Fire in the Darkness von Frettchen19 (Wie meine Gangrel zu eben dieser wurde) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Ein Pfiff hallte durch die Gassen. Das schrille Geräusch übertönte mühelos das Trommeln des sintflutartigen Regens auf den Mülltonnen. Das war das Signal. Im nächsten Moment waren die Gassen vom Geräusch auf dem nassen Asphalt platschender Schritte erfüllt. Schon nachdem sie um die zweite Ecke gebogen waren, hörte sie die Schritte der Bullen hinter ihnen. Das Signal war schon wieder zu spät gekommen. Charlie machte sich eine geistige Notiz Frankie zu verprügeln, wenn sie alle wieder im Unterschlupf waren. Dann konzentrierte sie sich wieder. Die Bullen holten auf. Sie brauchte sich nicht umdrehen, um dies mit Sicherheit zu wissen. Sie hörte es allein an den Schritten, konnte die ihrer eigenen Leute von denen der Polizisten unterscheiden. "Hasenjagd!" rief Charlie und zwei Schritte später spaltete sich die Gruppe in einem blitzschnellen Manöver auf. Zwei bogen links ab, zwei sprinteten weiter geradeaus, Charlie rannte in die Gasse rechts von ihr. ,Hasenjagd' war das Kommando, das die Gruppe dazu bracht sich aufzuspalten, und dann musste jeder einzelne auf möglichst verworrenen Wegen wieder zum Unterschlupf zurückkehren., aber erst, wenn er die Bullen abgeschüttelt hat. Das klappte immer wieder. Die Bullerei war meistens schlichtweg zu faul, die Kids im Spießroutenlauf quer durch die labyrinthartigen Gossenviertel der Stadt zu verfolgen. Charlie fluchte leise. Warum rannten die scheiß Cops seit der Aktion im Einkaufzentrum eigentlich alle nur noch hinter ihr her? Aber sie kannte die Antwort sehr wohl. Charlie war der Boss der Truppe. Das war zwar ein unausgesprochener Fakt, aber es war einer. Sie führte die anderen an, und das hatten die Rindviecher hinter ihr jetzt wohl auch mitbekommen. Aber im Grunde war Charlie recht froh, dass sie sie verfolgten und nicht die anderen. Zum einen konnte sie sich so zumindest sicher sein, dass die Verfolger auch wirklich abgehängt und nicht versehentlich zum Unterschlupf geführt wurden. Und außerdem würden sie sich an Charlie eh die Zähne ausbeißen. Von allen war sie am schwersten zu schnappen. "Gut", raunte das Mädchen und beschleunigte seine Schritte. "Jetzt seht zu wo ihr bleibt, Fettärsche!" Damit verschwand Charlie scheinbar einfach in einer Hauswand. In Wirklichkeit bog sie in eine Nische zwischen zwei Häusern ein, die so versetzt standen, dass sie den Blick auf den schmalen Spalt zwischen ihnen versperrten. An dieser Stelle wurde man viele Bullen schon los, doch diesmal hatten sie ein paar denkfähige Exemplare geschickt. Beinahe wären sie vorbeigerannt, doch sie bremsten im letzten Moment ab und setzten die Verfolgung fort. Dies erwies sich allerdings bald als verdammt schwierig. Nachdem sie fünf oder sechs Schritte in die Nische getan hatten, war es um sie herum stockfinster. Der Spalt zwischen den Häusern führte in eine Reihe verzweigter Gassen und zum Leidwesen der Cops war es in ihnen allen sehr dunkel. Sie konnten nicht einmal erkennen, ob sie wirklich durch Gassen liefen oder vielmehr über Hinterhöfe und Einfahrten. Charlie grinste, als sie den ersten stolpern hörte. "vier, fünf, sechs - " sie schlug regelrecht einen Haken und wandte sich in einer 90° Kurve nach links. "Eins, zwei, drei, vier, fünf - " sie sprang über einen - verschrottet auf dem Boden liegenden - Sicherungskasten. Ein Poltern, ein Schrei und zwei fluchende Männerstimmen verrieten ihr, dass zwei weitere Bullen den Asphalt geküsst hatten. Doch sie würden sich wieder aufraffen. Daher ging Charlies Spiel aus sensorischer Wahrnehmung und blitzschneller motorischer Reaktion weiter. Langsam kam sie außer Atem, denn sie rannte in einem mörderischen Tempo. Deshalb entschied sie sich nun für eine besonders heimtückische Strecke. Jetzt durfte sie sich keine Fehler mehr leisten. In diesem Spiel, bei dem niemand mit Charlie mithalten konnte, bestand ihr größter Vorteil in einem ungewöhnlichen Talent. Sie war in der Lage sich auf bekanntem Terrain an den unscheinbarsten Hinweisen zu orientieren und alles in ihrem Kopf mit einer Schnelligkeit und Sicherheit zu verarbeiten, die ihre Reaktionen vollkommen instinktiv erscheinen ließen. Aber dies verlangte Konzentration. Zwei scharfe Kurven, zwei Schritte - "Ducken!" Sie tauchte unter der aus einer Mauer hervorragenden Eisenstange ab. Zwei Meter weiter sprang sie über ein Schlagloch. Wieder hatte sie die Entfernung der beiden Hindernisse durch lautloses Mitzählen ihrer Schritte gemessen. Wenn man die engen Gassen in einer solchen Geschwindigkeit durchquerte, war es tatsächlich unmöglich mit dem wenigen Restlicht von den entfernten beleuchteten Straßen seine Umgebung noch visuell zu erfassen. Charlie hatte ihre Verfolger in ein Gossenviertel geführt, in dem es schon seit über einem Monat keinen Strom mehr gab, und somit auch kein elektrisches Licht. Das blonde, wilde Mädchen sprintete weiter und die Anzahl ihrer Verfolger reduzierte sich stetig. Jetzt musste Charlie besonders aufmerksam sein. Höchstens noch drei Meter. Da! Sie spürte, dass sie mit den Sohlen ihrer alten Turnschuh nicht mehr auf Asphalt traf sondern auf Erde. Drei Schritte später ging sie in die Hocke und sprang ab. Sie bekam die Kante der -in der Dunkelheit überhaut nicht auszumachenden - Mauer zu fassen, zog sich daran hoch und brachte ihre Füße mit einer schwungvollen, anmutigen Bewegung auf die schmale Oberfläche. Sie brauchte nicht einmal eine Sekunde des sicheren Stands um ihr Gleichgewicht zu finden und sprintete sofort los. Die Mauer war von diesem Punkt aus der einzige Weg über die Baustelle, auf der sie sich nun befand. Wer Charlie folgen wollte, ohne die Distanz erheblich zu vergrößern, musste über die Mauer laufen. Die mit Schutt bedeckten halb umgegrabenen Flächen links und rechts davon waren kaum passierbar. Auf einem so schmalen Weg so schnell zu laufen, war aber beinahe ein Ding der Unmöglichkeit. Deshalb liebte Charlie diese Strecke auch so. Kaum einer konnte bei diesem Balanceakt mit ihr mithalten. Sie wollte schon ein Siegeslächeln aufsetzen, als sie hinter sich doch noch die Schritte eines Stiefelpaares hörte. "Verdammt", dachte sie. "Dieser hier ist ja richtig lästig!" Sie sprang über eine Stelle, an der die Mauer unterbrochen war und kam sicher auf dem nächsten Stück wieder auf, doch selbst dieses Manöver gelang dem letzten Polizisten, der sie noch verfolgte. Aber das Straßenmädchen hatte noch einiges im Petto. Der Bulle musste noch geboren werden, der ihr was vormachte. Ihr Glück war, dass ihr Verfolger keine Schusswaffe trug, denn die Baustelle und vor allem die auf der anderen Seite eben jener liegende Straße bot genug Licht für einen gezielten Schuss. Charlie drehte den Kopf zur Straße. Die nassen blonden Strähnen ihres langen Haars schlugen ihr ins Gesicht, doch sie störte sich nicht daran, denn sie war hochkonzentriert. Ihr Blick war fixiert auf die Ampel an der Ecke. "Mach schon! Los!", flehte Charlie in Gedanken. Wenige Sekunden später sprang die Ampel auf Gelb. Nahezu im selben Moment sprang Charlie von der Mauer und raste quer über die Großbaustelle. Der Polizist war ihr dicht auf den Fersen, zweifelte aber an ihrem Geisteszustand, denn sie steuerte direkt auf die Hauptstraße zu. Auf den beiden ersten Spuren fuhren in diesem Moment noch Autos. Der Polizist konnte unmöglich wissen, dass Charlie das Muster, nach dem die Ampelschaltung in diesem Viertel funktionierte, genau auswendig kannte. Somit wusste er auch nicht, dass sich genau -und nur- in dem kurzen Moment als Charlie die Straße endlich erreichte die Rotphasen aller betroffenen Ampeln überschnitten und dadurch genau 5 Sekunden lang der Verkehr auf der Straße still stand. Charlie erreichte das andere Ende der Straße gerade noch rechtzeitig. Und da sie noch einmal alle Kräfte zusammen genommen und einen sagenhaften Spurt hingelegt hatte, war ihr Verfolger auf dem kurzen Stück weit zurückgefallen. Kurz um: Der Unglückselige befand sich mitten auf der Straße, als der Verkehr wieder in Gang kam, und demnach schnitten ihm die zu beiden Seiten an ihm vorbeirasenden Fahrzeuge jeglichen weiteren Weg ab. Charlie tauchte mit letzter Kraft noch in die Schatten eines weiteren Gassenlabyrinthes ab und stemmte sich schließlich vorn über gebeugt auf ihren Oberschenkeln ab. Nach kurzer Verschnaufpause setzte sie dann ihren "Heimweg" in zügigem aber Kreislauf-freundlichem Tempo fort. Etwa eine Stunde später lag die 18-jährige endlich auf der Decke, die ihr in der abbruchreifen Fabrikhalle als Schlafplatz diente. Die Knöchel an ihrer rechten Hand schmerzten, doch der Gedanke daran, dass Frankies gebrochene Nase noch viel mehr schmerzen musste, ließ sie darüber hinwegsehen. Mit einem tiefen Seufzer schloss Charlie ihre Augen und begann in die Nacht hinein zu horchen. Kein Laut durchdrang die Stille, die über dem Fabrikgebäude lag. Und dennoch wusste Charlie schon wenige Atemzüge später: Er war wieder da! Am nächsten Abend erwischte es Charlie. Die Kugel traf sie in die Schulter. Der Schmerz überkam sie unerwartet intensiv und plötzlich. Erschrocken schnappte sie nach Luft, rannte aber weiter. Die Bullen hatten die Truppe diesmal völlig überrumpelt und die Jüngeren waren in heillose Panik ausgebrochen. Charlie musste die Uniformierten unbedingt von den anderen fortlocken. Doch Übelkeit begann in ihr aufzusteigen und Schwindel erfasste sie bald. Sie sah auf ihre Hand, die sie auf die verletzte, linke Schulter presste und erschrak. Sie hatte nicht erwartet soviel Blut zwischen ihren Fingern hervorquellen zu sehen. Noch rannte Charlie weiter und noch war sie schneller als ihre Verfolger, aber ihr war klar, dass sie nicht mehr lang durchhalten würde. Die Blutung musste unbedingt gestillt werden und dieses Gerenne ließ sie nur noch mehr Blut verlieren. Doch sie konnte sich weder packen lassen, noch konnte sie zurück zu den anderen, die mit dem Angriff sowieso überfordert gewesen waren. Kurzentschlossen tauchte Charlie in einer kleinen Gasse ab. Dort warf sie sich mit der unversehrten Schulter gegen eine Eisentür. Sie wusste das Schloss war rostig. Und sie hatte Glück. Bereits unter ihrem ersten Aufprall gab es nach. Charlie stürmte in die leere, alte Fabrikhalle, rannte zu einer Ecke und griff in ein schuttbeladenes Loch in der Wand. Nach kurzem Tasten zog sie etwas langes, schmales hervor, dass in ein zerlumptes Tuch gehüllt war. Sie zog das Tuch herunter und ließ es fallen. Ein altes, schlicht gearbeitetes Kurzschwert kam zum Vorschein. Zu schwer verletzt um weiter zu fliehen und zu kameradschaftlich um zurückzukehren und womöglich die Verfolger zum Versteck zu locken, blieb Charlie nur ein Ausweg. Sie würde die Polizisten erledigen müssen. Charlie huschte in einen verborgenen Winkel nahe der Tür und hörte auch schon die schweren Schritte. Sie blickte die Klinge des Schwertes verunsichert an und sah, dass ihre Arme zitterten. Zum einen sicher eine Folge des Blutverlustes und ihrer schwindenden Kräfte, doch das Zittern war auch bedingt durch den mehr als beunruhigenden Gedanken, einen Menschen zu töten. Doch als Charlie dann hörte, wie die Tür aufgestoßen wurde, verhärtete sich ihr Gesicht. Entweder die Bullen, oder ihre Leute. Für Charlie war die Entscheidung klar! Für die Polizisten tat sich mit der ehemaligen Fabrikhalle nichts auf, als in Stille getauchte Dunkelheit. Nur wenig Mondlicht fiel hier und da durch die zerschlagenen Fenster und gab den Blick auf kleine Teile der Landschaft aus Schutt und kaputten, verstaubten Maschinen frei. Alle drei hielten ihren Revolver in der Hand, gerade so, als machten sie Jagd auf einen Schwerverbrecher. Charlie, die mit dem Rücken zu den Neuankömmlingen an einer großen Maschine lehnte, konnte dies jedoch nicht sehen, da die Maschine genauso ihr den Blick auf ihre Verfolger nahm, wie umgekehrt. Im Schutz des riesigen Schrottgebildes hockte sie, das Kurzschwert fest umklammernd, verzweifelt versuchend ihren schweren Atem lautlos zu halten, und horchte auf die Schritte, die sich ihr näherten. Eine heftige Schwindel-Attacke überkam sie aber plötzlich und Charlie schloss für einen Moment die Augen. Sie spürte, wie sich die Finsternis sanft über und in ihr ausbreitete. Dann riss sie die Augen auf, entsetzt von der Erkenntnis, dass sie für einen Moment die Besinnung verloren haben musste. Diese angsterfüllte Vermutung wurde ihr auch sogleich bestätigt, von dem Stiefelpaar, das sie vor sich auf dem Boden erblickte und das eindeutig zu einem Polizisten gehörte. Das Mädchen sprang augenblicklich auf und stürmte sogleich auf das eben erfasste Ziel los. Sie stach mit dem Schwert in Richtung seines Magens zu. In ihrem Blick lagen Wut, Verzweiflung und Panik - der Ausdruck eines gehetzten Tiers, verletzt und um das Leben seiner Jungen kämpfend. Der Polizist - von der Reaktion des von ihm ohnmächtig oder gar tot geglaubten Mädchens überrascht - stolperte über eine Eisenstange und fiel nach hinten. Zu seinem Glück, denn so erwischte ihn Charlies Schwert nur am reflexartig hochgerissenen Arm. Noch bevor Charlie aber über irgendeinen weiteren Angriffsversuch nachdenken konnte, spürte sie den Lauf einer Kanone gegen ihren Hinterkopf drücken. Als sie zum Angriff vorgestürmt war, hatte sie soviel Abstand zwischen sich und die ihr zuvor noch Deckung bietende Maschine gebracht, dass die ihrem Kollegen zu Hilfe eilenden Cops hinter sie gelangen konnten. Der Mann vor ihr richtete sich wieder auf und im selben Moment wurde Charlies Mine von Entsetzen und Ungläubigkeit geprägt. Der Bulle vor Charlie - nun wieder auf den Füßen stehend - grinste das Mädchen gehässig an, wohl im Glauben, die Panik seines Gegenübers rühre daher, dass sie die überwältigende Überlegenheit ihrer Gegner und ihre eigene Hilflosigkeit erkannt hatte. Der wahre Grund ihres Entsetzens offenbarte sich ihm durch den Schmerz, der ihm buchstäblich die Kehle zuschnürte, als eine riesige Klauenhand sich um seinen Hals schloss, zudrückte und die Klauen durch sein Fleisch glitten, wie ein heißes Messer durch ein Stück Butter. Den beiden Cops, die hinter Charlie standen, bot sich - im Gegensatz zu ihrem von hinten überraschten Kollegen - dasselbe surrealistische Bild, wie dem Straßenmädchen. Die Klauenhand gehörte zu einem...Monstrum mit rot-glühenden Augen. Als der Körper des geköpften Mannes endgültig zusammensackte, gab dieser den Blick auf die Kreatur vollends frei. Diese war - zum Erstaunen aller - von vollständig menschlicher Gestalt. Nun ziemlich sicher einen Menschen zum Gegner zu haben, verloren die beiden verbliebenen Polizisten keine Zeit mehr und schossen an Charlie vorbei auf die in Schatten gehüllte Gestalt. Charlie war nun endgültig am Ende ihrer Kräfte. Ihr Blick haftete auf den rot-glühenden Augen, die - trotz des Kugelhagels, der die Gestalt durchsiebte - nicht den Bruchteil einer Sekunde durch ein Blinzeln in der Dunkelheit verschwanden. Dann brach sie zusammen. Sie fiel einfach nach hinten weg. Als sie auf dem Rücken lag, sah sie noch einen enormen Schatten über sich hinweghuschen. Schließlich schloss sie die Augen und ein makaberes Wiegenlied von tiefem Knurren, dem Geräusch berstender Knochen und zweier in Blut erstickter Aufschreie geleitete sie in die Ohnmacht. Völlige Dunkelheit und Stille hielten Charlie fest in einer innigen Umarmung. Sie waren gleichermaßen beschützend wie erstickend, nahmen Charlies Geist völlig ein. Sie konnte weder etwas sehen noch irgendetwas hören. Dennoch wurde sie sich - anscheinend nach langer Zeit der Besinnungslosigkeit - ihrer selbst irgendwie wieder bewusst. Aber wodurch? "Verbranntes Fleisch" ging es dem Mädchen durch den Kopf, und im nächsten Moment erkannte sie, welcher ihrer Sinne sie scheinbar aus ihrer Bewusstlosigkeit emporgezogen hatte. Es roch nach verbranntem Fleisch. Sie konnte nicht sagen, ob es wenige Sekunden später geschah oder erst nach vielen weiteren Stunden, aber irgendwann begann sie, sich ihrer selbst und ihrer Umgebung noch weiter bewusst zu werden. Sie spürte einen rauen, recht harten Untergrund unter ihrem Körper. Dann nahm sie plötzlich auch den stechenden Schmerz wahr. In irgendeinem Verborgenen Winkel ihrer Wahrnehmung war er schon die ganze Zeit präsent gewesen, doch jetzt erst drang er bis zu ihrem Bewusstsein vor. Sie hörte ein kehliges Stöhnen und brauchte einen Moment um zu erfassen, dass es aus ihrem eigenen Mund gedrungen war. Und sie begriff auch erst, als ihre Handgelenke ergriffen wurden und sie durch sanften aber bestimmten Druck gegen ihren Oberkörper zurück auf den Boden gezwungen wurde, dass sie sich wohl aufgesetzt hatte. Sie versuchte ihre Arme aus dem Griff zu befreien, der sie umfing, was mit einem noch heftigeren Schmerz in ihrer linken Schulter belohnt wurde. Jetzt riss die Augen auf und schnappte erschrocken nach Luft, welche ihr sogleich im Halse stecken blieb. Nun da sie die Augen endlich geöffnet hatte, starrte sie direkt in dieselben leuchtenden Augen, die sie... Sie konnte sich in diesem Moment nicht daran erinnern, wo sie sie schon einmal gesehen hatte. Nach kurzem Anhalten jedoch entwich die Luft ihren Lungen, als Charlie spürte, wie ihr ganzer Körper sich zu entspannen begann. Und sie wusste, diese leuchtenden Augen hatten irgendwie zu diesem Effekt beigetragen. Ihr Wille glitt im blutroten Meer dieser Augen davon, entzog sich ihr. Und dann war es wieder dunkel. Das nächste mal, dass Charlie zur Besinnung kam, geschah dies viel schneller und klarer. Diesmal öffnete sie zuerst die Augen und sah sich - zunächst noch ohne sich weiter zu bewegen - um. Sie erkannte einen kahlen Raum, scheinbar in einem Kellergeschoss. Dann setzte sie sich ruckartig auf und mit dem Schwindel kamen auch die Erinnerungen zurück. Sie ließ alles einmal wie im Zeitraffer vor ihrem geistigen Auge ablaufen und fasste sich dann an die linke Schulter. Sie schaute hin und fand bestätigt, was sie zu fühlen geglaubt hatte. Ein Verband. Charlie grübelte einen Moment darüber nach, wie sie hierher gekommen war, wer sie verbunden und wie lange sie wohl schon hier auf dieser alten Decke gelegen hatte. Die letzte Frage brachte eine Erkenntnis mit sich, die förmlich über Charlie hereinbrach: Sie hatte keine Ahnung, was aus den anderen geworden war! Mit einem Satz war das Straßenmädchen auf den Beinen und rannte - den Schwindel und die Übelkeit ignorierend - zur Tür. Sie öffnete sie, machte im Augenwinkel eine Treppe aus und schon rannte sie diese nach oben. Die Treppe führte direkt nach draußen, denn die Tür am oberen Ende stand weit offen. So hechtete Charlie ohne ihr Tempo zu vermindern direkt durch den Ausgang hinaus in die Nacht. Draußen angekommen kam sie dann aber doch abrupt zum stehen. Schon wieder dieses Gefühl, diesmal klarer und intensiver als all die Nächte zuvor. Langsam drehte sie sich um. Auf einer Bank vor dem kleinen Haus, aus dem sie grad gekommen war, saß der Mann, der in der Fabrikhalle den Cop geköpft hatte. Sie war sich sicher, dass er es war, obwohl an seinen Händen nichts von furchterregenden Klauen zu sehen war. Ob die glühenden Augen auch verschwunden waren, konnte sie nicht sagen, denn der Mann hatte seine Augen geschlossen. Charlie nahm sich einen Moment Zeit ihn zu betrachten. Sie schätzte den Fremden auf etwa 35 Jahre. Sein volles Haar schimmerte in einem mysteriösen goldbraunen Ton und fiel ihm aufgrund seiner Körperhaltung teilweise ins Gesicht. Es schien ungezähmt, wild. So wie der ganze Mann. Er saß vorn übergebeugt, die Unterarme direkt vor den Knien auf den Oberschenkeln ruhend. Die Füße standen weit auseinander, sodass er gewissermaßen breitbeinig da saß. Diese Haltung würde normalerweise erschöpft und kraftlos oder ganz einfach schlampig wirken. Doch dieser Mann strahlte dadurch vielmehr eine unglaubliche Ruhe aus, die ein ansonsten wildes, kraftvolles Geschöpf zügelte... zumindest für den Augenblick. Ja, es kam Charlie wirklich so vor, als könnte dieser Mann jeden Augenblick aufspringen und sie anfallen. Ihr Herz begann, gegen ihren Willen, wild gegen ihren Brustkorb zu hämmern und setzte im nächsten Moment beinahe aus, als der Mann plötzlich die Augen öffnete und sie unter seiner wilden Mähne hervor wieder mit glühendem Blick anstarrte. Der Fremde belächelte Charlies angsterfüllten Blick, was das Mädchen dazu brachte seine Mine in Ärger zu wandeln. Befreit vom Bann den dieser - eigentlich völlig unscheinbare - Mann ausstrahlte, holte Charlie einmal Luft und fauchte ihn dann förmlich an. "Grins nicht so dumm, kleiner Perverser! Sag mir lieber, warum du mir seit Wochen nachstellst!" Sein Lächeln schwand nicht, als er erwiderte "Ich habe dich also nicht unterschätzt." Charlie blickte verständnislos drein. "Du hast was nicht?" "Du konntest mich unmöglich gehört haben. Und schon gar nicht gesehen. Trotzdem weißt du, dass ich es war. Dein 6. Sinn ist stark ausgeprägt. Das ist gut." Charlies Mine wurde noch verständnisloser...und zorniger. "Mein sechster... Jetzt hör mir mal zu! Ich kenn solche Wichser, wie dich! Du bist zwar noch ne Portion abgedrehter als die meisten...mich erst zusammenzuflicken... Jedenfalls, wenn du meinst ,Hey! Ein Straßengör. Da stört's keinen. Die kann ich vernaschen!' ... vergiss es! An mir beißt du dir die Zähne aus!" Der Fremde blickte sie für eine Sekunde mit undefinierbarer Mine an, dann brach er in schallendes Gelächter aus. Irgendwann schaffte er es zu antworten "Das will ich nicht hoffen. Ich hab keine Ahnung ob die wieder nachwachsen!" Jetzt fühlte Charlie sich mächtig verarscht! Sie starrte ihn noch einen Moment lang ungläubig an, dann drehte sie sich schwungvoll um und ging mit einem "Du bist KRANK!" einige Schritte von ihm weg. Sie fror jedoch in ihrer Bewegung ein, als sie sich einer riesigen Raubkatze gegenüber sah. Die Löwin schritt langsam auf sie zu, und Charlie tat für jeden Schritt des Tiers zwei eigene rückwärts. "Du solltest dich nicht so ruckartig bewegen. Das macht sie nervös." Hörte sie die Stimme des Fremden sagen, und dann noch "Komm!" Daraufhin machte die Löwin einen Bogen um Charlie. Diese drehte sich um die eigene Achse mit, darauf bedacht, dem Raubtier nicht den Rücken zuzuwenden. Mit unverhohlenem Erstaunen sah Charlie, wie das Tier sich zu Füßen des Mannes niederlegte, in einem Gähnen fast demonstrativ seine riesigen Zähne entblößte und sie dann mit leuchtend gelben Augen beobachtete. Charlie verlor sich einen Moment in den Augen der Katze und fand in ihnen dieselbe Ruhe, die auch der Fremde ausstrahlte. Schließlich blinzelte sie und sah sich dann zum ersten Mal in ihrer Umgebung um. Jetzt fiel ihr die Kinnlade runter. Sie war in einem verdammten Löwengehege im Zoo! Sie bemerkte jetzt auch die anderen Raubkatzen. Einige beachteten sie gar nicht, andere beobachteten sie mehr oder minder aufmerksam. Nun hatte Charlie wirklich keine Ahnung mehr, was sie von all dem zu halten hatte. Sie stand einfach nur da und starrte in die Nacht. Der Mann brach die Stille. "Fürchtest du dich?" Da das Mädchen eh nicht mehr wusste, was sie großartig zu dieser merkwürdigen Nacht an diesem merkwürdigen Ort mit diesem merkwürdigen Kerl sagen sollte, beschloss sie einfach zu antworten. Sie drehte sich zu ihm und der Löwin um, die etwa 2 Meter von ihr entfernt auf bzw. vor der Bank saßen, und fragte mit Blick zu dem Tier: "Vor ihr? Nein. Vor dir?" Sie kniff die Augen zusammen und blickte den noch immer lächelnden Mann durchdringend an. Schließlich schüttelte sie den Kopf und deutete dann mit diesem in Richtung der entfernten Hochhäuserfassaden, die sie aus tausend grellen, kalten Neonlicht-Augen anglotzten. "Wenn ich vor irgendetwas Angst habe, dann vor denen." Ihr Blick wanderte noch einmal zu den warm-leuchtenden, sinnlichen Augen der Löwin und zurück zu den Wolkenkratzern. "Sie mauern sich ein. Und die Steine, die sie dazu nehmen, sind so eisig, dass kein Feuer der Welt sie je wieder schmelzen kann. Deshalb erstickt der Käfig, den sie sich selbst gebaut haben auch früher oder später jedes Feuer, dass vielleicht mal in ihnen gebrannt hat. Und dann erfrieren sie." Sie wandte sich dem Fremden nun wieder zu und blickte ihm jetzt fest in die Augen. Sein Gesichtsausdruck war mittlerweile ernst geworden. Jetzt wurde Charlie etwas verlegen. Sie war es nicht gewohnt irgendwelche Symbole und Metaphern in ihre Sprache einzubauen, wofür man sie auf der Straße auch allenfalls auslachen würde. Nun war sie nicht sicher, ob klar war, was sie meinte. Sie kratze sich am Hinterkopf, ganz offensichtlich angestrengt nachdenkend. "Also...ich mein...Naja, wenn ich auf jemanden sauer bin, dann hau ich ihm einfach eine, und damit hat sich das. Verstehst du? Die kaufen seine Firma auf, oder laden ihn nicht zur nächsten Cocktailparty ein, wo sie sich dann das Maul über ihn zerreißen. Das is' einfach...unehrlich! Und sie ist so wie ich." Charlie hockte sich hin und betrachtete die Löwin. "Wenn sie mir die Hand abbeißen will, dann zeigt sie ihre Zähne wenigstens vorher." Der Fremde hatte ihr aufmerksam zugehört, da war sich Charlie ganz sicher. Und plötzlich wurde ihr klar, wie wohl sie sich in seiner Gegenwart fühlte. Der Kerl hatte leuchtende Augen verdammt! Und er musste mindestens 10 Kugeln abbekommen haben, und mit Sicherheit auch Kopfschüsse! Und trotzdem saß er unversehrt vor ihr! Der Typ war ein verdammtes Monster und Charlie schüttete ihm gewissermaßen ihr Herz aus. Sie konnte es nicht leugnen...er strahlte etwas aus, wonach sie sich sehnte. Plötzlich brach er die Stille zwischen ihnen erneut. "Wenn ich dir ein Feuer geben könnte, das durch nichts auf der Welt gelöscht werden kann...hättest du Angst zu verbrennen?" Charlie hatte keine Ahnung, was das genau für ein Angebot war, das er ihr da machte. Aber sie wusste, dass dieser Mann den Gegensatz zu allem darstellte, was sie hasste. Und so hatte sie sich in dem Moment in dem er es aussprach schon entschieden es anzunehmen. Er starrte todernst in ihre Augen, doch Charlie hielt dem Blick stand und grinste sogar schelmisch, als sie schließlich antwortete: "Hey! Wer weiß, wie er mit Feuer umzugehen hat, der muss es nicht löschen um sich vor Verbrennungen zu schützen. Und ich kenn mich mit Feuer aus, denn in mir brennt genug für 10! Die einzigen, die sich vorsehen müssen, wenn es noch größer wird, sind die anderen!" Der Mann lächelte, offensichtlich durch ihre Antwort überzeugt, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Und eine Sekunde später fand Charlie sich von den Füßen gerissen und im Nacken gepackt. Sie hatte keine Ahnung, wie er die Distanz zwischen ihnen so schnell hatte überwinden können. Er musste gesprungen sein...wie eine Raubkatze. Und genauso schlug er auch seine Fänge in ihren Hals. Charlie schnappte nach Luft, überwältigt von den fremdartigen Gefühlen, die wie Stromstöße durch ihren Körper rasten. Das stolze Mädchen krallte sich in die Lederjacke des über sie gebeugten Mannes, verzweifelt versuchend, sich aus eigener Kraft aufrecht zu halten. Doch mit dem Blut schwand jegliche Kraft aus ihrem Körper. Und schließlich ließ sie sich in seine Arme sinken, in der Gewissheit, dass dies von ihrem Gegenüber nicht als Schwäche verspottet, sondern - als unvermeidliche Aufgabe in einem aussichtlosen Kampf - respektvoll anerkannt werden würde. Verwundbar wie nie zuvor überließ sie sich ihm und bezahlte für dieses Vertrauen mit dem Leben. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Ok, dann mach ich das mal, wie die meisten Animexxler... KOMMIS!!!! Bitte, bitte!!!! *bettel* Das ist das aller erste mal, dass ich überhaupt eine Fanfic veröffentliche. Schreibt, was ihr wollt, aber sagt mir bitte eure Meinung! Achja, dass das für ein kapitel n bissl lang ist, seh ich jetzt auch. Sah in Word viel harmloser aus ^^''' Wie Charlie den Tod, die "Wiedergeburt" und ihre ersten Tage als Untote erlebt, erfahrt ihr im nächsten Kapitel. Das kann allerdings noch etwas dauern. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)