranoid, sie war nicht paranoid, seine Freundin hatte wohl gespürt, dass so etwas passieren würde. Er grinste schief. Schade fand er nämlich nur, dass er sie gestern tatsächlich nicht mehr angerührt hatte. Hätte er gewusst, dass es so kommen würde, hätte er es noch einmal extra lang mit ihr getan. Aber wer rechnete schon mit Derartigem? Weswegen legte man ihn jetzt eigentlich um? Wegen seinem Verrat der Organisation gegenüber, oder ihretwegen? Vielleicht wegen beidem, er konnte sich da nämlich nicht entscheiden. Kurz dachte er, die Luft bliebe ihm weg, doch dann kam sprichwörtlich der Knall, ein tierischer, wahrlich unmenschlicher Schmerz kam in seiner Brust auf und er schrie auf. Danach blieb er kurz heftig atmend liegen. Seine Knochen schmerzten, alles schmerzte. Was um alles in der Welt war das nur? Es dauerte lange, bis die elenden Schmerzen vergangen waren und die Müdigkeit um sich griff. Er kämpfte damit, nicht einzuschlafen. Und überhaupt, was war das für ein komisches Gefühl der Leichtigkeit, als würde er schweben? „Ach, jetzt sterbe ich doch?“ Nachdem die Herzattacke, die er vermutet hatte, ausgeblieben war, hatte er gedacht, er würde überleben. Aber stimmte ja, die Tabletten... Mit verschwommenen Blick und seinen Augen fast zufallend, robbte er zum Telefonkabel hinüber. Er riss das Telefon runter und bekam den Hörer zu fassen. Er tippte ein paar Nummern ein, die Tasten sah er schon nicht mehr wirklich klar. Es war eine Handynummer, die er eingegeben hatte. Doch bevor sich jemand meldete, hatte ihn die Müdigkeit übermannt, jedenfalls hörte er die Stimme, die mit ihm sprach, nicht mehr. Kir hatte mehrmals versucht, Cencibel loszuwerden, aber diese hatte befürchtet, dass etwas Furchtbares mit ihrer Freundin passierte, wenn sie sie alleine ließ. Vielleicht wäre Rena noch vor ein Auto, einen Zug, oder Derartiges gelaufen, weil ihr Plan nicht so ganz funktioniert hatte. Auf ihre Versuche, sie an ihren Auftrag zu erinnern, hatte Cencibel nur mit Schweigen reagiert. In der Zwischenzeit hatte sich Valpolicella jedenfalls schon etwas an beiden gerächt, indem sie dem Boss erzählt hatte, dass Cencibel Kir vorgezogen hatte, was dem Boss natürlich genauso wenig gefallen hatte, wie Valpolicella selbst. Dass er Cencibel noch nicht kontaktiert hatte, lag daran, dass er erst einmal Wichtigeres zu tun hatte, die Aktion der 28-jährigen hatte die Organisation ja nicht im direkten Sinn gefährdet. Er hätte sich aber schon für den Verbleib des Kindes interessiert, in der Hoffnung, dass sie wenigstens dieses erwischt hatten, damit sich das Ganze auch ja lohnte. Deswegen wussten beide aber auch noch nicht, was sich in der letzten Nacht abgespielt hatte. Keiner hatte sie aufgeklärt, Torino sah das wohl am allerwenigsten ein. Er hätte ja wenigstens mal anrufen können, um ihnen mitzuteilen, was er mit dem Kind gemacht hatte, aber erreichbar war der Typ wohl auch nie. „Weißt du, was ich hoffe, Rena?“ Die Moderatorin hatte es sich auf der Fensterbank gemütlich gemacht und beobachtete den Sonnenaufgang. „Was denn?“ „Das Kind, das wir zurückholen sollten, es hat eine Familie, die voller Polizisten ist. Wirklich jeder von den Männern, die zur Familie gehören, sind Polizisten, ein paar sind tot, aber nicht alle.“ „Worauf willst du hinaus, Shannen?“ Verwirrt blickte sie ihre Freundin an. Was genau sie im Moment hoffte, war ihr nicht so ganz klar. Dass die Polizisten das Kind retteten, oder viel mehr, dass sie überleben würden? „Dass mein Bruder und Tatsuji irgendetwas darüber erfahren und verhindern, dass die Polizei darin verwickelt wird. Ich weiß sowieso, wie das enden würde. Es würde damit enden, dass der Boss mal wieder jeden töten lässt, der etwas weiß. Einschließlich Tokorozawa und Kanata. Ersterer mag vielleicht ziemlich hart mit Verbrechern umspringen, aber für ihn geht es in erster Linie darum, dass nicht noch mehr Leute umgebracht werden – ich bin vollkommen sicher, dass er der Polizei noch keinen reinen Wein eingeschenkt hat. Aber eines ist da, was mich irgendwie stutzig macht. Warum hat der Boss darauf nur so wenig reagiert?“ „Weil Jami und Chardonel die Einzigen sind, die mit Tokorozawa kämpfen durften. Wobei Chardonel lieber die Flucht ergriff. Was denkst du, wer ist der bessere Schütze? Chardonel oder Jami? Jami ist es jedenfalls bisher immer misslungen, ihn umzubringen, auch wenn er wohl gerne wollte. Vielleicht hat der Boss einen ganz anderen Plan mit dem Typen.“ Manchmal war dieser Mann Kir einfach suspekt. Er tat meistens Dinge, mit denen man nicht wirklich rechnete. „Einen Plan mit Tokorozawa, der einige seiner Leute einsperren ließ?“ Die blonde Frau seufzte. „Oder er denkt, Leute, die ihm zum Opfer fallen, sind es nicht wert. Man weiß es ja nicht. Aber theoretisch hat er doch die Mittel, ihn umzubringen. Wenn er Valpolicella, Jami, Chardonel und Mistelle schicken würde, hätte der Kerl alleine nie eine Chance. Meistens begegnet Jami ihm ja alleine. Er hat aber nie Hilfe gefordert. Ich frage mich ja, ob Tokorozawa wirklich so viel weiß. Ich bezweifle es irgendwie, dann müsste er ihn töten.“ „Müsste er auch so schon. Oder es ist dasselbe Problem wie mit dem FBI.“ Shannen dachte kurz darüber nach. „Wenn man bedenkt, dass er stinksauer war, als Vermouth sich mit dem FBI angelegt hatte. Er hatte ihr schließlich verboten, denen zu nahe zu kommen. Du hättest sie sehen sollen, das gefiel ihr außerordentlich. Er hat ihr doch glatt was verboten, was sie eh nicht vorgehabt hätte. Cognac hat wirklich einen netten Einfluss auf die Frau. Sie kennt seinen Beruf, das hält sie davon ab, am Rad zu drehen. Früher hätte sie dieser Saintemillion wohl gleich den Rest gegeben, ich habe gehört, sie war ganz schön frech und das ohne absichernde Mittel. Akai musste sie retten.“ „Akai...“ Rena schüttelte es innerlich. „Ich kann den Typen, obwohl er Gutes tut, nicht leiden.“ „Dass er immer Gutes tut, bezweifle ich doch stark.“ „Ich sehe es kommen, wenn es hart auf hart kommt, sterben eine Reihe Polizisten, es wäre ja nicht das erste Mal, dass er so etwas bringt. Ich wünsche mir, dass irgendwer dahinter kommt, meinetwegen die Presse, die die seltsamen Umstände erkennt. Ich meine, es sterben mehrere Polizisten auf einen Schlag und keiner steigt dahinter, was genau der Grund war. Sie sterben meistens durch mysteriöse Umstände. Da würde ich doch anfangen nachzudenken.“ „Es ist längst nicht mehr so, dass niemand weiß, wer wir sind. Aber die Leute, die etwas wissen, fallen in der Regel auf. Entweder hat der Boss Angst vor ihnen und geht ihnen aus dem Weg, beziehungsweise, er versucht es, oder er lässt sie schnell eliminieren, sofern sie eine Gefahr darstellen. Das einzige Ziel ist es doch, ungestraft zu tun, was er will.“ „Die Presse? Bitte nicht, Rena! Torino und Valpolicella sind bei der Presse, die würden schon dafür sorgen, dass wir nicht auffliegen. Du siehst, Rena, es ist für alles gsorgt. Wir stecken überall... Vielleicht hat er auch Spione bei der Polizei für solche Fälle.“ „Ach Valpolicella ist auch bei der Presse? An Torino habe ich jetzt gar nicht gedacht. Solche Denkfehler können Leben kosten...“ „Ja, ist sie, Jamie Moore ist als Helios auch ein Reporter, er dachte, das kann er gut, weil er Detektiv ist. Aber Valpolicella so oft zu sehen, hat ihm nie wirklich gefallen, tja, so ist es. Da siehst du mal, wie weitreichend wir doch sind.“ Es war eine Schande, aber was Yuichi wusste, wussten ja auch ihr Bruder und Tatsuji. Mit viel Glück würden beide etwas unternehmen können, aber hoffentlich ohne zu sterben... „Vor Jamie habe ich Respekt. Er weiß immer, was zu tun ist. Er hat sich ohne zu zögern, auf dieses Doppelspiel eingelassen, um seine Kinder abzuschirmen. Der Boss oder Valpolicella waren bisher nie skeptisch, was ihn angeht. Man merkt es aber auch wirklich nicht, wie er wirklich tickt. Yuichi meinte mal, er sei bei einem berühmten japanischen Schauspieler großgeworden, deswegen würde es ihm so leicht fallen. Dieser Schauspieler soll auch Sêiichîs Großvater sein. Das würde aber auch heißen, dass in Sêiichîs Adern auch Schauspielerblut fließt. Kein Wunder, dass er sich Vermouth geangelt hat... Ach ja, die haben es ja so gut...“ Rena sah etwas sehnsüchtig aus, sie dachte daran zurück, wie gut sie es doch immer gehabt hatte. „So gut haben die es gar nicht, das bildest du dir ein, Rena. Sie muss in der ständigen Angst leben, dass man ihren Geliebten umbringt, sollte es denn jemals rauskommen, dass sie etwas miteinander haben. Du solltest sie nicht beneiden, nur weil...“ Shannen sprach es nicht aus, auch für sie war es hart, überhaupt daran zu denken, dass Yuichi nicht mehr da sein sollte. Tatsuji hatte zwar gemeint, er glaube nicht an Yuichis Tod, aber sie bereitete sich schon einmal darauf vor. „Tatsuji glaubt nicht, dass Yuichi tot ist, Rena, er ist immer noch auf der Suche. Deswegen finde ich auch, dass du Valpolicella nicht so reizen solltest. Was, wenn Yuichi noch lebt, egal wo? Irgendwann kehrt er vielleicht heim... Was soll ich ihm da denn sagen, wenn Valpolicella dich ermordet hat, nur weil du es ohne ihn nicht ausgehalten hast?“ Es war eine Kurzschlussreaktion gewesen, ja. „Er fehlt mir so, ich habe überhaupt nichts mehr, über das ich mich freuen kann. Ich werde nur benutzt, ohne ihn habe ich keine Lust mehr, das zu erdulden... Und dann noch dieses überhebliche Miststück, das denkt, er würde auf sie fliegen. Aber, ich denke, Tatsuji will es nur nicht wahrhaben, dass es ihn nun doch erwischt hat. Am Anfang dachte ich genauso, aber es ist so viel Zeit verstrichen... Wenn Ryochi und Tatsuji ihn nicht finden können, ist das ein Zeichen.“ „Ein Zeichen für was? Komm schon, Rena, du weißt, wie ich, dass ein richtiges Zeichen für einen Toten eine Leiche ist. Und die wurde nicht gefunden, solange ist alles offen, jedenfalls für mich.“ „Es ist für mich nur eine Qual, zu hoffen. Ich hoffe seit einer halben Ewigkeit, aber es hat sich nichts verändert. Ich würde alles dafür geben, nur um seine Stimme zu hören. Dann wüsste ich wenigstens, dass er am Leben ist. Und ich denke nicht, dass Valpolicella, so sehr wie sie immerhin an ihm hängt, nicht auch nach ihm suchen lässt oder ließ. Wenn selbst sie ihn für tot hält, ist es da nicht basser, zu denken, er wäre es? So kann man wenigstens nicht noch mehr enttäuscht werden. Schlimmer kann es jetzt nicht mehr werden. Nur besser.“ „Das stimmt zwar, aber, wenn du dich von dieser Frau umbringen lässt, machst du Yuichi unglücklich, sollte er denn noch leben. Denk doch nur mal daran.“ Sie wollte Rena ja nur etwas zur Vernunft bringen und von Dummheiten abhalten. „Ich habe es nicht mehr ausgehalten. Ohne ihn ist eben einfach nichts mehr so, wie es war. Wir hatten doch so viele Pläne für die Zukunft, wenn alles endlich vorbei ist.“ Es standen Tränen in den Augen der Moderatorin, die über ihr bebendes Gesicht rollten, auch wenn sie fest die Lippen aufeinander presste, um wenigstens das Schluchzen unterbinden zu können, damit es nicht ganz so schlimm aussah. Es brachte aber nichts, stumm kamen auch der Älteren Tränen, die sie nur sehr schwer unterdrücken konnte, als sie ihre beste Freundin so sah. „Ich kann dich so gut verstehen, glaub’ mir.“ Yuichi war wie ein kleiner Bruder für die Frau, sie selbst fand die Umstände auch schrecklich. Es war wohl für niemanden, der jemanden besonders mochte, leicht über so einen Verlust hinwegzukommen, geschweige denn sich einzugestehen, dass eine Person eben einfach nicht mehr vorhanden war. Das wollte sie auch irgendwie gar nicht, sie sollte solange daran festhalten, dass er noch irgendwo in der Weltgeschichte herumlief und es ihm vielleicht sogar recht gut ging, bis sie vom Gegenteil überzeugt wurde, dann war immer noch Zeit für Kummer. Aber diesen hatte sie natürlich schon, weil sie sich fragte, wohin man ihn hatte verschwinden lassen... „Wie geht’s Kat’s Schwester?“ Shannen seufzte und überlegte, was sie Rena wohl antworten sollte. „Ach, ihr geht’s wohl wieder ganz gut. Mein Bruder und Tatsuji haben sie mit nach Amerika genommen und verstecken sie dort, seitdem ist Valpolicella allerdings übel drauf, was Katori angeht. Sie versucht so gemein wie möglich zu sein, damit sie nicht aus der Reihe tanzt, aber du kennst ja Katori, oder nicht?“ „Ihren Mut möchte ich haben.“ „Nein, besser nicht.“ Shannen wollte nicht, dass sie zu viel Mut entwickelten und zu aufmüpfig wurden, dann war es nämlich nur eine Frage der Zeit, bis man sie ganz abschoss. Yuichi war da mehr ein Einzelfall, was er am meisten Valpolicella zu verdanken hatte, aber na ja. Es gab ja auch Leute, die sich freiwillig die Schlinge um den Hals legten, so wie Sêiichî Iwamoto. Er war dafür bekannt, dass er sehr schnell mordete, der Boss musste sich wirklich etwas einfallen lassen, um ihn zu bändigen. Was für Gemeinheiten ihm wohl einfallen würden? „Woran denkst du?“ wollte Rena wissen, Shannen sah irgendwie nachdenklich aus. „Daran, dass der Boss gegen Cognac im Grunde nicht das Geringste in der Hand hat. Das Einzige, was er tun kann, ist ihn quälen, wenn er Mist macht. Über Kenji Enomoto ist weder etwas Familiäres, noch etwas über seine Freunde bekannt. Man kann ihn schlecht bestrafen, indem man sich an jemandem vergreift, den er mag. Irgendwie macht mir das Sorgen. Das Einzige, womit man ihn wohl treffen könnte, ist Vermouth. Der wird der Boss wohl kaum was antun. Ich denke, dann bringt er ihn gleich ganz um, sollte er davon erfahren. Und wenn er erfährt, wer er wirklich ist, daran möchte ich, wenn ich ganz ehrlich bin, dann auch nicht denken.“ Es war so gefährlich, wie konnte man so ein Risiko denn eingehen? „Mit anderen Worten, sobald er irgendwas von beidem rausfindet, kann Cognac adiós sagen, was? Warum kommst du ausgerechnet jetzt auf solche Gedanken?“ „Weil er für jemanden aus der Organisation noch viel zu viel Glück hat, wenn man das so ausdrücken kann. Das Unglück, was ihm widerfahren ist, das war wirklich welches. Die meisten von uns werden regelrecht gestraft, man hat ihn noch nicht absichtlich gestraft. Yuichi wurde ja willkürlich angegriffen.“ Willkürlich, was für ein Wort, um das zu beschreiben, aber irgendwie stimmte es. „Du meinst nicht so unwillkürlich wie bei Katoris Schwester?“ Katori hatte im Grunde dasselbe getan, wie der liebe Cognac, wenn er wieder jemanden ermordete, der ihm schlichtweg ein Dorn im Auge war, weil sie auf verschiedenen Seiten kämpften. Katori hatte damit jemanden gerettet, das hatte dem Boss natürlich nicht in den Kram gepasst, also hatte er sich schlau gemacht, womit er sie wohl so treffen konnte. „Du hast es erfasst. Wir müssen alle vorsichtig sein, wenn wir auch nur kleine Fehler machen, kann uns so was ganz Grausames blühen.“ Sie lebten vom Erfolg, dem war leider so. Je mehr Erfolg sie hatten, umso kleiner waren ihre Sorgen. „Ach was, mir kann nur der Tod blühen, womit sollte man mich jetzt noch bestrafen können? Bei mir ist ihnen doch längst das Druckmittel verloren gegangen.“ Rena grinste seltsam vor sich hin. Mittlerweile hatten sie es geschafft. Sie hatten ihr doch alles genommen, was sie an diesem Leben hängen ließ. Sie war längst nicht mehr so erpicht darauf, weiterzuleben. „Was genau hatte Katori denn nun verbrochen?“ „Sie hat einfach so jemand Wichtigen ermordet. Der Boss hätte den Kerl noch benötigt. Tja, wie er da drauf war, kannst du dir denken.“ Wenn der Boss umdisponieren musste, weil ihm durch ein anderes Mitglied jemand für einen bestimmten Auftrag fehlte, dann war der Teufel los. Er war eben derjenige mit dem Bestimmrecht, alle anderen mussten gefälligst vorher fragen, mit Ausnahme von denen, die direkt unter dem Boss standen. Die konnten ermorden, wen sie wollten, weil sie immer erst nachdenken würden, ob sie dringend notwendig waren, oder eben nicht. „Das klingt, als wenn er Unmengen an Geld in diesen Killer gesteckt hätte.“ „Na ja, Killer.“ Er war kein einfacher Killer gewesen, das war der Grund, weshalb der Boss so ausgetickt war. „Was meinst du damit jetzt?“ „Er hat Leute ermordet, aber das war nicht das Wichtigste an ihm, Rena. Er hatte Talente, die der Boss gerne benutzt hätte, aber es ist ja jetzt egal, immerhin ist er mausetot, weil Katori mal wieder sehr genau gezielt hat, damit er auch ja nicht überleben konnte, um noch etwas anzurichten.“ Außerdem stand sie nicht so auf Quälereien, wie Carpano, sie machten so etwas eben nicht. „Ach, toll, du willst es mir nicht verraten, was er gemacht hat?“ „Es ist eben unwichtig, aber wenn du darauf bestehst! Er hatte auf dem Gebiet der Forschung wohl sehr viel Ahnung! Er scheint Sherry mittlerweile aufgegeben zu haben, es war ja keiner in der Lage, sie zu finden! Er denkt wohl nicht, dass er sie wiederkriegen kann! Womöglich hält er sie auch für tot. Das weiß ich nicht so genau, jedenfalls braucht er Leute, die für seine perfiden Plänchen herhalten, so sieht’s aus.“ Worum es wohl in diesen Plänen ging? Einfach nur um Geld? Das konnte nicht sein. Geld hatte der Boss jawohl mehr als nur genug. Nein, es musste etwas Tieferes dahinter stecken. Irgendwie machte ihr das auch Angst, wenn sie so darüber nachdachte, was Menschen immer so faszinierte. Vielleicht wollte der Boss auch einfach nur Gott spielen. Die Lichter der Großstadt lagen vor ihr, sie blickte geradeaus, während ihre leicht rötlich braunen Haare durch den Wind nach vorne geweht wurden. Der Tokyotower, dort hatte sie viel Zeit verbracht. Sie wünschte sich, sie könne zu ihm fliegen. Knapp eine Stunde war es her, dass sie ihren besten Freund mit sich genommen hatten, ebenso wie sie. Du wirst es gut bei uns haben hatten sie versprochen. Alles Lüge. Sie waren Schwerverbrecher, Profikiller, sie hatte es genau gesehen. Es handelte sich um die gleichen Leute, die ihre Mutter einst getötet hatten. Um nichts in der Welt wollte sie unter ihnen sein. Es wäre wie ein Verrat an ihrer Mutter. Ihr Vater war hinter ihr her, sie musste schnell handeln. „Du kleines, missratenes Miststück!“ Alles in ihr zog sich zusammen. Da war er, dicht hinter ihr, es gab keinen Ausweg. Ihr Körper erzitterte, sie war erst fast 13 Jahre alt, aber des Lebens mittlerweile schon überdrüssig. Der Schwarzhaarige, der sie angebrüllt hatte, kam näher, sie spürte es förmlich. „Komm sofort zurück, sonst wirst du es bitter bereuen!“ Seine Stimme hatte so etwas Grausames, nicht nur seine Stimme, alles an ihm. Kein Wunder, er war ein Massenmörder, Vergewaltiger und Kinderschänder. Was er wohl noch alles war? In den unendlichen Tiefen des Hochhauses war sie viel besser aufgehoben. „Nichts bereue ich“, flüsterte das Mädchen und ging ganz an den Rand des Hochhausdaches heran. Ein Flachdach, genau richtig für die Gedanken, die sie hegte. „Du kannst was erleben, wenn ich dich erwische! Den Tag vergisst du dein ganzes Leben nicht mehr!“ Angstvoll, beinahe schon panisch und mit einem Aufschrei bewegten sich ihre Füße fort. Sie rannte vor ihm weg, auch wenn der Weg hier endete... Man konnte sehen, wie sie durch das nach vorne Springen abhob und sich wie ein Engel mit Flügeln in die Lüfte erhob, bevor sie durch die Schwerkraft nach unten gerissen wurde. Es ging so schnell, der Wind sauste ihr um die Ohren, sie kniff die Augen, die mit Tränen erfüllt waren, zu. Der Aufschlag ihres Körpers am Boden machte nur ein dumpfes Geräusch. Sie lag wie plattgedrückt da, mit der Schläfe und dem Brustkorb am Boden, die Hände waren zu den Seiten ausgebreitet. Einige Leute, die gerade auf dem Nachhauseweg waren, es war nämlich schon dunkel und alle Lichter der Stadt brannten, blieben bei dem Aufschrei des Mädchens hellhörig stehen, um sich umzublicken. Nicht jeder bemerkte, was geschehen war, sie hatte kaum Aufmerksamkeit auf sich gezogen bis zu ihrem Schrei. Jemand, der ganz in der Nähe gestanden hatte, schaute genauer hin und schrie dann: „Da liegt ein Mädchen! Sie kam von oben!“ Nun blickte die kleine Menschenrunde nach oben zum einzigen hohen Dach in der Nähe. „Sie hat sich versucht, das Leben zu nehmen?“ Hektik entstand durch diese Aussage eines jungen Mädchens. Sie fragten sich, ob das wirklich stimmte und wollten wissen, um wen es sich handelte, aber keiner traute sich so recht an sie ran. „Ich denke nicht, dass sie das überlebt hat, wenn sie von dem Hochdach gesprungen ist...“ Der junge Mann sagte das recht bedrückt und zückte sein Handy. „Ich rufe die Polizei und am besten einen Krankenwagen, die können ja entscheiden, kenn mich mit so was gar nicht aus“, sagte er mit wackeliger Stimme. Dass gerade ein Mädchen, so sah sie nämlich aus, von einem Dach gesprungen sein sollte, konnte er gar nicht glauben. Wieso sollte so ein junges Mädchen so etwas tun? Irgendwie interessierte es ihn. Es gab so vieles, was der Auslöser dafür gewesen sein könnte. Wer sie wohl war? Und ihre Eltern? Wieso war sie so spät nachts hier? So viele Fragen, die dem jungen Mann kamen. Und irgendwie tat es ihm auch Leid, dass so ein junges Mädchen zu Tode gekommen sein sollte. Etwas in ihm betete, dass sie unheimliches Glück gehabt hatte und noch lebte... Sie hatte ihr gesamtes Leben doch noch vor sich. Während alle nur rumstanden und vor Schock gelähmt waren, rief er einen Krankenwagen und beugte sich zu dem doch sehr hübschen Mädchen hinab. Er hatte das Gefühl, sie schon einmal gesehen zu haben... Doch er konnte sich nicht erinnern, wo und wann. Als der Krankenwagen und auch die Polizei am Tatort auftauchten, befragte ihn eine Beamtin, was er gesehen hatte. Der Schwarzhaarige hatte den Blick tief gesenkt und Miwako hatte irgendwie das Gefühl, dass ihn etwas beschäftigte. Sie sah ihm nicht in die Augen, es ging nicht, da der Mann den Blick so tief gesenkt hatte. „Ich hörte den Schrei und sah nach oben, alles war dunkel und dann habe ich gehört, wie sie am Boden aufkam... Ich konnte dieses widerliche Geräusch mehrere Sekunden lang in meinen Ohren nachhallen hören. Ich war schockiert.“ Der Mann redete leise, aber nicht so leise, dass man ihn nicht verstand, eher als wenn er sich Sorgen machte, worum bloß? „Und ich denke, dass ich sie kannte, ich weiß aber nicht woher.“ Jetzt wusste die Polizistin, was los war, sie legte eine Hand auf die Schulter des Unbekannten. „Würden Sie mir Ihren Namen verraten?“ Das Gesicht des Mannes erhob sich schlagartig. „Wie bitte?“ Was daran nicht zu verstehen war, verstand die Beamtin kein bisschen. Hatte er etwas zu verbergen, oder was war mit dem Mann los? Er griff sich an den Kopf und schien angestrengt nachzudenken. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)