The Balance of Creation von Autumn (TYKA u. a.) ================================================================================ Kapitel 32: Das gefrorene Herz (Teil 1) --------------------------------------- Sorry, dass ich erst jetzt wieder ein neues Kapitel hochlade....ich bin so schrecklich langsam....*seufz* *sich in Ecke stell und schäm* Dafür gibt's diemal auch zwei Teile auf einmal - für alle, die auf yaoi.de lesen, kann ich schon mal sagen, dass zumindest ein neues Kapitel in Arbeit ist! So, und nun genug der Vorrede, viel Spaß!^^ Kapitel 32: Das gefrorene Herz (Teil 1) Der in ein schmutziges Regencape gewandete Fremde stieg eine Station vor Hiro aus und begab sich in Richtung des Tokyoter Stadtviertels Harajuku, das Teenager-Mekka schlechthin, in dem man sich mit Anfang Zwanzig bereits alt fühlte. Da es immer noch goss wie aus Kübeln, fehlte aber auch diesem sonst so farbenprächtigen Ort die übliche Begeisterung und die bekannte Lebhaftigkeit. Das einzig bunte waren die Regenschirme, die sich mühsam gegen den heftigen Wind stemmten. Niemand achtete besonders auf die vermummte Gestalt, die sich langsam an den Passanten vorbei schob. Er schlüpfte in ein kleines Café, das sozusagen den letzten Außenposten des altersmäßig etwas fortgeschritteneren Klientels des Viertels darstellte und hängte das Cape sorgsam an einen der Garderobenhaken. Der Raum für die Gäste war nur schummrig erleuchtet, aber mit dem stürmischen Wetter draußen und dem matten Licht im Inneren ergab sich ein gemütliches, anheimelndes Flair. Er näherte sich einer Nische mit einem Platz für zwei Personen, wo bereits derjenige sass, mit dem er hier verabredet war. „Scheußlich, dieser Regen und vor allem der Wind. Man bekommt kaum Luft, wenn man direkt angeweht wird. Du hast dich geringfügig verspätet." Ein Paar grüner Augen blitzte hinter randlosen Brillengläsern hervor, die Stimme enthielt einen milden Vorwurf. „Solltest du nicht unterwegs zum Hotel sein? Mr. Dickenson erwartet dich." „Natürlich, aber vorher habe ich mich bei dir gemeldet. Hätte ich dich versetzen sollen?" „Wann wirst du endlich lernen, deine Verabredungen nicht so eng nacheinander zu legen? Dein Talent zur Tagesplanung ist katastrophal." „Ich bin nicht gekommen, um über meine missglückte Tagesplanung zu sprechen!" „Was du nicht sagst!" „Spaß beiseite - du wärst nicht hier, wenn der Schutzgott von Aquaria dich nicht kontaktiert hätte. Mental, versteht sich....Telepathie ist ja nichts ungewöhnliches für Götter. Du wusstest doch, dass es passieren würde, oder? Mir graust vor der Prüfung, um ehrlich zu sein. Heilig oder nicht, kann man auch nur ahnen, was sich ein Drache, ein Phönix, ein Tiger und eine Schildkröte für Aufgaben ausdenken? Diomedes ist Mittelsmann, das ist so üblich. Bist du vorbereitet?" Sein Gegenüber nahm die Brille ab, fuhr sich durch sein dichtes kastanienbraunes Haar und schüttelte den Kopf. „Kann man sich auf so etwas überhaupt vorbereiten? Das Zerwürfnis von Feuer und Luft war vorhersehbar, aber trotzdem hatten die Schutzgötter gehofft, unser Einsatz würde nicht nötig sein. Wir besitzen kein Wächterblut, wir sind normale Menschen, daher können wir unsere Pflicht nur als Einheit erfüllen. Hiro hat keine Ahnung, dass er würdig ist....und was Zeo angeht, der will mit der ganzen Angelegenheit nichts zu tun haben. Ich kann es ihm nicht verdenken." Er seufzte. „Er hat keine Wahl. Ich werde ihn anrufen und ihn mir kaufen! Mir gefällt das alles auch nicht, aber im Moment ist das Gleichgewicht gestört und muss gestützt werden. Unsere Initiation als Pfeiler muss bald stattfinden, sonst bricht die Ordnung der Elemente zusammen. Und wenn das passiert....na, ich brauche dir nicht zu sagen, was dann los ist!" Kenny schlürfte seinen Kamillentee und schwieg. Schon seit dem erneuten Zusammentreffen der Bladebreakers anlässlich der Weltmeisterschaft hatte er gewusst, was geschehen würde. Dizzy (eigentlich Dizzeira) war eine Kreatur aus dem Zeitalter Edens, eine Art körperloser Geist, der Informationen in sich aufsaugen konnte wie ein Schwamm, ein sogenannter „Archivar". Es gab einen für jedes Königreich, der die Bibliotheken bewachte, Wissen in sich verwahrte, dessen schriftliche Zeugnisse verlorengegangen waren und zum Wohle des Volkes seine Kenntnisse zur sinnvollen Verwendung anbieten konnte. Dizzeira war einst der Archivar von Aquaria und Hüterin der berühmten Triton-Bibliothek, denn das Reich des Wassers, beschützt von einer Tiergottheit, deren bedeutsamste Tugenden die Weisheit und Wissen im allgemeinen waren, galt immer als das Land mit den besten Gelehrten. Er hatte die Geschichte der vier Wächter gekannt, noch bevor Mr. Dickenson sie seinen Freunden erzählte. Er war dabei gewesen und hatte den Ahnungslosen gespielt, obwohl der Zaubermeister ihn während seines Berichts hin und wieder vieldeutig angesehen hatte. Er hatte seine Rolle nicht offenbart, sondern auf den Augenblick gewartet, da sein Einsatz unabwendbar sein würde. Und irgendwie schien es ihm, als sei dieser Moment viel früher eingetroffen als ihm lieb war.... „Gibt‘s hier ein Telefon?" „Hä? Was hast du vor?" „Blöde Frage. Ich rufe Zeo an, diesen alten Drückeberger! Drigger hat ihn als würdig erachtet, daran kann er nichts ändern!" „Ich glaube, dass er Angst hat." „Wer hat das nicht! Wenn du‘s genau wissen willst, ich könnte mir auch was Besseres vorstellen, als meinen Arsch in diesem Krieg hinzuhalten, nur weil Kai und Tyson aneinander vorbeireden und das Gleichgewicht der Elemente gefährden! Tatsache ist: Niemand kann die Prinzen ersetzen! Wir sind nur eine Notlösung! Wenn wir uns auch nicht einig sind, können wir uns gleich einen Satz Grabsteine bestellen!" „Ozuma!!" „Na, ist doch wahr....hast du seine Nummer?" Kenny kramte in seiner Hosentasche und drückte dem Rothaarigen einen zerknitterten Zettel in die Hand, auf dem er sämtliche Telefonnummern der vier Würdenträger notiert hatte. Ozuma erkundigte sich bei einem der Kellner nach dem Fernsprecher und verschwand danach im Flur Richtung Toilette. Er schickte sich gerade an, den Hörer abzuheben, als schwarze Schatten über den Boden krochen und ihm einen eisigen Schauer über den Rücken jagten. Er schoss herum und aus der dunklen, schleimigen Substanz zu seinen Füßen erwuchs eine abscheuliche Kreatur von so atemberaubender Hässlichkeit, dass dem jungen Mann schier das Blut in den Adern gefror. Das Wesen besass den Kopf und die Vorderbeine eines Löwen, den Körper einer riesigen Ziege und den Schwanz eines Drachen. Seine Augen erglühten rötlich und aus den Nüstern stiegen Rauchschwaden auf, ein untrügliches Zeichen dafür, dass es Feuer speien konnte. Eine Chimäre! „Du bist gekommen, um mich zu töten, habe ich recht?" °°Genau!°° erwiderte das Geschöpf mit einer unheimlich klingenden, fremdartigen Stimme. °°Meister Hades wünscht nicht, dass die Pfeiler die Harmonie der Elemente bewahren! Die Kluft zwischen Feuer und Luft passt hervorragend in seine Pläne! Ich kann nicht zulassen, dass du und Draciels Erwählter am Leben bleibt!°° „Da bin ich nicht deiner Meinung!!" Ozuma ging in Abwehrhaltung, verzweifelt auf der Suche nach einem Ausweg. Solange er nicht geprüft war, konnte er keine Magie benutzen und war diesem Monster ausgeliefert. Er biss sich auf die Lippen und ballte seine Hände zu Fäusten, das Gesicht zornverzerrt, bemüht, seine Angst nicht zu zeigen. Die Chimäre umrundete ihn wie ihr nächstes Beutetier und schien so etwas ähnliches wie Zittern und Zähneklappern zu erwarten, aber den Gefallen tat er ihr nicht. °°Du bist furchtlos....oder hast zumindest den Schneid, deine Furcht zu verbergen, um dich nicht als Opfer zu präsentieren. Für einen Sterblichen durchaus beeindruckend. Doch das wird dir nichts nutzen!!°° Die Kreatur holte mit einer ihrer gefährlichen Pranken aus und der Japaner sprang mit einem akrobatischen Überschlag außer Reichweite. Das Café war nicht gerade der beste Ort, um gegen einen Dämon zu kämpfen und Flucht war die einzige akzeptable Lösung. Als die Chimäre auf ihn zusprang, schnappte er sich den Hörer des Telefons und wickelte das Kabel in einem weiteren sportlichen Bravourstück um den fetten Hals der Bestie. Das verschaffte ihm genug Zeit, um zu Kenny zurückzukehren und zu verschwinden, obwohl er den verdatterten Computerspezialisten hinter sich her zerrte, ohne seine plötzliche Flucht zu erklären. „Was ist denn los mit dir?! Warte doch, ich habe meinen Tee noch nicht bezahlt!" „Wenn wir bleiben, wirst du nie wieder irgendetwas bezahlen müssen! Wo ist deine Jacke? Los, zieh dich an, schnell! Und jetzt raus!!" Er warf sich sein Cape über und die beiden jungen Männer stürmten in den Regen hinaus, während der Kellner wegen der geprellten Zeche hinter ihnen her brüllte. Im Flur mit dem Telefon stand eine wutschnaubende Chimäre und hätte wohl in ihrem Frust das gesamte Gebäude abgefackelt, wenn nicht ein Herr im schwarzen Hosenanzug aufgetaucht wäre. „Erbärmlich.", lautete sein Urteil. °°Verzeiht mir, Sir Deimos! Aber Seine Majestät hat mir befohlen, die Würdenträger sofort zu eliminieren!°° „Das weiß ich. Allerdings bezweifele ich stark, dass er damit gerechnet hat, dass du dir einen öffentlich zugänglichen Ort dafür aussuchen würdest. Das ist nicht der geeignete Platz für einen Meuchelmord, du geistig minderbemittelte Fehlkreuzung! Aber so ist das nun mal...." Ein grausames Lächeln zog seine Lippen auseinander. „....wenn man etwas richtig gemacht haben will, muss man es immer selbst machen....!" Ozuma war indessen so freundlich, Kenny die Situation zu schildern, begleitet von einigen deftigen Kraftausdrücken. Der Jüngere schob seine Brille nach unten, sodass seine grünen Augen blitzten; die Züge seines Gesichts waren ernst und entschlossen: „Hades weiß also Bescheid. Wir haben keine Zeit mehr, mein Freund. Wir müssen die Prüfungen ablegen, egal, ob wir darauf vorbereitet sind oder nicht. Wir müssen Zeo verständigen und mit Hiro sprechen - umgehend!" „Erst einmal sollten wir Diomedes aufsuchen. Er wird uns alle weiteren Schritte erläutern. Und wann, wie und wo wir die Prüfung zum Pfeiler ablegen, hängt immer noch von den Schutzgöttern ab, vergiss das nicht." Er hob den Blick. „Der Himmel bewölkt sich immer mehr, er ist fast schwarz. Drück uns die Daumen, dass nicht demnächst ein Tornado über Tokyo hinwegfegt oder der Fujiyama ausbricht!" Damit verschwanden sie in der dichtgedrängten Menschenmenge, während über ihnen das Gewitter tobte, das jede Sekunde schlimmer zu werden schien.... Hiro marschierte durch das Eingangstor des Dojos und betrat das Haus. Schon in der Diele hörte er, dass sein kleiner Bruder Kendo trainierte und seine Augen verengten sich. »Nimm‘s mir nicht übel, Ototo....aber du hast einen Dämpfer nötig! Und ich werde es sein, der dir diesen Dämpfer verpasst!« Er schälte sich aus seinem nassen Mantel, schlüpfte aus den Gummistiefeln und eilte geradewegs in die Übungshalle. Er war mehr als überrascht, als er feststellte, dass Tyson die Türen zum Garten hin aufgeschoben hatte und sich nicht im mindesten um die Eiseskälte kümmerte, die Wind und Regen hereintrugen. Ihn fror es, trotz schwarzem Rollkragenpulli und zwei Paar Socken an den Füßen. Der Jüngere hatte ihn noch nicht bemerkt und so schloss er in einer fließenden Bewegung die beiden Türen mit einem deutlich vernehmbaren Geräusch. Tyson wirbelte herum und erkannte ihn. „Du!" stieß er hervor und seine Stimme klang ätzend und angewidert. „Was willst du hier?! Mir wieder eine deiner Moralpredigten halten?! Danke, aber danke nein! Mein Bedarf daran ist reichlich gedeckt!!" „Ich glaube einfach nicht, dass du derartig unverschämt zu mir bist! Was fällt dir ein, mich mit Gift und Galle zu bespucken?! Ich bin gekommen, um dir den Kopf zu waschen, wenn du‘s genau wissen willst - und offensichtlich bin ich keinen Moment zu früh aufgetaucht! Dein Benehmen gegenüber Kai, deine Schroffheit, deine kaltschnäuzigen Worte, deine Sorge um Tala, die ich in diesem Ausmaß, wie du es an den Tag legst, absolut nicht nachvollziehen kann....was denkst du eigentlich, wer du bist!?! Du trampelst doch sonst nicht mit einer solchen Brutalität auf den Gefühlen anderer herum!! Sicher, manchmal verletzt du deine Mitmenschen, wenn du mal wieder die taktlose Arroganz in Person abgibst und in höheren Sphären schwebst, aber diesmal genießt du es geradezu!! Keine Spur von Reue, von Einsicht! Du bist nicht von Natur aus boshaft oder gemein! Wieso führst du dich trotzdem so auf?!" „Ich trample auf den Gefühlen anderer herum?! Das ist doch ein Witz! Wenn hier einer auf den Gefühlen anderer herum trampelt, dann ist das Kai!! Er wollte meine Freundschaft von Anfang an nicht haben und er hat keine Möglichkeit ausgelassen, um mich niederzumachen!! Ich verstehe selbst nicht, wie ich je romantische Zuneigung für ihn entwickeln konnte! Er ist ein Mistkerl, nichts weiter! Er hat mich wie den letzten Dreck behandelt....und seine ‚Das-geht-mich-alles-nichts-an‘-Einstellung nervt mich gewaltig!! Wenn er meine Liebe nicht will, soll er doch weiter in seiner vielgerühmten Einsamkeit vor sich hinvegetieren und seinen Hass nähren!! Ich bin ihm gleichgültig....also ist er mir auch gleichgültig! Wer braucht ihn schon, diesen herzlosen Bastard?! Ich jedenfalls nicht!!" Hiros Hände hatten sich zu Fäusten geballt, doch seine Stimme war eigentümlich ruhig. „Ich sage nicht, dass du die alleinige Schuld an eurem Bruch trägst, denn erfahrungsgemäß gehören zum Streiten immer zwei. Aber diese totale Verurteilung Kais....und dein Gejammer, von wegen, er hätte dich wie den letzten Dreck behandelt....du weißt genau, dass das nicht wahr ist! Er hat dich zu keiner Zeit so behandelt! Bevor ihr Freunde wurdet, mag er dich verachtet haben, aber deine Würde hat er nie angetastet, weil du dich vor ihm bewiesen hast!" Tyson musterte ihn hochmütig. „Du kapierst wirklich gar nichts!" „Oh doch, ich kapiere sogar eine ganze Menge." Er umfasste das Kinn seines jüngeren Bruders und zwang ihn auf diese Weise, ihm in die Augen zu sehen, anstatt sein Gesicht abzuwenden. „Du hast entdeckt, wie bequem es ist, vor seinen Schwierigkeiten davonzulaufen und anderen die Schuld dafür in die Schuhe zu schieben. Du badest genussvoll in deinem Selbstmitleid, während du Kai vorwirfst, er haue dir seine mangelhafte Fähigkeit im Umgang mit Gefühlen wie einen nassen Putzlappen um die Ohren! Sag mir, wo ist da der Unterschied?!" Keine Antwort. Nur ein Blick so voller Feindseligkeit, dass den Silberhaarigen beinahe sein Mut verlassen hätte, doch er riss sich zusammen. Er hatte schon kompliziertere Schlachten als diese hier geschlagen und gewonnen! „Was erwartest du denn vom Leben?", fuhr er fort, den harten Blick zäh und entschlossen erwidernd, „Einen Himmel auf Erden, Lebensgenuss rund um die Uhr? Von morgens bis abends das große Glück, nur Zärtlichkeit, Liebe, Verständnis und Hilfe, wo immer du hinkommst, Erfolg bei allem, was du anfängst? Glaubst du im Ernst, das Leben wäre so eine Art Schlaraffenland, in dem dir das perfekte Glück in den Hals gestopft wird wie die gebratenen Tauben? Antworte!" „Habe ich dir nicht gesagt, dass ich deine Predigten nicht mag? Wie lange willst du dich noch abmühen?" Damit schubste er ihn heftig zur Seite und begann wieder mit seinem Training, als wäre Hiro überhaupt nicht anwesend. Er holte mit seinem Holzschwert zu einem Hieb gegen einen unsichtbaren Gegner aus, als eine starke Hand die Übungswaffe packte und ihn stoppte. „Ich habe es satt, dir verbal Vernunft einzubläuen! Du willst nicht auf mich hören, also musst du fühlen! Ich fordere dich zu einem Beyblade-Match heraus!!" „Pah! Und du denkst tatsächlich, dass du eine Chance gegen mich hast? Das ist ja lachhaft!" „Wir werden sehen, wie lachhaft das wirklich ist!" „Gut, wenn du unbedingt willst - ich ziehe mich nur schnell um. Warte auf der Terrasse." Tyson stellte das bokuto in seine Halterung zurück und begab sich in Richtung seines Zimmers. Der Zufall wollte es, dass er Kai begegnete, der im Korridor beim Telefon stand und gerade den Hörer auf die Gabel legte. Er ging mit kalter Nichtachtung an ihm vorbei, ohne dabei zu bemerken, dass der Russe ihm einen ernsten und seltsam entschiedenen Blick zuwarf. Der Japaner eilte die Treppe hinauf und nach einer Weile folgte ihm der Ältere. Wenige Minuten später kehrte der Blauhaarige zurück, in Jeans und weißem Rolli, zog sich seinen Regenmantel über und Stiefel an und verstaute sein Blade in der rechten Manteltasche. Hiro, der sich ebenfalls in Mantel und Stiefel gewandet hatte, erwartete ihn wie verlangt auf der Terrasse. Die Bey-Arena befand sich im Garten und war noch mit einer Plane zugedeckt. Als Tyson sich anschickte, die Plane zu entfernen, erklärte der andere: „Nein. Es gießt wie aus Eimern, die Arena wird volllaufen. Der Garten ist unser Kampfplatz. Es sei denn, du hast Angst, die aufgeweichte Erde wäre ein zu großes Handicap für dich." „Ich werde dir eine Lektion erteilen, Onii-san! Ich habe genug davon, dass du immer für Kai Partei ergreifst!!" „Ich ergreife für niemanden Partei, außer vielleicht für den gesunden Menschenverstand, der dir in letzter Zeit abhanden gekommen ist! Nicht ich bin es, der eine Lektion nötig hat! Bist du bereit? LET - IT - RIP!!!" Kai hatte indessen sein Zimmer aufgesucht und wuchtete seinen Koffer vom Schrank. Er angelte nach dem fast leeren Waschbeutel, der noch darin war und wühlte ihn gründlich durch, bis er ein viereckiges Schächtelchen mit Gesichtsfarbe zutage förderte. Im Bad tunkte er seine Finger in die Farbe und malte sich die blauen Zacken ins Gesicht, die er schon lange nicht mehr getragen hatte. Nun, da er ihre wahre Bedeutung kannte, besassen sie einen echten symbolischen Wert. Nur diesmal würde er nicht aus Rache kämpfen, sondern um den Mann zurückzuholen, den er liebte. Stumm betrachtete er sich im Spiegel und murmelte: „Der Eis-Kuss lässt sein Herz erkalten....ich danke dir, Tala." Der Lärm des Gefechts tönte an sein Fenster. Die beiden Blades der Geschwister jagten sich über das nasse Gras und den Schlamm, wobei der braune Schlick in hohen Bögen durch die Luft spritzte. Es war Dragoon, der Metal Dragoon von einer Ecke in die nächste bugsierte und Tyson lachte hämisch. „Nicht mehr so selbstbewusst wie vorher, was, Bruderherz? Du springst davon wie ein verängstigtes Kaninchen! Ich werde dich besiegen, das schwöre ich dir!" „Solange du bladest wie ein Besessener, solltest du lieber den Mund halten und keine leeren Versprechungen machen! Du bist nicht mehr du selbst, und dein Kampfstil ist Beweis genug! Du willst bloß gewinnen! Was ist mit dem Spaß, den dir das Bladen bringt? Jedes Match war ein wundervolles, großartiges Vergnügen für dich! Es ging dir nicht nur darum, zu siegen!" „Schnauze!! Was weißt du denn schon?! Du bist es doch gewesen, der mich alleingelassen hat!! Ohne ein Wort, ohne eine Erklärung bist du einfach abgehauen, und es war dir scheißegal, wie einsam und unglücklich ich mich dabei fühlte!! Ich mach‘ dich fertig!!" Die Kreisel prallten aufeinander und sprühten Funken, stießen sich gegenseitig ab und begannen erneut mit ihrer Verfolgung quer durch den gesamten Garten. „Ich weiß, dass das falsch war!! Ich hätte dir die Wahrheit erzählen sollen, aber das durfte ich nicht, ich war durch einen Eid gebunden!! Ich leugne nicht, dass ich dich verlassen habe, aber ich musste es tun, um Vaters Nachfolge antreten zu können!! Ich habe dich nicht vergessen und immer an zu Hause gedacht, Ototo! Das musst du mir glauben! Du und Großvater seid meine Familie und ich liebe euch! Aber ich kann nicht erlauben, dass du dich in deiner Verblendung selbst vernichtest! Niemand, nicht einmal du, kann mir erzählen, dass du Kai nicht mehr liebst!! Ich weiß, was du für ihn durchgemacht hast, und ich weiß auch, was du im Innersten deiner Seele für ihn empfindest!! Du warst bereit, dein Leben für ihn zu riskieren und ich glaube nicht, dass man ein solches Gefühl einfach auslöschen kann!! Egal wie, Ty - aber ich werde dafür sorgen, dass du aufwachst!!" Sein Beyblade schoss in die Höhe und krachte mit voller Wucht gegen Dragoon, der durch diesen Schlag ordentlich ins Trudeln geriet. Dennoch pendelte er sich aus und drehte sich weiter, um im Anschluss eine neue Attacke zu starten. Hiro wich ihm geschickt aus und wurde noch ein Stück offensiver. Metal Dragoon raste durch das aufgeweichte Erdreich wie über eine Rutsche und donnerte seinen Kontrahenten mit einem Knall gegen die Gartenmauer, wo er beim Aufprall einen Riss hinterließ. „Das wirst du büßen!!" schrie Tyson außer sich und seine Augen veränderten sich langsam. Das warme Braun löste sich auf und ein kaltes Blau kroch in ihnen nach oben, als würden sie von einer Eisschicht bedeckt. Der Ältere sah es mit Schrecken. „Ich wusste doch, dass irgendetwas mit dir nicht stimmt....bei dieser vermaledeiten Geschichte, in der wir hier stecken, sollte es mich nicht wundern. Trotzdem. Wenn du von unseren Feinden verzaubert worden bist, ändert das nicht viel. Auch ein Zauber braucht etwas, wo er einhaken kann, sonst wirkt er nicht. Der Zweifel muss schon vorher in dir vorhanden gewesen sein und du hast dich niemandem anvertraut, sodass er sich festsetzen konnte. Kaum etwas ist so gefährlich wie nagender Zweifel. Ich werde dir deinen Kopf stärker zurechtrücken müssen, als ich dachte! Besiege mich also - wenn du kannst!" Dragoon, der nach seiner Tuchfühlung mit der Steinwand auf Windböen zu Boden gesegelt war, um sich weiterdrehen zu können, zischte mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit auf den anderen Kreisel zu und....wurde plötzlich zur Seite geschleudert. Ein drittes Beyblade hatte sich in den Kampf eingemischt. „Wer wagt es....?!" „Kannst du dir das nicht denken?" Donner grollte und ein Blitz zuckte über den schwarzen Himmel. Das Licht erhellte die schlanke Gestalt in der Regenjacke, die auf der Terrasse stand und die Tür hinter sich zuschob. Das Spiel der Lichtreflexe warf einen gespenstischen Schein auf sein blasses Gesicht mit den blauen Zacken. Um den Hals hatte er seinen alten weißen Schal geschlungen, ungeachtet der Tatsache, dass er an vielen Stellen schadhaft oder sogar zerrissen war. „Was soll das werden? Willst du dich etwa in Suzaku verwandeln und mich bestrafen? Tu mir einen Gefallen und erspare mir den Auftritt dieses Idioten!" „Ich habe nicht vor, Suzaku zu bemühen, Tyson. Das hier....erledige ich auf MEINE Art." In der Unterwelt saß Deimos in seinem Gemach, die Chimäre lag zu seinen Füßen und gab schnurrende Geräusche von sich. Er hatte einen magischen Spiegel beschworen, mit dem er jeden beliebigen Ort auf der Erde beobachten konnte und besah sich momentan die Szene im Garten des Kinomiya-Dojos. »Iras hat uns mit dem Eis-Kuss einen großen Dienst erwiesen. Dank seiner wird das Gleichgewicht der Elemente bald kippen....und ich werde jene, die würdig sind, einen nach dem anderen auslöschen. Ohne die Stützen und die Einheit zweier Prinzen wird das Weltgefüge zusammenbrechen. Für Lord Hades wird es dann ein Leichtes sein, sich diesen Planeten Untertan zu machen!« Seine Augen ruhten auf Hiro und so etwas wie Schmerz blitzte in ihnen auf, so rasch, dass man es für ein Trugbild hätte halten können, wäre das Zittern des Körpers nicht gewesen. Deimos unterdrückte ein Würgen und bettete eine Hand auf seiner erhitzten Stirn. »Was ist in mich gefahren?! Alles in mir scheint sich zu verzerren und zu verkrampfen, wenn ich ihn sehe! Warum?! Er ist doch nur ein schwacher Mensch....aber nein, was rede ich da? Ich weiß, dass er stark ist, er hat es mich mehr als einmal spüren lassen! Es war mir nicht vergönnt, ihn zu unterwerfen....weshalb denke ich also immer noch an ihn!? Selbst wenn ich schlafe, taucht er in meinen Träumen auf und quält mich, weil ich ihn nicht berühren kann! Was für ein Zauberbann ist das, den er mir aufgezwungen hat?!« Es klopfte und ein buckliger Kobold kam herein. „Euer Exzellenz, ich soll Euch ausrichten, dass drei der vier Apokalyptischen Reiter eingetroffen sind. Sie warten auf ihren letzten Mann - auf Euch." „Gut, ich komme sofort." „Erlaubt mir, Euch zu Eurer Beförderung zum Krieger des Todes zu beglückwünschen!" „Spar dir das Rumgesülze, oder ich werfe dich meiner Chimäre zum Fraß vor! Gewährt uns Seine Majestät eine Audienz?" „Jawohl, Euer Exzellenz." Der Kobold entfernte sich eilig, da die Chimäre ihn mit gierigen Blicken musterte wie ihre nächste Mahlzeit, und Deimos ließ sich von seinem Satyrdiener seine neue Rüstung anlegen, aus schwarzem Malitia-Metall gefertigt, auf der Brust mit den drei gezackten Blitzen in Silberfarbe bemalt, dem Symbol von Hades, das er auch in den Nacken seines Soldaten eingebrannt hatte. Bevor er ging, warf er einen letzten Blick auf Hiros schönes Antlitz und wischte den magischen Spiegel schließlich mit einer heftigen Handbewegung fort. »Krieg, Hungersnot, Pest und Tod....seid versichert, dass der offene Kampf bald ausbrechen wird, Wächter von Eden! Die Finsternis wird triumphieren. Ihr könnt nicht gewinnen!« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)