20 Jahre später von Weissquell (Die nächste Generation) ================================================================================ Kapitel 7: Lass uns spielen! ---------------------------- Nach dem Unterricht ist die Mensa gerammelt voll. Schüler aus allen Klassen sind erschienen um dieser ungewöhnlichen Herausforderung beizuwohnen. Auch Keiko und Itaru sind dort, von den Kontrahenten fehlt jedoch bisher jede Spur. "Meinst du er kommt wirklich?", raunt Itaru seiner Cousine zu. "Bestimmt!", gibt sie zurück, "Feige ist Yami noch nie gewesen und immerhin war das Ganze ja seine Idee." In diesem Moment entdecken sie ihren Freund der sich gerade einen Weg durch die Menge bahnt. Ein erfreutes Lächeln steht ihm im Gesicht. "Da seid ihr ja!", meint er erleichtert, "Ich war mir nicht sicher, ob ihr auch kommen würdet." "Aber natürlich sind wir gekommen!", ruft Itaru, "Du hast doch wohl nicht etwa gedacht, dass wir dich hängen lassen, oder?" "Na ja", meint Yami während er verlegen die Zeigefinger zusammen tippt, "Ich dachte nur... Wenn ich verliere wird Emura mit euch das selbe anstellen wie mit mir und während ich unterwegs war dachte ich daran, dass es ziemlich unfair euch gegenüber war, euch in die Sache mit hineinzuziehen. Ich... könnte es verstehen, wenn ihr euch lieber in Sicherheit bringen wollt." Groß starren die beiden ihn an. Doch dann fasst Keiko sich wieder. "Nein Yami! Du hast deinen Kopf riskiert um uns endgültig von diesem Kerl zu befreien. Du bist der Einzige an dieser Schule der je den Mut gehabt hat, ihm die Stirn zu bieten. Ich weiß, dass du ihn schlagen kannst. Wir vertrauen dir, du schaffst das! Und selbst wenn nicht. Wir werden trotzdem zu dir halten, egal was er mit uns anstellt. Wir werden dich auf keinen Fall im Stich lassen!" "Ja genau!", fügt auch Itaru hinzu, "Zeig diesem Scheißkerl wo der Hammer hängt! Du kannst ihn schlagen, wir stehen völlig hinter dir, verlass dich drauf!" Mit einem dankbaren Lächeln blickt Yami seine Freunde an: "Danke Leute! Das bedeutet mir unheimlich viel! Ich werde ihn besiegen, ich verspreche es!" In diesem Moment geht ein Raunen durch die Menge und dort wo sie sich teilt erscheinen plötzlich Emura und seine Kumpels. "Es geht los!", murmelt Yami und tritt vor. "Also schön, hier bin ich!", meint Emura lautstark, "Was für eine Art Spiel soll das nun werden?" Yami atmet ein letztes Mal tief durch, dann tritt er seinem Kontrahenten entgegen. "Dieses Spiel wird dir gefallen!", meint er, "Du legst doch so viel Wert auf Schnelligkeit und Reflexe. Nun kannst du ja mal beweisen wie es damit bei dir bestellt ist." "Spann mich nicht länger auf die Folter. Ich hab heute noch mehr zu tun. Ich muss noch ein paar Nasen verbeulen, wenn du verstehst was ich meine." "Also schön!", beginnt Yami zu erklären, "Wir werden an diesem Tisch dort spielen." Er zeigt auf einen viereckigen Mensatisch. "Ich habe uns eine ganze Menge Bierdeckel, also Bierglasuntersetzer besorgt. Wir legen diese Bierdeckel abwechselnd auf die Tischkante. Dann werden sie mit dem Handrücken hochgeschnippt und aufgefangen." Verächtlich schaut Emura auf ihn herab: "Das Spiel ist mir bekannt. Und weiter?" "Nicht so hastig!", meint Yami ruhig, "Jedes Mal wenn wir es geschafft haben, wird in der nächsten Runde ein weiterer Bierdeckel draufgelegt. Wer die meisten Bierdeckel gleichzeitig auffangen kann, hat gewonnen. Wer die Deckel fallen lässt hat verloren!" Emuras Augen werden schmal. Yami fixiert ihn mit einem schiefen Blick: "Das sollte für jemanden mit deinen Reflexen und deiner Schnelligkeit ja wohl kein größeres Problem sein, oder?" "Lass deine dummen Witze! Fangen wir an!" "Wie du willst. Das Spiel beginnt!" Die beiden nehmen an den gegenüberliegenden Seiten des Tisches Platz. "Ach, noch was", fügt Yami noch hinzu, "Schummeln ist selbstverständlich verboten. Wer den anderen behindert, verliert automatisch!" "Pah, um dich zu schlagen, muss ich gar nicht schummeln!", grollt Emura, "Dich erledige ich auch so!" "Dann zeig was du kannst! Du darfst auch anfangen!" "Worauf du dich verlassen kannst!" Vorsichtig legt Emura einen Bierdeckel auf die Tischkante und schnippt ihn hoch. Lässig fängt er ihn auf. "Sehr gut!", meint Yami, "Nun bin ich dran!" Auch er postiert einen Bierdeckel auf der Tischkante um ihn anschließend hoch zu schnippen und souverän aufzufangen. Emuras Gesicht verfinstert sich. Er legt einen zweiten Bierdeckel über den ersten und schnippt beide hoch. Auch diese fängt er mit Leichtigkeit. Doch zu seinem Ärger macht Yami es ihm sogleich nach. Das Ganze wiederholt sich immer wieder. Bis sie beim fünften Deckel angelangt sind. Der Ärger der in Emura aufsteigt wird immer größer. Wie kann dieser kleine Angeber es wagen ihn hier vor den anderen vorzuführen? Und dann noch dieses selbstgefällige Grinsen in seinem Gesicht. Na, dem wird er es zeigen! "Das Ganze wird mir hier zu langweilig!", meint er, "Ich denke wir sollten das Tempo etwas anziehen! Du hast doch sicher nichts dagegen, wenn ich es gleich mit sieben Deckeln versuche, oder?" Gehässig grinst er Yami an. Doch dieser erwidert seinen Blick noch genau so selbstsicher wie bisher. "Nicht die Spur! Tu dir nur keinen Zwang an!" Zunächst starrt Emura ihn nur ungläubig an. Dann wird seine Miene wieder ernst. Verstimmt legt er sieben Bierdeckel übereinander. Ein Raunen geht durch die Umstehenden. Alle Augen sind nun auf ihn gerichtet. Unbehaglich läuft es Emura den Rücken herunter. Er darf diese sieben Dinger einfach nicht fallen lassen! Was wäre das für eine Blamage! Seine Hand zittert leicht. Doch dann fasst er sich wieder und mit einem geschickten Schnappen hat er auch diese Bierdeckel gefangen. Erleichtert lacht er auf. "Gar nicht schlecht!", meint Yami, "Du musst ja wirklich gute Nerven haben. Besonders in einer Situation wo so viele Leute zusehen! Aber nun bin ich dran. Ich glaube wir sollten die Sache wirklich etwas beschleunigen. Ich werde es mal mit zehn Deckeln versuchen." Emura reißt die Augen auf! "Das kann nicht dein Ernst sein!", ruft er aus. Schief schaut Yami ihn an: "Was ist denn? Du wirst doch jetzt nicht etwa nervös werden, oder? Immerhin bin ich es, der das versuchen will. Entspann dich! Wenn du dieses Spiel gewinnen willst, musst du dich konzentrieren können." Behutsam legt er die Bierdeckel auf die Kante. Dann atmet er einmal ruhig durch, schnippt die Deckel hoch und mit einer raschen Bewegung hat er sie auch schon gefangen. "Du bist dran!", sagt er. Unbehaglich schaut Emura sich um. Alle Augen sind nun auf ihn gerichtet. Verflixt, wenn er im Rennen bleiben will, muss er auch zehn Deckel bringen. Aber das würde bedeuten, dass er gerade mal mit Yami gleichzieht. Was werden die anderen denken, wenn er sich nicht wenigstens traut einen draufzulegen? Sie werden denken, er hätte Angst vor diesem kleinen Klugscheißer. Nein, diese Blöße darf er sich nicht geben! "Ich werde es mit elf versuchen!", sagt er, doch man merkt ihm deutlich an wie angespannt er ist. "Mehr nicht?", kommt die gelassene Antwort von Yami, "Ich hätte gedacht, dass du es mindestens mit dreizehn versuchst!" "Spar dir deine dummen Kommentare!", wettert Emura los, "Wenn ich dreizehn schaffe, musst du das auch versuchen. Also hoffe lieber, dass ich weniger nehme. Das wäre besser für dich!" Skeptisch schaut Yami ihn an. "Was regst du dich so auf? Es steht dir doch völlig frei elf zu nehmen. Es ist doch keine Schande, wenn man erst mal etwas vorsichtiger ist. Ich dachte doch nur, weil du doch sonst immer so ein toller und starker Kerl bist dem niemand das Wasser reichen könnte. Aber natürlich darfst du auch erst mal elf probieren." Emuras Gesicht ist grimmig. Er beißt die Zähne zusammen. Dieser miese, kleine Dreckskerl. Er versucht doch wirklich ihn hier vor allen anderen lächerlich zu machen. Aber das wird er ihm büßen. Ihm wird er es zeigen! "Das könnte dir so passen! Ich werde dreizehn nehmen!" Ein aufgeregtes Raunen geht durch die Menge. Emura blickt sich hastig um. Ihm ist inzwischen mehr als unbehaglich in seiner Haut. All diese neugierigen Augen hinter ihm und um ihm machen ihn ganz nervös. Auf keinen Fall darf er vor all diesen Leuten gegen diesen Winzling verlieren. Sein Ruf wäre völlig ruiniert. Aber genau so wenig darf er sich weiter so von diesem Kerl vorführen lassen. Der Blick den er Yami zuwirft ist tödlich. Dieser kleine Bastard! Wie kann er nur noch immer so selbstgerecht dort drüben sitzen? Ihm scheint das Ganze kein bisschen auszumachen. Wie kann das sein? Dieser überlegene Blick den er ihm zuwirft und dieses wissende Grinsen. Oh wie gerne würde er ihm jetzt dieses Grinsen aus dem Gesicht wischen, aber erst mal muss er diese dreizehn Bierdeckel auffangen. Mit zitternden Fingern legt er den Stapel auf die Tischkante. Dabei kommt er einmal bedenklich ins Kippen, doch er kann die Position gerade noch korrigieren. Emura läuft es eiskalt den Rücken herunter. Das ging gerade noch mal gut. Und das Schlimmste ist, auch die Umstehenden haben es bemerkt. Ein Raunen geht durch die Menge und hat eifriges Getuschel zur Folge. Dem Flurdienst tritt der Schweiß auf die Stirn. Können diese Idioten nicht einfach still sein, oder am besten ganz verschwinden? Mit zitternden Fingern nähert er sich dem Kartenstapel. Eine falsche Bewegung und das ganze Ding wird herunterfallen. Auch Yami ist das nicht entgangen. "Was ist den los, Emura? Verlierst du jetzt doch die Nerven? Wenn du diese Bierdeckel fangen willst, solltest du dich erst mal wieder beruhigen. Wenn du dich nicht konzentrieren kannst, wirst du es nie schaffen." "Halt deine Klappe!", schnauzt Emura zurück, "Es reicht schon, dass diese anderen ganzen Nieten mir so penetrant über die Schulter gucken. Da musst du nicht auch noch deine dummen Kommentare abgeben." Ernst schaut Yami ihn an: "Weißt du was ich glaube? Ich glaube, dass du einfach Angst hast! Du bist im Grunde nichts weiter als ein riesiger Feigling, der sich hinter seiner Flurdienstbinde versteckt. Und heute kann das jeder hier sehen!" "Was? Ich und Angst?", gibt Emura erbost zurück, "Mach dich doch nicht lächerlich!" "Es ist mein Ernst!", meint Yami ohne ihn aus den Augen zu lassen, "Du bist ein riesiger Feigling, der sich gerne an Schwächeren vergreift. Du versuchst dir mit Gewalt Respekt zu verschaffen, aber heute siehst du was dir das eingebracht hat." "Was meinst du damit?", will Emura wissen. "Ganz einfach!", erklärt Yami, "Ich werde dir sagen, warum dich diese ganzen Leute so nervös machen. Weil du nämlich im Grunde ganz genau weißt, dass sie sich wünschen, dass du verlierst! Sie wollen dich ein für alle Mal los werden und deshalb können sie es gar nicht abwarten, dass du versagst. Du hast deine Mitmenschen immer wie Dreck behandelt. Kein Wunder, dass sie alle hergekommen sind um deiner Niederlage beizuwohnen. Du hast an dieser Schule keinen einzigen Freund. Du bist alleine und bisher warst du sogar stolz darauf. Doch wenn du heute gegen einen kleinen, unscheinbaren Kerl wie mich verlierst, wirst du in ihren Augen auch noch das letzte bisschen Respekt verloren haben. Und das weißt du. Und weil du davor so schreckliche Angst hast, kannst du dich auch nicht konzentrieren und deshalb wirst du bei diesem Spiel niemals gewinnen können. Du hast keine Chance!" Ungläubig und fassungslos starrt Emura Yami an. Seine Worte haben sich tief in sein Bewusstsein eingeschnitten. Der Kleine hat recht! Er hat sogar vollkommen recht. Die Blicke der anderen bohren sich schmerzlich in seinen Rücken. Nein, das hält er einfach nicht länger aus. Er muss hier weg! Aber erst muss er noch die dreizehn Bierdeckel auffangen. Wieder nähert sich seine Hand dem Stapel. Er schwitzt. Sein Herz klopft bis zum Hals. Das Gemurmel hinter ihm schwillt zu einem Orkan an. Seine Hand beginnt stärker zu zittern. So kann er die Deckel unmöglich auffangen. Aber er muss! Er kann nicht verlieren! Er darf nicht verlieren! Nicht gegen diesen kleinen Winzling! Er wird nicht verlieren! Schon nähert sich seine Hand dem Stapel. Mit einer hastigen Bewegung schnippt er sie hoch. Doch kaum hat er sie berührt, ist ihm auch schon klar, dass der Stoß viel zu heftig war. Das Zittern hat seinen Stoß verstärkt und sämtliche Bierdeckel fliegen wild durcheinander durch die Luft. Wie in Zeitlupe sieht er sie fallen und das Auftreffen auf dem Boden kommt ihm wie Donnerschläge vor. Doch viel größer noch ist der Jubel, der nun um ihn herum ausbricht. Sämtliche Anwesenden, die gespannt die Luft angehalten haben, schreien ihre Begeisterungsrufe heraus. Keiko fällt Yami um den Hals: "Du hast gewonnen! Ich wusste, dass du es schaffst!" Auch Itaru schlägt seinem Kumpel freudig auf den Rücken: "Echt stark, Kumpel! Du hast ihn wirklich besiegt. Du hast wirklich ganze Arbeit geleistet!" Zufrieden schaut Yami zu seinen Freunden hoch. Man kann ihm deutlich ansehen wie erleichtert er ist. Von allen Seiten ruft man ihm jetzt lobende und anerkennende Worte zu. Die ganze Mensa ist in Aufregung. Wie erstarrt steht Emura da. Er hat verloren! Gegen diesen Kerl! Das kann doch gar nicht sein! Von allen Seiten her wird er nun ausgelacht. Nicht ein freundliches Wort erreicht ihn. Viele schauen ihn nur missgünstig, verächtlich und abwertend an. Langsam steigt der Ärger in ihm hoch. Schließlich hält er es nicht mehr aus. "Du mieser kleiner Betrüger!", schreit er Yami an, "Wie hast du das angestellt, sag schon! Wie konnte ich gegen einen wie dich verlieren? Das geht nicht mit rechten Dingen zu. Ich habe weit mehr Mumm als du jemals haben wirst. Aber du hast mich hier vor allen Leuten wie einen blutigen Anfänger vorgeführt. Du musst von vornherein gewusst haben, dass du gewinnst, wie konntest du sonst die ganze Zeit so ruhig bleiben? Du musst irgendwie betrogen haben, und ich will jetzt auf der Stelle wissen wie!" Von allen Seiten treffen Emura nun ärgerliche Blicke, doch das ist ihm egal. Wütend baut er sich vor Yami auf. Doch der dreht sich nun zu ihm um und schaut ihm direkt ins Gesicht. "Emura, ich habe nicht betrogen! Aber warum ich so ruhig bleiben konnte, während du immer nervöser geworden bist, wirst du niemals verstehen können. Im Gegensatz zu dir habe ich nämlich Freunde die zu mir halten, egal was kommt. Sie haben mir vertraut. Sie standen die ganze Zeit hinter mir. Sie waren überzeugt, dass ich es schaffen würde und das hat mir Ruhe gegeben. Ich kann mich hundertprozentig auf sie verlassen, weil sie mir vertraut haben." "Du hast nur für dich und deinen Stolz gekämpft, ich hingegen um meine Freunde zu beschützen. Du dachtest, du müsstest auf jeden Fall allen beweisen wie toll du bist, deshalb war der Leistungsdruck bei dir so groß. Von mir glaubte man nicht wirklich, dass ich es schaffen könnte, deshalb gab es für mich nur etwas zu gewinnen und nichts zu verlieren." "Aber das Wichtigste ist: Selbst wenn ich verloren hätte, hätten meine Freunde noch zu mir gestanden. Ganz gleich wie es ausgegangen wäre, ich kann mich immer auf sie verlassen und deshalb konnte ich völlig entspannt an die Sache herangehen, im Gegensatz zu dir. Du bist das Opfer deiner eigenen Überheblichkeit und Angst und nun benimm dich wie ein Mann und sieh es ein!" Sprachlos starrt Emura Yami an. Alle Farbe ist aus seinem Gesicht gewichen. Ein paar mal schnappt er nach Luft, doch dann dreht er sich um und läuft fast panisch davon, während ihm mehrere schadenfrohe und ärgerliche Rufe hinterher hallen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)