The Balance of Creation von Autumn (TYKA u. a.) ================================================================================ Kapitel 25: Der Sumpf von Lacrima --------------------------------- Kai: Ehrlich, Autumn...schämst du dich gar nicht, dass du die Leute ständig warten läßt?! Deine Leser haben alle schon Entzugserscheinungen! Autumn: Ja, das tut mir auch leid, ehrlich!!! Deshalb habe ich diesmal zwei Kapitel im Gepäck! Kai: Das wird auch gut sein...*böse guck* *Autumn packt sofort die neuen Kapitel aus*: Viel Spaß! Kapitel 25: Der Sumpf von Lacrima Die Mitglieder der „Mission Eden" hatten sich am Schrein der kleinen Tempelanlage versammelt, von wo aus sich auch bereits Lee und Co. in den Hades teleportiert hatten, um Garland und Mystel Geleit zu geben (s. Kapitel 18). Alle bis auf Daichi waren anwesend und Carlos fing an, ein wenig ungeduldig zu werden. „Wo bleibt er?! Er ist schließlich der Anführer unserer Gruppe! Ist es da zu viel von ihm verlangt, pünktlich zu sein?!" „Was denn, machst du dir etwa Sorgen?" Der Spanier fuhr zusammen und drehte sich um, direkt in das hübsche Gesicht des Rothaarigen blickend, der ihn verschmitzt angrinste. Der Ältere hielt es nicht für nötig, darauf zu antworten, sondern drehte sich nur errötend weg, irgendetwas Unverständliches vor sich hinmurmelnd, das sich so ähnlich anhörte wie: „Sorgen?! Wer macht sich Sorgen!?" Romero betrachtete den Jüngling wohlwollend. Er hatte sich in der Tat sehr verändert. Als er ihn vor sechs Jahren zum ersten und letzten Mal gesehen hatte, war der Junge noch ein Heißsporn ohnegleichen gewesen, mit einer riesigen Klappe, die in einer Minute mehr daher plapperte als der Bengel in einem Monat verantworten konnte, aber schon damals, im zarten Alter von neun Jahren, hatte er den starken Willen und die Entschlossenheit besessen, die ihn heute auszeichnete. Daichi war mit seiner Aufgabe als zukünftiger Zaubermeister gewachsen und verfügte durch sie über eine Reife, die für einen 15jährigen Teenager höchst ungewöhnlich war. Er trug seine priesterliche Robe mit den weiten Ärmeln und dem Umhang, die Füße steckten in einer Art römischer Sandalen, in seiner Hand hielt er seinen goldenen Schamanenstab, der dem von Diomedes ähnelte, aber nicht so prunkvoll war. Das ganze Gewand war dunkelgrün, was hervorragend zu seinem flammenden Haar und seinen Augen passte. Er erwiderte das Lächeln, das Romero ihm schenkte, als wolle er ihn aufmuntern, und musterte seine Mitstreiter mit einem Ernst, der den anderen noch nie zuvor an ihm aufgefallen war. In Gedanken ging er die Liste noch einmal durch, auf der die Namen seiner Auserwählten standen. »1. Mystel Shada. Beeinflussende Kraft: das Meer. Basiselement: Wasser. Wächter von Poseidon. Reinkarnation von Leviathan. 2. Lee Zhoung. Beeinflussende Kraft: Blitze. Basiselement: Feuer. Wächter von Galeon. 3. Rick Connor. Beeinflussende Kraft: Gestein. Basiselement: Erde. Wächter von Rock Bison. 4. Romero de la Sanchez. Beeinflussende Kraft: Schlingpflanzen. Basiselement: Erde. Wächter von Flora. 5. Carlos Montero. Beeinflussende Kraft: Regen. Basiselement: Wasser. Wächter von Unda. Mit mir sind wir also zu sechst. Ich hoffe, dass das genügt. Eden ist einmal ein Paradies gewesen, aber erst seit ca. zehn Jahren ist es als völlig regeneriert zu beschreiben. Außerdem ist das Gift, das Hades in diese Welt gepumpt hat, nie ganz verschwunden. Die Dimension wird sich gewandelt haben. Was wird uns erwarten? Ich habe Angst, dass wir den Herausforderungen, die uns dort begegnen könnten, nicht gewachsen sind. Aber es gibt kein Zurück - Bryans Leben hängt davon ab!!« Die Hüter fassten sich an den Händen und stellten sich im Kreis um Daichi herum auf. Sie riefen ihre Elemente an und der Rothaarige konzentrierte ihre Macht in seinem Stab. Ein gleißend heller Sog öffnete sich über ihnen und zog sie hinauf in den Himmel, wo sie alsbald in einem strahlenden Licht verschwanden. Der Wind wehte über den Platz hinweg, an dem vorhin noch eine Gruppe Menschen gestanden hatte und trug ihre Botschaft mit sich fort. Er tanzte über die Dächer der Gebäude und suchte ein bestimmtes Fenster. Claude, der sich gemeinsam mit Mariah im Hospital aufhielt, vernahm die Nachricht, die der Wind ihm brachte, und schloss das Fenster befriedigt. Sie befanden sich im Zimmer von Ray und Miguel und drei neugierige Augenpaare starrten ihn an, als er sich ihnen zuwandte. „Sie sind aufgebrochen", erklärte der Franzose. „Ich bin sicher, dass sie es schaffen werden!" „Aber sie müssen sich beeilen!" warf der Chinese ein und richtete sich in seinem Bett auf. Mariah stützte ihn dabei und nickte zu seinen Worten. „Ich meine....ihr beiden durftet Bryan besuchen und ihr habt uns erzählt, was für ein bedauernswerter Anblick es war....die Schläuche, das Beatmungsgerät, die ganzen Kabel und sonstige Maschinen, die an ihn angeschlossen sind - machen wir uns doch nichts vor! Er liegt im Sterben!" Die junge Frau erschauerte bei Rays Ausruf und erinnerte sich voller Grausen an das Bild der Trostlosigkeit, das der Russe geboten hatte. Sein Gesicht hatte wächsern gewirkt und war weiß gewesen wie ein Laken, und dann das monotone Piepen der Geräte, die ihn am Leben hielten, nur begleitet von seinen schweren, kaum wahrnehmbaren Atemzügen....furchtbar! Sie fragte sich, wie Iras wohl auf diesen Anblick reagiert hätte....oder Tala in seinem Inneren. Sie kannte Bryan nicht besonders gut und war trotzdem zutiefst betroffen. Wie wäre das erst für einen Menschen, für den der Lilahaarige mehr war als bloß ein Kollege? Sie wagte nicht, sich das auszumalen....oh nein, sie wagte es nicht.... Claude hatte sich neben Miguels Bett gesetzt und der Mexikaner berührte sacht die zitternde Hand, die auf seiner Decke lag. Er wusste nur zu genau, dass sein Liebster sich sorgte und sich vor einem Angriff seitens Hades im Krankenhaus fürchtete, denn innerhalb des Gebäudes war ein Kampf schwierig, zumal sie nicht überall zugleich sein konnten. „Sei zuversichtlich, amiguito mio....die Zeit arbeitet gegen unsere Freunde, aber es liegt nicht in der Natur eines Wächters, einfach aufzugeben. Solange es einen Grund gibt, zu hoffen, gibt es auch einen Grund, zu kämpfen!" Er sagte das mit dem ganzen Feuer seines Wesens und seine blauen Augen brannten in einer Flamme des Mutes und des Vertrauens auf jene, die losgezogen waren, um einen der ihren zu retten. Seine Ruhe und Kraft schienen auf den Franzosen überzuströmen wie eine warme Woge und ihn mit einer neuen Stärke auszustatten. „Mon chér...." flüsterte er dankbar und neigte sich vor, um die Lippen des Blonden mit den seinen zu verschließen. Der innige Kuss, den sie tauschten, brachte Ray seinen Max ins Gedächtnis zurück. Man hatte ihm mitgeteilt, was geschehen war und der Gedanke, dass sein Geliebter in die Unterwelt gegangen war, erfüllte ihn mit Angst. Sicher, als Genbu war er ein famoser Kämpfer, doch wer konnte schon genau vorausahnen, mit welchen Gemeinheiten die beiden Ritter der Verdammnis und ihr grausamer Herrscher den Prinzen des Wassers und seine Begleiter erwarten würden? Und was war mit Kai bzw. Suzaku? Was würde passieren, wenn er auf den Krieger des Zorns traf? Verdammt, und er sass hier fest mit seiner gebrochenen Rippe und konnte ihnen nicht helfen!! Wie ihn das nervte!! »Max, mein Liebling....ich hoffe, dass es dir gut geht. Und ich bete, dass Daichi und die anderen erfolgreich sein werden und die Blätter für den Heiltrank rasch beschaffen können. Würde ich mich nur nicht so nutzlos fühlen! Mit meiner Verletzung wäre ein Kampf zu riskant und ich wäre außerdem ein Hindernis! Wie gern würde ich ihnen beistehen! Ich wünsche ihnen allen viel Glück.« Rick schlug mühsam die Augen auf. Der Sog war verschwunden und hatte sie in Form eines Strudels in die Dimension Eden geschleudert. Er erhob sich, putzte ein paar Schmutzflecken von seinem Wächtergewand und blickte sich verwirrt um. Seltsam süßliche und zugleich modrige Gerüche durchzogen die Luft, der Boden war mit üppiger Vegetation bewachsen, die man allerdings nur als wild wucherndes Unkraut bezeichnen konnte, der Boden war schlammig und für den See, an dessen Ufer die Mitglieder der Expedition ohnmächtig herumlagen, war der Ausdruck Drecksbrühe noch eine Schmeichelei. Der Amerikaner rümpfte angewidert die Nase. Na toll, wo waren sie denn hier gelandet? Das war kein Paradies, sondern allenfalls ein Sumpf! Hatte es in Eden Sümpfe gegeben? Er eilte zu seinen Kameraden und weckte erst Romero, danach schüttelte er den jungen Zaubermeister und holte auch ihren Scout sowie ihre Mitstreiter in seiner jovialen Art zurück ins Bewusstsein. „Mystel? Wo sind wir?" erkundigte sich Daichi, nachdem er sich umgesehen hatte. „Schwer zu sagen....in Eden gab es eigentlich keine Sümpfe. Das hier dürfte ein Überbleibsel der negativen Energien sein, die Hades hinterließ. Hm...." Er kniete sich am Rand des Sees nieder und tauchte eine Hand in das schmutzige Wasser. Er hörte auf die Stimme der Strömung, die ihm erzählte, was er wissen wollte. Doch seine Züge verhärteten sich, während er lauschte und es schien, als zerspringe ihm das Herz. „Lacrima...." murmelte er und stand wieder auf. Er betrachtete seine Hand, an der der Schlamm haften geblieben war und ballte sie zitternd zur Faust. „Das hier ist....ich meine, war....der See von Lacrima (lateinisch für Träne). Es war Sitte in Aquaria, die Kinder mit seinem heilenden Wasser zu taufen und man wusch damit auch Männer und Frauen, die krank oder verletzt waren. Sogar Kreaturen kamen hierher, um sich kurieren zu lassen. Das Schilf bot Unterschlupf für viele Vögel....Blumen in den herrlichsten Farben gediehen hier und alte ehrwürdige Bäume hängten im Frühling ihre blühenden Zweige über den See. Ich bin oft mit meiner Familie hergekommen, um zu schwimmen und um mit meinen Freunden herumzutollen, als ich noch kleiner war. Es war einer meiner Lieblingsplätze....und dieser Sumpf ist alles, was davon übriggeblieben ist....dank Hades....!" Keiner wusste etwas zu sagen. Selbst Carlos, sonst als sehr gewitzt und frech bekannt, schwieg ernst. Er stellte sich vor, wie dieser Ort ausgesehen haben musste, ehe das Böse in Eden Einzug gehalten und das Land vergiftet hatte. Mystel verband damit schöne Erinnerungen....und nun vor diesem Bild der Zerstörung zu stehen, der See mit dem heilenden Wasser entehrt und seines natürlichen Gleichgewichts beraubt, das war sicher schwer zu ertragen, zumal er eine Bedeutung für Leviathan hatte. Der Blonde hatte die Arme um seinen Körper geschlungen und trauerte eine Weile still, plötzlich von der Angst erfüllt, dass seine Heimat gänzlich vernichtet worden sein könnte und sich das Paradies von einst nicht hatte wiederherstellen lassen. Wäre Garland doch nur bei ihm gewesen! Sol kannte und liebte diesen Platz ebenso sehr wie er....hier hatten sie glückliche Tage verlebt, zusammen Spaß gehabt und....Sein Blick flirrte umher, als suche er etwas und könne es nicht finden. Dann entdeckte er es. Mechanisch ging er darauf zu und stieg hinauf. Es handelte sich um eine steinerne Treppe, die nach oben zu einer Anhöhe führte. Einst hatten Blumen zwischen den Ritzen der Felsen ihre bunten Blütenköpfe gen Himmel gestreckt, doch nun war nur noch gelblich-welkes Gras vorhanden. Mystel, gefolgt von den anderen Wächtern, erreichte eine Ruine aus verfärbtem Marmor. Ihr ursprüngliches Aussehen ließ sich noch erahnen - früher war das Bauwerk eine Art Mini-Tempel gewesen, durch majestätische Kastanien und Fliederbüsche verborgen vor neugierigen Blicken, mit einer hübsch bemalten Tür, deren Fresken nun aber unkenntlich waren. Der Schlamm hatte die Kissen, Tücher und Decken, die in den Trümmern lagen, konserviert, selbst ein großer Diwan befand sich zwischen den Marmorbrocken. „Das....das war das ‚Kabinett der Zärtlichen Begegnung‘. Liebespaare zogen sich gerne hierher zurück, um....einander zu huldigen." erklärte er mit leichter Verlegenheit. Es war an seinem Geburtstag gewesen, da Sol mit ihm das Kabinett aufgesucht hatte....es war ein ungemein romantischer Abend gewesen und schließlich hatte Apollons Hüter ihm die Hand hingehalten und ihn gefragt, ob er ihm seine Liebe schenken dürfe. Ihre erste gemeinsame Nacht....Er seufzte betrübt und glitt mit den Fingern in einer Geste tiefer Traurigkeit über das weiße Gestein hinweg. »Vielleicht ist es doch besser, dass Garland nicht dabei ist. Oder Max. Das hier....hätte beiden das Herz gebrochen. Sei verflucht für immer, Hades!! Du hast es wahrlich verdient, für das zu büßen, was du unserem Volk und unserer Heimat angetan hast!!« „Mystel....kannst du uns zum Heiligen Baum führen?" unterbrach der zukünftige Zaubermeister seine Gedanken. „Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren und je schneller wir ein paar seiner Blätter gepflückt haben, umso schneller können wir nach Tokyo zurückkehren, wo Diomedes den Heiltrank brauen wird." Der Ägypter sah ihn an und nickte. Jetzt war nicht der Moment, zu trauern! Sie hatten eine Mission zu erfüllen! Die Gruppe kehrte über die Treppe in das tiefergelegene Gebiet des Sumpfes zurück und ihr Scout versuchte, sich daran zu erinnern, wo die Grenze des Reiches verlief, denn an dem Schnittpunkt der vier Länder hatte einstmals der Heilige Baum gestanden. Natürlich war nicht sicher, ob das noch immer der Fall war, aber zumindest konnte man davon ausgehen. Romero betrachtete indessen die unwirtliche Umgebung und schüttelte den Kopf. Da die Erde sein Basiselement war und er ein Händchen für Pflanzen besass, empfand er die weitreichende Vergiftung im Boden und in der Vegetation viel deutlicher als die anderen. Plötzlich aber stutzte er. Bildete er sich das nur ein, oder hatte sich die Wasseroberfläche gerade stark gekräuselt? Auch Lee, als Vollblut-Kämpfer mit einem instinktiven Gespür für Gefahren ausgestattet, wandte sich um und untersuchte ihr Umfeld, die goldenen Augen zu Schlitzen verengt. Seine Muskeln spannten sich an wie bei einer Raubkatze, die im Begriff ist, ein Beutetier zu jagen. In der folgenden Sekunde bekam er Gelegenheit, sein Können unter Beweis zu stellen - aus der widerlichen Brühe schossen acht Krakenarme in die Höhe, monströs, riesig, mit kopfgroßen Saugnäpfen. Daichi wurde gepackt und in die Richtung eines abstoßenden Ungeheuers tranportiert, das offenbar nur aus einem mit scharfen Zähnen gespickten Rachen zu bestehen schien. Der entsetzte Jugendliche hieb mit seinem Stab auf den grässlichen Arm ein, der seine Knöchel umschlungen hielt, aber das Biest ließ sich nicht beirren. Lee feuerte eine Ladung Blitze auf den abscheulichen Kopf ab, die blutende Wunden in die warzige Schuppenhaut schlug, aber der Dämon gab den Rothaarigen nicht frei. Außerdem schnappten die sieben verbliebenen Tentakeln nach den übrigen Wächtern. Romero wickelte Schlingpflanzen um die gefährlichen Greifer, aber sie wurden auseinander gerissen. Rick attackierte seinen Feind mit Felsbrocken, die jedoch mit voller Wucht von dem Kraken in kleine Stücke zerschmettert wurden. Mystel ließ das Schmutzwasser zu einer Welle anwachsen und überspülte die Kreatur, doch diese tauchte nur kurz unter und entging der Kraft der Woge. Carlos war am intensivsten mit seinen Angriffen, er gönnte sich zwischen seinen Attacken mit seinen nadelspitzen Regentropfen keine Verschnaufpause. Sein Blick war auf Daichi fokussiert und eine maßlose Wut brannte in seinem Herzen, angefacht von der Angst, die ihn erfasst hatte, als das Monster den jungen Priester gepackt hatte. Der Fünfzehnjährige wand sich verzweifelt in der schleimigen Umklammerung, erfüllt von der grausigen Furcht, die einen Menschen überwältigt, der unter sich den Tod gähnen sieht. Der Krake zog ihn bis zu seinem Maul und übelriechender Atem hüllte den Rothaarigen ein wie in eine Wolke. Ihm wurde flau im Magen und alles in seinem Körper verkrampfte sich. Den Spanier durchzuckte ein namenloser Schreck und bevor er noch weiter darüber nachgedacht hatte, war er in das sumpfige Nass gesprungen und schwamm auf den Dämon zu. „Bist du verrückt geworden?!" schrie Lee und wich dabei einer Tentakel aus. „Das Vieh wird dich umbringen!!" „Besser mich als ihn!! Gebt mir Rückendeckung!!" Die vier Hüter blickten einander an und starteten eine ununterbrochene Flut von Angriffen. Der Hagel aus Blitzen, Gestein, Fontänen und würgenden Pflanzenschlingen hinderte das Ungeheuer daran, sein auserwähltes Opfer zu fressen, während Carlos immer näher kam. Er kletterte auf einen Felsen, der aus dem Wasser ragte und erschuf ein Schwert in seiner Hand. Dann stürzte er sich mit einem Schrei auf die Bestie und trieb die Klinge mit einem mächtigen Schlag in den widerwärtigen Schädel. Die Kreatur brüllte und schleuderte den Zaubermeister in einer Reflexbewegung ans Ufer, wo er von dem Amerikaner aufgefangen wurde. In seinem Todeskampf riss der Dämon den Schwarzhaarigen mit sich, denn einer der Greifarme wickelte sich um seinen Brustkasten. „Lass mich los, du wandelnder Alptraum! Ich...." Der Rest seines Protestes wurde von den Fluten verschluckt, die über ihm zusammenschlugen und der schwere sterbende Körper zog ihn erbarmungslos in die Tiefe. „CARLOS!!!" Daichi machte Anstalten, ihm zu folgen und nur der Geistesgegenwart und raschen Reaktion des Chinesen war es zu verdanken, dass er dem anderen nicht nachstürzte. Eiserne Muskelkraft hielt ihn zurück, aber der Schüler von Diomedes bäumte sich gegen diese Hände auf und trat um sich; Tränen hingen in seinen Wimpern. „Lass mich, verdammt!! Lass mich!!! Ich muss ihn retten!! Er darf nicht sterben!!" „Er wird nicht sterben!" widersprach der Hüter von Poseidon entschieden. Er trat nach vorne, konzentrierte sich auf seine Magie und ließ das Wasser in zwei flüssigen Mauern nach oben schießen, sodass der Grund sichtbar wurde. Das Ungeheuer war bereits verschieden und der Spanier lag bewusstlos neben dem besiegten Gegner. Romero lief zu seinem jungen Landsmann hinüber und trug ihn ans Ufer. Das Wasser fiel wieder in sich zusammen. „Oh....!" stieß der Rothaarige erleichtert hervor, aber der regungslose Zustand des Neunzehnjährigen ängstigte ihn. Er kniete sich neben ihn und strich ihm eine der nassen Strähnen aus der Stirn, bevor er sich nach unten neigte und mit der Mund-zu-Mund-Beatmung begann. Nach einer Weile keuchte der Ältere auf und hustete stark. Seine Lungen füllten sich mit dem dringend benötigten Sauerstoff und er lächelte matt, als er das über ihm schwebende Antlitz erkannt hatte. „Daichi....dir geht es gut....was bin ich froh...." „Du blöder Idiot!! Was hast du dir bloß dabei gedacht?! Wie konntest du nur so eine bescheuerte Nummer abziehen?! Du hättest tot sein können, kapierst du das nicht!?!" Nun weinte er wirklich. Die Tränen malten silberne Spuren auf seine gebräunte Haut und gedämpfte Schluchzer entflohen seiner Kehle. „Idiot...." wiederholte er schwach, als zwei Arme sich um seinen Nacken legten und ihn an die muskulöse Brust zogen, die der Ausschnitt der Wächteruniform entblößte. „Was hätte ich sonst tun sollen, du dummer Kerl? Ich konnte doch nicht mit ansehen, wie dieses Monster dich tötet. Ich hätte es mir nie verziehen. Weißt du denn gar nicht, wie gern ich dich habe?" Der Jüngere errötete und Rick konnte sich ein Grinsen nicht verbeißen. Schmunzelnd erklärte er: „Weißt du, Carlos, er hätte es fertiggebracht, dir hinterher zu springen. Lee konnte ihn gerade noch aufhalten." „Ist das wahr? Du wärest mir nachgeschwommen?" „Natürlich." flüsterte Daichi kaum hörbar. „Als du mit diesem Biest untergegangen bist und die Tentakel um dich geschlungen war....Ich wusste, du würdest dich nur mit Mühe befreien können, wenn überhaupt....Für einen Moment glaubte ich, das wäre dein Ende. Und dieser Gedanke war so....so entsetzlich....!" Der Spanier küsste ihn sanft auf die Schläfe und streichelte ihm tröstend über den Rücken. „Sei nicht mehr traurig....Es ist alles in Ordnung. Ich bin nicht einmal verletzt. Weine nicht." Ihre Augen versanken ineinander und die von Gefühlen geschwängerte Atmosphäre zwischen ihnen verdichtete sich. Es war, als wären sie ihren Kameraden entrückt, unerreichbar fern auf einer anderen Ebene. Keiner von beiden unterbrach den intensiven Blickkontakt, die Bäume um sie herum hätten niederbrennen können, sie hätten es nicht bemerkt....bis Lees sarkastische Stimme ertönte: „Kommt in die Gänge, ihr Turteltäubchen! Die Zeit läuft uns davon!!" „Hä? Ach ja!!" „Sag mal....mische ich mich vielleicht ein, wenn du Raul anhimmelst?" erkundigte sich Carlos ein wenig angesäuert, doch der Hüter von Galeon achtete nicht darauf. Er wandte sich Mystel zu, der sich vernehmlich räusperte. In einer seiner typischen Gesten von lässiger Eleganz, die allein ihm eigen war, wies er in eine bestimmte Richtung. „Ich habe den Verlauf der Grenze entdeckt. Die alten Markierungen sind noch da. Lasst uns aufbrechen." Die weitere Reise der Wächter verlief ohne Zwischenfälle. Nachdem sie den Sumpf von Lacrima hinter sich gelassen hatten, lernten sie eine neue Seite der regenerierten Dimension kennen: sattgrüne blühende Wiesen, klare Flüsse und Bäche, singende Vögel und gaukelnde Schmetterlinge. So musste Eden einst gewesen sein, bevor der Krieg begonnen hatte. Zwar hatte es auch damals eher lebensfeindliche Gebiete gegeben, zum Beispiel eine Wüste in Pyrodes, aber die Naturbedingungen der Königreiche hingen von dem zugrundeliegenden Element ab. Die einzelnen Ökosysteme hatten in einem perfekten Gleichgewicht existiert, bis es von Hades vernichtet worden war. Endlich waren sie am Knotenpunkt der vier Länder angelangt und vor ihnen erhob sich ein majestätischer Baum von gigantischen Ausmaßen, der nicht von ungefähr an die Mammutbäume auf der Erde erinnerte. Seine ausladende Krone entfaltete sich über ihnen wie ein Dach und an seinen Zweigen hingen eiförmige weiße Früchte. „Das müssen die Eier sein, aus denen die Geschöpfe von Eden schlüpfen. Wie schön....er hat seine Gabe, Leben zu spenden, also tatsächlich zurückgewonnen." sagte Rick zufrieden. „Ja, glücklicherweise. Nun...." Der goldhaarige Ägypter verneigte sich respektvoll und fuhr fort: „Ehrenwerter Schutzgeist, ich, Leviathan, der Hüter von Poseidon, bitte Euch demütig um Euer Erscheinen. Wir sind gekommen, um einige Blätter des Heiligen Baumes zu pflücken." „Stimmt", warf Romero perplex ein, „....das ist mir noch gar nicht aufgefallen. Die Zweige sind viel zu hoch oben. Da kommen wir überhaupt nicht ran." **Ärgert euch nicht. Es ist an mir, die Blätter zu pflücken, nicht an euch.** Außer Mystel waren die Mitglieder der Expedition sichtlich verwundert, als ihnen eine melodiöse Stimme antwortete. Sie hatte einen nicht klar zu definierenden Klang und schien weder eindeutig männlich noch eindeutig weiblich zu sein. Vor ihnen materialisierte sich die Gestalt eines androgynen Wesens mit silberweißen wallenden Haaren, die bis zu seinen Füßen reichten, auch wenn man diese aufgrund des langen Gewands nicht sah. Sanfte silberne Augen ruhten auf den Männern und sie/er bedachte jeden von ihnen mit einem huldvollen Blick. **Leviathan....wie lange ist es her, dass mich ein Wächter der Vergangenen Ära gerufen hat. Ich bin dankbar und glücklich, dich wiedersehen zu dürfen. Warum erbittest du dir Blätter von meinem Körper?** „Ich habe von ihr....ihm....davon gehört", wisperte Daichi, als wage er es nicht, lauter zu sprechen als unbedingt nötig. „Das ist Vita, die Seele des Heiligen Baumes und dessen Beschützer....Beschützerin....was immer. Er/sie bewacht den Schnittpunkt der vier Grenzen, die sich hier treffen und schirmt den Baum vor schädlichen Einflüssen ab." **Das ist wahr, junger Hohepriester. Aber das Schwarze Gift von Hades war so stark, dass meine Barrieren beinahe versagten. Deshalb brauchte auch ich meine Zeit, um zu genesen. Erst vor zehn Jahren war ich wieder in der Lage dazu, Eier zu schaffen, in denen das Leben pulsierte. Alle meine vorherigen Bemühungen blieben erfolglos.** „Vita, wir möchten Euch um ein paar Eurer Blätter bitten, weil ihre heilende Wirkung einen der unseren retten kann. Er liegt im Sterben und wenn er den Trank nicht bekommt, werden wir ihn verlieren." **Das darf nicht geschehen! Wer ist es?** „Boreas, der Wächter von Falborg." **Boreas?! Der Berater des Prinzen Seiryuu? Im Namen der Schutzgötter, wie hat das nur passieren können? Ich kenne ihn gut. Wie stolz er war, als er mir erstmals begegnete und er mit seinem Geschöpf verbunden wurde....er war damals ein Knabe von dreizehn Jahren, fröhlich und vergnügt, mit einem tapferen Charakter. Ich werde euch gerne die Blätter überlassen.** Er/sie erschuf eine Lichtkugel zwischen seinen/ihren Händen und an den Zweigen lösten sich sieben Blätter in glitzernde Funken auf, nur um innerhalb der Kugel wieder ihre ursprüngliche Form anzunehmen. Die Kugel verwandelte sich in ein Gefäß, das Vita sorgfältig verschloss. Es schwebte langsam auf Mystel zu und dieser ergriff es ehrfürchtig. „Ich danke Euch von ganzem Herzen. Ihr erweist uns damit einen großen Dienst." **Ich helfe euch gern. Ich bin seit Jahrtausenden ein Teil von Eden und sofern es mir möglich war, habe ich stets versucht, die Wächter zu unterstützen. Euer Kampf mag noch nicht beendet sein, aber ich vertraue darauf, dass ihr siegen werdet. Lebt wohl, Hüter.** Er/sie verschwand in einem taghellen Leuchten. Der Fünfzehnjährige schwang seinen Schamanenstab im Kreis, bis er ihn schließlich in die Erde stieß und befahl: „Ruft eure Elemente an! Wir kehren zurück nach Tokyo!" Mr. Dickenson empfing die Reisenden mit innig empfundener Freude und Erleichterung. Mit einer Verbeugung nahm er das Gefäß entgegen und geleitete die Gruppe in sein Hotelzimmer. Er kleidete sich in seine Priesterrobe und beschrieb mit seinem Stab ein magisches Symbol auf dem Teppichboden. Jeder einzelne Strich glühte in intensivem Rot. Als er das Gefäß, das einem Kelch mit einem gewölbten Deckel ähnelte, in das Zentrum des Zeichens stellte, sprang es plötzlich auf und Feuerzungen hüllten es ein. Der alte Herr murmelte Beschwörungsformeln, von denen Daichi als sein Schüler nur ein paar kannte, und weißer Rauch stieg aus dem Kelch, je eindringlicher seine Worte wurden. Er verstummte nach fünf Minuten und das Symbol zu seinen Füßen erlosch. Lächelnd hob er das Gefäß hoch, dem nun ein verlockender Duft entströmte und rief: „Es ist vollbracht! Der Heiltrank ist fertig! Ich werde mich sofort zu Bryan ins Krankenhaus teleportieren, um ihm die Flüssigkeit einzuflößen." „Das war‘s? Nur ein bisschen Hokuspokus?" „Was hast du denn erwartet, Lee? Einen Kochkessel, düstere Zaubersprüche, ein paar Kröten und Eidechsen als Zutaten? Ich bin Zaubermeister und kein Märchenhexer!" „Na ja, hätte ja sein können....muss Bryan alles trinken?" „Nein, das wird nicht nötig sein. Ich denke, auch Miguel und Ray können ein, zwei Schlucke zu sich nehmen, damit ihre Verletzungen gesunden. Daichi, du begleitest mich." Der Rothaarige nickte und wenig später befanden sie sich in dem Krankenzimmer, in dem der Russe lag. Beide Magier schwiegen in gemeinsamer Bestürzung, als sie ihn sahen, umgeben von Schläuchen, Maschinen und Monitoren. Seine Wunde war genäht worden, aber unter normalen Umständen wäre er wohl auf dem Operationstisch verstorben oder würde für den Rest seines Lebens vor sich hin vegetieren müssen, angeschlossen an Geräte. Ihn hatte nur eines bisher gerettet: Die Tatsache, dass er zur Hälfte Wächterblut in den Adern hatte, das ihm eine Widerstandskraft verlieh, über die normale Menschen nicht verfügten. Aber auch dieses Erbe konnte nicht ewig gegen den schleichenden Tod in seinem Körper ankommen. Mr. Dickenson setzte ihm den Kelch an die Lippen und flößte ihm den Trank geduldig ein. Bryan war mehr oder weniger bei Bewusstsein, auch wenn er nicht wirklich begriff, was vorging. So schluckte er automatisch und schon bald breitete sich in seinem Organismus eine wunderbare Wärme aus. „Sehr gut. Nun zu Ray und Miguel. Falls noch etwas von dem Trank übrigbleiben sollte, werde ich ihn in eine Karaffe umgießen und sie aufbewahren. Ich bin unendlich froh, dass eurer Mission Erfolg beschieden war. Lass uns hoffen, dass auch die Befreiungsaktion in der Unterwelt gut endet." „Meister....glaubt Ihr, dass Iras....Suzaku angreifen wird?" „Ja, davon bin ich sogar überzeugt. Und ich prophezeie dir, dass Suzaku diesen Kampf verlieren wird, wenn das Herz des Ritters ungerührt bleibt." „Was?! Aber das ist ja furchtbar! Und da könnt Ihr noch auf ein gutes Ende hoffen?!" „Ich sagte: Wenn das Herz des Ritters ungerührt bleibt." „Aber das ist es doch gerade - er hasst Suzaku!" „Hasst er Kai?" „Wie? Nun, nein, das nicht....aber macht das einen Unterschied?" „Ja, mein Junge. Das macht einen Unterschied....für Tala!" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)